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KAPITEL 4

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Savior schlug vor dem Clubhaus die Tür des Autos hinter sich zu. Wütend ging er hinein, schnappte sich eine Flasche Gin aus dem Regal hinter der Bar und stampfte weiter in sein Büro, ohne jemandem Beachtung zu schenken. Er hatte sich gerade auf seine Couch gesetzt, als auch schon Thug hereinplatzte.

»Hier hat man auch wirklich nie seine Ruhe«, brummte er und führte die geöffnete Flasche an die Lippen.

Thug zog sich einen Stuhl heran, setzte sich und legte den rechten Knöchel auf das linke Knie, die Arme vor der Brust verschränkt. »Du bist verärgert?!«

Savior stieß ein Schnauben aus. »Woran hast du das denn gemerkt, Sherlock?«

»Was ist passiert?«, überging sein Vize den bissigen Kommentar.

»Der neue Boss der Raiders ist hinter Abby her. Ich habe einen von ihnen angeschossen, als sie in das Haus gekommen sind und sie holen wollten.«

Der Vize rieb sich über das Kinn. »Das ist … scheiße. Was machen wir jetzt?«

»Ganz ehrlich? Ich habe keinen blassen Schimmer. Die Lage zwischen uns und den Raiders ist auch ohne das Mädel schon angespannt genug.« Savior setzte die Flasche erneut an den Mund.

»Und jetzt hast du einen von ihnen angeschossen.«

»Und jetzt habe ich einen von ihnen angeschossen«, wiederholte Savior leise.

»Werden wir das Mädchen an die Raiders übergeben?«, wollte Thug wissen und nahm ihm die Flasche aus der Hand, um selbst einen Schluck zu nehmen.

Savior warf ihm einen irritierten Blick zu. »Natürlich nicht. Was denkst du denn von mir? Wenn ich das gewollt hätte, hätte ich mir die Patrone gespart und sie den Idioten vorhin freiwillig überlassen.«

Thug grinste wissend. »Wollte nur auf Nummer Sicher gehen, Boss. Wäre deine Antwort anders ausgefallen, hätte ich dich verprügeln müssen.«

Savior legte den Kopf auf die Lehne und schloss die Augen. »Die Raiders waren unter Sid schon richtige Wichser, aber jetzt? Wir können die Lage gar nicht mehr einschätzen, weil uns die Info fehlt, wer der neue Mann an der Spitze ist. Das Ganze wird nicht ohne Blutvergießen vonstattengehen.«

»Die Befürchtung habe ich auch. Setzen wir Cutter drauf an, der kommt doch immer an alle Infos. Wo ist Abby jetzt eigentlich?«

Savior zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Das dumme Mädchen wollte tatsächlich zurück und ihr Zuhause verteidigen. Ich weiß nicht, ob ich sie für ihren Mut bewundern oder übers Knie legen soll.«

Thug schnalzte mit der Zunge. »Willst du mir jetzt sagen, dass du sie allein gelassen hast, nachdem sie mit ansehen musste, wie du jemanden angeschossen hast? Ehrlich, Savior, das ist keine nette Art. Sie ist bei fremden Menschen, ihr Dad ist verschwunden und ihre gesamte kleine heile Welt ist auseinandergebrochen.«

»Bist du jetzt unter die Scheißtherapeuten gegangen oder was? Dann geh doch nach ihr sehen, wenn es dir so wichtig ist.«

Thug stand auf und lächelte auf Savior herunter. »Genau das werde ich jetzt auch machen, Arschloch. Die Kleine ist heiß und bisher ziemlich nett, vielleicht springt sogar noch was bei raus.«

Savior presste die Lippen fest aufeinander. Das war eher kontraproduktiv gelaufen. Eigentlich passte es ihm gar nicht, dass sein bester Freund jetzt nach Schneewittchen sah. Natürlich könnte er ihm folgen. Sich selbst davon überzeugen, dass es ihr gut ging. Dazwischenfunken, sollte Thug der Kleinen an die Wäsche wollen.

Dann schüttelte er energisch den Kopf. Er war doch kein weichgespülter Kerl, der nach Gefühlen fragte und sich als feinfühliger Gesprächspartner anbot. Das sollten mal schön die anderen machen. Savior jedenfalls würde sich nicht zum Gespött machen. Außerdem war es ihm auch total gleichgültig, ob sie hier mit den Männern vögelte. Er war doch kein Babysitter. Und wenn sie am Ende ein gebrochenes Herz hatte, kümmerte ihn das auch nicht. Schließlich hatte er sie ausdrücklich gewarnt.

Erneut setzte er die Flasche an den Mund. Gin war auch kein Heilmittel mehr für seine widersprüchlichen Gedankengänge. War jedoch nicht weiter schlimm. Mittlerweile hatte er ein Level erreicht, an dem er sich einreden konnte, es läge am Gin, dass er diese komischen Gedanken hatte.

Er seufzte und legte sich auf die Couch. Er brauchte dringend eine Mütze voll Schlaf. Danach sah alles anders aus.

Es klopfte an seiner Tür. Irgendwann drehte er noch durch.

»Was ist?«, rief er wütend und setzte sich auf.

Es überraschte ihn, wer eintrat.


Abby starrte Savior hinterher, der gar nicht schnell genug von ihr wegkommen konnte. Was für ein blödes Arschgesicht. Kurz spielte sie mit dem Gedanken, einfach in ihr Auto zu steigen und zurück nach Hause zu fahren. Sie verwarf ihn wieder. Bei den Sinners war sie fürs Erste in Sicherheit. Zumindest solange bis Savior beschloss, sie doch noch zu erwürgen. Allem Anschein nach hing seine Geduld an einem kurzen, dünnen Faden.

Sie brauchte Ablenkung. Das Orgien-Zimmer war nicht mehr so voll wie früher am Abend. Cutter und Dom, das Narbengesicht, standen an der Bar, jeweils ein Mädel an der Seite, und winkten Abby zu sich heran. Das war besser als alleine in ihrem Zimmer zu hocken und den betrübenden Gedanken nachzuhängen.

»Was hast du mit dem Boss angestellt, Kleine? So wütend habe ich ihn schon lange nicht mehr gesehen«, feixte Dom und musterte sie interessiert.

Abby wusste nicht genau, was sie erzählen durfte, deshalb meinte sie lediglich: »Ich dachte, der ist immer so drauf. Seine Laune macht für mich keinen Unterschied zu vorher.«

Dom lachte, was der Frau in seinem Arm nicht zu gefallen schien. Scheinbar mochte sie es nicht, wenn seine Aufmerksamkeit jemand anderem galt. Diese Revierstreitigkeiten fand Abby jetzt schon lästig. Sie musterte das Mädel in Doms Armen. Die Brünette war schlank, hatte braune Augen und volle rote Lippen. Ihre Nase war schmal und lief spitz zu. Sie sah gut aus, aber das schien auf alle Frauen im Club zuzutreffen.

Die Blonde neben Cutter war ebenfalls attraktiv. Gerade blickte sie herablassend auf etwas hinter Abby und murmelte: »Seit Gina aus Saviors Büro gekommen ist, trägt sie diese sauertöpfische Miene zur Schau.«

Die Brünette nickte zustimmend. »Hat sie auch verdient, die kleine Schlampe. Sie hat mir tatsächlich ein paar Haare herausgerissen, nur weil ich ihn massiert habe.«

»Was macht sie wohl, wenn du mit ihm vögelst?«

Abby wollte dem Gespräch nicht lauschen, aber es war interessant. Cutter und Dom waren in eine Unterhaltung über die verschiedenen Auswirkungen von irgendwelchen Sprengstoffen vertieft. Ihr Vater würde solche Gespräche lieben!

»Mich würde ja eher interessieren, was die Bitch macht, wenn wir beide mit ihm vögeln?« Die Brünette hob gespielt schockiert die Augenbrauen hoch.

Ihre Freundin lachte. »Finden wir es heraus – später.« Sie schmiegte sich an Cutter und prompt wanderte seine Hand unter ihren Minirock.

Aber die Brünette war noch nicht fertig. »Hoffentlich ist er nachher immer noch so mies drauf. Das war der beste Sex meines Lebens, als er wegen irgendwas wütend war. Noch Tage später war ich wund und hatte blaue Flecke.«

Abby verschluckte sich an der Cola, die Dom ihr zwischenzeitlich besorgt hatte.

»Das Trinken üben wir noch mal«, lachte Dom und zwickte der Brünetten in den Hintern, bevor er sie über seine Schulter warf. »Ich habe genau gehört, was du gerade gesagt hast, Sonnenschein. Challenge angenommen.« Er verpasste ihr einen harten Schlag auf den Hintern und stampfte mit ihr in Richtung Treppe.

»Seid ihr hier immer so … freizügig?«, wollte Abby von Cutter wissen. Er sah wirklich gut aus, ein bisschen wie ein kleiner unartiger Junge, der genau wusste, dass ihm alles durchgehen würde. Sein Lächeln wirkte echt und ließ garantiert viele Frauenherzen höherschlagen. Seine hellblauen Augen strahlten Lebensfreude aus. Das machte ihn sympathisch.

Er lächelte verschmitzt. »Das ist doch noch gar nichts, Süße. Du glaubst gar nicht, was wir hier schon alles erlebt und gesehen haben.«

Abby wollte fast widersprechen. Sie hatte nämlich eine ungefähre Ahnung davon, was hier abging, wenn die Leute richtig gut drauf waren.

»Mit der Zeit gewöhnst du dich daran«, sagte Cutter weiter. »Wenn du erst mal ein paar Tage hier bist … wer weiß, vielleicht vergnügen wir zwei uns dann auch vor den Augen der anderen mitten im Raum? Glaub mir, wenn du erst einmal damit angefangen hast, willst du nichts Anderes mehr machen.«

Abby lachte leise. »Das. ..«

»Baby«, schnurrte die Blondine und ließ ihre krallenartigen Fingernägel über Cutters Brust wandern. »Wollten wir zwei nicht ein bisschen Spaß haben? Du kannst ein Mädchen nicht erst so heiß machen und dann nicht beachten.« Sie verzog die Lippen zu einem Schmollmund.

Cutter nickte lächelnd. »Du kannst mir einen blasen, Schatz, und ich unterhalte mich weiter. Was hältst du davon?«

Abby riss erschrocken die Augen auf. »Lass mal, ich muss mir das nicht mit ansehen.«

»Genau«, stimmte die Blondine zu. »Geh weg und lass uns allein.«

»Sei nicht so unhöflich, Snug«, sagte Cutter streng.

»Schon gut.« Abby grinste, auch wenn es ein bisschen aufgesetzt wirkte. »Den Wink hab´ ich verstanden.«

Doch Cutter ließ sich so leicht nicht abwimmeln. »Ist alles gut bei dir?«

»Lass das Mädel in Ruhe und vergnüg dich mit deiner Schnitte.« Thug legte den Arm um Abby und drückte sie an sich.

Cutter schüttelte amüsiert den Kopf und folgte der Blondine zu einem der Sofas. Sofort krabbelte sie auf seinen Schoß und rieb sich an ihm. Seine Hände waren längst unter ihrem Rock verschwunden.

Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Thug zu. »Habt ihr für alle eure Mädels hier irgendwelche Spitznamen?«

Thug grinste dreckig. »Ja. Willst du auch den Grund wissen?«

Abby neigte den Kopf leicht zur Seite. »Bin mir nicht sicher – will ich?«

»Hier im Club gibt es zwei Sorten Frauen. Die Matratzen, auf die jeder steigt, und die Schätze, die zu uns gehören. Während wir der einen Sorte Spitznamen geben, weil wir uns ihre Namen ohnehin nicht merken wollen, wird die andere Sorte Frau in Entscheidungen einbezogen, weil uns ihre Meinung wichtig ist und wir sie respektieren.«

»Keine Ahnung ob ich beeindruckt oder angewidert sein soll.« Sie verschränkte die Arme. Das klang herablassend und sie konnte sich nicht vorstellen, dass keine der Frauen sich durch dieses Verhalten verletzt fühlte.

Thug seufzte. »Sieh mal, Abby«, er betonte ihren Namen und hob bedeutungsvoll die Augenbrauen hoch. »Niemand hier ist unglücklich über die Situation. Die Weiber wissen was sie erwartet. Ein guter Fick, ein Dach über dem Kopf und Schutz. Glaubst du irgendeine interessiert es, ob ich ihren Namen weiß? Nein. Und warum ist das so? Weil sie alle nie lange bleiben. Guck dir BigTits an«, er zeigte in die Richtung der Blondine, die von Savior aus dem Büro gejagt worden war. »Sie arbeitet gleichzeitig in einer unserer Bars, zeigt den Männern ihre operierten Titten, kassiert Kohle und in Ausnahmefällen macht sie auch mehr. Irgendwann im Laufe des Jahres wird sie von der Bildfläche verschwinden, weil sie einen Mann kennenlernt, der ihr mehr als dieses Leben bietet. Und bis dahin ist sie zufrieden mit dem, was sie von uns bekommt.«

Das konnte Abby sogar nachvollziehen. Es änderte aber nichts daran, dass die Art, mit der die Frauen behandelt wurden, abwertend und herablassend war. Es sollte sich bloß keiner trauen, mit ihr so zu reden.

Gerade wollte sie etwas in diese Richtung sagen, als sie die versteinerte Miene von Thug bemerkte. Sie blickte über ihre Schulter und sah eine schwangere Frau das Clubhaus betreten. Diese sah sich kurz um, lächelte die verbliebenen Männer im Raum an. Bis ihr Blick den von Thug traf. Ihr Lächeln verrutschte, bis ihre Miene Ekel widerspiegelte. Nur galt die nicht Thug, sondern Abby.

Wow, sie hatte noch nie einen dermaßen hasserfüllten Blick bekommen.


»Was machst du hier?«, begrüßte Savior seine kleine Schwester, als sie ins Büro trat.

»Darf ich nicht meinen Bruder besuchen? Muss ich immer einen Grund für etwas haben?«, fragte sie schnippisch.

»Für gewöhnlich schon. Also, warum bist du hier? Dazu noch morgens um fünf? Solltest du nicht schlafen und dich ausruhen oder so was in der Art?«

»Du bist ein Arsch.«

»Das habe ich heute irgendwie schon mal gehört«, murmelte er.

Mit gerümpfter Nase sah Cassy sich um. »Hier wohnst du jetzt also?«

»Ja, denn in meinem Haus wohnst du mit dem Lutscher.«

»Sein Name ist Troy und er ist mein Verlobter.« Cassy setzte sich auf den Stuhl, der noch von Thug dort stand. »Außerdem hat dich niemand gezwungen auszuziehen.« Sie spitzte die Lippen. »Anscheinend hat Thug eine neue Dumme gefunden, die auf seine Spielereien hereingefallen ist.«

Savior hob teilnahmslos die Augenbraue. Auf dieses Gespräch würde er sich nicht einlassen.

Cassy seufzte affektiert. »Ich hätte ihm einen besseren Geschmack zugetraut. Er steht doch gar nicht auf Schwarzhaarige mit kleinen Brüsten. Aber ist ja seine Entscheidung.«

Er ließ sich immer noch zu keiner Antwort herab. Redete seine Schwester von Abby? Hatte Thug sie schon herumbekommen? Das war unerwartet. Er hätte Abby nicht für die Sorte Frau gehalten, die schnell ins Bett zu kriegen war. Aber was wusste er schon über sie? Wenn sie nach ihrer Mutter Francine schlug, sollte ihn gar nichts wundern.

»Wie dem auch sei, ich brauche Geld.«

»Wusste ich doch, dass du nicht aus Sehnsucht hergekommen bist.« Savior verschränkte die Arme vor der Brust. »Was ist mit den fünftausend passiert, die ich dir letzte Woche gegeben habe? Geht dein Verlobter nicht arbeiten? Kann der Wichser nicht mal für seine Familie sorgen?«

Auf einmal sah Cassy geknickt aus. Sie ließ die Schultern hängen und ihre Unterlippe zitterte. Jetzt ähnelte sie wieder dem Mädchen, was er großgezogen hatte.

»Kannst du mir nicht einfach das Geld geben, ohne Fragen zu stellen?«

»Das könnte ich …« Savior ging zu seiner Schwester, kniete sich vor sie und blickte ihr in die Augen. »Aber das mache ich nicht, weil mir etwas an dir liegt.«

»Würde dir etwas an mir liegen, würdest du nicht nachbohren und mir einfach das Geld geben.« Ihre Stimme zitterte.

Er wollte schon kleinbeigeben, als Thug und Abby hereinkamen. Sofort verdüsterte sich der Blick von Cassy und sie straffte die Schultern. Bloß keine Schwäche zeigen – offensichtlich hatte sie doch mehr von Savior gelernt als nur das Schießen.

»Lässt du jeden einfach so hereinspazieren?«

»Sie braucht ihre Tasche aus dem Auto«, brummte Thug und deutete mit dem Kinn auf Abby.

Diese schnappte nach Luft. »Na hör mal, ich hab gesagt, dass das Zeit hat und wir die beiden nicht stören sollten.«

»Manchmal ist es besser einfach den Mund zu halten, Süße«, antwortete Thug.

Empört kniff Abby die Augen zusammen.

»Könnt ihr euern Scheiß draußen klären?«, ging Savior dazwischen, warf Thug den Autoschlüssel zu und deutete auf die Tür.

»Ist der eigentlich immer so mies drauf?«, hörte er Abby noch fragen, bevor die Tür sich hinter den beiden schloss.

»Sie ist anders«, sagte Cassy leise.

Savior stieß ein Schnauben aus. »Das kannst du laut sagen.«

»Teilt ihr euch das Mädchen?«

»Sie ist keine Club-Matratze, Schwesterherz. Sie ist unsere neue Tätowiererin.«

»Oh.« Cassy biss sich auf die Lippe. »Dann ist sie öfter hier?«

Savior gähnte. »Jepp, sie hat ein Zimmer im zweiten Stock.«

Seine Schwester nickte. »Ich werde auch mal wieder los. Troy fragt sich bestimmt schon, wo ich bleibe.«

»Willst du mir nicht doch noch sagen, wofür das Geld ist?« Savior stand an seinem Safe und blickte auffordernd über die Schulter zu Cassy zurück.

Sie schüttelte betrübt den Kopf und lächelte traurig. »Nein.«

Er drückte ihr das Bargeld in die Hand. »Ich komme die Tage mal vorbei, okay?«

»Nicht nötig, Kilian, aber danke.« Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange und verschwand so schnell, wie sie gekommen war.

Savior stutzte. Sie hatte ihn schon seit Ewigkeiten nicht mehr bei seinem Geburtsnamen genannt. Ihr musste es schlimmer gehen, als sie zugeben wollte. Ob mit dem Baby alles in Ordnung war? Wieso hatte er sie nicht danach gefragt? Wie weit war sie überhaupt?

Seine Gedanken überschlugen sich. Er musste herausfinden, was mit Cassy los war. Wenn sie mit ihm nicht reden wollte – mit wem würde sie es dann machen? Mit Hailey verstand sie sich nicht, die beiden Mädels hassten sich bis aufs Blut. Nicht nur einmal hatte er zwischen sie treten müssen, bevor diese sich wie die Hyänen aufeinander gestürzt hätten. Tara war zu emotionslos für solche Sachen. Sie konnte mit Männern umgehen und verstand etwas von Autos, aber alles, was mit Gefühlen zu tun hatte, lag ihr nicht. Blieb noch Sandy. Aber konnte er Macs Frau damit behelligen? Er würde sie einfach mal ansprechen.


Abby holte ihre Tasche aus dem Auto und warf Thug einen vorwurfsvollen Blick zu, den er gekonnt ignorierte. »Es war unhöflich die beiden zu stören.«

»Sagtest du schon.« Dann ließ er sie stehen und ging an der Seite des Clubhauses entlang. Abby wusste nicht, wohin der Weg führte.

»Mit der Zeit gewöhnt man sich an den rauen Umgang.«

Abby schrak zusammen. Hinter ihr stand die Schwangere und musterte sie.

»Ich weiß nicht, ob ich mich an so etwas gewöhnen kann«, gab sie zu und versuchte sich an einem Lächeln. »Ich bin Abby.«

Ein Funkeln trat in die Augen der anderen. »Ich weiß, wer du bist, Savior hat mir von dir erzählt.« Sie hielt sich den Bauch. Ihre Miene wurde weicher. »Du musst echt ruhiger werden da drinnen.«

»Wie weit bist du?«

»Es geht dich zwar nichts an, aber ich bin Anfang vierter Monat.« Sie warf Abby einen eisigen Blick zu. »Und, für wen hast du hier schon alles die Beine breitgemacht?«

Am liebsten hätte Abby gebrüllt: für deinen Mann, du blödes Miststück. Aber einer Schwangeren so etwas an den Kopf zu knallen, kam sicher nicht gut an. Besonders dann nicht, wenn ihr Mann der Chef der Sinners war.

Aber die Schwangere kam Abby ohnehin zuvor: »Ach weißt du was, eigentlich interessiert mich das gar nicht.«

Damit stolzierte sie an Abby vorbei und warf ihr knallrotes Haar über die Schulter. Dabei bemerkte Abby auch den Ring am Finger. Scheiße. Hatte Savior wirklich vor, so eine Tussi zu heiraten? Sie hatte ihm mehr zugetraut. Abby erschrak über ihre fiesen Gedanken. Weder kannte sie Savior noch seine Verlobte. Dann fiel ihr wieder ein, dass sie ihn beim Fremdgehen erwischt hatte. Die beiden hatten einander eindeutig verdient.

Weil bei ihrem Rundgang alles derart schnell gegangen war, hatte Abby Mühe ihr Zimmer zu finden. Sie wusste noch, dass es im zweiten Stock lag, doch dann hörte es auch schon auf. Sie wollte auch nicht in jedem Zimmer nachsehen, ob es bewohnt war.

»Kann ich dir behilflich sein?« Cutter lehnte am Türrahmen eines Zimmers, lediglich mit einer tiefsitzenden Sporthose bekleidet. Der Mann wusste nicht nur, dass er gut aussah, er wusste auch, wie er das für sich nutzen konnte. Mistkerl.

»Ich suche mein Zimmer. Savior hat es mir zwar vorhin gezeigt, aber das ging alles so schnell, dass ich es mir nicht merken konnte.« Außerdem war da auch dieser kleine Moment zwischen ihnen gewesen, bei dem sie ein klitzekleines bisschen weiche Knie bekommen hatte. Nicht, dass ihr das noch mal passieren würde, jetzt, wo sie wusste, was für ein Dreckskerl er war.

Cutter zwinkerte fröhlich. »Zufällig weiß ich, welches dein Zimmer ist. Der Boss hat dir das mit dem schönsten Ausblick zugeteilt.«

Abby folgte ihm in die entgegengesetzte Richtung.

»Das ist aber nicht das Beste an dem Zimmer«, plapperte er munter weiter und blieb vor ihrem Zimmer stehen. Jetzt erinnerte sie sich auch wieder.

»So? Wenn es nicht der Ausblick ist, was ist denn daran so toll?«

Cutter zeigte ihr ein atemberaubendes Strahlelächeln, mit dem er garantiert jede noch so widerspenstige Frau in die Knie zwingen würde. »Ich bin dein Nachbar. Mein Zimmer ist hier.« Er deutete auf die Tür schräg gegenüber von ihr.

»Und aus welchem Zimmer bist du gerade gekommen?«, fragte sie dümmlich, schüttelte aber den Kopf. »Schon gut, ich will es gar nicht wissen. Um eines gleich klarzustellen, ich brauche nicht viel Schlaf, aber wenn ich schlafe, will ich meine Ruhe haben. Also bitte kein ständiges Gestöhne und Gerammel, das mich wachhält.«

Wieder das Strahlelächeln. »Keine Sorge, das einzige Gestöhne und Gerammel, was dich wachhält, wird von uns beiden sein, wenn ich dich richtig hart ficke, Baby.«

»Schon klar, Casanova«, lachte sie. »Bevor du meinen Körper in all seiner Pracht sehen darfst, musst du mir erst beweisen, dass du auch deinem Mann stehen kannst.«

»Jederzeit.«

»Gut, dann kannst du mir heute ein tolles Mittagessen zubereiten und dann kümmern wir uns um dein Tattoo auf dem Bauch.«

Cutter seufzte gespielt. »Du willst nur meinen Körper.«

»Du hast es erfasst. Gute Nacht, Baby, und vergiss mein Essen nicht.« Sie warf ihm einen Luftkuss zu und ging in ihr Zimmer, die Tür schloss sie hinter sich. Als sie abschließen wollte, bemerkte sie den fehlenden Schlüssel. Mist! Das würde sie nach dem Schlafen als erstes erledigen.

Abby tastete nach dem Lichtschalter. Die Tasche stellte sie auf den Boden. Links befand sich eine Tür, dahinter war das Bad. Nichts Besonderes, eine Dusche, Toilette und Waschbecken, ein kleiner Schrank in der Ecke, viel mehr brauchte sie auch nicht. Zurück auf dem Flur war sie nach zwei Schritten schon im Schlafbereich. Das Doppelbett nahm fast den gesamten Raum ein, der große Kleiderschrank den Rest. Es war beengend. Zu zwei Seiten des Bettes waren Fenster. Von einem blickte sie auf den Parkplatz, von dem anderen auf Bänke und Tische – soweit sie das erkennen konnte.

Seufzend ließ sie sich auf das Bett fallen und starrte an die Decke. Das wäre also für nicht absehbare Zeit ihr Zuhause. Sie hätte es schlimmer treffen können, so viel stand fest. Sie musste sich nur von dem ständig wütenden Savior fernhalten und von den bösen Zicken, dann würde ihr Aufenthalt bestimmt gar nicht schlimm werden.

Sie stand wieder auf und packte ihre Reisetasche aus, als die Tür aufging und Dom in ihrem Zimmer stand. Sie brauchte echt einen Schlüssel.

»Hast du dich schon eingelebt?«, erkundigte sich der narbengesichtige Sinner.

»Ich bin seit nicht mal zwanzig Minuten in dem Zimmer.«

Unbekümmert hob er die Schultern. »Hat nichts zu bedeuten. Es gibt Menschen, die fühlen sich nach einer Minute an fremden Orten wie Zuhause.«

»Zu denen gehöre ich nicht«, musste sie zugeben.

»Was kann ich machen, damit du dich hier besser einlebst?«

Sie nahm das Etui aus der Reisetasche, in dem ihre Tätowiermaschine gut eingebettet lag. Breit grinsend sah sie ihn an. »Ich hätte da eine Idee.«

»Ach komm schon, Mädchen, es ist fünf Uhr morgens. Ich dachte da eher an wilden, hemmungslosen Sex.«

Sie hob die Augenbraue. »Ist das dein Ernst?«

»Nö«, lachte er, »wollte dich nur testen. Ein Tattoo kannst du mir gerne heute Abend verpassen, jetzt brauch ich etwas Schlaf. Ich wollte nur kurz nach dir sehen und wissen, ob du alles hast.«

»Danke, Dom.«

»Kein Ding, Süße. Wenn du was brauchst, mein Zimmer ist direkt neben der Treppe.«

Abby schaltete das Licht aus, nachdem Dom gegangen war, und legte sich auf ihr Bett. Sie vermisste ihren Dad. Die Ungewissheit zerfraß sie. Sanft kullerten die Tränen über ihre Wangen. Ein Mädchen durfte auch mal Schwäche zeigen. Das war okay, denn morgen würde sie wieder stark sein.

Sinner City

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