Читать книгу Reise Know-How ReiseSplitter: Von Kasachstan in die Südsee – Wie ich mal eben vom Weg abkam - Katharina Bahn - Страница 8
Februar
ОглавлениеWasserschildkröten-Curry
Irgendwo über Südosteuropa entrolle ich eine weiße Stoffserviette über meinen Schoß. Zum ersten Mal in meinem Leben fliege ich in der Business Class. So startet mein freies Jahr. Mein Ziel ist Mahé, die Hauptinsel der Seychellen, mit Umstieg in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba.
Obwohl ich Übernachtungen in Hotels liebe, freue ich mich auf mein erstes persönliches Experiment: Vor mir liegen vier Wochen ohne eine einzige Nacht in einem Hotel. Ich erhoffe mir, auf diese Art ein fremdes Land ganz anders kennenzulernen. Wie könnte das besser gelingen, als durch das Übernachten bei Einheimischen? Gleich zwei verschiedene Couchsurfing-Gastgeber werden mich aufnehmen. Eine weitere Unterkunft habe ich über Airbnb gebucht. Und schließlich habe ich noch eine Bleibe bei einem entfernten Verwandten, den ich zuletzt gesehen habe, als ich etwa fünf Jahre alt war.
Die Flugbegleiterinnen der äthiopischen Fluglinie tragen afrikanische Gewänder und die Lautsprecherdurchsagen klingen herrlich fremdartig. Die Business Class war ein Zufallsschnäppchen und bietet abgesehen von dem in eine Liege verwandelbaren Sitz schicke weiße Tischdecken, richtiges Besteck aus Metall und edle Menükarten. Ich fühle mich wie die Queen persönlich und bedaure es fast ein wenig, als wir nach rund sieben Stunden zur Landung ansetzen.
Der Flughafen in Addis Abeba schläft bei unserer Ankunft noch. Ein Duty-Free-Laden reiht sich an den nächsten, gefolgt von fragwürdig aussehenden Restaurants und Gebetsräumen, getrennt nach Männern und Frauen.
Am Stehtisch eines Raucherraums fällt mir das Zigarettenpäckchen meines Tischnachbarn ins Auge. Die Warnhinweise darauf sind auf Deutsch. Wir kommen ins Gespräch – der etwas übermüdete Herr um die Vierzig reist beruflich viel auf dem afrikanischen Kontinent umher. Er empfiehlt mir den äthiopischen Kaffee und lädt mich spontan auf eine Tasse ein. Der Kaffee ist tatsächlich sehr lecker und ich schlürfe ihn in kleinen Schlückchen. Zeit dafür habe ich genug, meine Geduld wird gleich am ersten Tag auf die Probe gestellt: Der Weiterflug, der mich ins Inselparadies bringen soll, schiebt sich immer weiter nach hinten. Ich lande mit einer Verspätung von insgesamt rund fünf Stunden auf der Hauptinsel Mahé. Mein erster Couchsurfing-Gastgeber versprach mir, mich vom Flughafen abzuholen. Ich bin nervös. Ob er nach so viel Verspätung noch auftauchen wird? Ich kenne gerade mal seinen Namen und habe ein einziges Foto von ihm gesehen – dies erweist sich auch am Einreiseschalter als leicht problematisch. Ich habe keine Adresse und versuche der Dame hinter dem Tresen das Prinzip von Couchsurfing zu erklären. Ich kenne diesen Menschen nicht, aber übernachte bei ihm. Kostenlos. Vermutlich hält sich mich für irre, aber lässt mich schließlich durch.
Ich verlasse das Gebäude, es ist bereits dunkel. Mir schlägt warme, schwüle Luft und Grillenzirpen entgegen. Dutzende Menschen stehen auf dem Vorplatz des kleinen Flughafens herum, aber von meinem Gastgeber namens Daxwell ist nichts zu sehen. Nach einer Zigarettenlänge Nachdenken beschließe ich, einfach mal einen Taxifahrer zu fragen. Ich nenne ihm den Namen des Gesuchten, er verschwindet kurz – und taucht wenige Minuten mit einem freundlich lächelnden Insulaner im Schlepptau wieder auf. Ich bin total von den Socken, wie einfach das war. In diesem Inselstaat leben immerhin rund 90.000 Menschen.
Daxwell, kurz Dax, ist sehr sympathisch. Wir plaudern bei einem Cocktail in einem Restaurant und lernen uns ein wenig kennen. Danach fahren wir mit drei Schachteln lecker duftendem Seafood zu seinem Haus in Beau Vallon. Es ist noch eine andere Couchsurferin aus Deutschland zu Gast: Carina – ich schließe sie sofort in mein Herz. Das kölsche Mädchen lacht genauso gern wie ich und wir sind von Anfang an auf einer Wellenlänge. Spätabends überlässt uns Dax überraschenderweise sein großes Bett und gibt sich selbst mit einer dünnen Matratze auf dem Boden zufrieden.
Am nächsten Morgen begutachte ich neugierig das Haus. Ich bin gespannt, wie ein Insulaner lebt und wie man sich in einem IKEA-freien Land einrichtet. Unten befindet sich die Küche, die Arbeitsecke des Hausherrn und mehrere Schlafräume mit einem Badezimmer. Was die Möbel angeht – auf einen einheitlichen Stil scheint Dax nicht besonders viel Wert zu legen.
Hier im Erdgeschoss sind etwa sechs bis acht (so genau ist das nicht zu durchschauen) indische Arbeiter untergebracht. Sie werden von Dax auf einer Baustelle direkt neben seinem Haus beschäftigt. Apartments zur Vermietung sollen das werden. Wenn ich den Arbeitern in der gemeinsamen Küche des Hauses begegne, gehen sie mir scheu aus dem Weg. Sobald ich den Mund aufmache, werde ich mit großen, fast ängstlichen Augen angestarrt. Ich verbuche das mal als friedliche Koexistenz für die nächsten Tage. Im Obergeschoss ist der große Wohn- und Schlafbereich, ein Badezimmer und zu meiner Freude ein großer Balkon. Hier genieße ich in den kommenden Tagen die Abende, wenn die Luft allmählich abkühlt.
Eine Wanderung mit Carina auf dem Anse Major Trail ist mein erster Programmpunkt im Inselparadies. Vor noch nicht einmal 48 Stunden bin ich mit meinem Rucksack zum Frankfurter Flughafen gehetzt, ohne zu wissen, was mich erwartet. Jetzt sitze ich verschwitzt, aber zufrieden auf einem Bänkchen mit Blick auf türkisblaues Wasser und einen palmengesäumten Sandstrand. Ich feiere im Stillen: Hatte ich je eine bessere Idee, als ein Jahr Auszeit zu nehmen? Auf dem Rückweg genießen wir ein eiskaltes Seybrew von einem Kiosk am Ende des Wanderwegs. Das milde einheimische Bier erweist sich als der ideale Durstlöscher bei den tropischen Temperaturen.
Für das letzte Stück auf dem Rückweg nach Beau Vallon wollen wir den Bus nehmen. Das klapprige Gefährt mit den abgeschabten blauen Kunstlederpolstern hat schon bessere Zeiten gesehen. Trotzdem dürfen wir nicht mit unseren offenen Bierflaschen einsteigen. Ordnung muss sein. Der Busfahrer gibt uns einen Augenblick Zeit zum Austrinken. Dann juckeln wir für ein Paar Rupien zurück zum Strand von Beau Vallon.
Die putzige Hauptstadt Victoria liegt nur eine kurze Fahrt von Beau Vallon entfernt. Sie ist eine der kleinsten Hauptstädte der Welt. In ihrem Zentrum steht seit 1903 der silbrig glänzende Victoria Clocktower. Von dem kleinen Glockenturm liegt das meiste in fußläufiger Nähe. Nicht zu verfehlen ist der Tempel Arul Mihu Navasakthi Vinayagar, der einzige Hindutempel der Insel. Ich weiß nicht, was ich schöner finden soll: die bunten, detailreichen Figuren und Muster des Tempels oder sein Name in tamilischer Schrift:
Sehenswert ist auch der farbenfrohe Sir Selwyn Selwyn-Clarke Market, auf dem Obst, Gemüse, Souvenirs und andere Produkte angeboten werden. Benannt ist der Markt nach einem ehemaligen Gouverneur der Seychellen mit britischen Wurzeln. Ich bin begeistert von dem reichen Angebot an Kokosprodukten – Butter, Öl, Creme, Snacks, Milch. Ich bin im Kokoshimmel!
Zurück in Beau Vallon und inzwischen ziemlich hungrig, freuen Carina und ich uns auf den berühmten Wochenmarkt, der hier jeden Mittwochabend am Strand stattfindet. Wir lassen uns würzige Maniok-Chips, erfrischende Cocktails direkt aus der Kokosnuss und andere Leckereien schmecken. Mehr Urlaubsfeeling geht nicht. Für mich ist es zudem ein Gefühl von „Hirn aus“ vor dem großen Land-Rover-Abenteuer.
Wir treffen Dax und er nimmt uns mit in ein kleines Casino. Ich gewinne ein paar Rupien an einem der Automaten, aber die Auszahlung erweist sich als hochkompliziert: Der Automat wird von zwei Mitarbeitern per Hand geöffnet, ein Quittungsblock wird daraus hervorgezaubert und die Gewinnsumme handschriftlich eingetragen. Damit kann ich an einem Schalter meinen Gewinn einlösen.
Unsere letzte Anlaufstelle des Abends ist ein Club, in dem R’n’B und HipHop nach meinem Geschmack läuft und der fast ausschließlich von Einheimischen besucht wird. Carina und ich trinken, tanzen und haben Spaß für zehn. Kaum zu glauben, dass wir uns erst vor 24 Stunden getroffen haben. Im Lauf des Abends lernen wir zwei Piloten kennen – Markus aus Deutschland und Giovanni aus Italien. Gemeinsam verbringen wir den kommenden Tag am Sunset Beach und essen auf der Terrasse von einem kleinen Hotel mit Blick auf die wunderschöne Bucht. Mir scheint auf gut Deutsch die Sonne aus dem Hintern.
Türkisblaues Wasser wie im Katalog. Schön, dass ich hier bin
In der Barrel Bar & Nightclub in Victoria treffen wir uns alle vier am Abend wieder. Dax stößt ebenfalls zu uns. Zu weit fortgeschrittener Stunde und ebenso fortgeschrittenem Promillepegel kommen wir auf die Idee, zum Strand zu fahren und im Dunkeln im Meer schwimmen zu gehen. Giovanni baggert mich höchst offensichtlich an, was ich nicht zuletzt wegen seines Eherings am Finger höflich abwehre. Dax bekommt das irgendwie mit und wir verstricken uns in eine Grundsatzdiskussion. Er unterstellt mir, dass ich mein Leben nicht genießen würde. Ich bin empört und amüsiert zugleich. Gerade jetzt genieße ich mein Leben mehr denn je. Mit allem, was es zu bieten hat. Ehebruch gehört nicht dazu.
Von Carina muss ich mich am nächsten Morgen leider verabschieden, da sie bereits abreist. Ich vertrödele den Tag und treffe mich am Abend schon mit Manuel, meinem nächsten Gastgeber, in einer hippen Bar. Er ist ausgesprochen nett und spricht fließend Deutsch. Ich bin gespannt auf seine Kochkünste, die er mir hoch anpreist. Auf den Seychellen wird traditionell ein Flughund-Curry gegessen. Ich hatte mir bereits in Deutschland vorgenommen, es zu probieren. Schon Daxwell wollte es mir zubereiten – nach einem Blick in seine Küche habe ich jedoch dankend abgelehnt. Vielleicht klappt es ja bei Manuel.
In meiner letzten Nacht bei Dax ist eine riesengroße Kakerlake im Zimmer nicht mein größtes Problem. Wir verlieren uns erneut in einer Grundsatzdiskussion, diesmal über das Thema Hilfsbereitschaft. Vor seinem Haus ist eine Frau mit ihrem Kleinwagen in den Straßengraben gefahren und kommt dort ohne fremde Hilfe nicht wieder raus. Die indischen Arbeiter sind hilfsbereit, Dax jedoch geht nur widerwillig mit nach draußen. Nach der Rettungsaktion will er mir seine Welt erklären. Er ist der Meinung, in so einer Situation sollte sich jeder selbst der Nächste sein. Ich bin irritiert – wo er doch so ein gastfreundlicher Mensch ist. Die Situation ist absurd. Ich spare meine Energie und gebe ihm in allem Recht, was er sagt. Zum einen, weil er ziemlich betrunken ist und zum anderen, weil ich ohnehin morgen früh hier weg bin. Dax legt sich schließlich schlafen und ich entspanne mich noch etwas in der kühlen Nachtluft auf dem Balkon. Was mich ungemein an diesem Abend bei Laune hält – ich schreibe schon seit Stunden mit meinem Untermieter in Deutschland WhatsApp-Nachrichten. Ein Hoch auf die geringe Zeitverschiebung von nur drei Stunden.
Ich lege Dax am nächsten Morgen noch einen Zettel hin und bedanke mich natürlich trotz allem für seine großzügige Gastfreundschaft. Ich schultere meinen Rucksack und marschiere los zum Treffpunkt mit meinem nächsten Gastgeber Manuel. Erstaunlich: Die indischen Arbeiter lächeln mich an und winken mir freundlich zum Abschied.
Bei Manuel, im ruhigen Südwesten der Insel, kann ich erstmal jede Menge Schlaf nachholen. Er bekocht mich wie angekündigt mit feinsten Köstlichkeiten. Soursop-Frucht als Vorspeise, Spaghetti mit Gambas, dazu ein erfrischender gekühlter Rosé ist nur eines der Menüs der kommenden Tage.
Diese sind so entspannt, dass ich einfach mitfließe und sogar mein Handy auslasse. Tagsüber verdient Manuel sein Geld als Reiseführer und Taxifahrer und bringt mich in seinen Pausen zu den schönsten Stränden der Insel. Manchmal besuchen wir seine Familie. Abends essen wir gemeinsam und treffen seine Freunde zum Tanzen oder Billard spielen. Ich wehre mich nicht gegen sein allumfassendes Verwöhnprogramm.
Besonders schön finde ich die Besuche bei Manuels Familie, um die ich ihn richtig beneide. Im Haus seiner Schwester Tina wohnen vier Generationen zusammen. Ich werde ohne Zögern aufgenommen, darf zum Essen bleiben und freunde mich mit den Kindern an. Sie spielen einfach mit dem, was sie im Garten finden – Blätter, Steine, Äste. Es gibt nur wenige „echte“ Spielsachen. Die Kinder wirken vollkommen zufrieden.
Eines der Familienessen besteht aus einem Curry in senffarbener Soße und einem scharfen Chutney mit Brot. Als mein Teller leer ist, erzählt Manuel mir ganz entspannt, dass ich gerade Wasserschildkröte gegessen habe. Ich bin schockiert. Auf den Seychellen ist das offiziell verboten. Das Wort „geschmacklos“ wurde für genau diesen Augenblick erfunden. Geschmacklos finde ich es, ein geschütztes Tier zu einer Mahlzeit zu verarbeiten. Geschmacklos, mir erst nach dem Essen davon zu erzählen. Und schließlich geschmacklos, weil die dunklen, knorpeligen Bröckchen tatsächlich nach nichts schmecken, außer nach der Soße, in der sie getränkt sind. Aber um die gastfreundliche Familie nicht zu beleidigen, behalte ich meine Gedanken für mich und hake es als ungewolltes Essensexperiment ab.
Interessant ist für mich der Austausch mit den Frauen der Familie unter Dreißig. Sie sind allesamt verheiratet und haben bereits ein bis zwei Kinder im Schlepptau. Ich berichte, dass ich 29 Jahre alt, ledig und kinderlos bin und zudem allein lebe. Zu meinem Erstaunen und Vergnügen ernte ich mitfühlende Blicke. Eine Seychellois ist in meinem Alter fast immer schon Ehefrau und Mutter. Solche und andere spannenden Begegnungen sorgen dafür, dass meine Zeit auf Mahé wie im Zeitraffer vergeht.
Mit der Cat-Cocos-Fähre wage ich die schaukelige Überfahrt zu der kleinen, weitestgehend autofreien Insel La Digue. Mit der Seekrankheit habe ich im Normalfall keine Probleme. Dies können jedoch nicht alle Fahrgäste um mich herum von sich behaupten. Um auszublenden, wer wie intensiv leidet, schließe ich die Augen, höre über Kopfhörer laut Musik und atme nur noch durch den Mund.
Am Hafen angekommen, schleppe ich mich in der prallen Sonne zum Ende des Fähranlegers. Im Schatten eines großen Baumes lasse ich mich fallen. Hier soll ich meine Gastgeberin Rita treffen. Meine nächste Unterkunft ist ein Airbnb namens „The blue house for dog lovers“. Nach zehn Minuten hat sich das Durcheinander aus Touristen und Einheimischen gelegt. Ich bin allein. Niemand da, der auf mich wartet. Mal wieder. Diesmal sehe ich das schon entspannter. Eine kleine Touristeninformation in der Nähe schafft Abhilfe. Ich versuche, meine Unterkunft zu beschreiben – ein blaues Haus. Ganz viele Hunde. Rita heißt die Besitzerin. Die Dame von der Touristeninformation führt zwei Telefonate und nach weiteren zehn Minuten sammelt Rita mich ein. Hat also wieder geklappt.
Rita hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, heimatlose Hunde aufzunehmen. Mehr als 25 Hunde leben bei ihr und ich bin für eine Woche im Himmel. Es gibt große und kleine, einfarbige, gescheckte, welche mit langem Fell, welche mit kurzem. Das Streicheln der Tiere ist wie eine Therapie für mich. Tinkerbell, eine wunderschöne Hundedame mit hellbraunem Fell, folgt mir auf Schritt und Tritt. Ritas märchenhaftes Haus im Kolonialstil ist von einem großen Grundstück umgeben. Ich erfahre viel über ihr Leben: Rita ist die Tochter eines Schriftstellers namens Denis Ronald Sherman, der ebenfalls einen Teil seines Lebens auf den Seychellen verbracht hat. Er und Ritas Mutter kamen aus Großbritannien, Rita selbst ist aber in Kenia geboren und aufgewachsen. Sie führte ein abenteuerliches Leben und hat sich schließlich hier niedergelassen.
Rita bei der Arbeit in ihrem Hundeparadies
Abgesehen vom Hundekraulen und den langen Gesprächen mit der Hundefrau erkunde ich die Insel. Zunächst zu Fuß, dann miete ich mir beim Bäcker um die Ecke ein Fahrrad. Nach wenigen Tagen kenne ich jede Milchkanne, die Restaurants, die Bank, den Supermarkt und die ein oder andere freilaufende Riesenschildkröte. Wenn man mit dem Rad auf die kaum bewohnte Ostseite der Insel fährt, stößt man zwangsläufig irgendwann auf ein kleines Restaurant namens „Chez Jules“. Es gibt überdachte Sitzplätze mit Blick aufs Meer. Den Moment genieße ich bei einem großen Glas frischgepressten Saft. Natürlich gibt es auch einige noble Hotels auf La Digue, denn die Insel lebt hauptsächlich vom Tourismus. In einem davon, dem „Le Domaine de L’Orangeraie Resort and Spa“, gönne ich mir hin und wieder ein schönes Frühstück oder auch einfach nur einen kalten Orangensaft.
Die Insel hat zwei Friedhöfe. Der eine ist ein morbider historischer Platz mit alten Grabmalen der ersten Siedler. Der andere ist auf einem sonnigen Hügel angelegt und von hellen Grabsteinen dominiert. Bis auf wenige Ausnahmen ist jedes Grab gepflegt und mit bunten Blumen geschmückt. Man liegt hier also nicht nur am Strand sehr gut. Der Platz strahlt, wie die ganze Insel, paradiesischen Frieden aus. Und dieser Schein trügt nicht, denn es gibt hier, wie mir Rita sagt, kaum Kriminalität. Der Genuss von Sonne, Strand und Meer steht hier auf der Tagesordnung. Manchmal schüttet es wie aus Eimern und das Wasser steht stunden-, teilweise tagelang auf den Straßen – aber bei den tropischen Temperaturen tut das meiner Reisefreude keinen Abbruch.
Der Moment, auf den ich mich seit Monaten freue, ist nach der Woche bei Rita gekommen: Ich gehe zum Haus meines Onkels Jürgen – genauer gesagt, dem Ex-Ehemann meiner Tante, also keine Blutsverwandtschaft. Zuletzt gesehen haben wir uns vor etwa 25 Jahren und ich kann mich kaum aktiv an ihn erinnern. Seit ich ihn vor Monaten online ausfindig machen konnte und er auf meine Kontaktanfrage reagiert hat, war ich gespannt, wie das Wiedersehen werden wird.
„Kaz Charly“ heißt das Haus von Jürgen. Die Wegbeschreibung habe ich im Kopf. Einen Straßennamen gibt es nicht, daher habe ich mir den Wortlaut seiner E-Mail gespeichert: „Das findest Du, wenn Du nach der Kirche links in die Wildnis gehst und dann nach weniger als 100 Metern vor einem (nicht mehr ganz) weißen Zaun stehst.” Jetzt spähe ich über besagten nicht mehr ganz weißen Zaun. Das Haus ist sehr schön und von einem gepflegten Garten umgeben. Lediglich ein kleines Baugerüst stört den Gesamteindruck. Das muss das Haus des Deutschen sein, denke ich vergnügt.
Mit ein bisschen Herzklopfen läute ich und werde von Hundegebell überrascht. Ein Boxer kommt durch den Garten geprescht, ich schrecke zurück. Das Tier bremst plötzlich vor mir und glotzt mich nur an. „Leo“ tut nur so und erweist sich schnell als wahrer Kuschelhund. Nach Boxer Leo kommt Jürgens Frau Telma mit skeptischem Blick aus dem Haus. Die Seychellois traut mir nicht so recht über den Weg – so zumindest mein Bauchgefühl. Anders bei Jürgen: Er erscheint als nächstes auf der Bildfläche. Auch wir müssen uns erstmal beschnuppern, aber er begrüßt mich sehr freundlich und offen. Genau so habe ich mir einen Seychellen-Auswanderer vorgestellt: sonnengegerbt, tiefenentspannt, sympathisch. Im Haus gibt es noch eine letzte, kleine Mitbewohnerin: Kelma, die zuckersüße, fünfjährige Enkelin von Telma. Gemeinsam bewohnen sie den oberen Teil des Hauses. Im unteren Teil befinden sich zwei Apartments zur Vermietung. Ich bekomme das kleinere der beiden. Es hat sogar eine kleine Terrasse und gefällt mir wirklich gut. Nebenan im großen Apartment wohnen derzeit zur Dauermiete vier Hotelmitarbeiter aus Mauritius. Der Hausherr persönlich serviert mir jeden Morgen auf der großen Terrasse hinter dem Haus Frühstück. Von dem selbstgebackenen Kartoffelbrot schwärme ich noch heute. Dazu gibt es Aprikosenmarmelade, ein gekochtes Ei, Joghurt und Orangensaft. So starte ich bestens gestärkt in den Tag.
Den paradiesischen Anse Cocos, einer der schönsten Strände der Welt, darf man als La Digue-Besucher keinesfalls verpassen. Eine zweistündige Wanderung (im Trödeltempo) durch Regenwälder, über Strände, auf Trampelpfaden und durch das ein oder andere Schlammloch wird belohnt: Feiner weißer Sand, kristallklares Wasser, üppige Palmen, vom Wasser weichgezeichnete Granitfelsen und das alles mit nur einer Handvoll Besucher. Ich lasse die Photoshop-freie Postkartenidylle auf mich wirken. Das Einzige, wovon man sich nicht täuschen lassen darf, ist das ruhige Wasser – Schwimmen ist hier nicht jederzeit und an allen Stränden möglich. Unsichtbare, gefährliche Strömungen sorgen dafür, dass auf den Seychellen immer wieder Touristen ertrinken. Auch Jürgen hat mir dazu geraten, stets auf die Warnschilder zu achten und im Zweifel auf die Einheimischen zu hören. Diesen Rat gebe ich gern weiter.
Für den Rückweg kann ich keinen besseren Zeitpunkt wählen. Die Sonne hat sich zurückgezogen. Als ich wieder auf einer Straße angekommen bin, hält neben mir ein Pritschenwagen – der Fahrer fragt, ob er mich ein Stück mitnehmen soll. Ich lehne dankend ab, ich habe ja Zeit, denke ich. Er verschwindet hinter der nächsten Kurve. Ich habe mich noch nicht ganz über sein verständnisloses Gesicht zu Ende gewundert – da öffnet der Himmel seine Schleusen und es regnet die letzten zwanzig Minuten meines Weges Bindfäden. Wenigstens ist das Wasser warm.
Reisen weckt die Lust auf Neues. Als mein Onkel und seine Frau mir einen Tag auf dem Meer zum Fischen in Aussicht stellen, bin ich begeistert. So verbringen wir einen Tag gemeinsam auf der „Monkey Puzzle“, einem wunderschönen Segelboot, das am frühen Morgen im kleinen Hafen von La Digue auf seinen Einsatz wartet. Mir wird eine Ladung gehackter Fisch als Köder und eine Leine mit Haken überreicht. Schon kurze Zeit nach meiner ersten Lektion des Fischens zappelt eines der schuppigen Tiere am anderen Ende der Schnur. Jürgen weiß, wie man den Fisch am besten vom Haken friemelt und kann zudem bestimmen, ob der Fang essbar ist oder nicht. Manchmal reden wir alle drei durcheinander, dann wieder fischen wir eine Stunde lang stumm vor uns hin. Eine überraschend entspannende Tätigkeit. Nur ein einziges Mal sinkt an diesem Tag meine Laune – nachdem unsere Köder aufgebraucht sind, wirft Telma die mitgebrachte Plastiktüte einfach ins Meer. Ich frage, weshalb sie das gemacht hat. Ihre Antwort: Weil wir die Tüte nicht mehr brauchen. Meine Erwiderung, dass Plastikmüll dem Ozean extremen Schaden zufügt, bringt sie zum Lachen. Ich bin irritiert. Eine Diskussion ist anscheinend sinnlos. Jürgen hat das alles nicht mitbekommen. Ich sage nichts und konzentriere mich wieder auf meine Angelschnur. Am Ende des Tages ist die Kühltruhe im Kaz Charly ebenso voll wie unsere Mägen.
Die Tage plätschern entspannt dahin. Noch nie zuvor habe ich eine derartige Entschleunigung verspürt. Langsam bekomme ich einen Eindruck davon, wie das Leben auf La Digue und den Seychellen läuft. Zum Beispiel ist der Verkauf von Alkohol in Geschäften unter der Woche nicht vor 11:30 Uhr gestattet – in erster Linie, um die Einheimischen vor sich selbst zu schützen, doch auch die Besucher kommen nicht drum herum.
Tatort: der einzige größere Supermarkt auf La Digue. Tatzeit: 11:27 Uhr. Tatbestand: Eine Touristin steht vor mir in der Schlange an der Kasse und versucht, zwei Flaschen Bier auszulösen. Der Kassierer stellt die Arbeit ein. Für drei Minuten steht die Kasse still, nichts geht mehr. Bis der große Zeiger auf 11:30 Uhr springt.
Was die Nahrungsaufnahme angeht: Eine warme Mahlzeit ist niemals weit. An jeder zweiten Ecke gibt es Imbisse, sogenannte Take-Aways, die preiswertes und überraschend schmackhaftes Essen anbieten. Reis oder Nudeln mit Fisch, Fleisch und/oder Gemüse, davon meist reichliche Portionen. Auch gute, bezahlbare Restaurants gibt es. Am Abend freue ich mich jedoch, bei Jürgen und seiner Familie mitzuessen. Ich lausche gerne den Geschichten meines Onkels. Sein ereignisreiches Leben vor und seit dem Entschluss auszuwandern in die „andere Welt“, wie er es nennt, bietet Stoff für mehr als ein paar Tage. Auch in die Vergangenheit tauchen wir ab. Er erinnert sich an meine Eltern und Großeltern zurück und ich freue mich, ein paar Anekdoten zu hören.
Jürgen empfiehlt mir, auf La Digue mal ein Fußballspiel zu besuchen. Nicht das Spiel sei das interessante, sondern das sich prügelnde Publikum, vorzugsweise die Frauen. Leider ist aktuell gerade Spielpause und ich verpasse dieses Spektakel. Stattdessen gebe ich mich mit einem sonntäglichen Kirchenbesuch zufrieden. Nicht alle der 2200 Inselbewohner sind hier, aber mehrere Hundert – und ausnahmslos alle in feinstem Zwirn und eleganten Kleidern. Der Gottesdienst ist katholisch und wird in kreolischer Sprache abgehalten. Da ich weder das eine noch das andere verstehe, bleibe ich nicht bis zum Ende der Messe und schleiche mich unauffällig raus.
Das Sahnehäubchen meiner entspannten Tage auf La Digue sind die SMS-Nachrichten, die ich mit Manuel, meinem Couchsurfing-Gastgeber auf Mahé hin und her schicke. Dank einer Prepaid-Handy-Karte des lokalen Netzanbieters geht dieser Spaß ohne immense Kosten vonstatten. Das lockere Flirten nimmt Substanz an, als wir uns für einen Tag auf der Nachbarinsel Praslin verabreden. Praslin, Mahé und das kleine Paradies La Digue sind die drei am dichtesten bevölkerten von über 115 Inseln der Seychellen und gehören zu den „Inner Islands“. Auf den bis über 1000 Kilometer von Mahé entfernten „Outer Islands“ leben nur etwa 2% der Bevölkerung.
Kelma (links) – purer Zucker. Und Telma – die ihre Skepsis mir gegenüber inzwischen abgelegt hat
Die Fähre legt von La Digue nach Praslin rund 15 Kilometer zurück. In aller Frühe gehe ich an Bord. Am Hafen von Praslin warte ich ungeduldig auf die Fähre aus Mahé. Als das Schiff anlegt und die Passagiere aussteigen, halte ich Ausschau nach Manuel. Ich habe ein bisschen Herzklopfen. Auch wenn ich mir der Kurzlebigkeit der Gesamtsituation bewusst bin, erscheint mir dieser Moment unglaublich romantisch.
Wir mieten für den Tag ein kleines Auto und ich bekomme meine persönliche Führung über die Insel. Auf keinen Fall verpassen darf man hier den Nationalpark „Vallée de Mai“. Hier und nur noch auf einer weiteren Insel der Seychellen wachsen die berühmten „Coco de Mer“, die Seychellenpalmen. Ihre Samen sind die größten der Pflanzenwelt und bringen es auf bis zu 20 Kilogramm. Deren Form, die an ein weibliches Becken erinnert, begleitet mich schon seit dem ersten Tag hier. Der Stempel, den man bei der Einreise in den Pass erhält, ist eine gezeichnete „Coco de Mer“ und das Wahrzeichen des Inselstaats. Der Blütenstand der männlichen Palme gleicht übrigens einem Penis – der Legende nach feiern die Palmen in stürmischen Nächten Hochzeit und paaren sich. Wer sich trotz Sturm in den Wald wagt und den Palmen beim Liebesspiel zusieht, muss sterben. Ich bin am Tage hier und es ist nicht stürmisch, also kann ich entspannt mit Manuel die Ruhe im Nationalpark genießen. Auf manchen Wegen und Lichtungen trifft man hier wirklich keinen einzigen Menschen.
Zurück auf La Digue bei Jürgen und Telma bemerke ich erfreut, dass die Dame des Hauses inzwischen ihre Skepsis mir gegenüber abgelegt hat. Als sie ein Bündel grüner Kochbananen auf meiner Terrasse liegen sieht, bietet sie an, mir diese zu frittieren. Bestens – hatte ich doch vorgestern am Strand versucht, eine der Bananen auf die herkömmliche Weise zu essen. Wie ich feststellen musste, sind die Früchte im rohen Stadium ungenießbar. Daher wusste ich gar nicht so recht, was mit ihnen anzufangen ist. Aber nicht jedes Problem erfordert sofort eine Lösung – manchmal muss man nur Geduld haben. Dann kommt vielleicht jemand vorbei und bietet dir an, deine Kochbananen zu frittieren.
Später zeigt Telma mir das winzige Spielcasino von La Digue. Es besteht aus einem einzigen Raum mit klimpernden und rasselnden Automaten. Nach ein paar Runden zieht es mich jedoch wieder raus in die Sonne. Telma ist nicht loszueisen. Sie leiht sich noch 500 Rupien von mir, rund 32 Euro, und bleibt. Später gibt sie mir zu Hause mein Geld sofort zurück, fragt aber, ob ich Jürgen davon erzählt habe. Nein, habe ich nicht. Nach dem Abendessen zeigt sie mir ein paar Kleider, die sie mir gerne verkaufen will. Für 500 Rupien. Ein Zufall? Ich vermute, dass sie das Geld verzockt hat, aber keinen Ärger mit Jürgen haben will. Ich will ihr keine Probleme bereiten und kaufe die Kleider, obwohl ich sie nicht besonders schön finde.
Ich reise außerplanmäßig früher zurück nach Mahé. Nach zweieinhalb Wochen wird mir La Digue doch zu klein. Zudem wartet auf der Hauptinsel noch jemand auf mich. Als ich Telma von der kleinen Romanze mit Manuel erzähle, fragt sie mich, ob er ein Haus hat. Ja hat er. Sie gratuliert mir und sagt, dass ich Glück habe. Ich sage nichts. Ja, ich habe Glück. Aber meine Definition davon ist anders. Ich behalte das für mich.
Die Fähre läuft aus dem Hafen von La Digue aus. Ich lasse die letzten Tage Revue passieren. Die Welt aus der Sicht eines deutschen Auswanderers gibt mir neue Denkanstöße. Ob Jürgen und ich uns jemals wieder hören oder sehen, weiß ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Zwar würde ich mich darüber freuen, rechne aber nicht damit. Ich glaube, Jürgen hat mit seinem Leben in Deutschland abgeschlossen und ich respektiere das. Aber man weiß ja nie.
Manuel holt mich am Fährhafen von Mahé ab. Etwas zwischen uns ist anders, aber ich kann es nicht so recht benennen. Er wirkt gestresst und in sich gekehrt. Dann kollidiert sein Bedürfnis, Probleme zu wälzen, mit meiner tiefenentspannten Urlaubsstimmung. So richtig kann ich das nicht einordnen, aber ich mache mir trotzdem eine schöne Zeit. Beispielsweise besuche ich das Atelier des Malers Michael Adams im Südwesten der Insel. Den Hausherren selbst bekomme ich nur im Vorbeihuschen zu sehen, aber seine Frau zeigt mir die Gemälde in der Galerie, die direkt an das Wohnhaus anschließt. Die Kunstwerke sind wunderschön und sehr farbenfroh. Wir unterhalten uns bei einem Glas Kokoswasser. Im Jahr 1971 haben sich ihr Mann und sie, beide aus England stammend, in Afrika kennengelernt. Ein Jahr später sind sie gemeinsam auf die Seychellen gezogen – ohne vorher jemals hier gewesen zu sein. Ich bin beeindruckt von so viel Mut.
Zurück bei Manuel verbringe ich noch mehr Zeit mit seiner Familie. Mit seiner Schwester Tina besuche ich ein kleines Musikfestival. Nachwuchsbands spielen hier Reggae, R’n‘B und HipHop. Die halbe Insel scheint auf den Beinen zu sein. Viele junge Leute sind dort, die meisten kommen mit dem Auto. Das Problem: Die Busse auf Mahé sind das einzige öffentliche Verkehrsmittel der Seychellen, von den Fähren zu den Nachbarinseln mal abgesehen. Selten fahren die Busse bis 21 Uhr, niemals länger. Das allerdings hält nicht jeden vom Trinken ab. Es gibt viele Unfälle bedingt durch Alkohol am Steuer. Laut Tina würde es an ein Wunder grenzen, wenn alle Festivalbesucher die Nacht unbeschadet überstehen würden. Ich frage mich, ob es so problematisch wäre, die Busse zumindest bei Großveranstaltungen wie dieser bis Mitternacht fahren zu lassen.
Bei einer kleinen Wanderung am kommenden Tag verlaufe ich mich und stoße zufällig auf eine Bushaltestelle. Spontan fahre ich mit dem nächsten Bus nach Victoria. In einem Café mit einem hübschen, schattigen Innenhof lasse ich mich nieder. Wie aus dem Nichts bekomme ich plötzlich ein kaltes Bier hingestellt. Die edlen Spender vom Nachbartisch sind zwei Besatzungsmitglieder eines Kreuzfahrtschiffs. Einer der beiden kommt aus Kanada, der andere aus Rumänien. Bei Bier, Pommes Frites und Geschichten aus aller Welt sind schnell ein paar Stunden vergangen. Doch ich muss mich leider verabschieden, denn ich will noch mit Manuel Lebensmittel für den Abend einkaufen. Wir halten an verschiedenen Straßenständen und einem Supermarkt. Frische Kräuter hier, Obst, Gemüse und Eier dort. Vor einem unscheinbaren Häuschen liegt der Fang des Tages ausgebreitet auf dem Boden. Frischer kann der Fisch wohl kaum noch sein. Im Supermarkt hingegen sind viele Milchprodukte nicht gekühlt. Selbst Manuel als Einheimischer lässt die Finger davon.
Gekocht wird bei Manuels Familie. In der Küche steht ein Schemel, an dessen Vorderseite eine etwa 15 Zentimeter lange Metallspitze befestigt ist. Ich habe ein großes Fragezeichen im Gesicht und Manuel führt mir das außergewöhnliche Küchengerät vor. Man stellt eine Schale unter die Metallspitze und setzt sich auf den Schemel. Dann nimmt man eine halbe Kokosnuss und raspelt das Kokosfleisch an der scharfen Spitze in das darunter stehende Gefäß. Manuels zwanzigjähriger Neffe übernimmt spontan die Zubereitung der Mahlzeit für die ganze Familie. Hier scheint niemand nicht kochen zu können – ich bewundere das und nehme mir vor, nach meiner Reise richtig kochen zu lernen.
Meinen letzten Tag auf den Seychellen bestreue ich mit ein wenig Glitzer. Ich gönne mir eine Massage im Kempinski Seychelles Resort Baie Lazare. Während ich den Duft von warmem Orangenöl und den sanften Druck auf meinen Nacken genieße, schweifen meine Gedanken ab. Die Seychellen sind keinesfalls ein reines Hochzeitsreisen-Ziel. Wer denkt, Urlaub sei hier besonders teuer oder das Land sei unsicher, sollte hier dringend mal herkommen. Ich kann den sympathischen Inselstaat jedem Reisefreund nur ans Herz legen. Auch für solche mit kleinem Budget. Ein weiterer Vorteil trotz des langen Fluges: Die Zeitverschiebung ist gering. Für mich persönlich war es eine neue Erfahrung, allein zu reisen, von ein paar Sprachaufenthalten während und nach meiner Schulzeit mal abgesehen. Ich hatte nur mich selbst. Pur und unverdünnt. Weit weg von Zuhause und vom Alltag. Erfreut stelle ich fest, dass ich damit keinerlei Probleme habe. Im Gegenteil: Ich bin ausgesprochen gut zurechtgekommen.
Der Tag der Abreise ist gekommen und ich fahre bestens gelaunt zum Flughafen. Mein Gefühl sagt mir, dass ich genau zum richtigen Zeitpunkt abreise. Ich bin entspannt und vollgetankt mit Sonne. Das nächste Abenteuer kann starten. Ein weiterer Grund für meine gute Laune: Mein Untermieter hat mir versprochen, mich in Frankfurt vom Flughafen abzuholen. Ich freue mich riesig, obwohl ich den Mann kaum kenne. Fazit nach meinem ersten Reisemonat: Fabelhaft!