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Elke Rathsfeld

Ehrlich gesagt ist Trauer ein Gefühl, mit dem man nicht kochen kann und gegen das sich nicht ankochen lässt.

Nicht etwa, weil die Trauer mit der Depression zu vergleichen ist, welche bewegungslos und gelähmt in der Ecke sitzt, unfähig, einen Kochlöffel oder einen Pfannenwender zu führen.

Die Depression ist ein selbst hergestellter Zustand, eine vom Körper hart erarbeitete Gefühllosigkeit, eine Ummäntelung des Nichts, eine hormonelle Ärgerlichkeit und vieles mehr. Aber sie ist keine Trauer.

So gesehen ist Trauer eigentlich kein Gefühl, sondern eine Naturkatastrophe, ein Überfall der Wirklichkeit auf die Möglichkeit. Plötzlich steht ein Mensch stumm oder auch brüllend und stiert in die Wahrheit, bohrt mit den Augen Löcher ins Nichts, und Unumkehrbarkeiten schlagen sich glasklar in Herz und Hirn.

Trauer lässt die Welt stillstehen. Lassen Sie sich von anderen nicht das Gegenteil einreden. Auch wenn es den Anschein hat, sie drehe sich weiter. Dem ist nicht so. Sie steht definitiv still, und der Trauernde hört und sieht das ganz genau.

Der Trauernde leidet nicht unter Dopaminmangel, wenn er sich vom Entsetzen lähmen lässt. Und auch ist ihm die Zunge nicht abhanden gekommen, wenn er vor Schmerz verstummt. Gegen beides gibt es keine einzige heilsame Buchstabensuppe und auch keine lindernde Würzmischung.

Und also gibt es kein Kochen beim Trauern.

Nur kochen lassen.

Jemanden, der mit Liebe kochen kann.

Wer in Trauer ist, wird sich wiederfinden in der Küche eines Liebenden. Da die Welt stillsteht, wird der Trauernde nicht wissen, wie er in diese Küche kam. Das ist auch völlig irrelevant. Dass sich bei solchen Naturkatastrophen plötzlich eine Küche auftut, in der jemand mit Liebe kocht, gehört zu den Rätseln des Lebens.

Mit Liebe kochen heißt, lediglich drei Dinge wirklich gut machen zu können, und es ist keine Frage einer Rezeptur, sondern eine Frage des Gefühls.

Erster Tag der Trauer: Süße

Gedrückte Äpfelchen mit Keks sind gut gegen jede vitale Trauer.

Dazu gehören Liebeskummer, Weltschmerz und die Kümmernisse sehr junger Menschenkinder.

Die Zubereitung ist einfach, aber die wichtigste Zutat »Liebe« will gelernt sein.

Der Baum wächst in den Himmel, und die Frucht seiner Sehnsucht ist der Apfel. Seit wir nicht mehr im Paradies leben, ist er uns glücklicherweise nicht mehr verboten – und enthält doch immer noch alle Wissenssehnsucht und glänzt hoffnungsschimmernd.

So wie das Herzchen des Trauernden wird der süßsaure Apfel geschreddert. Da man das Unglück nicht zur Verfügung hat, muss man zum Schreddern des Apfels eine neumodische Häckselmaschine oder eine simple Käsereibe verwenden. Wenn man einen Trauernden bekocht, ist es wichtig, hier eine kleine Seufzpause einzulegen und den kläglichen Rest, die kleinen Apfelfitzel, zu beäugen.

Gleiches mutet man einem süßen Butterkeks zu, oder auch zweien, dreien, vieren. Die Mischung aus zerschreddertem Paradiesäpfelchen und klein gemurkstem Butterkeks muss eben stimmen, und ja, genau … diese Mischung gelingt nur liebenden Müttern und besten Freundinnen.

Zweiter Tag der Trauer: Liebe

Die Königsdisziplin gegen schwere Trauer ist die Bouillon, die am besten bei ganz schwerer Trauer schon am ersten Tag gekocht wird.

Um es mal ganz deutlich zu sagen: Die Bouillon kann fast nur von Müttern hergestellt und verabreicht werden. Sollte die Mutter abhanden gekommen, gestorben oder geflohen sein, bleibt nur zu hoffen, dass sich eine Ersatzmutter, eine Schwiegermutter oder eine Tagesmutter einfindet, die eine klare Brühe machen kann. Diese hilft gegen alles, was schwächt. Seien es Viren, Mathematiktests, Abschlussbälle mit dem falschen Partner oder frisch verstorbene Haustiere jeglicher Abstammung und andere Todesfälle.

Das in Wasser gekochte Rindfleisch sollte noch einen Knochen enthalten, denn er hat die Stärke und Nervenschmiere, die dem Trauernden gerade zerbrochen und geraubt wurde. Für Trauernde mit Kloß im Hals oder zugeschnürtem Magen wird das Fleisch selbstverständlich aus der Bouillon entfernt und diese wird unauffällig in einer Tasse gereicht.

Das Suppengrün mitsamt den orangefarbenen Karotten sorgt für einen leicht würzigen Geschmack, gerade eben so viel, wie der Trauernde noch aushält. Es erinnert den Trauernden ans Leben, und mit etwas Glück dreht sich die Welt kurz ein ganz kleines Stück weiter. Die Brühe kocht sich eigentlich von ganz allein, sodass die liebende Köchin den Trauernden im Arm halten kann, damit dieser nicht ganz aus der Welt herauskippt. Und Salz kommt in die Bouillon, die eigentlich ein Teller Mutterliebe ist. Das Salz ist gut für die Tränen, muss sowieso in die Suppe und ist Leben.

Dritter Tag der Trauer: Bitteres

Auch dieses Mittelchen für Trauerzeit ist ein echtes Geheimrezept. Es erlaubt dem Liebenden, nur wenig Zeit mit Kocherei zu verplempern, denn wichtig beim Kochen in der Trauerzeit ist es, immer Zeit zu haben, um Tränen zu trocknen, Schluchzer abzufangen, Drückerchen zu geben und Haare sanft zu berühren.

Für das Geheimrezept benötigt man nur irgendeine Nudel. Ehrlich gesagt sind Nudeln eigentlich gegen alles gut: gegen unerfüllte Liebe, gegen unerfüllte Leidenschaft, überhaupt gegen unerfüllbare Wünsche und natürlich für die wirklich traurigen Momente im Leben.

Während also dieses nudelige Allheilmittel kocht und weich wird, wirft man gewürfelte Tomaten und etwas Chili in einen Topf. Der Chili soll die Schweißproduktion ankurbeln, denn wer schwitzt, hat wieder Herzklopfen. Ob die Tomaten in der Dose, im erbosten Gläschen oder per Hand zerkleinert wurden, ist dabei völlig unerheblich. Um Zeit zu haben, geht es völlig in Ordnung, ausnahmsweise auf fertige Tomatenfetzchen zurückzugreifen.

Wichtig ist, dass man die Tomaten mit salzigem, bittermelancholischem Schimmelkäse verfeinert, diesen also in die blubbernde Tomatensoße gibt, sodass er schön schmilzt, während Nudeln jeglicher Art vor sich hin köcheln.

Es ist auch völlig in Ordnung, wenn der, den man bekocht, ein bisschen auf den Teller stiert, nur zeitlupend darin herumstochert und ins Nichts blickt. Das macht gar nichts. Mit Liebe Gekochtes findet seinen Weg allein ins Mündchen und muss gar nicht im Magen ankommen. Es geht direkt dorthin, wo es hin soll: ins Herz.

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