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2. Das System der Museologie

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Allgemeine Museologie besitzt drei Subsysteme

Das von Stránský entwickelte System, das den gesamten Musealisierungsprozess, also die Geschichte des Musealwesens, die Bildung von Sammlungen, ihre Erschließung und Vermittlung darstellt, wird als Allgemeine Museologie bezeichnet. Es hat drei Subsysteme: die historische Museologie, die theoretische Museologie und die angewandte Museologie oder Museographie. Hat die historische Museologie genetischen Charakter, so hat die theoretische strukturellen und die Museographie praktischen Charakter. Der österreichische Museologe Friedrich Waidacher (*1934) hat die Beziehungen zwischen diesen drei Subsystemen und den im Museum etablierten Fachwissenschaften im folgenden Schema graphisch dargestellt. (Abb. 1) Es zeigt deutlich den Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis, aber auch den Stellenwert und den Ort der am musealen Prozess beteiligten Fachwissenschaften. Es zeigt aber auch, dass alle Tätigkeiten, die sich im Museum institutionalisieren, nur dann einen Sinn ergeben, wenn sie als ein einheitliches Ganzes in einem ganzheitlichen strukturellen Gefüge aufgefasst werden.

Museales Handeln wendet sich nicht nur dem einzelnen Objekt zu, sondern auch bestimmten inneren und äußeren Verhaltensweisen des Menschen. Betrachten wir sie isoliert und unabhängig voneinander, sind sie von sich aus keine museologischen Fakten, weil sie auch unter anderer Sinngebung auftreten können. Es geht also immer um die Verbindung aller musealen Funktionsgruppen, es geht immer um die Erklärung der Tatsache, dass museales Sammeln, Bewahren, Forschen und Mitteilen nur unter musealen Bedingungen und vor museologisch intendiertem Handeln erfolgreich sein kann. Oder mit unserem Schema gesprochen: Die drei großen Teildisziplinen, theoretische, historische und angewandte Museologie, kommunizieren miteinander, wirken auf die so genannten Quellenfächer ein und empfangen von diesen wiederum die Ergebnisse ihrer Theorien, Methoden und Technologien. Die einzelnen Teildisziplinen seien im folgenden kurz charakterisiert.


Abb.1: Das System der Museologie nach Friedrich Waidacher (1999, S. 46).

Historische Museologie und das Musealphänomen

Die Historische Museologie: Was für alle Wissenschaftsdisziplinen gilt, gilt auch für unser Fach – nur aus dem Verständnis der Geschichte ist das Heute zu begreifen. Die Geschichte des Museumswesens zeigt, dass es permanenten Wandlungen unterliegt, sie zeigt aber auch, dass sich nur die Institution wandelt, nicht aber das Phänomen selbst. Historische Museologie erforscht deshalb nicht nur die Geschichte der einzelnen Institutionen, sondern sie fragt nach der Zeit, dem Ort und den Bedingungen des Auftretens des Musealphänomens. Erst, wenn die Gründe, die dem Sammeln der Dinge zugrunde liegen, erkannt sind, können wir Aussagen über das Museum als Institution vornehmen. Der Historischen Museologie geht es also nicht nur um die Erhellung der Geschichte des einzelnen Museums, sondern vor allen Dingen um die Geschichte des Phänomens selbst, sie ist nicht nur Institutionengeschichte, sondern vielmehr Ideengeschichte. Deswegen befasst sich die Historische Museologie auch mit Weltanschauungen und Wertvorstellungen, mit ästhetischen und sozialen Normen und sucht deren geschichtlichen Wandel in der Bedeutung für das Museum zu erklären. Überblicken wir die Forschungsgeschichte, so stellen wir leicht fest, dass erst seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts diese Fragen zunehmend in das Bewusstsein gerückt sind. Aber noch immer sind die Ergebnisse dieser Untersuchungen Einzelaussagen, eine Geschichte des Musealwesens ist bis heute noch nicht geschrieben, während die Forschungslage zur Lebensgeschichte einzelner Sammlerpersönlichkeiten und Museumsgründer oder der Geschichte einzelner Museen schier unübersehbar geworden ist.

Theoretische Museologie hat Charakter einer Grundwissenschaft

Museologie untersucht und begründet museales Handeln

Theoretische Museologie: Die größte Bedeutung im System der Museologie kommt der Theoretischen Museologie zu. Sie nimmt, wie Waidacher in seinem Handbuch der Allgemeinen Museologie zu Recht formuliert, „innerhalb des Musealwesens die Stellung einer Grundwissenschaft ein …“ (Waidacher 1999, 41). Die Theoretische Museologie sammelt, beschreibt und ordnet mit Hilfe ihres Instrumentariums die einzelnen Fakten, leitet aus ihnen Ergebnisse ab, begründet neu gewonnene Erkenntnisse und stellt diese in systematischer Form dar. Mithin untersucht und verallgemeinert die theoretische Museologie insbesondere die Gesamtheit aller Erscheinungen, die den musealen Prozess insgesamt formen. Sie kann als das System der grundlegenden Aussagen über den Gegenstandsbereich der Museologie aufgefasst werden. Mit seiner Hilfe wird das Aufstellen einer systematisch geordneten Menge von Aussagen möglich. Diese werden aus den gesammelten, beschriebenen und geordneten Fakten abgeleitet und ermöglichen so neue Erkenntnisse. Die Methodik der musealen Arbeit wird wissenschaftlich begründet. Bekanntlich baut jede Methode als ein System von Regeln auf einer Theorie auf, die letztendlich ein System von Gesetzesaussagen darstellt. Immer ist die Theorie gegenüber der Methode primär. Die theoretische Museologie hat also strukturellen Charakter. Ihr kommt es darauf an, das Problem des Erkennens und Auswählens musealer Objekte zu definieren. Beide Vorgänge sind nur dann erfolgreich, wenn sie sich nicht nur auf die fachliche Identifikation des Objektes und dessen Dokumentation beschränken, sondern wenn auch die Frage beantwortet werden kann, wie die durch das Sammeln aus dem gesellschaftlichen Bewusstsein herausgelösten Objekte wieder in dieses zurückwirken können. Die theoretische Museologie stellt somit verbindliche Regeln für die Operationen der Objektwahl, der Bestandsbildung, der Bestandsdokumentation und Bestandsführung sowie der Bestandsvermittlung und der Museumsorganisation auf. Insofern steht sie mit der angewandten Museologie oder der Museographie, wie sie auch gern bezeichnet wird, in enger rückkoppelnder Beziehung.

Die angewandte Museologie: Systematisiert auf der Grundlage theoretischer Verallgemeinerungen die für die museale Arbeit notwendigen Verfahrensweisen, entwickelt entsprechende Methoden und erklärt die äußeren Bedingungen musealer Arbeit. Sie bildet die Grundlage für die Verbesserung der Arbeitsmethoden, der Technik, und den Einsatz der Technologien. Waidacher definiert:

(…) die Angewandte Museologie schafft die Voraussetzungen für die Übertragung der museologischen Theorie auf die konkrete Wirklichkeit des gesamten Musealwesens. Ihre Fragestellung ist methodologisch-aktional („wie und womit kann was/etwas getan, geschaffen, verhindert oder eliminiert werden?“). Sie zielt darauf ab, allgemeine Verfahrensprinzipien und -regeln zu entwickeln. Diese sollen eine bewusste und überprüfbare Umsetzung der Erkenntnisse der Theoretischen Museologie in die museale Praxis ermöglichen. (Waidacher 1999, 42)


Abb.2: Schema der Museologie nach Peter van Mensch (in: Auer 1989, S. 50).

Angewandte Museologie erstellt Regeln und Normen

Regeln und Normen für die einzelnen musealen Operationen aufzustellen, ist also die Angelegenheit der angewandten Museologie. Dazu bedarf es ausgewählter Methoden anderer Wissenschaftsdisziplinen, der so genannten Quellenfächer und zahlreicher Nachbardisziplinen. Diese haben den Charakter von Hilfswissenschaften, während die Quellenfächer mit ihren spezifischen Erkenntnissen für die fachliche Durchdringung eines Sammlungsbestandes, mithin für die fachlich-spezifische Forschung erforderlich sind. Der Begriff des Quellenfaches ist im weitesten Sinne der Geschichtswissenschaft entlehnt. Er resultiert aus der Erkenntnis, dass die im Museum aufbewahrten Objekte Quellen von historischer Erkenntnis sind. Die Theorien (Entstehungs-, Stil-, Geschichtstheorien und so weiter), Methodologien (Gewinnung, Datierung, Kritik und dergleichen) und Technologien (Analyse, Präparation, Konservierung und anderes) der Quellenfächer bilden das Instrumentarium der fachlichen Erforschung der Gegenstände selbst. Der Beitrag der Quellenfächer betrifft daher grundsätzlich den materiellen und ideellen Inhalt der Musealien selbst, der bearbeitet werden soll.

Peter van Mensch (*1947)

Ähnlich argumentiert Peter van Mensch in dem von ihm vertretenen Konzept einer Museologie (Abb.2). Er definiert die Allgemeine Museologie als ein System von Grundsätzen, das sich mit der Erhaltung, Erforschung und Vermittlung der materiellen Zeugnisse menschlicher Kultur in einer institutionellen Form beschäftigt. Die philosophische Basis wird durch die Theoretische Museologie und ihren erkenntnistheoretischen Ansichten gebildet. Die Spezielle Museologie dagegen stellt die Verbindung zwischen der Allgemeinen Museologie und den speziellen Fachdisziplinen her. Sie richten sich auf die Erforschung der Dinge selbst. Die Historische Museologie widmet sich dem historischen Aspekt, und die Angewandte Museologie arbeitet die praktischen Grundsätze gemäß der gesellschaftlichen Funktionen des Museums aus. Auch Peter van Mensch betont, dass die philosophisch-kritische Betrachtungsweise alle Bereiche des Systems durchzieht. Ein rein objektiver Standpunkt ist weder in der theoretischen noch in der praktischen Arbeitsrichtung möglich.

Ivo Maroevič

Das durch Ivo Maroevič vertretene Wissenschaftskonzept einer Museologie basiert auf dem von Stránský entwickelten Ansatz und den von Peter van Mensch vorgetragenen Ansichten. Maroevič konstruiert ebenfalls eine generelle Museologie, der er eine historische, eine theoretische sowie die angewandte Museologie und die speziellen Museologien zuordnet (Maroevič 1998, 12–22). Als spezielle Museologie versteht er die Verbindung von genereller Museologie mit den jeweiligen Teilaspekten der Fachdisziplinen, die zur Erforschung des musealen Materials notwendig erscheinen. In gewisser Weise liegt ihr die Klassifikation musealer Fachwissenschaften zugrunde, die im Zuge der Etablierung des Museums während des 19. Jahrhunderts von diesem Besitz ergriffen haben. Die angewandte Museologie versteht auch Maroevič als Überbegriff, mit dessen Hilfe die drei Grundfunktionen des Museums definiert und operationalisiert werden können: Bewahren (Sammeln, Registrieren, Dokumentieren, Konservieren), Forschen und Vermitteln (Ausstellen und Bildungsarbeit). Verwaltung und Management werden als Disziplinen angesehen, die diese Basisfunktionen unterstützen können. Maroevič fordert ebenfalls nachdrücklich die klare Trennung und Unterscheidung von Museologie und Museographie. Die in der musealen Praxis übliche Vermischung beider Begriffe, lehnt er ebenfalls als irreführend ab (Maroevič 1998, 21). Insbesondere sieht er hier die museumsrelevanten Studien in der Pflicht, für die Verbindlichkeit einer klaren Terminologie Sorge zu tragen. Letztendlich spielt sie eine Mittlerrolle in der Verbreitung theoretischer Überlegungen und Konzeptionen. Die Akzeptanz eines theoretischen Zugriffs auf die museale Arbeit, die das Konzept der Museologie generell ermöglicht, kann sich fördernd auf diese auswirken. Van Mensch sieht in der Entwicklung einer geeigneten Methodologie die notwendige Voraussetzung für einen erfolgreichen Beitrag der Theoretischen Museologie zur Museumsarbeit. Während seiner Meinung nach die Fragestellungen hinsichtlich der Konservierung, der Forschung, der Ausstellungstätigkeit und der Museumspädagogik noch relativ wenig entwickelt sind, nimmt die Anerkennung der musealen Verantwortung für die Erhaltung des kulturellen Erbes und die Verantwortung der Gesellschaft gegenüber breiteren Raum ein. Insbesondere spielt der gesellschaftsbezogene Aspekt eine immer stärkere Rolle. Er wird neuerdings als „Neue Museologie, New Museology“ bezeichnet und gewinnt in einer wie auch immer gearteten „Ökomuseologie“ neue Aspekte. Letzterer Begriff bedarf einer kurzen Erläuterung, verdient er doch unter den verschiedenen Spielarten der Museologie einige Beachtung.

„Ökomuseologie“ und Kulturverständnis

Die Diskussion um eine Ökomuseologie ist zunächst in gewisser Weise als eine Reaktion auf den neuerlichen Paradigmenwechsel im gegenwärtigen wissenschaftlichen Denken entstanden. Sie gründet sich auf der Feststellung, dass insgesamt die Museen noch weitestgehend traditionelle, neopositivistische Konzepte bevorzugen, mithin eine globale, ökologische Orientierung vermissen lassen. Die Diskussion um eine Ökomuseologie ist aus dem Bedürfnis entstanden, museale Wissenschaft so auszurichten, dass sie ein neues Bewusstsein für die Probleme der Gegenwart zu evozieren vermag. Ökomuseologie kann in gewisser Weise als Ausdruck eines neuen Kulturverständnisses gelten. Ihm liegt ein erweiterter Kulturbegriff zugrunde, der insbesondere daraufhin orientiert ist, die Komplexität funktionaler Lebenszusammenhänge darzustellen. Er bemüht sich letztendlich darum, lebensweltliche Zusammenhänge zu erinnern.

Écomusée als Gegensatz zum klassischen Museum

Der ökomuseale Gedanke hat erstmals in der Geschichte des Musealwesens in Frankreich in Gestalt der „Écomusées“ feste Konturen angenommen. Das „Écomusée“ gilt, so Gottfried Korff, als eine bedeutende kulturpolitische Leistung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die nicht nur in Frankreich Aufsehen erregte. Seiner Grundidee nach muss es als ein Widerpart zum ‚klassischen Museum‛, angesehen werden, da es nicht wie dieses auf einer Darstellung der Eigenwertigkeit des Objektes beruht, sondern seinen Forschungs- und vor allem seinen Bildungsansatz aus der Vielfalt der Alltagskultur gewinnt, die in allen ihren Bezügen dokumentiert und vermittelt werden muss. Die besondere Qualität des „Écomusée“ liegt demzufolge in der ganzheitlichen Darstellung der Kultur einer Region, ohne Einschränkungen oder Ausklammerungen zuzulassen; es kann letztendlich nicht ohne weiteres mit dem uns geläufigen Verständnis eines Freilichtmuseums verglichen werden.

Georges Henri Rivière (1897–1985), der als Urheber der Idee des „Écomusée“ gilt, hatte bereits kurz vor dem Zweiten Weltkrieg erste Gedanken zu seiner Verwirklichung formuliert, sah in diesem neuen Museumstyp gleichsam einen Spiegel, in den die Bevölkerung hineinblicken kann, um sich selbst zu erkennen, den eigenen Platz im Netz der Geschichte auszumachen und diesen für die Bestimmung der eigenen Gegenwart fruchtbar werden zu lassen. Das „Écomusée“ versteht sich als eine „Vermittlungsinstanz“ (Korff), welche die Experten der verschiedenen Kultur- und Gesellschaftswissenschaften zusammenzuführen versteht. Es ist, so könnte man sagen, Ausdruck und Ergebnis einer lebendigen Musealisation. Inwieweit dieses Konzept auch umsetzbar ist, muss sich noch zeigen.

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