Читать книгу Prosecco auf dem Gerichtsflur - Katharina Mosel - Страница 8
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Gründung einer Anwaltskanzlei
Meine Kollegin, mit der ich seit 1992 zusammen in einer Sozietät arbeite, habe ich im Referendariat kennengelernt. Die Einzelheiten unseres Anwaltsprojekts haben wir in einem Café besprochen, kurze Zeit später wurde der Mietvertrag unterschrieben. Es war also relativ spontan. Wir wussten übrigens von Anfang an genau, was wir nicht wollten: ein typisches Anwaltsbüro in grün, braun, beige mit einschüchterndem Verhalten von Anwälten. Anfang der Neunziger war das nämlich noch häufig gang und gäbe.
Wir arbeiten immer noch in denselben Räumen, die wir so spontan vor vielen Jahren angemietet haben. Als wir gründeten, erhielten wir von der Sparkasse ein Existenzgründungsdarlehen ohne Sicherheiten. In diesen Genuss kommt man nach meiner Kenntnis schon lange nicht mehr. Es ist deutlich schwieriger geworden, Kreditinstitute verlangen Sicherheiten, die man am Anfang einer Selbstständigkeit naturgemäß oft nicht hat. Inzwischen gibt es sehr viele Kollegen, die alleine unterwegs sind, d.h. ohne Angestellte alles selbst machen. Mit der entsprechenden Technik ist das heutzutage kein Problem mehr. Auch der Mandant findet es nicht mehr außergewöhnlich, wenn er immer direkt mit dem Anwalt zu tun hat. Er wird dieses sogar oft begrüßen. Ob das praktisch für den Anwalt ist, ist eine ganz andere Frage. Auch wir haben zunächst ohne Mitarbeiter angefangen, ziemlich schnell aber eine Auszubildende eingestellt.
Ich bin überzeugt davon, dass es heute wichtiger als damals ist, spezialisiert zu arbeiten, zumindest in der Stadt. Ich habe große Hochachtung vor den Kollegen, die als sogenannte „Feld-Wald-und-Wiesen-Anwälte“ arbeiten. Ob das in der Zukunft noch ein praktikables Modell ist, wird sich zeigen. Der Markt verändert sich rasend schnell, Legal-Tech ist in aller Munde. Für uns hatte sich jedenfalls damals sehr schnell herausgestellt, dass wir uns spezialisieren müssen, um am Markt bestehen zu können. Nicht umsonst habe ich mich durch die Fachanwaltslehrgänge gequält und wieder Klausuren geschrieben. Auch wenn es für viele heute gar nicht mehr vorstellbar ist: Als ich anfing, als Anwältin zu arbeiten, wurden noch Briefe verschickt, es gab keine E-Mails, vom Internet ganz zu schweigen. Ich weiß noch, dass das Telefax für viele Kollegen Teufelszeug war und man sich lange Zeit dagegen gewehrt hat. Das Thermopapier des Faxes verblasste und wenn man nicht aufpasste, verschwand der so gefaxte Schriftsatz im Nirwana. Juristen sind halt im Großen und Ganzen eher konservativ und tun sich schwer mit Neuerungen. Manchmal gibt es allerdings auch bei mir Momente, wo ich mir diese Zeit zurückwünsche. Immer dann nämlich, wenn mein E-Mail-Account überquillt und alle immer sofort eine Antwort auf die gerade versendete Nachricht haben möchten. Ich verstehe das auch: Bei Einkäufen im Netz erhält man immer umgehend eine Bestellbestätigung und kann kurz danach die Sendung über einen Link verfolgen. Es ist nach wie vor eine große Herausforderung, dem einzelnen Mandanten zu erklären, dass das im Anwaltsbüro so nicht funktionieren kann. Ich arbeite dran und bin nach wie vor optimistisch.