Читать книгу Prosecco auf dem Gerichtsflur - Katharina Mosel - Страница 9
Оглавление4
Die Angst, pleite zu gehen …
… war in den ersten Jahren unserer Selbstständigkeit tatsächlich immer vorhanden. Es gab anfangs Wochen, in denen kein neuer Mandant auftauchte. Ich weiß nicht, ob man sich diese Situation als Angestellter mit einem regelmäßigen monatlichen Einkommen wirklich vorstellen kann: keine Mandanten, keine Einnahmen, aber jede Menge Ausgaben. Darüber hinaus gibt es die Mandanten, die nicht oder nicht zuverlässig zahlen – auch der Staat kann sich übrigens durchaus viel Zeit mit der Auszahlung der einem zustehenden Gebühren lassen. Die monatlichen Fixkosten laufen natürlich trotzdem weiter. In diesen Zeiten beobachtet man den Kontostand jeden Tag aufs Neue mit besonderer Aufmerksamkeit.
Eine befreundete Unternehmensberaterin hat einmal zu mir gesagt, dass man an der Stimmung einer Selbstständigen immer ablesen kann, ob die Auftragssituation gut ist oder nicht. Da ist sicherlich etwas dran. Es gab die eine oder andere schlaflose Nacht am Anfang meiner Selbstständigkeit, in der ich mich gefragt habe, ob ich wirklich den richtigen Weg eingeschlagen habe. Das ist etwas, was auch Karla und Ida aus Paragrafen-und-Prosecco umtreibt, als sie sich entschließen, eine Anwaltskanzlei zu gründen. Die Unsicherheit, ob genügend zahlungskräftige Mandanten kommen, bleibt einem lange erhalten. Natürlich dauert es auch eine Weile, bis man von anderen Leuten empfohlen wird und ein Netzwerk aufgebaut hat. Die Idee, Flyer zu verteilen und gleich am nächsten Tage mit neuen Kunden zu rechnen, ist verlockend, funktioniert aber nicht. Tatsächlich kamen manchmal Mandanten zu mir ins Büro, die einen Flyer mitbrachten, den sie Jahre zuvor auf irgendeiner Veranstaltung bekommen hatten. Das war die Zeit, als wir noch mit gedruckten Werbematerialien gearbeitet haben. Heute werben wir ausschließlich im Netz.
Hinzu kommt noch Folgendes: Ich meine es wirklich nicht despektierlich, wenn ich festhalte, dass man gerade am Anfang der Berufstätigkeit mit sehr vielen Menschen zu tun hat, die sich selbst keinen Anwalt leisten können. Zumindest war das bei uns im Büro so. Für so etwas gibt es die Möglichkeit, Beratungshilfe beim Staat zu beantragen. Das ist gut und richtig so. Klar ist aber auch, dass man keine Anwaltskanzlei betreiben kann, wenn man nur Mandanten auf Beratungshilfebasis betreut. Das merkt auch Karla in ihrer Gutmütigkeit sehr schnell.
Und tatsächlich kam es in den Anfängen häufiger vor, dass Angestellte bezahlt wurden, für die Anwältinnen aber zu wenig Geld übrig blieb. Auch etwas, was in den Paragrafen-und-Prosecco-Büchern thematisiert wird. Man braucht also eine gehörige Portion an Disziplin, Idealismus und Freude am Beruf, um in solchen Situationen nicht aufzugeben.
Rückblickend bedauere ich es manchmal, dass ich mir zu viele Sorgen gemacht habe und die damals noch mehr vorhandene Freizeit nicht entspannter genossen habe. Funktioniert aber vermutlich nie. Heute wird der Schreibtisch selten leer – das konnte ich am Anfang meiner Berufstätigkeit aber natürlich nicht wissen.