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Lias Augen leuchten nicht mehr. Was über sie bestimmt, ist das Funktionieren an diesen grauen Tagen. Gedankenverloren streicht sie ihr langes, schwarzes Haar zurück. Krampfhaft hält sie ihre Kaffeetasse und starrt auf den leeren Stuhl vor sich. Wie still es in der Küche ist und doch riecht es noch nach ihrem Parfüm. Doch Oma ist weg. Obwohl sie erwartete, keinen klaren Gedanken fassen zu können, sieht sie alles klarer. Sie hinterfragt ihr Leben. Messville, sie ist hier aufgewachsen.

Lias Eltern starben früh bei einem Verkehrsunfall. Lias Oma wurde für das damals fünfjährige Mädchen zu einem liebevollen Ersatz und Lia konnte ihr in den letzten Monaten etwas von all dem zurückgeben. Nun ist Oma Margrit nicht mehr da.

Lia blickt zurück auf die vergangenen Jahre. Sie wollte unbedingt Geschichte studieren, was sich irgendwann als Fehlentscheidung herausstellte, obwohl sie ihren ganzen Eifer hineingelegt hat und dadurch nicht nur Freundschaften verloren hat, sondern auch jegliche Chance auf eine feste Beziehung. Und so ging es weiter.

Ihre kindliche Naivität legte sie in ihren Traum vom Schreiben und tatsächlich hat sie es geschafft, ein Buch erfolgreich zu veröffentlichen und eine Zeit lang von dem Erlös zu leben. Doch je schlechter es Oma Margrit ging, desto mehr übernahm sie ihre Pflege und ihren gemeinsamen Haushalt. Ihr Kopf war blockiert. Sie konnte nicht mehr schreiben und aus dieser Blockade heraus, nahm sie eine stundenweise Beschäftigung in einer Gärtnerei an, obwohl die Pflege ihres eigenen Gartens durchaus auch schon Zeit kostet. Zwar wuchern die Hecken und Sträucher vor ihrem Haus von alleine, aber sie müssen geschnitten und der Rasen gemäht werden.

Irgendwann sah Lia sich am Ende ihrer Kräfte, viel mehr aus Angst davor, ihre Oma gehen zu lassen, als wegen der Arbeit. Und dann war er da. Garret. Wie dankbar ist sie Garret, ihrem besten Freund. Er gab seine Anstellung als Pfleger auf, um Oma Margrit zu unterstützen.

Und nun ist er da, der schwarze Tag. Als sie Oma Margrits Hausschuhe im Flur stehen sieht, beginnt sie bitterlich zu weinen. Der letzte Teil ihrer Familie ist weg. Jetzt ist sie ganz allein. Ihr bleibt nur noch Garret, der für sie inzwischen fast wie ein Bruder ist.

Wenig spät sieht sie sich in seinem Arm wieder. Sie beobachtet ihn. Er ist so stark für sie. Sein blondes Haar ist inzwischen etwas länger und beginnt sich zu wellen. Seine blauen Augen starren konzentriert auf die Straße. In dem schwarzen Anzug, den er trägt, wirkt er elegant und souverän.

„Ich bin so dankbar dafür, dass du da bist.“, schluchzt Lia. „Ich bin immer für dich da.“, gibt Garret zurück. Als er Lia auf den Friedhof führt, kostet es ihn viel Mühe, für sie die starke Schulter zu sein. „Du schaffst das Lia. Sie hat ihr Leben glücklich gelebt. Sie muss sich jetzt nicht mehr quälen. Du warst immer für sie da.“ Allein der Gedanke an Oma Margrits Gesicht, lässt Lia laut aufschluchzen. Garret hält sie fest. „Danke Garret.“

Lia kann sich nicht mehr daran erinnern, wie sie den Gang zum Grab meisterte und wieder in ihrer Küche landete. „Du bist verwirrt Lia.“, sagt Garret besorgt und streicht ihr die nassen Tränen aus dem Gesicht. „Alles wird gut.“ Lia versucht, sich ein Lächeln abzuringen, doch der Verlust liegt so schwer auf ihrer Brust.

Während Garret ihr Kaffee eingießt, läuft noch einmal ihr Leben vor ihr ab und plötzlich fragt sie sich, ob Garret für sie vielleicht mehr ist, als das, was sie ihn ihm bisher gesehen hat. „Danke Garret.“, sagt sie noch einmal. Garret lächelt sanft und reicht Lia die Tasse. Er tritt hinter sie und streicht ihr Haar beiseite. Zärtlich küsst er Lias Wange. „Es ist alles gut. Es wird alles wieder gut.“ Lia spürt, dass sich eine sanfte Gänsehaut auf ihren Armen ausbreitet.

„Du solltest auch deine Beurlaubung bei der Gärtnerei beenden. Du musst vorwärts gehen. Du solltest wieder mit dem Schreiben anfangen.“ Lia schlürft stumm an ihrem Kaffee. Wie sie diesen positiven Menschen in ihrem Leben braucht! Und während sie sich in seinen blauen Augen verliert, schluchzt sie erneut.

„Es wird dauern. Aber ich bin für dich da.“, sagt Garret und legt seinen Arm besänftigend auf Lias Schulter. Nie hat Lia die Bindung zu Garret intensiver gespürt. Eine unglaubliche Sehnsucht ergreift Besitz von ihr. Schützend legt Garret seine Arme um ihre Brust. „Vergiss nie, du bist nie allein! Ich bin da.“, flüstert er. Sanft berührt seine Wange Lias Hals. Zärtlich streicht er über ihr Haar. Lia spürt dieses ungewohnte Kribbeln, das sie so lange nicht erfüllte. Was ist los mit ihr?

„Wovon wirst du jetzt leben?“, fragt sie verzweifelt. „Ich suche mir einen neuen Job als Pfleger. Es ist alles okay.“, flüstert Garret weiter. Er senkt seinen Kopf und lässt seine Lippen Lias Hals berühren. Lia erstarrt, doch die wohlige Hitze, die sich in ihr ausbreitet, verstärkt ihre Sehnsucht danach, gehalten zu werden. „Garret.“, flüstert sie. „Wenn du möchtest, bleibe ich heute bei dir.“ Lia nickt stumm. Ihre Angst davor, allein zu sein, verdrängt ihre Zweifel.

Lia kann nicht sagen, wie lange sie Garret zugehört hat, ehe sie bemerkt, dass es langsam dämmert. „Geh duschen Lia! Ich mache uns eine Kleinigkeit zu essen.“ - „Bitte nicht.“, gab Lia zurück. Sie merkt, dass Garret nur für sie da sein will. Als sie in ihrem weißen Nachthemd aus dem Bad tritt, fühlt es sich merkwürdig an. Sie hat das Gefühl nicht mehr wie eine Art Schwester vor ihm zu stehen, sondern als Frau und seine Augen verraten ihr, dass er dies genauso sieht.

Ashley verharrt still in ihrem Garten. Er sieht auf das geöffnete Fenster, an dem er sie so oft sitzen sehen hat. Und endlich ist Licht in ihrem Zimmer. Sie tritt ein. Sein Herz setzt einen Moment aus und springt dann vor Freude. Ashley vergräbt seine Hände ineinander, spürt seinen Körper, spürt seine Sehnsucht. Er sieht sie an, ihre schlanke Gestalt in dem weißen Stoff. Er erkennt den Schimmer ihrer Haare und wieder verspürt er den Drang, sie zu berühren und endlich zu spüren.

Er atmet schwerer. Doch dann steht plötzlich Garret hinter ihr. Ashleys Hände ballen sich zu Fäusten. Er erstickt den Schrei seiner Wut und Verzweiflung. Er will es nicht sehen, doch er kann die Augen nicht abwenden. Er fühlt mit in jeder Sekunde und er spürt es schmerzlich und mit so unendlich großer Sehnsucht. Er riecht ihren Duft. Er lässt all das Blut in seinen Adern pulsieren. Er sieht, wie der leichte Abendhauch durch das Fenster zieht und ihr Haar so sanft bewegt. Er sieht ihn. Er sieht es.

„Du bist wunderschön, Lia.“, flüstert Garret und der sanfte Hauch seines warmen Atems in ihrem Nacken lässt Lia vergessen. Garret nimmt ihr mit seinen Lippen die letzte, stumme Träne. Plötzlich löst sich Lias Leere auf. Vorsichtig wandern Garrets Küsse über Lias nackte Schulter und ihren Arm hinab. Lia spürt einen sanften Schauer, der sie warm durchflutet. Zärtlich streicht Garret die Träger ihres leichten Nachtkleides herab. Seine Fingerspitzen kitzeln die zarten Knospen ihrer Brüste, während er Lia eindringlich ansieht und sieht, wie sie erregt die Lippen öffnet. „Ich liebe dich Lia.“, flüstert Garret und beugt sich hinunter, um leidenschaftlich die so rosigen Spitzen zu liebkosen. Lia seufzt.

Für Garret gibt es kein Zurück mehr. „Ich will dich, Lia!“ Sie tritt zurück und lässt ihr Hemdchen auf dem Boden zurück. Der Anblick ihrer ganzen, nackten Schönheit lässt Garret seinen Wunsch nicht weiter unterdrücken. Er öffnet seine Hose. Lia ist ganz von der Leidenschaft beherrscht, die Garret in ihr weckt. Wortlos sieht sie, wie er seine Lust befreit und ein Kondom darüber rollt. „Denk nicht nach!“, flüstert er noch einmal. Er tritt hinter sie. Und wieder macht sein heißer Atem in ihrem Nacken Lia willenlos. Sie spürt ihn. Sie spürt, wie er zwischen ihre Schenkel dringt, während er seine Arme fest um ihre Taille legt. Und dann ist er in ihr.

Ashley fühlt mit Garret, mit jedem Stoß, den er beobachtet. Er spürt diese Erregung und das Verlangen danach, Lia zu spüren, wird immer größer. Und doch treten die Adern aus seinen Fingern. Zu sehr kämpft er mit der Wut, die beim Anblick dieses Liebesaktes in ihm hochkommt. Ashley verschwindet. Er kehrt zurück in seine Welt und versinkt in seiner schmerzvollen Sehnsucht.

Lia versinkt in dem Gefühl, das Garrets Bewegungen auslösen. Immer intensiver rotiert Garret in ihr. „Ich liebe dich, Lia.“, schreit er und Lia spürt, dass er kommt. Und plötzlich wird ihr bewusst, was sie getan hat. Sie hat mit ihrem besten Freund geschlafen! Verstört dreht sie sich um. „Es war ein Fehler Garret! Das war nicht richtig!“ - „Ein Fehler?! Ich liebe dich!“ - „Bitte geh!“

Wo sie sich vor Minuten noch kein Alleinsein vorstellen konnte, so will sie jetzt nichts sehnlicher. Sie sieht, dass Garrets schwitzende Stirn errötet. „Ein Fehler also!“ - „Du bist wie ein Bruder für mich!“ Wütend verlässt er das Zimmer. Laut hört Lia die Tür ins Schloss fallen.

Verzweifelt dreht sich Lia. Verstört zündet sie die Kerze auf ihrem Schreibtisch an. Sie verdrängt das gerade Geschehene. „Ich muss in die Zukunft schauen.“, sagt sie zu sich selbst wie in einem Schockzustand und greift nach einem Blatt Papier.

Doch es geht nicht. Sie kann nicht schreiben. Hat sie jetzt auch noch Garret verloren? Plötzlich starrt sie in den Garten. Hat sie wieder etwas gehört wie all die letzten Abende? Es ist still im Garten und doch wird sie das Gefühl nicht los, dass sie beobachtet wird. Wahrscheinlich ist sie einfach angespannt und durcheinander.

Lia kämpft, um nicht ganz in dieses tiefe Loch zu sinken. Doch je mehr Tage vergehen, desto mehr fehlt ihr Garret. „Was habe ich getan?“

Lila Flieder

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