Читать книгу Nur einmal - Kathleen Collins - Страница 7

Wie sagt man

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Als sie in die Sommerferien aufbrach, war ihr Haar so kurz, dass ihr Vater sich nicht von ihr verabschiedete. Er ertrug ihren Anblick nicht. Es war so kurz, dass Glätten zwecklos war, also lag es kraus um ihren Kopf und ließ sie, wie ihr Vater es ausdrückte, »wie alle farbigen Mädchen« aussehen.

Sie fuhr nach Maine, in die Summer School, um sechs Wochen lang nur Französisch zu sprechen. Den ganzen Weg von New Jersey. Weinend. Entmutigt durch die strengen Blicke ihres Vaters. Die grauen Augen voller Abscheu darüber, dass seine Tochter so farbig aussah, dass sie sich dessen entledigt hatte, was sie von den anderen unterschied, dass sie mit dieser Frisur nach Maine fuhr, obwohl sie dort bestimmt die Einzige oder fast die Einzige sein würde, und warum musste sie, wenn sie schon die Einzige oder fast die Einzige war, so farbig aussehen, aussehen wie »alle farbigen Mädchen«?

Als sie ins Anmeldebüro ging, verbarg sie ihre Haare unter einem Tuch und sah niemanden an (was ihrem Vater noch peinlicher gewesen wäre, denn er hatte sie immer ermahnt, sich aufrecht zu halten, nicht ängstlich zu sein, sondern den Leuten direkt in die Augen zu sehen). Aber ohne ihre Haare fühlte sie sich unsicher und hässlich. Und natürlich sehr farbig.

Aber seine Augenbrauen fielen ihr trotzdem auf, und immer wenn sie an diese erste Begegnung zurückdachte, sah sie ihr braunes Gesicht mit dem grünweißen Tuch und seine dicken, buschigen Brauen, die sie anlachten. Die dicksten, die buschigsten Brauen überhaupt!! Und darunter die Augen mit kühlem, festem Blick. Sie gaben sich die Hand … »Professeur …« »Mademoiselle«

Sie ging zurück in ihr Zimmer, wusch und kämmte sich die Haare und ließ das Tuch weg. Dann zog sie sich an und ging zum Essen.

Er machte gerade den Salat an. Professeur … mit den buschigen Brauen. »Bonsoir, mademoiselle.« Die Stimme nicht heiter, aber erfreut, dazu der klare, feste Blick und ein grimmiges Lächeln, fast so, als hätte ihm die Schwere seiner Brauen einen finsteren Zug ins Gesicht gemeißelt, was ihm etwas Ernstes, aber auch etwas Albernes verlieh. »Et vous, mademoiselle … d’où venez-vous?«

Nach dem Essen stand er auf dem Rasen … entre les professeurs … und sah sie vorbeigehen. Er beobachtete sie. Sie wusste, dass sie beobachtet wurde. Es war, als wären sie durch einen Draht verbunden.

Dienstags und donnerstags besuchte sie um elf seinen Kurs in civilisation française. Montags und mittwochs überschnitt sich ihr Weg zu ihrem Neun-Uhr-Seminar mit seiner Ankunft auf dem Campus. Er fuhr vorbei, während sie über den Rasen ging … beide achteten darauf, pünktlich zu dieser Begegnung zu erscheinen. Wobei sie nie lächelten oder grüßten. Sie sahen sich nur an. Zeigten einander, dass sie es eingerichtet hatten, pünktlich zu sein.

Dann trafen sie sich eines Abends zufällig in der einzigen Bar im Ort. »Bonjour, mademoiselleque vous êtes élégante ce soirJe peux vous offrir à boire?« Er lud sie auf ein Getränk ein. Er redete. Ihr Französisch entglitt ihr; sie spürte, wie die Wörter auf ihrer Zunge austrockneten und verkümmerten. Er redete. »Vous savez que vous avez de très jolis yeux?« Sie versuchte, Wort für Wort zu übersetzen … Sie wissen, dass Sie haben sehr schöne Augen? … zu wörtlich … Sie haben schöne Augen, wissen Sie das? Er redete. Sie sah, wie seine buschigen Brauen sich berührten und lächelten, und darüber musste sie lachen. »Après cet été je compte aller vivre à Paris!«, sprudelte es aus ihr hervor. Die Wörter kamen einzeln. Nach … dem … Sommer … beabsichtige (hoffe? gedenke?) … ich … in … Paris … zu … leben!! Sie redete weiter … »Il me plaît beaucoup de passer l’été ici.« Es … gefällt … mir … sehr … den … Sommer … hier … zu … verbringen … Sie war sehr zufrieden mit sich. Er war sehr zufrieden mit ihr. Beide waren sehr zufrieden miteinander.

Sie machten einen Ausflug mit dem Wagen. Er redete. »Vous connaissez le Maine, mademoiselle? C’est un très joli pays. Cela fait quarante-cinq ans que j’habite ici … Vous n’étiez même pas née quand je suis arrivé ici comme professeur …« Sie hörte zu, nahm sich die Sätze einzeln vor und übersetzte jeden Wort für Wort. Kennen Sie das Maine (darüber musste sie lachen), Miss? Das ist ein sehr schönes Land. Es sind fünfundvierzig Jahre, die ich jetzt hier bin. Sie waren nicht einmal geboren, als ich kam hierher als Professor … (Na, so was, dann ist er mindestens fünfundsechzig … na, so was! …) Sie wollte ihm sagen, dass er schöne Augenbrauen hatte. »Comment dit-on ›Augenbrauen‹ en français?« Sie wollte ihm sagen, wie dick und buschig und wundervoll sie waren! »Comment dit-on ›buschig‹ en français?« Unfassbar, er hatte schon hier gelebt, als sie noch gar nicht auf der Welt war. Und dann sprudelt es aus ihr hervor: »Qu’ils sont extraordinaires, vos sourcils! Je les adore!« Beide müssen darüber lachen, in dem dunklen, leisen Wagen auf der Fahrt zum Meer … Comment dit-on … wie sagt man. Sie konnte albern sein, wenn ihr danach war, und er ließ sie. Seine Brauen zogen sich dick und pelzig zusammen, sein fester, klarer Blick verweilte auf ihr, und er lächelte sein grimmiges Lächeln. Comment dit-on … wie sagt man … Sie haben ein grimmiges Lächeln, monsieur le professeur, und ich habe mich in Ihr grimmiges Lächeln verliebt … es geht mir durch und durch, wie eine Stoßwelle. Eigentlich sollten wir in diesem dunklen, leisen Wagen auf der Fahrt zum Meer leise sein und schweigen, wir befinden uns in einer unvorstellbaren, skandalösen Situation … wir sollten leise sein … und schweigen … denn all das ist unvorstellbar skandalös. Er redet … »Le malheur dans cette région, c’est que les hivers sont trop longs et l’océan trop froid …« Das ist das Unglück … (zu wörtlich) … Das ist das Traurige an dieser Gegend, die Winter sind zu lang und das Meer ist zu kalt … Sie kichert. »Comme c’est vrai, monsieur«, sprudelt es aus ihr hervor. »Vous dites la vérité, monsieur.« Sie kichert wieder … Wie wahr, Mister … Sie sagen die Wahrheit!! Sie sind allein am Strand. Er kniet vor ihr. Ihre Fingernägel bohren sich in seine Haut. Er lächelt, als er ihr die Abdrücke zeigt. Das ist ihr erstes Geheimnis. »Vous aimez vous baigner, ma petite?«»Oui, monsieur, oui, oui, oui … j’aime bien me baigner!« … ja, ja, ich mag es, mich zu baden … (zu wörtlich) … ich bade mich gerne … (zu wörtlich) … ich … baden Sie sich gerne, mein Kleiner?

Das ist zu skandalös, zu unvorstellbar, mein Kleiner. Und sie wird die ganze Zeit lachen und ihr kurzes, ihr unvorstellbar kurzes, skandalöses Haar schütteln und sich dem großen herrlichen Erwachen hingeben, das er ihr schenkt … »Comment dit-on … wie sagt man … danke …«

Nur einmal

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