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Kapitel 1
ОглавлениеDer Tag von Laddins Rekrutierung
(Acht Wochen bevor Lake Wacka Wacka zum Problem wird)
»Du willst, dass ich Tapete an die Wand des Teehauses klebe«, sagte Laddin Holt. Auch wenn er es nicht wie eine Frage formulierte, schrie sein Tonfall förmlich: Ist das dein Ernst?
Bing Wen Hao nickte. Der Mann war Produzent und Hauptdarsteller des Films Red Wolf: Origin. Er war außerdem detailbesessen und Laddins Boss. »Tapete wurde in China erfunden. In diesem Zimmer sollte es eine textilartige Tapete geben.«
»Aber diese Wand ist nur zu sehen, wenn sie in die Luft fliegt. Sie ist höchstens für zehn Sekunden im Bild.«
Bing Wen Hao schenkte ihm kaum Beachtung, seine Miene war eine ausdruckslose Maske. Aber Laddin hatte nun seit zwei Monaten Schulter an Schulter mit dem Typen gearbeitet. Er konnte Bings Gedanken an der kleinsten Bewegung seines Kinns ablesen und an diesem Punkt war Bing geradezu irrational stur.
»Ich werde Stunden brauchen«, sagte Laddin, noch immer in der Hoffnung, bei seinem Chef einen Funken gesunden Menschenverstands zu entzünden. »Ich habe heute noch ein Dutzend anderer Dinge zu erledigen.«
Keine Chance. Die Nervosität hatte Bing fest im Griff, weil irgendein hohes Tier aus China heute Nachmittag anreisen würde. Und wenn sein Boss nervös wurde, litten alle darunter.
»Details sind wichtig«, betonte Bing.
Laddin wusste das. Er war der König der Details, was der Grund war, warum er den Job als Regieassistent bei diesem Indie-Kung-Fu-Film bekommen hatte. Das war ein ordentlicher Karriereschritt, denn vorher war er nur in fünf mittlerweile abgesetzten Actionserien der Zuständige für die Explosionen gewesen. Er war verantwortlich für alles, das nichts mit Schauspielerei oder Kameraführung zu tun hatte. Das bedeutete, dass der komplette Aufbau des Sets in seine Zuständigkeit fiel, und er weigerte sich zu versagen, nur weil sein Chef sich irrational verhielt.
»Vielleicht könnten wir's mit einer anderen Beleuchtung versuchen –«, schlug er vor, doch Bing gab nicht nach.
»Wenn du es nicht hinkriegst, ist vielleicht jemand anderes dazu in der Lage.«
Laddin biss die Zähne zusammen. Diese Worte – oder ähnliche Formulierungen – verfolgten ihn schon sein ganzes Leben lang. Seine rechte Hand war deformiert, denn sein Mittel- und Ringfinger waren nie über Kindergröße hinaus gewachsen. Die Ärzte hatten ihm nie eine gute Erklärung dafür geben können. Sie vermuteten einen Defekt der Wachstumsfuge oder einen ähnlichen Geburtsdefekt. Es änderte nichts daran, dass seine Hand nicht normal aussah. Zuerst hatte er sich für seine Behinderung gehasst. Aber dank seiner Mutter hatte er verstanden, dass es ihn nicht davon abhielt, alles zu tun, was er wollte. Und doch stellten andere Leute immer sein Leistungsvermögen infrage.
»Ich kann es bis mittags fertig haben«, schnauzte er. »Aber du hast mich eingestellt, damit ich dir sage, wenn etwas keinen Sinn ergibt. Das hier ergibt keinen Sinn. Nicht für zehn Sekunden auf der Leinwand.«
Er wartete stumm, während Bing ihn anstarrte. Die Miene seines Chefs gab nichts preis, aber in seinem Kopf ratterte es offensichtlich gewaltig. Es war quälend, dort zu stehen und zu warten, aber Geduld war eine von Laddins Stärken und schließlich wurde sie belohnt.
»Du hast recht«, sagte Bing endlich. »Widme dich wieder deinen anderen Aufgaben.«
1:0 für den Handlanger mit Nerven aus Stahl. Und dann, um Bing zu zeigen, dass er kein Arschloch war, bot Laddin einen Kompromiss an. »Ich kann ein blasses Muster auf die Wand aufbringen, sodass es wie verblichene Tapete aussieht. Sollte nicht länger als eine halbe Stunde dauern.«
Bing nickte – seine Version eines Dankeschöns – und ging dann wieder seiner eigenen Arbeit nach.
Obwohl Laddin von der zwanghaften Detailverliebtheit seines Chefs genervt war, konnte er an Bings Arbeitsmoral nichts aussetzen. Der Kerl war Tag und Nacht am Set und setzte sich dafür ein, dass der Film trotz winzigem Budget so spektakulär wie möglich wurde.
Und das bedeutete, dass Laddin so schnell wie möglich mit dem Malern anfangen musste. Er hatte gerade nach der Malerrolle gegriffen, als er den allmorgendlichen Anruf seiner Großmutter bekam.
»Hallo, Grandmama. Ich lebe noch.«
»Oh, du armer Schatz. Es ist noch immer nicht passiert.«
Er gluckste, denn mal im Ernst, was sonst konnte er tun? »Die meisten Großmütter wären glücklich, dass ihr einziger Enkel noch lebt.«
»Du wirst nicht sterben, Laddin. Wie oft muss ich dir das noch sagen?« Sie verfiel in ihre dramatische Stimme. Grandmama war von Beruf Medium und manchmal – meistens – musste sie einfach eine Show hinlegen. »An dem Tag, an dem wir erkannt haben, dass deine Hand anders ist, hatte ich eine Vision. Der große Engel Charoum hat mir zugeflüstert, dass du mit 28 Jahren eine Transformation in etwas Magisches –«
»Ich bin gerade wirklich beschäftigt. Wir sollen morgen anfangen zu drehen und alle sind angespannt.« Er wusste, dass seine Großmutter es hasste, unterbrochen zu werden, und normalerweise ließ er sie plappern, aber heute hatte er keine Zeit dafür.
»Verzweifle nicht, Laddin. Es wird passieren. Ich weiß es. Es sind immer noch zwei Monate bis zu deinem Geburtstag. Du weißt doch noch, wer Charoum ist, ja?«
»Er ist der Engel der Stille.« Natürlich wusste er das. Charoums Prophezeiung war das Thema an beinahe jedem Tag seiner bisher 28 Jahre gewesen.
»Ganz genau! Und wenn der Engel der Stille spricht, ist es sehr wichtig zuzuhören.«
»Ja, Grandmama.« Und er hatte sein ganzes Leben lang zugehört, wie alle darüber spekuliert hatten, was die Vision bedeuten könnte. Die meisten glaubten, dass er sterben würde, aber Grandmama bestand darauf, dass er sich in ein magisches Wesen verwandeln würde.
In den letzten zehn Monaten hatten seine Mutter und Großmutter jeden Tag angerufen, um sich zu vergewissern, dass er noch atmete. Laddin wollte einfach nur, dass es vorüber war. Tod, Wiedergeburt oder die Verwandlung in einen irren Kobold – es war ihm egal, solange irgendetwas passierte, denn mittlerweile war er sich ziemlich sicher, dass er schon sein gesamtes Leben lang auf ein Ereignis wartete, das seine Großmama sich ausgedacht hatte, um die Geburt ihres einzigen Enkels etwas aufregender zu gestalten. Und wenn das zu einer endlosen Spekulation über dieses Jahr seines Lebens führte, dann umso besser für sie.
Für ihn? Eher nicht.
Er war kurz davor, sich eine Ausrede einfallen zu lassen, um aufzulegen, doch dann vibrierte das Handy in seiner Hand. Ein kurzer Blick ließ ihn die Augen verdrehen, aber er wusste, dass er rangehen musste. »Es tut mir leid, Grandmama. Mom ruft an. Ich muss ihr sagen, dass ich noch atme.«
»Natürlich, Laddin. Mach dir keine Sorgen. Es wird bald passieren.«
»Da bin ich mir sicher«, log er. Dann wechselte er zum Anruf seiner Mutter. »Hi, Mom. Ich lebe noch.«
Sieben lange Stunden später war das meiste von seiner To-do-Liste des Tages abgearbeitet, die große Nummer aus China war da und verschwendete ihrer aller Zeit und Laddin machte eine dringend benötigte Pause, in der er in seinem Arbeitsbereich saß und die Spezialeffekte für die morgigen Szenen durchging.
»Aladdin Holt?«, sagte plötzlich eine tiefe Stimme.
»Nichts anfassen«, grummelte er. Das sagte er immer, wenn jemand in seinen Arbeitsbereich kam. Er sah erst auf, als er mit dem C4-Sprengstoff fertig war, wünschte sich aber im selben Moment, es nicht getan zu haben.
Zwei Männer standen in seinem Arbeitsbereich. Der eine hatte Stripperhosen an, der andere trug eine Art Doctor-Strange-Outfit. »Ihr wollt zum Nachbarset. Da drehen sie dieses Möchtegern-Game of Thrones.«
Doctor Strange grinste. »Wissen wir. Was denken Sie, woher wir diese Klamotten haben?«
Der Stripper – dessen Oberkörper filmreif war – schüttelte den Kopf. »Er macht nur Spaß. Sie hatten viel besseres Zeug da als diesen Kram hier. Aber diese Aufmachung hat geholfen nicht aufzufallen, während wir Sie gesucht haben.«
Nun, für Laddin änderte das seine Einschätzung der beiden von Diebe zu Groupies. Sie waren beide gut aussehend genug, um Schauspieler zu sein, aber keiner von ihnen hatte den Charme dafür. Was bedeutete, dass sie Fans waren, die nach Gelegenheitsjobs suchten, um an der Filmmagie teilzuhaben.
Laddin zog eine Visitenkarte aus der Tasche und übergab sie. »Hier ist meine E-Mail-Adresse. Schicken Sie mir Ihre Lebensläufe und ich schaue sie mir an.« Es würde ihnen jedoch nicht helfen. Er würde niemals mit jemandem arbeiten, der Stripperhosen trug, und Doctor Strange steckte seine Nase bereits in die Sachen auf dem elektrischen Prüfstand. »Ich hatte Sie gebeten nichts anzufassen.«
Der Typ hob die Hände und bewegte die Finger in der Luft. »Ich fasse nichts an. Schnüffle nur ein bisschen.« Dann deutete er auf das Nicht trödeln – Machen!-Poster, das an der Rückseite von Laddins Tür klebte. »Es wirkt, als wäre hier drin ein Laden für Motivationsartikel explodiert. Erzählen Sie uns, Mr. Holt, sind Sie der Meinung, dass dem Filmemachen heutzutage ein wenig Magie fehlt? Wenn dem so ist, haben wir ein Angebot für Sie!«
Sein trockener Tonfall machte Laddin wütend. Was kümmerte dieses Arschloch, wenn ihn die Aussicht, bald zu sterben, mitnahm? »Sie sollten jetzt gehen«, sagte er, denn seine Geduld war am Ende. Er machte einen Schritt nach vorn. Im Vergleich zu dem Kerl in Stripperhosen war er klein, aber er war schnell und musste ein bisschen Frust ablassen.
Zum Glück hob Stripper Pants beschwichtigend die Hände. »Ignorieren Sie Wiz. Er ist ein Arsch. Mein Name ist Nero und wir sind hier, um Ihnen einen Job anzubieten. Es ist bereichernde Arbeit, es geht um die Rettung der Welt. Das ist übrigens keine Übertreibung. Sie würden vielen unschuldigen Menschen Gutes tun.«
Gott, konnten sie noch nerviger werden? Jedes Arschloch in Hollywood dachte, dass ihre Filmidee die Welt verändern würde. »Ich habe bereits einen Job und selbst wenn nicht, das hier« – er schnipste in Richtung der Klamotten des Mannes – »beeindruckt mich nicht.«
Wiz grinste. »Dachten wir auch nicht. Aber wie wäre es, wenn wir das hier probieren?« Der Typ holte schwungvoll eine Mappe hervor und begann, kitschigen Fantasy-Mist zu skandieren.
Laddin hatte absolut keine Zeit für diesen Schwachsinn. Er schnappte den Stripper am Arm und nahm ihn in den Schwitzkasten.
Oder er versuchte es. Normalerweise unterschätzten die Leute seine Kraft, da er der kleine Typ zwischen all den großen, muskulösen und ungemein gut aussehenden Schauspielern Hollywoods war. Aber wenn er den Arm eines Kerls zu fassen kriegte, hielt er ihn mit einem Todesgriff fest, der jeden überraschte.
Aber nicht dieses Mal. Sicher, er schaffte es, ihn zu schnappen, aber Nero war ihm mehr als ebenbürtig. Der Kerl verbrachte vermutlich seine ganze Zeit im Fitnessstudio, denn Laddins beste Wrestlingmoves brachten gar nichts. Verdammt, der Typ gab nicht ein Stück nach. Wodurch Laddin einfach da stand, das Handgelenk des großen Kerls umklammerte und Was zum Teufel? dachte.
Dann beendete Wiz das, was auch immer er gesagt hatte, mit einer dramatischen Geste, und beide Männer erstarrten, als würden sie auf etwas warten.
Laddin wartete ebenfalls. Es war die Macht der Gewohnheit. Grandmama sagte oft Dinge mit überschwänglichen Gesten und es war nur höflich, auf die dramatischen Ergebnisse zu warten. Aber heute hatte er keine Geduld mehr.
»Ich rufe den Sicherheitsdienst«, sagte er, während er sein Walkie-Talkie vom Gürtel nahm.
Nero griff nach seiner Hand und hielt ihn fest, sah sich aber zu Wiz um. »Was zum Teufel ist passiert?«
Wiz runzelte die Stirn, als er verwirrt in seinen Ordner schaute. »Keine Ahnung. Ich habe es richtig aufgesagt.«
»Verdammt!«, knurrte Nero. »Ruf Gelpack!«
»Mache ich!«, sagte Wiz und begann mit einer Hand auf einem Handy zu tippen.
Laddin hatte genug. Er wand sich aus dem Griff an seinem Handgelenk und hob das Walkie-Talkie an seinen Mund. Er hatte eine Hand am Knopf, dann hielt er plötzlich inne und seine Augen weiteten sich vor Schock.
Glibber waberte zwischen Tür und Türrahmen hindurch und unter der Tür hervor in seinen Arbeitsbereich. Er bewegte sich schnell und zielgerichtet. Laddin hatte seine gesamte Karriere an Sets in Hollywood verbracht, aber so etwas hatte er noch nie im Leben gesehen. Verdammt, es hätte aus Shining stammen können. Er keuchte und zuckte zurück. Durch die Bewegung stieß er mit Nero zusammen, der die Gelegenheit nutzte und sich mit einer Hand das Walkie-Talkie schnappte, während er Laddin mit der anderen festhielt.
»Keine Sorge. Er gehört zu uns«, sagte Nero, als der Glibber sich zu einer menschenähnlichen Gestalt formte.
»Was ist das?« Laddin schnappte nach Luft, doch niemand antwortete ihm. Sie waren zu beschäftigt damit, aufeinander einzureden.
»Warum hat es nicht funktioniert?«, wollte Nero wissen.
»Ich habe es genau richtig aufgesagt«, verteidigte sich Wiz.
»Es sei denn, es liegt an ihm?«, sagte Nero und sah Laddin dabei an.
»Du denkst, es ist der falsche Zauberspruch?«, fragte Wiz.
Ein Anflug von kontrollierter Panik lag in ihren Stimmen, als wären sie besorgt, aber daran gewöhnt, die Dinge zu nehmen, wie sie kamen. Und die ganze Zeit über starrte Laddin den Glibber an, während der sich umdrehte, um ihn anzusehen. Er hatte nicht mal Augen, nur angedeutete, kugelförmige Vertiefungen, und doch hätte Laddin schwören können, dass er ihn direkt anstarrte.
»Was fühlst du im Moment?«, trällerte das gallertartige Ding.
Nero stöhnte auf. »Nicht jetzt.«
»Ich kann seine Emotionen nicht verstehen. Ich werde den Zauberspruch korrigieren, wenn er sie mir erklärt.«
»Später –«, grummelte Nero, aber das Gel-Ding schenkte ihm keine Beachtung. Mit menschenähnlichen Schritten kam es auf Laddin zu, obwohl es eher aussah wie eine mit Wasser gefüllte Form – fließend, flüssig. Wenn er es auf der Leinwand gesehen hätte, hätte er es kitschig genannt. Aber im echten Leben ließ es ihm vor Panik die Haare zu Berge stehen.
Und dann traf ihn die Erkenntnis mit voller Wucht.
Heute war der Tag. Er würde entweder sterben oder verwandelt werden… »Magie«, keuchte er und sah dabei zu, wie die Prophezeiung seiner Großmutter vor seinen Augen Wirklichkeit wurde. Dann lachte er, obwohl das Geräusch leicht hysterisch klang. »Heute ist es so weit!«
»Ähm, ja, das hier ist Magie«, sagte Nero mit Verwirrung in der Stimme. »Also, der Spruch war es. Er ist –«
»Magie!«
»– ein Alien.«
Laddin zuckte mit den Schultern. Für ihn passte beides. »Ich werde nicht sterben«, sagte er, als er anfing, tief und erleichtert durchzuatmen. Die Prophezeiung seiner Großmutter wurde wahr und sie beinhaltete kein schmerzhaftes Ende für ihn. Die Erleichterung löste Schwindelgefühle in ihm aus.
»Nicht absichtlich. Es könnte immer noch aus Versehen passieren«, murmelte Wiz. Dann sah er Laddin an. »Geht es Ihnen gut? Vielleicht hat der Spruch etwas ausgelöst. Vielleicht –«
»Der Spruch war wirkungslos«, sagte die durchscheinende Kreatur. »Du hast ihn nicht mit klarer Absicht gesprochen.«
»Als ob!« Wiz schnaubte. »Ich hatte die Absicht, dass der Typ ein Werwolf wird. Ich hatte die Absicht, schnell fertig zu werden, sodass wir zum nächsten übergehen könnten. Ich habe die Absicht, mir nach all dem hier einen wirklich starken Drink zu besorgen –«
Laddins Kopf fuhr hoch. »Ein Werwolf? Wirklich?« Der Gedanke war auf beängstigende Weise aufregend.
Nero drehte ihn zu sich herum. »Du glaubst an Werwölfe?«
Hinter ihm prustete Wiz. »Wir sind in Hollywood. Die Leute hier glauben alles.«
»Tun wir nicht!«, entgegnete Laddin automatisch. Es war seine Großmama, die alles glaubte. Und es ihm beigebracht hatte.
Das Gel-Ding wandte sich ihm zu. »Ich verstehe deine Gefühle nicht. Die meisten Leute haben Angst.« Er hob eine Hand und streckte sie zu Laddin aus, dem sofort wieder schwindelig wurde. Nur dass es kein Schwindelgefühl mehr war. Der Anblick dieses durchsichtigen Glibbers, der sich seinem Gesicht näherte, war furchterregend und er schrie alarmiert auf.
»Das ist besser«, sagte das Ding. »Jetzt sollte der Spruch funktionieren. Sein Gefühlsmuster hat sich in Angst geändert.« Der Kopf drehte sich zu Wiz um. Nicht der Körper, nicht die Schultern, nur der Kopf – im Stil von Der Exorzist. »Angst verstärkt den Spruch sicherlich.«
Nero seufzte schwer. »Wir haben versucht, das hier anständig über die Bühne zu bringen. Ohne Trauma!«
»Das hätte eh nie funktioniert«, grummelte Wiz.
»Halt die Klappe und sag den Spruch noch mal auf. Diesmal mit fester Absicht!«
Wiz begann wieder zu sprechen, seine Worte eine Mischung aus Schwachsinn und echten Wörtern. Laddin konzentrierte sich mehr darauf als auf den gelähnlichen Horror vor sich. Nichts hier war seltsam, sagte er sich. In der Tat hatte er sein ganzes Leben auf diesen einen Moment gewartet. Er fühlte, wie seine Schultern sich entspannten und seine Atmung ruhiger wurde.
»Er ist nicht ängstlich genug«, sagte der Alien. »Sein Verstand scheint unnatürlich akzeptierend zu sein. Seid ihr euch sicher, dass das der richtige Mann ist?«
»Ja!«, schnauzte Nero. »Es ist Hollywood, um Himmels willen. Wer weiß schon, was die Leute hier für wahr halten? Soweit wir wissen, bist du nicht sein erster Alien.«
»Das ist sehr ungewöhnlich«, sagte der Alien mit Interesse in seiner trällernden Stimme. »Ich sollte dies weiter erforschen.«
Laddin hatte keine Ahnung, ob es Absicht war oder nicht, aber das Wort erforschen explodierte förmlich in seinem Kopf und ein Teil seines Körpers spannte sich vor Entsetzen an.
»Viel besser«, meinte der Alien, als er sich Wiz zuwandte. »Du kannst es jetzt beenden.«
Das tat Wiz. Er hob die Stimme in einem beeindruckenden Crescendo, während seine freie Hand durch die Luft tanzte. Dann gab es einen Knall. Keinen hörbaren Knall, aber eine Vibration, die Laddin stärker traf als die heftigste Autoexplosion, die er je inszeniert hatte.
Die Druckwelle ließ seine Muskeln zittern und seine Knochen vibrieren. Es verschlug ihm den Atem und seine Schultern sackten nach vorn. Aber innerlich war er immer noch mit der Vorhersage seiner Großmutter beschäftigt. Schlussendlich hatte die verrückte alte Frau tatsächlich recht behalten und das machte ihn glücklich. Sie mochte seine Kindheit mit einer schrulligen Idee nach der anderen belastet haben, aber bei der hier hatte sie hundertprozentig richtiggelegen.
»Sei nicht so ruhig«, trällerte der Alien. »Sonst wirst du sterben.«
Der Satz war so dämlich, dass Laddin sich tatsächlich weiter entspannte. Durch seine Nervenzellen floss eine elektrische Spannung, die beinahe Spaß machte, als sie in schwankender Stärke und wechselndem Muster durch seinen Körper pulsierte. Aber bevor er sich gänzlich entspannen konnte, erfüllte ein Geräusch den Raum – ein kehliges Brüllen, wie das einer Bestie. Es klang rau und verängstigt, aber die Wut in diesem Brüllen ließ Laddins Adrenalin nach oben schießen. Das war das Geräusch einer Kreatur kurz vor dem Angriff. Und die Tiefe des Geräusches sagte ihm, dass es kein kleines Tier war.
Tatsächlich klang es wie ein sehr angepisster Werwolf.
Die anderen mussten den gleichen Gedanken gehabt haben. Wiz und Nero starrten einander schockiert an.
Die Silhouette des Aliens hingegen schien weniger zu wabern, als er trällerte: »Viel besser. Du wirst nun überleben.« Dann sah er die anderen Männer an. »Der andere wird ohne Hilfe sterben.«
»Welcher andere?«, fragte Nero. Dann winkte er ab und zeigte mit dem Finger auf Wiz. »Du passt auf den hier auf. Gelpack, du kommst mit mir. Zumindest kann dir ein Bein ausgerissen werden, ohne dass du gleich stirbst.«
Der Alien sickerte Richtung Tür. »Es ist schwierig, einen Werwolf zu stabilisieren, während man zerstückelt wird, aber ich werde es versuchen.«
Laddin drehte sich um, weil er helfen wollte. Immerhin war das hier sein Set, sein Arbeitsplatz. Aber sein Körper bewegte sich eigenartig. Sein Kopf war zu weit nach vorn geneigt und seine Sicht war anders – eher zur Seite hin als nach vorn. Sein Gleichgewicht war gestört, weil sich Gewicht auf seine Hände verlagerte.
Er sah nach unten und erblickte Fell und Pfoten und als er aufkeuchte, war seine Zunge zu lang und seine Nase… Mamma Mia, diese Gerüche! Er konnte alles riechen! Er begann sich zu drehen und stolperte, als er versuchte, sich zu bewegen. Sein Hinterteil wackelte und er versuchte sich aufzurichten, um besser sehen zu können, aber er war ein Wolf. Er konnte nicht stehen wie ein Mensch.
Er war ein Wolf! Die Freude darüber durchströmte seinen Körper und er bellte vor Begeisterung. Es gab so viel zu entdecken. Nicht nur sein Körper, sondern alles in seinem Büro war neu. Wollmäuse und verschüttete Limo, Crackerkrümel und Schießpulver. Er konnte sich nicht entscheiden, was er zuerst riechen wollte.
»Beruhig dich!«, rief Wiz, als er sich mit ausgebreiteten Armen neben ihn kniete. »Du wirst noch was kaputt machen! Und wer weiß, was du hier drinnen in Gang setzt.«
Das wirkte. Sein Büro war voller Sprengsätze und empfindlicher Elektronik für Spezialeffekte. Er hatte Stunden damit verbracht, die Sachen logisch und auf sichere Weise anzuordnen. Das wollte er nun wirklich nicht durcheinanderbringen. Also hielt er inne, auch wenn er nicht ganz erstarrte. Sein Hinterteil wedelte weiter hin und her. Er brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass es seine Rute war, die hinter ihm herumschnellte. Und mit diesem Wissen kam das Bedürfnis, sie zu sehen, also drehte er sich, um hinter sich zu schauen. Aber natürlich drehte sein Hintern sich ebenfalls und er begann, wie ein Kreisel herumzuwirbeln.
Wiz stöhnte. »Immer müssen sie unbedingt ihren Schwanz sehen. Halt still! Ich halte ihn fest, damit du ihn dir ansehen kannst. Ich habe noch nie im Leben einen glücklicheren Wolf gesehen.«
Es gab einen plötzlichen Ruck an seinem Hintern, fest genug, um ihn überrascht aufjaulen zu lassen, und dann sprang er vor, um zuzubeißen. Es war keine bewusste Bewegung. Verdammt, im Moment tat er nichts bewusst. Es geschah alles aus Instinkt. Je länger er darüber nachdachte, irgendeinen Körperteil zu bewegen, desto weniger war er dazu in der Lage. Aber er machte einen Satz und hätte Wiz beinahe in die Hand gebissen.
Zum Glück war der Kerl schnell. In der einen Sekunde war dessen Hand direkt vor Laddin, in der nächsten umfasste sie unnachgiebig seine Schnauze.
»Das machen wir mal lieber nicht!«, schimpfte er. »Aber jetzt, da ich dich habe…«
Etwas Spitzes stach ihn fest in den Hals. Eine Injektionsnadel, wie er erkannte, als Wiz plötzlich aufstand und das Ding hoch in die Luft hielt. Laddin knurrte verärgert, doch Wiz schüttelte nur den Kopf.
»Du bist ein neuer Wolf. Wir müssen dich in eine sichere Umgebung bringen. Da kannst du deinen Schwanz so lange jagen, wie du willst.«
Er wurde schnell von Müdigkeit überwältigt. Es wurde immer schwieriger, sich aufrecht zu halten, und verdammt, sein Kopf sank auch nach unten. Er winselte hoch und traurig, aber das war alles, was er noch herausbrachte, bevor er auf den Boden sackte. Er sah seine Pfoten ausgestreckt vor sich, konnte sie aber nicht bewegen. Und schon bald fiel sein Kopf zur Seite. Er versuchte, die Augen offen zu halten. Wenn schon sonst nichts, so gab es aus diesem Winkel doch so viel zu sehen. Und die Gerüche…
Zu spät. Er schlief ein.
Aber die gute Nachricht hallte noch in seinem Herzen nach und seine letzten bewussten Gedanken waren von Freude erfüllt.
Grandmama hatte recht gehabt! Er hatte sich in etwas Magisches verwandelt. Und ein Werwolf zu sein, machte Spaß, Spaß, Spaß!