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Kapitel 2

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Sechs Wochen später

Bruce entdeckt die Existenz von Werwölfen und Fae, du liebe Güte!

Bruce Collier war neun Jahre alt gewesen, als sein Vater ihm enthüllt hatte, dass Bruce' Onkel und sein jüngerer Bruder Josh Monster waren. Er hatte gelacht, denn er war neun gewesen, aber er hatte schnell verstanden, dass sein Vater es ernst meinte. Der ältere Mann zeigte ihm Polizeifotos von zerfetzten Körpern, einem blutverschmierten Zimmer und einem mit Blut bespritzten Schwarz-Weiß-Fernseher. Das war ein Bild, das sich in das Gehirn eines Neunjährigen brannte. Ein alter Fernseher, der Mittelpunkt des Wohnzimmers, genau wie der, vor dem er, sein jüngerer Bruder und seine Schwester oft saßen und Videospiele zockten. Er war eingeschlagen und von Zeug überzogen, das ihm den Magen umdrehte.

»Das hat dein Onkel getan und auf Josh liegt der gleiche Fluch. Im Moment liegt der im Verborgenen und so werden wir es auch lassen. Wir werden Josh schwach und ängstlich halten, damit er niemals zum Vorschein kommt.« Dann war sein Vater in die Hocke gegangen, damit sie auf Augenhöhe waren.

Als er mit ihm sprach, konnte Bruce den scharfen Geruch von Whiskey und Tabak im Atem seines Vaters riechen. »Aber wenn etwas schiefläuft, wenn Josh sich verwandelt, dann werde ich dich brauchen, um deine Mutter und Schwester zu beschützen. Ich werde mich um Josh kümmern, aber du musst stark genug sein, um für sie zu kämpfen. Kannst du das tun? Kannst du für deine Mutter und Schwester kämpfen?«

Bruce nickte, denn das war es, was ein Junge tat, wenn sein Vater ihn so etwas fragte. Und das war auch der Moment, als der Unterricht in Gewalt begann. Sein Vater schlug ihn und er lernte zurückzuschlagen. Sein Vater stieß ihn Gesicht voran in die Möbel und er lernte, nach allem zu greifen, was er zu fassen bekam, um sich damit zu wehren. Sein Vater verprügelte ihn, rang mit ihm… und verlor schließlich gegen ihn. Aber erst nach Jahren täglichen Kämpfens hinten im Schuppen, wo niemand – vor allem nicht Josh – sie sehen konnte.

Und an jedem Tag betonte sein Vater, wie die Schläge ihm halfen. Er war stark und hatte einen fiesen rechten Haken. Das machte ihn zu einem wertvollen Mitglied des Footballteams. Er beobachtete die Leute aufmerksam nach Anzeichen für das Böse und scharte eine starke Gruppe treuer Freunde um sich. Das nützte ihm auch als Quarterback am College. Er hatte gelernt, seine Mutter und Schwester vor jeglichem Feind zu beschützen – auch wenn nie einer aufgetaucht war –, und das war es, was ihn zur Feuerwehr geführt hatte.

Alles gute Dinge.

Doch jetzt, da er ein erwachsener Mann war, der auf die 30 zuging, erkannte er, dass er seinem kleinen Bruder gegenüber ein Unmensch gewesen war. Seine Gruppe loyaler Freunde in der Highschool war eher eine Schlägertruppe gewesen als harmlose Kids, die nach der Schule zusammen abhingen. Und auch wenn er als Feuerwehrmann und Notfallsanitäter Leben gerettet hatte, bei seinem kleinen Bruder hatte er nie Zeichen des Bösen gesehen.

Bis heute.

Heute, als Josh unerwartet bei ihren Eltern zum Sonntagsessen aufgetaucht war. Er hatte Muskeln bekommen und einen Aufpasser dabei, der definitiv Scheiße laberte. Josh war nicht im Krankenhaus gewesen, wie man es ihren Eltern erzählt hatte. Und er hatte sich ganz sicher nicht von dem Stress erholt, wie dieses Riesenarschloch Nero erklärt hatte. Nein, sein kleiner Bruder hatte eindeutig immer noch enormen Stress und der machte ihn fertig. Verdammt, er hatte sogar ausgeplaudert, dass er schwul war, in dem Versuch, die Unterhaltung von seinem Aufenthaltsort während der letzten sechs Wochen abzulenken.

Das alleine war schlimm genug gewesen, aber dann hatte Josh von seinem Vater verlangt, ein seltsames Outfit aus Volcax herzustellen – einem hitzeresistenten Stoff, der so geheim war, dass Josh ins Gefängnis kommen konnte, wenn er ihn ohne die Genehmigung durch das Pentagon besaß.

Bruce hatte keine Ahnung, warum sein Vater zustimmte, die Kleidungsstücke für seinen Bruder herzustellen, aber er verstand den unnachgiebigen Blick, den sein Vater ihm auf dem Weg zur Tür zuwarf. Er bedeutete wortlos, dass Bruce seine Mutter und Schwester zu beschützen hatte. Dass sein Vater sich um Josh kümmern würde, auf die eine oder andere Weise.

Das hätte vielleicht funktioniert, wenn Bruce immer noch neun Jahre alt gewesen wäre. Aber das war er nicht. Er war ein 29-jähriger Feuerwehrmann und alt genug, um selbst zu entscheiden, ob sein Bruder böse war.

Davon abgesehen war seine Schwester gerade erst von einem Auslandseinsatz für die Army zurückgekommen. Sie hatte viel mehr Kampftraining erfahren als er. Also entschied er zum ersten Mal in seinem Leben, stattdessen lieber seinen Bruder zu beschützen.

Er folgte ihnen. Er sah, wie Josh und sein Vater in die Fabrik gingen, vermutlich um was auch immer für ein seltsames Outfit für Josh herzustellen. Bruce schlich sich rein und wartete, belauschte ihre Unterhaltung und hoffte, Josh allein zu erwischen. Es klappte nicht.

Dann folgte er Josh zu einem Hotel, wo Nero wartete. Er versuchte, seinen Bruder zu erwischen, aber Josh ging direkt zu Neros Zimmer, während Bruce noch das Auto parkte. Dämlich, dämlich. Er war ein Feuerwehrmann, verdammt, kein Cop. Was zum Teufel wusste er schon darüber, wie man jemanden aus einer Sekte befreite? Er hatte es mit behutsamer Annäherung versucht. Er wollte als Freund mit seinem Bruder sprechen. Jetzt dachte er darüber nach, da reinzustürmen und den Kerl zu entführen. Aber wenn er den neuen Körperbau seines Bruders betrachtete, war Bruce sich nicht sicher, ob er ihn gegen seinen Willen mitnehmen konnte, und er bezweifelte, dass Nero Josh kampflos aufgeben würde.

Und so saß er auf dem Hotelparkplatz und war wütend über seine eigene Inkompetenz.

»Das nervt, oder?«, sagte plötzlich eine Stimme rechts von ihm. »Du versuchst, zum ersten Mal im Leben der Gute zu sein, aber du hast nicht die leiseste Ahnung, wie das geht. Kann ich nachvollziehen.«

Bruce fuhr in seinem Sitz herum, tastete nach der schweren Taschenlampe, die er im Auto immer in seiner Nähe hatte. Es war seine einzige Waffe gegen… die Bauchrednerpuppe? Den Zirkusclown? Den seltsamen kleinen Mann, der von grünen Blättern bedeckt war und plötzlich auf dem Beifahrersitz saß. Der Typ hatte helle Augen und ein kantiges Kinn… und war außerdem nur einen knappen Meter groß und trug gebogene Elfenschuhe an seinen winzigen Füßen.

»Wie bist du in mein Auto gekommen?«, wollte Bruce wissen. Die Frage war nicht die dringendste seiner Sorgen, aber irgendwie war sie dummerweise das Erste, was ihm einfiel.

Die kleine Person wackelte eindeutig herausfordernd mit den Augenbrauen. »Finde heraus, wer ich bin, und du hast die Antwort auf all deine Fragen.« Seine Stimme klang melodisch und in ihr schwang Belustigung mit. Und als Bruce ihn anstarrte, färbte sich sein Haar von Spinatgrün zu Tomatenrot. Oh Scheiße. Er halluzinierte! Er hatte schon immer gewusst, dass die Chemikalien in der Fabrik seines Vaters irgendwann sein Gehirn schädigen würden.

Panisch sah Bruce sich um, wobei er zu gleichen Teilen nach anderen Bedrohungen suchte und überprüfte, ob auch der Rest seiner Umgebung schräg aussah.

Nein. Alles auf diesem hell erleuchteten Parkplatz sah wie immer aus. Alles, außer der Halluzination, die auf dem Beifahrersitz saß. Nur dass sie ihm nicht wie eine Halluzination vorkam, sondern eher wir ein Clown in einem schrägen Traum.

»Okay«, sagte er und tat sein Bestmögliches, um ruhig zu wirken. »Wer bist du?«

»Mein Name ist Jonas Bitterroot und ich bin der Fae-Prinz, der indirekt für die Situation deines Bruders verantwortlich ist.«

»Und was für eine Situation ist das?«

»Er ist ein Werwolf und kurz davor, in dem Versuch, einen Dämon zu töten, sein Leben zu riskieren. Nur dass er sich in der falschen Zeitlinie befindet, wenngleich es für Nero die richtige ist.«

Nicht ein einziges Wort davon ergab Sinn, außer eines vielleicht. »Werwolf.« Sein Vater hatte den schrecklichen Fluch nie erklärt, den Josh in sich trug. Nicht mal, als Bruce ein sturer Teenager gewesen war und statt der täglichen Prügel, die sein Vater ihm verpasste, echtes Training in einem Dojo verlangt hatte.

Aber er erinnerte sich daran, dass sein Dad oft gesagt hatte: »Stell dir vor, du kämpfst gegen einen Werwolf, einen großen, bösen Hund, der Grips hat. Wie würdest du so etwas besiegen?« Nicht ein Mal hatte er Vampir oder Ghul oder Der Schrecken vom Amazonas gesagt. Es war immer ein Werwolf und dann hatte er Bruce wieder diese Polizeifotos gezeigt. Das mit den Klauen- und Bissspuren auf den Leichen.

»Du wusstest es bereits«, sagte die Halluzination feixend. »Wenn du das wusstest, dann ist es nur noch ein kleiner offensichtlicher Sprung zu dem, was ich bin.« Er grinste, während er mit seinen gebogenen Schuhen wackelte.

»Schwachsinn«, entgegnete Bruce verärgert. »Mein Bruder ist kein Werwolf und du bist kein verrückter Weihnachtself.«

»Elf!«, rief der Typ, während er sich zu seiner vollen Winzlingsgröße aufrichtete. »Ich bin ein Fae-Prinz und ich sehe nur deshalb so aus, weil es dir an Vorstellungskraft mangelt. Das hier ist das einzige Bild eines Fae, das in deinen beschränkten Gedanken existiert, und deswegen sehe ich so aus.« Verächtlich deutete er auf sich selbst. »Und trage Salat!« Er zupfte ein Blatt ab und kaute wütend vor sich hingrummelnd darauf herum. »Wurdest du als Kind von einem Salatkopf getroffen oder was? Wer zieht sich denn so an? Selbst in deiner Vorstellung?«

In dem Moment erinnerte sich Bruce an die Weihnachtsdekoration im Lieblingsrestaurant seiner Mutter. Sie stellten jedes Jahr Elfen in die Salatbar. Seine Schwester fand sie bezaubernd, vor allem die, die als Kleidung Blätter trugen und dazu Hüte, die aussahen wie Kirschtomaten. Er sah den sogenannten Prinzen neben sich an und ja, sein Schopf sah in der Tat aus wie eine halbe Kirschtomate.

»Das hier ist nicht echt«, sagte Bruce laut. »Ich habe mir den Kopf gestoßen. Ich träume. Ich bin –«

»Du bist ein Trottel, das bist du.« Der Elf ließ den Kopf gegen die Lehne zurückfallen. »Meine Mutter hat mich gewarnt, dass ich mich von Menschen fernhalten soll. Sie sind alle dumm und haben keine Fantasie. Sie sind selbstzerstörerisch und reißen dabei alles mit sich. Aber selbst sie hat gesagt, dass sie gutes Bier brauen. Also musste ich herausfinden, ob es stimmt. Eines Tages bin ich in eine Menschenbar gegangen und tatsächlich, das Bier war spektakulär. Aber dann ist eine Kneipenschlägerei ausgebrochen, und das nur, weil ich anfangen habe, den Idioten ein besseres Aussehen zu verpassen, so wie das ihrer Vorstellung entsprach. War es mein Fehler, dass einer von ihnen Shakespeare-Spezialist war? Ein Eselskopf später und plötzlich war ich kurz davor zu sterben. Nero hat mir das Leben gerettet und zack, jetzt hocke ich mit einem Deppen alias großem Bruder in einem billigen Auto und trage Eisbergsalat.«

Wenn das hier eine Halluzination war, dann war sie verdammt hartnäckig. Bruce versuchte sie loszuwerden. Er versuchte, seine Atemzüge zu zählen, seinen Puls zu senken, seine Gedanken zu beruhigen – all dieses Meditationsblabla, das nicht im Geringsten half. Als er bis zehn gezählt hatte, war der Fae-Prinz immer noch da.

Er seufzte. »Was willst du von mir?«

»Was ich will?«, spottete der Fae. »Ich will, dass diese Sache vorbei ist. Ich bin es leid, dass ihr Sterblichen jeden meiner Pläne versaut.« Er beugte sich so dicht zu ihm heran, dass Bruce die knallroten Radicchio-Blätter sehen konnte, aus denen sein Unterhemd bestand. »Und ich will, dass du für die Probleme bezahlst, die du mir verursacht hast.« Die Drohung wurde auf eine solch frostige Art rübergebracht, dass es angsteinflößend gewesen wäre… wäre sie nicht von einem Salat-Elfen gekommen.

Bruce verdrehte die Augen und tat unbeeindruckt, obwohl er eigentlich komplett am Durchdrehen war. »Hast du den Spruch aus einem schlechten Film?«

Einen Moment lang hielt der Fae seinem Blick stand, dann noch einen, aber Bruce war ein alter Hase, was Einschüchterungsspielchen betraf. Es beeindruckte ihn in keiner Weise. Und am Ende gab die Halluzination zuerst nach. Er seufzte und hielt einen Groschenroman hoch. »Wisconsiner Kurzgeschichte. Autor ist nie groß rausgekommen, war nur regional bekannt, und nun frisst seine Kreation den ganzen Staat auf.«

Bruce verdrehte erneut die Augen. »Hör auf, unsinniges Zeug zu reden oder steig aus.«

Der Fae sah ihn empört an. »Hast du von dem großen Schwarzen Loch in Wisconsin gehört, das mal ein See war? Es breitet sich zu einer Todeszone aus, die den Planeten innerhalb von Monaten vernichten wird. Kommt dir davon irgendwas bekannt vor?«

Natürlich tat es das. Seit nunmehr Wochen war in den Nachrichten von kaum noch etwas anderem die Rede. Aber was hatte das mit ihm oder seinem Bruder zu tun?

Der Fae steckte das Buch unter die Schichten aus Salat. »Dagegen versuchen dein Bruder und Nero gerade zu kämpfen – einen Dämon, den sich jemand für eine schlechte Kurzgeschichte ausgedacht hat, die legendär genug geworden ist, um die Welt zu zerstören. Sag mir nicht, dass das keinen Sinn ergibt. Ihr Sterblichen seid es, die allen möglichen Unsinn hervorbringen, nicht wir. Wir…« Er wackelte mit den Fingern vor Bruce' Gesicht herum, und seine Haut fühlte sich plötzlich an, als würde er drei Kilo Make-up tragen. »Spielen nur mit eurer Fantasie.«

»Mach den Mist aus meinem Gesicht weg«, knurrte Bruce. Er wollte nicht in den Spiegel gucken, aber er konnte sich nicht beherrschen. Verdammt. Nun war er auch ein Salatelf und sein Gesicht bestand aus Sonnenblumenkernen.

»Warum sollte ich?«, spottete der Fae.

Bruce fiel verdammt noch mal kein Grund ein, daher umfasste er das Lenkrad fest mit Händen aus Stangensellerie und versuchte sich einzureden, dass er die Halluzination einfach nur überstehen musste.

»Das hier ist echt«, sagte der Elf.

»Und du bist ein echter Arsch, weißt du das?«

»Und du bist so eifersüchtig auf deinen Bruder, dass du ein Fae-Geschenk nicht mal dann erkennst, wenn es dir angeboten wird.«

Bruce riss die Augen auf. »Wovon zum Teufel redest du?« Dann sah er sie – hellrot lag sie auf seinem Armaturenbrett. Eine leuchtende Kirsche. Sie sah wie eine normale Frucht aus, so wie man sie in jedem Supermarkt fand, aber er wusste, dass sie das nicht war. Er konnte sehen, wie sehr sie das nicht war. Sie war zu perfekt, strahlte unnatürlich hell und was am verräterischsten war? Er wollte sie, wie er noch nie zuvor etwas in seinem Leben gewollt hatte.

»Du willst, was dein Bruder hat?«, meinte der Elf. »Iss das.«

»Scheiße, nein. Denkst du, ich fasse irgendwas an, das von dir kommt?«

Der Fae schnippte mit den Fingern und plötzlich war alles wieder normal. Bruce trug die gleichen Klamotten wie zuvor, sein Gesicht bestand aus Haut, nicht aus Sonnenblumenkernen, und selbst sein Spiegelbild zeigte die typischen Augenringe. Alles war wie immer… bis auf den Salat-Fae, der neben ihm saß, und die leuchtende Kirsche auf seinem Armaturenbrett.

»Dein Bruder hat seine Stärke gefunden.«

»Sagst du.«

»Sagt er, hättest du dir die Mühe gemacht, ihn zu fragen.«

Er hatte es versucht, auf indirekte Art und Weise. Er hatte seinen Bruder auf ein Bier eingeladen, hatte ein Gespräch vorgeschlagen. Er hatte ihm ein Friedensangebot gemacht, und es hätte vielleicht funktioniert, wenn dieses Arschloch von Aufpasser ihn nicht eilig weggelotst hätte.

»Hör auf, eifersüchtig auf ihn zu sein. Iss das und finde das, was er hat.«

»Ich bin nicht eifersüchtig auf meinen dämlichen kleinen Bruder«, schnauzte er, obwohl selbst er hörte, wie kindisch das klang. Denn er beneidete seinen Bruder tatsächlich. Josh war intelligent, so sehr, dass er seinen Doktor in Chemie machen konnte. Er hatte echte Freunde, wie Savannah, die mehr wert war als ein Dutzend der dämlichen Vollidioten, mit denen Bruce sich in der Highschool abgegeben hatte. Und ja, Bruce hatte in seinen Feuerwehrkollegen ein Team gefunden, aber sie alle hatten ihr eigenes Leben. Sicher, bei einem Brand konnte er sich auf sie verlassen, aber am Ende des Tages gingen sie nach Hause zu ihren Familien, während Bruce allein nach Hause ging.

»Warum tust du das?«, fragte Bruce.

»Warum tun Fae überhaupt irgendwas? Weil wir uns langweilen. Und in diesem Fall warte ich auf die Morgendämmerung über dem White River State Park, wenn dein Bruder und sein Lover mein Problem lösen und für immer zu meinen Sklaven werden.« Er grinste auf eine wirklich heimtückische Art. »Warum tust du das hier?«

Bruce senkte die Stimme, als Furcht seinen Körper ergriff. »Was meinst du mit für immer Sklaven?«

Der Fae wedelte mit seinem aus einem einzelnen Möhrenstick bestehenden Finger. »Das, Bruder, fällt in die Rubrik Kenntnis nur bei Bedarf. Und du musst das nicht wissen.« Er wackelte mit einem halben Zwiebelring, der als seine Augenbraue fungierte. »Es sei denn natürlich, du willst zu dem werden, was er ist. Dann musst du nur die Kirsche essen.«

»Und werde für immer dein Sklave?«

»Nee. Das da« – er zeigte auf die Kirsche – »ist gratis. Iss sie und du bekommst genau das, was dein Bruder hat – nicht mehr, nicht weniger. Du wirst stärker sein als je zuvor. Schneller auch. Stell dir nur mal vor, was das bei deiner Arbeit für einen Unterschied macht.«

Bruce dachte in der Tat darüber nach. Er dachte über all die Male nach, in denen er zu langsam oder zu schwach gewesen war, um Menschen aus Gefahrenlagen zu retten. Ein Junge war gestorben, weil Bruce es nicht geschafft hatte, ihn und seine Schwester gleichzeitig zu tragen. Ein Stockwerk war eingebrochen und hatte seinem besten Freund das Rückgrat gebrochen, weil Bruce mit der Axt nicht schnell genug gewesen war, um sie beide zu befreien. Was würde es bedeuten, im Job besser zu sein als je zuvor? Wen könnte er alles retten, wenn er diese wunderschöne kleine Kirsche aß?

Aber der Fae-Prinz war noch nicht fertig. Während Bruce immer noch diese drängende Verlockung verspürte, deutete das Wesen mit der Hand auf das Armaturenbrett. Plötzlich lag ein Apfel neben der Kirsche, so groß und wunderschön wie der, der Schneewittchen in Versuchung geführt hatte. Er war so rot wie ein dunkler Rubin und erfüllte das Auto mit dem Duft nach warmem Apfelkuchen. Er strömte in seine Gedanken und seine dunkelsten Wünsche. Bruce griff bereits danach, als er plötzlich innehielt.

»Was ist das?«, wollte er wissen, als er seine Hand zurück zwang.

»Das, mein Freund, wird dich etwas kosten. Iss die kleine Frucht und du bekommst das Gleiche wie dein Bruder. Die gleiche Wolfsnatur, die gleiche Wolfskraft, die gleichen Wolfsbedürfnisse.« Beim letzten Wort zögerte er einen Moment lang und Bruce war clever genug, um zu bemerken, dass es wichtig war. Aber er hatte keine Zeit nachzufragen, denn der Fae sprach bereits weiter: »Aber wenn du das andere isst, bekommst du mehr. Mehr Macht. Mehr Stärke.«

»Mehr Bedürfnisse?«

»Verdammt, ja«, sagte der Kerl mit einem Grinsen. Dann zuckte er mit den Schultern. »Sieh mal, wenn du ihn nicht willst, dann nimm ihn nicht. Ich zwinge dir nichts auf.«

»Du bietest mir einfach nur einen geschenkten Gaul an und ich soll ihm nicht ins Maul schauen?«

»Es hat die Form eines Apfels, also hat es kein Maul.«

Er lieferte sich einen Wortwechsel mit einem Salatelf. Und war nicht mal betrunken. Am besten konzentrierte er sich auf das, was ihm wichtig war. »Wie – genau – hast du meinen Bruder versklavt?«

Der Elf zuckte mit den Schultern. »Er ist es noch nicht, aber ich werde ihn kriegen. Er ist nur ein kleines Fae-Versprechen davon entfernt, Befehle von mir entgegenzunehmen.«

Das Selbstvertrauen des Elfen war ärgerlich, aber es schien nicht unangebracht zu sein. Josh konnte nicht widerstehen, sich in verrückten Mist zu stürzen. Er war ein Nerd, ein Geek und ein Freak, alles zusammen zu einem gutgläubigen Päckchen verschnürt. Wenn jemand das annehmen würde, was dieser Fae anbot, dann wäre es zweifellos Josh. Was bedeutete, dass Bruce, wenn er ein guter großer Bruder und kein Arschloch sein wollte, tun musste, was immer nötig war, um Josh vor sich selbst zu schützen.

Aber er würde das nicht tun, indem er Fae-Obst aß.

Er würde mit seinem Bruder reden, selbst wenn es bedeutete, dass er es mit Nero würde aufnehmen müssen. Ohne ein weiteres Wort – und ohne einen weiteren Blick auf die Kirsche – öffnete er daher die Autotür. Oder er versuchte es. Da war kein Türöffner. Er tastete und versuchte zu fühlen, wo er sein sollte, aber alles, was er spürte, war glatte Verkleidung.

»Ich kann nicht zulassen, dass du ihn jetzt störst«, sagte der Fae fröhlich. »Erstens, was sie gerade tun – das will niemand sehen. Außerdem gibt es bei einem Fae-Angebot Regeln. Du kannst keine Kirschen rauben, ohne vorher unschuldige Korken knallen zu lassen.«

»Was?«

»Habe ich die Metaphern vertauscht?«, fragte der Fae. »Die Menschensprache ist manchmal so schwierig zu verstehen.«

Bruce schüttelte den Kopf. Er war nach einer langen Nachtschicht in diesen Tag gestartet und jetzt war es weit nach ein Uhr. Das war vermutlich der wahre Grund, warum er mit einem Salat-Fae redete. Er war in seinem Auto eingeschlafen und träumte. »Lass mich aus meinem Auto raus.«

»Ich kann nicht zulassen, dass du dich in die morgigen Geschehnisse einmischst. Dafür steht für unser beider Welten zu viel auf dem Spiel. Es ist zu gefährlich.«

»Aber du wirst es, wenn ich die Kirsche esse?«

»Die Unschuld rauben! Ist das nicht der Ausdruck? Willst du nicht, dass ich dir die Unschuld raube?«

»Beantworte die verdammte Frage. Wenn ich die Kirsche esse, werde ich dann unsterblich?«

»Du meine Güte, nein. Du wirst ein Werwolf, genau wie dein Bruder. Er ist nicht unsterblich. Er ist hin und wieder haarig und unter den richtigen Umständen ziemlich unsterblich.« Er grinste. »Zum Beispiel, wenn er anfängt, für mich zu arbeiten.«

Eine Ewigkeit lang ein Sklave dieses Arschlochs? »Nur über meine Leiche.« Abgesehen davon ergab nichts Sinn. Dieser Fae-Prinz bedeutete Gefahr für seinen Bruder. Daher würde Bruce ihn beschützen.

Der Fae schnaubte. »Du kannst mich nicht aufhalten, wenn du nicht mitspielst.« Er deutete mit der Hand auf den Apfel.

»Wirst schon sehen.« Bruce griff hinter seinen Sitz nach dem Backstein, den er in seinem Auto hatte, für den Fall, dass er ein Fenster einschlagen musste… oder den Schädel eines Fae. Es würde wehtun, sein Auto zu demolieren, aber sein Bruder war es wert. Angenommen, er konnte ihn zur Vernunft bringen. Was ziemlich witzig war, wenn man bedachte, dass er sich gerade mit einem Salat-Fae unterhielt.

»Bist du dir sicher, dass du die Frucht nicht willst? Es ist kein schlechter Deal.«

»Nein«, sagte Bruce entschlossen. »Jetzt lass mich aus meinem Auto.«

»Na schön, na schön«, sagte der Fae lächelnd. »Aber es ist ziemlich spät. Denkst du nicht, es ist Zeit für ein Schläfchen?«

In dem Moment, als der Fae die Worte aussprach, wusste Bruce, dass er in Schwierigkeiten war. Denn die Worte besaßen Macht. Bruce' Augenlider wurden schwer und der Backstein fiel ihm aus den schlaffen Fingern. Er kämpfte gegen die Einflüsterung an. Er kämpfte verzweifelt mit allem, was er hatte, aber es war nicht genug. Dunkelheit umfing ihn.

Er erwachte, als die Sonne in seinen Augen brannte.

»Verdammt. Verdammt. Verdammte Scheiße!«

Es war Morgen und die Kirsche und der Apfel lagen immer noch auf seinem Armaturenbrett und sahen so perfekt aus wie in der Nacht zuvor. Noch mehr sogar, denn jetzt lagen sie im Sonnenlicht. Allein beim Anblick lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Aber statt einen Bissen zu nehmen, schnappte er sich beides und ließ sie in seine Jackentasche fallen. Auf keinen Fall würde er sie mehr als nötig berühren. Die Versuchung war einfach zu groß.

Er startete den Wagen und fuhr, so schnell er konnte, zum White River State Park. Es war ihm nicht entgangen, dass Bitterarsch den Ortsnamen fallen lassen hatte, an dem was auch immer sich abspielen würde. Außerdem war sein Bruder niemals zu irgendwas pünktlich, daher hatte Bruce immer noch Hoffnung, dass er eine Versklavung würde verhindern können.

Nach sieben frustrierend langen Minuten der Suche fand er Neros Auto. Und dann war es ein Leichtes, dem Weg zu einer kleinen, von Bäumen umsäumten Senke zu folgen. Er sah Kleidung und einen Rucksack, die ordentlich unter einem Baum abgelegt worden waren, aber bevor er dort ankam, erschien Mr. Salat-Fae, nur war er diesmal groß, düster und feixend. Aber die Attitüde war die gleiche, und auch die Art, wie er Bruce die Früchte aus der Tasche schnappte.

»Suchst du nach denen hier?«, stichelte er.

»Nein. Nach meinem Bruder.«

»Nun, du hast Glück. Er wird jeden Moment hier auftauchen.«

»Als dein Sklave?«

»Nicht dieses Mal.« Das Arschloch wackelte mit seinen sehr dunklen, sehr gestylten Augenbrauen. »Aber irgendwann werde ich ihn kriegen.« Er wedelte mit dem Apfel vor Bruce' Augen hin und her. »Es sei denn, du willst spielen?«

»Nein, danke.«

»Wie du willst. Aber du kannst ihnen eine Nachricht von mir überbringen, oder?« Er zog ein grünes Blatt Pergament offenbar aus der Luft und gab es Bruce, ebenso wie die Kirsche, die in seiner Handfläche zu summen schien. »Die hier ist gratis«, sagte er. »Damit du haben kannst, was er hat. Wir sind quitt.« Dann hielt er den Apfel ins Sonnenlicht, wo er schimmerte und leuchtete, als käme er direkt aus dem Garten Eden. »Der hier gibt dir mehr.« Er betonte das letzte Wort, als würde er Evas Versuchung anbieten. »Ruf mich dreimal bei meinem Namen. Erinnerst du dich daran?«

Das tat er. Jonas Bitterroot. Aber das war nicht das, was er sagte. »Ich werde dich nicht rufen. Ich will nur mit meinem Bruder reden.«

Das Arschloch zuckte mit den Schultern. »Wie du willst. Dieses Mal habe ich einen interessanteren Sklaven bekommen. Aber dein Bruder ist immer noch auf meinem Radar und mir gefällt, wie er denkt.«

»Schwirr ab«, knurrte Bruce. »Oder zwinker dich weg. Oder tu, was zum Teufel auch immer du…« Er verstummte. Er stand allein auf der Lichtung. »Arschloch«, murmelte er.

Dann las er die Notiz.

Wenn ihr bereit seid, ruft mich. Ich werde fünf Schilde, Pullover und eine magische Kugel bereithalten, die ihr nutzen könnt. Keine Bezahlung, abgesehen von den Drachen.

Die Worte ergaben keinen Sinn, aber er nahm an, dass das so sein sollte. Wenn er sie verstehen wollte, musste er mitspielen. Die magische Kirsche essen, die rote Pille schlucken oder dem gelben Ziegelsteinweg folgen. Es war eine Einladung in eine gefährliche Welt, wo Fae ihre Erscheinung ändern und seinem Verstand Streiche spielen konnten, wenn ihnen der Sinn danach stand. Es klang nicht mal ansatzweise sicher und sein kleiner Bruder war mittendrin.

Er hielt die Kirsche hoch und fühlte, wie sie in seiner Handfläche pulsierte. Es wäre so einfach, sie zu essen, aber was würde dann passieren?

Er bekam keine Gelegenheit, diese Frage zu beantworten, als Geräusche von der Lichtung her erklangen. Die Stimme seines Bruders. Und Neros Antwort.

»Also, ist es vorbei? Wir sind... frei?«

»Ich denke schon.«

Die Unterhaltung ging noch weiter, aber Bruce folgte ihr nicht. Er trat näher und sah, dass Nero nackt war und Josh in seinen Armen hielt. Er wollte darüber spotten. Er wollte irgendein Geräusch machen, um sie zumindest auseinanderfahren zu lassen, aber er konnte nicht. Er war zu sehr damit beschäftigt, in sich aufzunehmen, wie sehr sie einander ergeben waren. Glücklich, traurig, lachend und weinend, alles gleichzeitig. Sie liebten sich, verdammt. Und das ließ ihn zurück in den Schatten weichen, mit dem Gefühl, als würde er einem Pärchen in den Flitterwochen hinterherspionieren. Was auch immer Josh gefunden hatte, es machte ihn glücklich.

Aber war es echt?

Bruce wusste es nicht. Er glaubte, dass Bitterroot Josh immer noch beobachtete, was bedeutete, dass der immer noch in Gefahr war. Und wenn Bruce Josh beschützen wollte, dann musste er in der Nähe bleiben. Wichtiger noch, er musste verstehen, was vor sich ging.

Es gab nur einen Weg, das zu schaffen, und der pulsierte in seiner Handfläche.

»Glückwunsch, kleiner Bruder. Sieht so aus, als hättest du die Liebe gefunden«, sagte er.

Josh und Nero fuhren auseinander, aber es war Josh, der sprach: »Bruce, was tust du denn hier?«

»Ich bin dir gefolgt. Habe dich beobachtet.«

Er sah, wie die Augen seines Bruders sich vor Entsetzen weiteten. »Hör mal, ich weiß, dass es seltsam scheint, aber –«

»Es scheint, als seid ihr Werwölfe, die Deals mit Fae machen.«

Nero spannte sich an und kniff die Augen zusammen. »Wie kommst du denn darauf?«, fragte er in einem viel zu beiläufigen Tonfall.

»Der verdammte Fae hat's mir erzählt.«

»Was?«, entfuhr es Nero.

»Der Kleine, der so tut, als wären wir alle Idioten.« Er wollte Bitterroots Namen nicht laut aussprechen.

Josh schoss auf ihn zu. »Du hast keinen Deal mit ihm gemacht, oder? Du hast nicht –«

»Nein, ich habe nur zugehört und eingewilligt, euch das hier zu geben.« Er übergab die Nachricht an Josh, der sie sich zusammen mit Nero ansah. Sie kuschelten sich aneinander, um sie zu lesen. Er wusste, dass sie nicht absichtlich so ein vertrautes Bild abgaben, aber das änderte nichts daran, dass sie perfekt zueinander passten.

Dann runzelte Nero die Stirn. »Was zum Teufel soll das bedeuten? Wir haben ihn bereits getötet...«

Josh stöhnte auf. Es war ein tiefer, verzweifelter Laut, und um ihm Nachdruck zu verleihen, schlug er sich gegen die Stirn. »Wir sind zurück in dieser Zeitlinie. In meiner Zeitlinie, in der ich rekrutiert wurde, um eine Lösung für die Feuerexplosion zu finden.«

Nero nickte. »Ja, ich weiß.«

Josh hielt das Pergament in die Höhe. »Kapierst du es nicht? In dieser Zeitlinie ist der Dämon immer noch dabei, Wisconsin zu zerstören.«

»Was? Nein, wir...« Neros Worte gingen in ein lautes Stöhnen über. »Wir haben unser Leben riskiert und er bekommt Drachen.« Er zerknüllte das Papier in seiner Faust. »Habe ich dir erzählt, dass er derjenige war, der uns überhaupt erst von dem Dämon erzählt hat? Er hat uns auf die Jagd danach geschickt. Unfassbar.«

Josh sah Bruce an. »Hast du das gelesen?«

Bruce schnaubte. »Natürlich habe ich es gelesen. Er wollte, dass ich es lese. Sonst hätte er es in einen Umschlag gesteckt.«

Nero starrte Bruce an. Sein Blick war hoch konzentriert und er verlagerte sein Gewicht, sodass er falls nötig schnell vor Josh treten konnte. Verdammt, der Mann beschützte Josh, so wie Bruce als sein älterer Bruder es hätte tun sollen. Beschützte ihn auf eine Weise, die Bruce sich den Großteil seines Lebens gewünscht hatte. Und jetzt hatte Josh so jemanden in Gestalt eines riesigen, unmenschlichen Werwolfliebhabers.

»Was noch?«, verlangte Nero zu erfahren und bewies damit, dass er nicht so dämlich war, wie er aussah. »Fae geben keine Informationen ohne Gegenleistung. Was hat er dir noch angeboten?«

Bruce streckte die andere Hand aus. Auf seiner Handfläche lag diese dunkelrote Kirsche. Er hob sie ins Sonnenlicht, und sie alle waren vorübergehend von der Schönheit dieser einfachen Frucht fasziniert.

»Er sagte, wenn ich das will, was du hast, dann muss ich die hier essen. Und das tue ich. Ich will es.« Bruce hatte die Frucht angestarrt und die drängende Sehnsucht gespürt. Er wollte widerstehen, doch dann sah er seinen Bruder und Nero an. Josh hatte sich eindeutig über beide Ohren verliebt, aber Bruce traute Nero nicht weiter, als er ihn werfen konnte. Der Mann hatte zu viel Einfluss auf Josh und das konnte nur eine Katastrophe für seinen kleinen Bruder bedeuten.

Aber er konnte Josh nur beschützen, wenn er mitspielte. Und das konnte er nur, wenn er die Kirsche aß.

Also steckte er sich das Ding in den Mund. Und aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie ein Schmetterling von einem Blatt abhob und davonflog.

»Nein!«, rief Josh, aber es war zu spät. Bruce kaute hastig und schluckte, nachdem er den Kern in einen Busch gespuckt hatte. Alle drei warteten in angespannter Stille, darauf vorbereitet, dass etwas Dramatisches passierte.

Nichts.

War das nicht klar gewesen? Selbst wenn es um Fae-Magie ging, hatte sein Bruder das Glück gepachtet. Nero seufzte und drückte die Autoschlüssel in Joshs offene Hand. »Hol mein Handy aus dem Handschuhfach und ruf bei Wulf, Inc. an. Sag ihnen, dass wir einen weiteren Rekruten haben.«

»Aber warum?«, fragte Josh. »Es ist nichts passiert.«

»Noch nicht.«

Bruce spürte die schwer auf ihm lastende Enttäuschung. Diese Kirsche hatte null Komma null –

Hitze brannte sich durch seinen Körper. Und da er auf etwas gewartet hatte, bemerkte er bewusst, wie sie langsam zunahm, sich in seinem Magen sammelte, bevor sie in jede seiner Nervenzellen strömte.

Es fühlte sich wie ein kleines Feuer an, das schwach brannte, nur dass sich, von seinem Steißbein ausgehend, eine Art elektrischer Impuls ausbreitete. Jedes Pulsieren schoss seine Wirbelsäule entlang, wobei die Intensität stetig zunahm. Seine Wirbelsäule hinauf, hinunter in seine Beine… In Reaktion darauf zogen seine Muskeln sich zusammen. Er drückte den Rücken durch, breitete die Arme aus und sein Kopf fiel zurück, als er versuchte zu schreien.

Das Pulsieren erreichte sein Gehirn schneller als erwartet, und als es so weit war, löschte es jeden Gedanken aus, auch wenn er das Gleißen von tausend Sonnen mitten in seinem Kopf spürte. Und als er das sah, es fühlte, es als etwas herrlich Besonderes erkannte, brach alles in sich zusammen. Die Hitze, die Kraft, die Freude – alles in ihm kollabierte. Und als es sich neu zusammensetzte, stand er auf vier Beinen. Sein Gesicht hatte eine andere Gestalt angenommen und sein Hinterteil bewegte sich wie nie zuvor.

»Mist«, sagte Nero irgendwo über ihm. »Ich hoffe, er passt in mein Auto.«

Er würde in kein Auto steigen. Er würde loslaufen und springen und an Dingen schnuppern. Er war im Wald, als Wolf, und die Stärke seines Körpers was herrlich. Also spannte er seine Muskeln an –

und sackte zusammen.

Er stand auf und sprang zur Seite, aber nur seine Hinterbeine bewegten sich. Die vorderen gaben nach und er fiel mit der Nase in den Dreck. Er konzentrierte sich nun völlig darauf, wie welche Muskeln funktionierten, und versagte dabei völlig.

Und so bekamen Nero und Josh ihn zum Auto. Und dann sah ihm ein Typ, der so umwerfend wie ein Filmstar aussah, in die Augen und befahl ihm zu schlafen.

Mission Mr. Happy

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