Читать книгу Mission Mr. Happy - Kathy Lyons - Страница 8
Kapitel 3
ОглавлениеDerweil in Michigan, Laddin kündigt bei Wulf, Inc.
»Das kann nicht Ihr Ernst sein. Das waren doch nur Hasen.«
Laddin wandte sich vom Fenster ab, durch das er in die Wälder Michigans gestarrt hatte. Er war in Captain Ms Büro und überbrachte die schlechten Nachrichten auf die entschiedenste Weise. »Es waren nicht nur die Hasen«, protestierte er, doch sie fiel ihm ins Wort.
»Sie können Wulf, Inc. nicht verlassen, weil Sie ein paar Hasen gefressen haben. Die Wälder wären voll von diesen Fellknäulen, wenn wir die Population nicht gering halten würden.« Die Frau war seine Trainerin und auch die Leiterin der Kampfeinheiten von Wulf, Inc. Sie war von dem Moment an, als er als Werwolf ins Hauptquartier gebracht worden war, an seiner Seite gewesen und hatte keine Zeit verschwendet, sich seine Talente zunutze zu machen. Nicht nur seine Fähigkeit, Dinge in die Luft zu jagen, sondern auch seine Tendenz zum Ordnungswahn. Alles musste seinen Platz haben und so weiter. Sie hatte ihm aufgetragen, die Arbeitsabläufe in ihrem Büro zu organisieren, und er hatte sich in die Arbeit gestürzt wie eine Ente sich ins Wasser.
Oh, verdammt – das war ein weiteres Lebewesen, das er beim letzten Mal, als der Mond hell am Himmel stand, gefressen hatte. Offenbar gehörte er zu der Art von Werwölfen, die bei jedem Vollmond ihren Verstand verloren und alles fraßen, was rannte, flog oder hüpfte.
»Sie müssen das hinter sich lassen, Laddin. Sie sind jetzt ein Jäger. Und Jäger –«
»Fressen Hasen?«
»Ja.«
»Nein.«
Sie schüttelte den Kopf. »Es ist hart, durchs Leben zu gehen und sich für das zu hassen, was man ist.«
Diese Lektion hatte er bereits gelernt. Früher hatte er sich für seine deformierte Hand gehasst – ein Gendefekt, den auch die Magie nicht korrigiert hatte. Aber er hatte seinen Frieden damit geschlossen, also musste er daran glauben, dass er einen Weg finden würde zu überleben, ohne lebendiges Fleisch zu fressen.
»Sehen Sie, es geht nicht nur um die Hasen. Niemand hat mich gefragt, ob ich in einen Werwolf verwandelt werden will.«
Sie rutschte unbehaglich auf ihrem Stuhl herum. Das war ein Riesenproblem von Wulf, Inc. Sie konnten den Leuten nicht verraten, dass sie das Werwolfgen in sich trugen, bevor sie es aktivierten. Das Paranormale Abkommen verlangte es so. Und deswegen aktivierte Wulf, Inc. das Gen und hoffte dann, dass die Person sich hinterher der Organisation verpflichtete. Sie zäumten das Pferd von hinten auf und jeder wusste es.
»Selbst wenn wir Sie vorher hätten fragen können – und Sie wissen, dass wir das nicht dürfen –, hätten Sie uns kein Wort geglaubt.«
Das stimmte wahrscheinlich, aber es war egal. »Wissen Sie, warum ich in Hollywood gearbeitet habe?«
Sie runzelte die Stirn. »Ich beiße an. Warum?«
»Weil es mir gefallen hat, so zu tun, als wäre ich Teil der Action, ohne es tatsächlich zu sein. Ich bin ein Sofaheld. Ich feuere Captain America an, aber ich will auf keinen Fall tatsächlich gegen die Nazis kämpfen. Ich schleppe mich nicht auf der Suche nach Dr. Doom durch den Dschungel und ich will ganz sicher nicht irgendeinem Dämon gegenüberstehen. Es tut mir leid, Captain M, aber Sie haben den falschen Kerl aktiviert.«
Sie lehnte sich vor. »Das ergibt keinen Sinn. Vor zwei Wochen wollten Sie unbedingt zu einem Einsatz mitfahren. Was ist passiert?«
Er hatte einen Hasen gefressen und erkannt, dass er köstlich schmeckte. Und als wenn das nicht schon schlimm genug gewesen wäre, hatte er die Aufgabe übertragen bekommen, die Habseligkeiten von Neros toten Teamkameraden einzupacken. Das hatte ihm die Augen geöffnet. Durch ihre Sachen hatte er einen kompletten Einblick in ihre Leben bekommen. Sie hatten sich von ihren Familien losgesagt, weil sie nicht über die paranormale Welt sprechen konnten, Gewalt war für sie täglich allgegenwärtig gewesen, und am Ende erinnerten sich nur so wenige Leute an sie. Weder die, die sie gerettet hatten, denn die wussten nicht, was passiert war, noch ihre Familien, die seit Jahren nicht mit ihnen gesprochen hatten. Nur die Organisation trauerte – für ein paar Wochen –, bevor sie umstrukturierte, neue Rekruten aktivierte und aus den Überlebenden ein neues Kampfrudel geschaffen wurde.
»Ich will kein Killer sein, nicht mal Häschen gegenüber.«
»Wir schützen die Welt. Sie müssen nicht an der Front stehen.«
Er nickte. »Ich liebe die Arbeit, die Sie hier machen.« Wulf, Inc. setzte waschechte Bösewichte außer Gefecht, und damit hatte er kein Problem. Aber dennoch hieß es überall um ihn herum vernichte diesen und weide jenen aus, sodass der Wolf in ihm sich ebenfalls im Blut suhlen wollte. Aber er war in erster Linie Mensch und er wollte niemandem den Bauch aufschlitzen. Nicht, wenn er eine in Plastik verpackte Hühnerbrust im Supermarkt kaufen konnte. »Ich will nur kein Teil davon sein.«
Captain M starrte ihn an und ihre Nase zuckte, während sie nachdachte. »Da ist noch mehr.«
»Ja.« Und nun kam er zum echten Knackpunkt. »Ich werde nicht aus dem Leben meiner Familie verschwinden. Das werde ich nicht.« Denn das war es, was die Leute bei Wulf, Inc. tun mussten. Die Paranormalen hatten ihren Platz und der war nicht bei den Vanilla-Menschen.
Er beobachtete, wie sie seine Aussage aufnahm und ihre Miene sich verfinsterte, aber in ihren Augen konnte er Verständnis sehen. Nicht jeder Werwolf arbeitete für Wulf, Inc. Viele führten ein normales Leben, vorausgesetzt, sie hatten ihre tierische Seite komplett unter Kontrolle.
»Also sind Sie nur noch aus dem Grund hier, weil Sie herauszufinden versuchen, wie Sie sich bei Vollmond kontrollieren können.«
Es war keine Frage, aber er antwortete dennoch mit einem Nicken. Nicht jeder Werwolf verlor bei Vollmond den Verstand, aber er hatte den Kürzeren gezogen und würde besonders hart daran arbeiten müssen, sich zu kontrollieren. Das Gute war, dass er es gewöhnt war, Hürden zu überwinden.
»Der nächste Vollmond ist erst in ein paar Wochen. Macht es Ihnen etwas aus, uns bis dahin zu helfen? Es beinhaltet kein Töten.«
»Was haben Sie für mich?«, fragte er und legte eine Frechheit in seine Stimme, die er nicht fühlte.
»Joshs Bruder hat eine Fae-Frucht gegessen –«
»Was? Warum?« Er hatte sich über Magie belesen und nichts war unvorhersehbarer als Fae-Magie. Und sie rächte sich garantiert.
Captain M zuckte die Achseln. »Weil er ein Idiot ist? Weil er auch bei den Paranormalen mitmachen wollte?«
Laddin schüttelte den Kopf. »Nein. Ich meine, was wurde ihm versprochen?«
»Nun, das ist es, was Sie herausfinden sollen. Der Rest des Teams unterstützt die Höherrangigen. Sie versuchen immer noch, den Dämon zu finden, der den See und Wisconsin im Allgemeinen vergiftet. Das Problem ist – abgesehen vom Offensichtlichen –, dass die paranormale Energie um den See herum so stark ist, dass sie sämtliche paranormalen Spinner der Welt anlockt. Sie können den Dämon nicht finden, wenn sie ständig gegen wild gewordene Ghule und Kobolde kämpfen müssen.«
»Ich soll dabei die Logistik übernehmen?«, fragte er.
»Sie können mit mir koordinieren, aber hauptsächlich brauche ich Sie dafür, dass Sie sich um Bruce kümmern. Das ist Joshs Bruder.« Sie hielt eine Hand hoch, bevor er etwas entgegnen konnte. »Ich weiß, dass Sie selbst noch ein ganz junger Wolf sind, aber ich habe sonst niemanden dafür. Die anderen sind in der Nähe, um bei Bedarf zu helfen, aber sie können kein Nest wütender Pixies beseitigen, wenn sie einen Fae-Werwolf babysitten müssen.«
Er nickte, auch wenn ihn der Gedanke, ein Pixienest zu beseitigen, traurig machte. Er wusste, dass die kleinen Feen für gewöhnlich eine Plage waren, aber sie wollten doch auch nur ihren Spaß haben. Es musste einen Weg geben, sich um die winzigen magischen Wesen zu kümmern, ohne sie zu töten. Aber es war ein aussichtsloser Kampf. Immerhin waren Kakerlaken auch nicht boshaft, aber das hielt niemanden davon ab, sein Haus auszuräuchern.
»Kommen Sie, Laddin. Lassen Sie mich noch nicht hängen. Geben Sie mir eine Chance zu beweisen, dass es hier einen Platz für Sie gibt.«
Er nickte, denn ihm war von klein auf beigebracht worden, die Wünsche einer mächtigen Frau zu respektieren. Aber sie musste auch seine Entscheidung respektieren. »Fürs Erste helfe ich, aber danach muss ich zu meiner Familie zurück.«
»Wir sind auch eine Familie, wenn Sie uns wollen.«
Er wusste, dass das stimmte, aber er wollte nicht eine Familie für die andere aufgeben. Das war nicht seine Art.
Er brauchte nicht lange fürs Packen. Immerhin war er ohne persönlichen Besitz hergekommen, er hatte nicht mal seine Kleidung gehabt. Kurz darauf befand er sich auf einer kurzen achtstündigen Fahrt zu einer Pizzafarm in einer winzigen Stadt in Wisconsin. Wie baute man Pizza überhaupt an?
Die Schilder am Straßenrand erklärten es – die Farm nutzte ihre eigenen regionalen Zutaten für ihre Fünf-Sterne-Pizza. Großartig. Nur dass das Unternehmen grottenschlecht laufen musste, denn Mary, die Inhaberin, hatte das komplette Gelände an Wulf, Inc. vermietet.
Er hatte allerdings keine Zeit, um sich über das Geschäftsmodell von Pizzafarmen Gedanken zu machen, als er in eine große Scheune fuhr, die für landwirtschaftliche Maschinen ausgelegt war, derzeit aber als Garage genutzt wurde. Er entdeckte Neros Auto neben einem Wulf, Inc.-Van, der schon bessere Tage gesehen hatte. Und es war offensichtlich, dass niemand den seit seinem Ausflug in den Sumpf gewaschen hatte, denn Mann, stank das Ding!
Er stieg aus, als Wiz und Stratos, weitere Mitglieder seines Teams, ankamen. Genau wie er rümpften sie die Nasen angesichts des Gestanks, der vom Van ausging.
»Was zum Teufel ist das?«, wollte Stratos wissen, während sie ihre Nase mit ihrem T-Shirt bedeckte.
Yordan – ein großer Typ mit lauter Klappe und einer Vorliebe dafür, sie durch die Gegend zu scheuchen – deutete auf Laddin. »Das ist sein Problem. Der neue Wolf schläft im Laderaum. Er ist vermutlich hungrig und muss pinkeln, aber lass ihn das nicht als Wolf tun. Die erste Aufgabe ist es, ihn dazu zu bewegen, sich zurück in seine Menschengestalt zu verwandeln.«
Laddin nickte. Er war bereits instruiert worden.
Bing sprang auf der anderen Seite aus dem Van, seine Miene eine genauso unlesbare Maske wie früher am Set. Laddin war überrascht gewesen herauszufinden, dass sein Boss sich ebenfalls in einen Werwolf verwandelt hatte, aber am Ende befanden sie sich beide auf dem gleichen Trainingslevel. Sie waren beide aus ihren Leben gerissen worden, hatten lernen müssen, als Werwölfe zu leben, und mussten letztendlich beide entscheiden, wie sie damit umgehen würden.
»Alle mal zuhören«, dröhnte Neros Alphastimme durch den Raum. »Wir haben einen Weg gefunden, den Dämon zu töten, der Wisconsin vergiftet. Es ist eine komplizierte Angelegenheit und da gibt es keinen Platz für neue Rekruten. Ihr seid alle hier, um zu helfen, Störenfriede fernzuhalten, während Josh und ich tun, was getan werden muss.«
Wiz verschränkte die Arme. »Haben wir denn den Dämon gefunden, der dabei ist, Wisconsin zu vernichten?«
Nero zuckte zusammen. »Noch nicht. Wir werden Wulfric Bericht erstatten, ihm sagen, was wir wissen, und er wird entscheiden, wie und wo er uns einsetzt.«
Josh sah abrupt auf. »Wulfric, der unsterbliche Gründer von Wulf, Inc.? Der –«
»Ja! Dieser Wulfric. Der, der sich nur zeigt, wenn die Welt kurz vor dem Untergang steht. Also schnappt euch eure Sachen. Yordan und Bing kommen mit mir und Josh.« Er deutete zu seinem Auto. »Stratos und Wiz, ihr folgt uns. Lasst uns das tun, wofür wir hier sind.«
Die anderen taten, wie ihnen befohlen – alle außer Laddin, der dastand und sich ausgeschlossen fühlte. Dann drückte Yordan, Bings Trainer, ihm die Vanschlüssel in die Hand und sah ihn ernst an. »Nur fürs Protokoll, ich bin dagegen. Du weißt einen Scheiß darüber, neue Rekruten zu trainieren.«
Das war absolut richtig, aber Laddin hatte die Wulf, Inc.-Einsatzliste gesehen. Dank des Dämons waren sie mehr als unterbesetzt. »Ich bin die einzige Option, die ihr habt«, sagte er.
»Betüddel ihn nicht«, fuhr Yordan fort. »Kann sein, dass er weiß, wer er ist und was passiert ist, vielleicht aber auch nicht. Lass ihn im Käfig, bis er sich verwandelt hat.«
Laddin schüttelte den Kopf. »Ich werde ihn nicht im Käfig lassen! Weißt du, wie traumatisierend das ist?«
»Weniger traumatisierend, als die Kehle rausgerissen zu kriegen. Glaub mir, ich weiß das.« Und das tat er – erst ein paar Wochen zuvor hatte er die Kontrolle über Bing verloren und wäre beinahe auf exakt diese Weise gestorben.
Was bedeutete, dass Laddin keinen Spielraum für Widerspruch hatte. Stattdessen schlüpfte er um Yordan herum, um mit Josh zu sprechen, der bereits im Auto saß und sich anschnallte. Der Kerl sah sowohl erschöpft als auch glücklich aus, was eine seltsame Kombination war. Seine blonden Haare waren verstrubbelt, seine übliche Was-soll’s-Einstellung schien zu bröckeln, aber wann immer er Nero ansah, verströmte er dieses intensive, undefinierbare Etwas. Lust? Liebe? Es war schwer zu sagen, aber Laddin wusste, dass es darauf basierte, dass er glücklich war. Denn in diesem Moment, als er zusah, wie Nero sich auf den Fahrersitz setzte, hatte der Kerl ein gefühlsduseliges Lächeln auf den Lippen.
Traurigerweise verschwand das Lächeln in dem Moment, als Laddin an die Autoscheibe klopfte.
Josh ließ schnell die Scheibe hinunter und sah ihn mit neutralem Gesichtsausdruck an. »Vertrau ihm nicht, Laddin. Er hat eine grausame Ader.«
»Dein Bruder?« Sollten Brüder nicht bedingungslos zusammenhalten? Oder sich zumindest nicht hassen?
»Ja, mein Bruder!«
Offenbar war das bei diesen beiden anders. »Hast du eine Idee, warum er es gemacht hat? Was genau –?«
»Er hat es getan, weil er alles ruinieren muss, was ich habe. Das tut er eben. Er steckt seine Nase in mein Leben und zerstört es.«
Laddin trat einen kleinen Schritt zurück. »Wie zerstört seine Verwandlung zum Werwolf dein Leben?«
Josh stieß wütend die Luft aus. »Er wird einen Weg finden. Das tut er immer.«
Nero saß mittlerweile im Auto. Er streckte eine Hand aus und drückte Joshs Oberschenkel. »Das hier kann er nicht zerstören. Das ist unmöglich.«
Laddin sah, wie Joshs Miene weicher wurde. Dann legte er eine Hand auf Neros. »Er wird es aber versuchen. Ich weiß nicht, ob es Eifersucht ist oder nur das neurotische Bedürfnis, der Beste in allem zu sein. Als wir noch Kinder waren, hatte er alles. Er war der große Macker in der Highschool, mein Vater hat ihn verehrt und selbst meine Schwester hat zu ihm aufgesehen. Aber er musste trotzdem sichergehen, dass ich mich wie Scheiße fühle.«
Nero schüttelte den Kopf. »Er kann dir nichts mehr tun – wir wissen bereits, wer du bist.«
Josh nickte, während er zu Laddin blickte. »Es hört sich verrückt an, aber ich habe recht. Und wir können es uns nicht leisten, dass er sich jetzt bei uns einmischt. Der Dämon wird den Planeten zerstören, wenn das hier schiefgeht.«
»Er wird euch nicht in die Quere kommen«, versprach Laddin.
»Ganz genau«, sagte Nero abgelenkt. »Laddin kümmert sich darum, richtig?«
»Natürlich tue ich das«, log er. »Ich habe mich schon um viele Brüder gekümmert, die Fae-Früchte gegessen und sich in Tiere verwandelt haben.«
Nero richtete seine Aufmerksamkeit auf Laddin und grinste. Und war das nicht mal ein Anblick? Laddin glaubte nicht, dass er den Kerl zuvor schon mal so glücklich gesehen hatte. »Das dachte ich mir«, sagte Nero. Dann legte er den Rückwärtsgang ein und trat aufs Gas. Laddin hatte keine andere Wahl, als aus dem Weg zu springen.
Sekunden später folgten die anderen Nero und ließen Laddin mit dem großen Van und dem mysteriösen Bruder darin allein.
Dann mal los.
Er entriegelte die Tür des Vans und zog sie auf. Sonnenstrahlen fielen vom Scheuneneingang herein und erleuchteten das Chaos im Inneren. Müll und Zubehör waren so kreuz und quer auf dem Boden verstreut, dass es seinen Ordnungssinn reizte. Aber all das trat in den Hintergrund, als er einen Blick auf den Wolf im Käfig warf.
Oh mein Gott. Er war wunderschön. Zuerst sah Laddin nichts als Fell, tiefbraun mit einem kirschroten Unterton, der im Sonnenlicht zu glühen schien. Er wollte seine Hände darin vergraben. Aber als er herumging, sah er das ganze Tier, das auf der Seite lag und ruhig und gleichmäßig atmete. Doch der Körper wirkte kraftvoll – starke Muskeln unter dem Fell und scharfe Klauen. Und obwohl der Mund geschlossen war, hatte Laddin keine Probleme, sich die Zähne in der langen, ansehnlichen Schnauze vorzustellen.
»Hey, Bruce«, sagte er, wobei seine Stimme vor Ehrfurcht leise klang. »Zeit aufzustehen, Kumpel.«
Es gelang ihm nicht, sich dem Drang, die Kreatur zu berühren, zu widersetzen, und so entriegelte Laddin den Käfig und öffnete die Tür weit. Dann setzte er sich auf den Boden des Vans und griff in den Käfig, um das Fell des Wolfes zu streicheln. Es war genauso weich, wie es prächtig war. Laddins Haut kribbelte dort, wo er seine Finger in der Halskrause vergraben hatte, und obwohl sein Arm dem Maul des Tieres gefährlich nah war, schob Laddin die Finger unter das Elektroschockhalsband, das jemand um den kräftigen Hals gelegt hatte.
»Komm schon, Bruce. Wach auf.«
Er schüttelte Bruce’ Halskrause heftig.
»Ich bin mir sicher, dass du über etwas reden musst. Zum Beispiel darüber, warum du es für nötig gehalten hast, eine Frucht zu essen, die dir ein gefährlicher Fae gegeben hat.«
Ein Auge öffnete sich. Es war gelb mit braunem Rand, wie Crème brûlée, was Laddins Lieblingsdessert war. Und es konzentrierte sich treffsicher auf ihn.
»Wir müssen nicht sofort darüber reden«, sagte Laddin und ließ seine Stimme so beruhigend wie möglich klingen. »Erzähl mir was über dich. Was bist du von Beruf? Josh ist so schnell von hier abgedüst, dass ich keine Chance hatte zu fragen.«
Auf die Erwähnung von Joshs Namen erfolgte eine winzige Regung, aber Laddin hatte keine Ahnung, ob das gut oder schlecht war. Dann fletschte der Wolf die Zähne, während ein tiefes, grollendes Knurren seinen Körper vibrieren ließ.
»Nun sei nicht so. Er ist dein Bruder, ihr solltet euch lieben. Aber ich sag dir was. Wie wäre es, wenn du dich zurück in einen Menschen verwandelst und ich höre zu, wie sehr er dich missverstanden hat, okay?«
Bruce hob den Kopf und schüttelte ihn. Nicht ablehnend, sondern auf jene Weise, wie es ein Wesen tat, das gerade aufwachte. Dann stemmte er sich auf seine Pfoten hoch und versuchte sich hinzustellen. Nur dass der Käfig nicht groß genug dafür war, sich zu seiner voller Größe aufzurichten, daher schob er sich, in dem Versuch herauszukommen, mit der Schnauze voran nach vorn.
»Keine Chance, Bruce«, sagte Laddin. »Du musst dich zuerst in einen Menschen zurückverwandeln.« Dann ergriff er den Wolf am Kopf und drehte ihn so, dass sie sich Auge in Auge gegenübersaßen. »Verwandle dich zurück in einen Menschen. Dann kannst du tun, was immer du willst.«
Als Antwort hob der Wolf sein Hinterbein und pinkelte den ganzen Van voll. Ein paar Tropfen trafen Laddin, aber er sprang schnell zurück.
»Igitt! Das war so was von nicht cool«, sagte er, während er den Spritzer von seiner Jeans wischte. Aber dann erkannte er seinen Fehler. Während er zurückgesprungen war, hatte der Wolf einen Satz raus aus dem Käfig gemacht und stand nun mitten in der Scheune.
Verdammt, Bruce sah auf eine einschüchternde Weise beeindruckend aus. Er war ein großer Wolf, sogar noch größer als Nero, und er stand selbstsicher da, während er mit den Augen seine ganze Umgebung in sich aufnahm. Dann begann er, sich nach links und rechts zu lehnen, als würde er mit seinen Pfoten sein Gewicht und Gleichgewicht austesten. Er erarbeitete gerade, wie er seinen Wolfskörper kontrollieren konnte. Laddin lächelte, als er es erkannte. Immerhin hatte er vor nicht allzu langer Zeit das Gleiche getan.
»Macht Spaß, hm? Es ist, als würdest du alles neu lernen, aber du bist schneller und stärker als jemals zuvor. Wie Thor als Kleinkind oder so.«
Der Wolf beäugte ihn und fletschte die Zähne.
»Schwachsinn«, entgegnete er, auch wenn er nicht wusste, worauf er antwortete. »Ich bin dein Trainer und du wirst auf mich hören. So sind die Regeln und um ehrlich zu sein, ist das hier kein sicherer Ort für dich. Du bist lange genug ein Wolf gewesen, Bruce. Es ist Zeit, dass du dich in einen Menschen zurückverwandelst.«
Der Wolf drehte den Kopf weg und Laddin warf einen Blick auf die offene Scheunentür. Warum hatte er nicht daran gedacht, sie vorher zuzumachen?
»Du musst drinnen bleiben, Bruce.«
Laddin wusste, dass er mächtig in der Klemme steckte. Wenn Bruce ihm abhaute, hatte Laddin keine Chance, ihn zu kontrollieren. Und ohne einen Menschen, der mit ihm sprach und ihn daran erinnerte, wer er war, würde Bruce wahrscheinlich für immer ein Wolf bleiben. Das war kein allzu schlimmes Schicksal, nur dass der menschliche Verstand sich nicht einfach so ins Vergessen schickte. Er behauptete sich, wurde wütend und das überwältigte den Wolf, bis die Kreatur verrückt wurde und alles in ihrer Reichweite tötete.
»Verwandle dich zu dem zurück, der du bist, Bruce. Du bist in erster Linie ein Mensch, dann erst kommt der Wolf.« Das war nicht genauso, wie Captain M es erklärt hatte, aber sie war nicht hier.
Bruce ignorierte ihn. Er begann, sich zu bewegen, erst nur langsam, aber er lernte schnell, wie man lief. Der Kerl war koordiniert, das war sicher. Laddin hatte Stunden gebraucht, um sich die Grundlagen des Laufens anzueignen, ohne über seine Hinterbeine zu stolpern.
»Komm schon, Bruce«, sagte Laddin. »Verwandle dich zurück.« Selbst er konnte die leichte Panik hören, die sich in seine Stimme schlich. »Ich bin für dich verantwortlich und ich will meinen ersten Auftrag wirklich nicht versauen.« Gegen seine Überzeugung griff er zurück in den Van und nahm die Fernbedienung für das Elektroschockhalsband. Er wollte sie nicht einsetzen. Verdammt, er wollte sie nicht mal berühren, aber wenn er die Scheunentür nicht zubekam, wäre das der einzige Weg, Bruce im Auge zu behalten.
In der Zwischenzeit begann der Wolf zu trotten. Kein Vor und Zurück, wie er es zuvor getan hatte, sondern ein Trotten in Richtung des hinteren Scheunenteils. Großartig. Während Bruce nach hinten lief, eilte Laddin zum Tor. Er konnte es schließen, während –
Verdammt! Einige Instinkte waren allen Wölfen gemein und Laddin wusste, wie viel Spaß es machte, etwas zu jagen – wie ihn, als er zum Scheunentor rannte.
Bruce wirbelte herum und sprang vor. Er bewegte sich grazil – zunächst –, aber dann kamen seine Vorderfüße nicht mehr mit dem Tempo hinterher. Es war dieses ganze Arme-Beine-Ding. Der menschliche Verstand vergaß, die Arme zu benutzen, während die Hinterbeine immer noch arbeiteten, und das führte für gewöhnlich dazu, dass man mit der Nase im Dreck landete.
Jepp. Nasenladung. Laddin war bereit. Er sprang vor und griff nach dem Elektroschockhalsband. Dann drückte er Bruce’ Kopf nach unten auf die Erde, wie Yordan es vor nicht allzu langer Zeit bei ihm getan hatte. Es war eine Geste der Dominanz. Allerdings hatte Yordan selbst als Mensch die Muskeln gehabt, um Laddin zu Boden zu bringen.
Laddin nicht so sehr.
Es war, als würde er einen bockenden Stier festhalten, und ein Leben in L.A. hatte ihn in keiner Weise auf diesen sich drehenden, die Richtung wechselnden, schnappenden Albtraum vorbereitet, der Bruce als Wolf war. Er kugelte Laddin beinahe die Arme aus und sein Handgelenk würde die Belastung nicht viel länger aushalten. Er hatte mit einer Hand zugefasst, schaffte es aber, beide Arme zusammenzubringen, um sich mit der zweiten festzuklammern. Er wartete darauf, dass Bruce die Kontrolle über seinen Körper verlor. Der Kerl hatte noch nicht gänzlich gelernt, wie man sich als Wolf bewegte. Sollte er nicht bereits mit dem Kopf im Dreck liegen?
Oder jetzt?
Oder jetzt?
Laddin keuchte, als er nach links und rechts geschleudert wurde. Festhalten! Festhalten! Das tat er, selbst als Bruce sich zur Seite fallen ließ und sich in dem Versuch, ihn abzuschütteln, herumrollte. Laddins Kopf knallte schmerzhaft auf den Boden und er bekam keine Luft mehr, als 80 Kilo Wolfmuskeln auf seinen Brustkorb drückten. Aber er ließ nicht los.
Er spürte, wie ein Finger brach, und schrie vor Schmerz auf, aber er hielt sich weiter fest.
Dann richtete Bruce sich auf und begann, auf das Scheunentor zuzusprinten, obwohl das nicht so einfach war, da er Laddin mitzerren musste. Wörter und Flüche schossen Laddin durch den Kopf, aber er bekam nicht genug Luft, um sie auszusprechen. Alles, was er besaß, war die feste Entschlossenheit, sich festzuhalten. Festhalten!
Und dann stemmte Bruce die Füße in den Boden und drehte sich zur Seite. Er fletschte die Zähne, dann biss er fest in Laddins Bein. Schmerz schoss Laddins Nervenbahnen entlang und er schrie. Sein Griff lockerte sich, aber er ließ nicht los, bis der Wolf wieder bockte.
Er konnte sich nicht festhalten. Nicht, wenn er Angst hatte, jeden Moment sein Bein zu verlieren. Verdammt, verdammt, verdammt. Er sammelte die Kraft, sich zu verwandeln. Es war der einzige Weg, um sicherzugehen, dass er nicht verblutete.
Die Verwandlung war er mittlerweile gewohnt und er warf sich in die Empfindungen. Hitze, anschließend eine elektrische Energie, die an Schmerz grenzte. Als Nächstes würde er sich in Freude auflösen, nur um sich auf vier Beinen wieder zusammenzusetzen.
Aber so weit kam es nicht. Als sein Körper kurz davor war, sich aufzulösen, verpasste Bruce ihm eine Breitseite, warf ihn um und riss Laddin komplett aus der Konzentration. Er verlor die Verwandlungsenergie und blieb gänzlich und verwundbar menschlich. Noch verwundbarer war er, als Bruce’ Kiefer Laddins Hals umschlossen und er zum Todesstoß ansetzte.
Panik wallte heiß und heftig in ihm auf. Sein Puls raste und sein Verstand suchte nach einer Lösung, während er sich gleichzeitig weigerte, sich auf irgendetwas anderes als die Zähne an seiner Kehle zu konzentrieren. Es blieb keine Zeit für einen erneuten Verwandlungsversuch, keine Möglichkeit, sich zu befreien, und an der Stelle, wo er gebissen worden war, sickerte Blut durch seine Jeans. Was sollte er tun? Was sollte er tun?
Sein Wolfsverstand antwortete, während in seinem menschlichen Gehirn noch Panik herrschte. Er musste sich unterordnen. Es war der einzige Weg, den Wolf in Bruce zu beruhigen. Und obwohl weder Laddins wölfische noch seine menschliche Seite dies tun wollten, war ihm klar, dass es die einzige Möglichkeit war.
Also lag er da, völlig erstarrt. Sein Atem ging schnell und stockend und sein Körper war angespannt vor Angst. Er spürte, wie Speichel aus Bruce' Mund tropfte und seinen Hals hinunterrann. Verstand Bruce, dass Laddin sich unterordnete? Er hoffte es sehr. Ein anständiger Biss und Laddin wäre tot.
Aber der Wolf biss nicht zu. Stattdessen lag Laddin dort, spürte Bruce’ heißen Atem an seinem Hals, während er sein Bestes gab, um ruhig zu bleiben. Warum zum Teufel tat das Tier nichts?
»Ich ordne mich unter«, flüsterte er. »Du bist der Boss.«
Nichts.
Dann überkam ihn das seltsame Gefühl eines Déjà-vu-Erlebnisses. Das hier war genauso wie damals, als Nero und Wiz ihn in einen Werwolf verwandelt hatten. Es war, als hätte jeder Moment seines Lebens ihn direkt hierhergeführt, direkt zu diesem Augenblick. Es ergab keinen Sinn. Sicher, seine Verwandlung zum Werwolf war ihm von Geburt an prophezeit worden. Aber dieser Moment war von niemandem vorausgesagt worden. Und dennoch legte sich ein Gefühl von Unumgänglichkeit auf seine Schultern und in sein Herz.
Er entspannte sich. Was passieren würde, würde passieren. Und wenn es das Ende seines sehr kurzen Lebens wäre, dann sollte es so sein. Seine Atmung wurde gleichmäßig, sein Kopf fiel zur Seite und sein Bauch blieb ungeschützt und verwundbar. Und obwohl er es besser wusste, als direkt in Bruce’ Wolfsaugen zu sehen, war er sich des eindringlichen Blicks aus den gelben Raubtieraugen absolut bewusst.
»Ich unterwerfe mich dir, Bruce. Ich werde dir folgen, wohin auch immer du mich führst.«
Er wusste nicht, ob der Mann im Wolf seine Worte verstand. Es war egal. Der Wolf musste etwas gespürt haben, denn langsam gab er Laddins Hals frei. Dann trat er einen Schritt zurück.
Laddin atmete aus und versuchte, sich zu bewegen, aber ihm war schwindelig und er fühlte sich benommen. Verdammt. Er hatte zu viel Blut verloren. Er musste sich sofort verwandeln. Also griff er langsam nach unten, knöpfte seine Hose auf und zog den Reißverschluss hinunter. Das war alles, was er schaffte. Dann warf er sich in die Verwandlung.
Mittlerweile war er gut geübt darin. Die Hitze, die kribbelnde Aufregung und die Freude, als sein Körper sich in elektrischem Flirren auflöste und sich dann als Wolf wieder neu formte. Er bewegte sein Bein und seinen Arm – nun beides Wolfsbeine – und spürte, dass sie unverletzt und kräftig waren. Dann arbeitete er sich eilig aus der Jeans und schüttelte sich, als er sich auf alle viere stellte. Es war nervig, immer noch das Shirt zu tragen, aber es war ihm nicht im Weg.
Sein Blick wurde schärfer und die Welt um ihn herum wurde zu einem Kaleidoskop aus Geschmäckern und Gerüchen. Aber das Wichtigste war, dass er sah, wie Bruce’ Wolf sich langsam von ihm zurückzog.
Jetzt kam der schwierigste Teil. Bruce hatte Laddin nicht getötet, aber das bedeutete nicht, dass er ihn akzeptiert hatte.
Langsam ging Laddin auf ihn zu, wobei er den Kopf unterwürfig gesenkt hielt. Er schnüffelte und nahm den Geruch des anderen Wolfs auf. Er roch nach verbrannter Kirsche. Das war seltsam, aber er mochte es. Er kroch noch näher und versuchte, ein Freundschaftsangebot zu signalisieren.
Es vergingen nur ein paar Sekunden, aber für Laddin fühlten sie sich wie eine Ewigkeit an. Schließlich senkte Bruce den Kopf. Seine Nase zuckte, als er ebenfalls schnüffelte – zunächst Nase an Nase, wobei Laddin den Kopf tiefer als Bruce’ hielt. Dann ging Laddin weiter, schnupperte an Bruce’ Flanke entlang und herum bis zu seiner Rute. Als er das zum ersten Mal bei Josh getan hatte, war er vor der Vorstellung, an einem fremden Hintern zu riechen, zurückgeschreckt. Aber dort gab es so viel zu erfahren. Und er wollte alles über Bruce wissen.
Unter dem Geruch nach verbrannter Kirsche nahm er Bruce’ familiäre Verbindung zu Josh wahr. Er wusste, dass Bruce gesund war, auch wenn da ein penetranter, beißender Geruch in der Luft lag, der etwas bedeutete. Er hatte keine Ahnung, was, aber es gehörte nur zu Bruce. Und er merkte es, als Bruce sich endlich genug entspannte, um sich an ihm zu reiben.
Freunde.
Das Wort hatte sich noch nie so schön angefühlt. Und dann drehte Bruce sich um, offensichtlich, um zum Scheunentor zu rennen.
Scheiße! Er konnte das nicht zulassen, auch wenn die Gerüche dort draußen wirklich verlockend waren. Also, wenn er Bruce nicht zum Bleiben überreden konnte, würde er es mit Spielen versuchen müssen. Und es gab nichts, was Laddins Wolf lieber tat, als zu spielen. Als Bruce also schon fast durch das Scheunentor hinaus war, sprang Laddin vor ihn.
Er hielt seinen Kopf gesenkt und wedelte mit der Rute in der Luft. Er bewegte sich nach links und rechts und drehte sich sogar einmal um die eigene Achse, um zu sehen, ob er Bruce in Stimmung bringen konnte.
Der größere Wolf beobachtete ihn, die Ohren gespitzt, was vermutlich Neugierde signalisierte. Verstand er, was Laddin wollte? Vielleicht. Bruce’ Rute wedelte leicht hin und her und sein Maul öffnete sich zu einem, wie Laddin hoffte, wölfischen Lächeln.
Laddin preschte vor und schnappte ohne böse Absicht nach ihm. Bruce zuckte zurück, doch dann erwiderte er den Biss. Nicht fest. Ein kurzes Schließen seiner Kiefer, bevor er nach vorn tänzelte. Er bewegte sich nicht so geschmeidig wie Laddin, allerdings war sein Wolfskörper für ihn auch noch brandneu. Doch so wie es aussah, lernte er schnell, dachte Laddin, als Bruce, ohne ins Stolpern zu geraten, zur Seite sprang. Laddin hatte eine Woche gebraucht, um das hinzubekommen.
Laddin schob sich wieder vor, näher diesmal, und Bruce spielte mit. Laddin warf sich nach links und rechts, versuchte mit der Schnauze in Bruce’ Hals zu zwicken. Er kam jedoch nie nah genug heran, denn Bruce passte sich immer wieder an und wehrte sich. Er gab ein grummelndes Geräusch von sich, kein Knurren, und Laddin fragte sich, ob das sein Spielgeräusch war. Wenn, dann klang es ziemlich aggressiv, aber damit kam er klar. Vor allem, da er Bruce immer tiefer in die Scheune trieb.
Es war ein aussichtsloses Spiel. Er wusste das. Irgendwann würde Bruce die Lust am Spiel verlieren und Laddin würde sich etwas anderes überlegen müssen. Er musste dieses Scheunentor schließen und als Wolf konnte er das nicht.
Er suchte immer noch verzweifelt nach einer Möglichkeit, als ihm die Zeit davonlief. Bruce sprang an ihm vorbei, die Rute hoch in die Luft gereckt, und eilte auf das Tor zu. Es war eine Einladung, ihm nach draußen zu folgen, und Laddin zog es sogar in Betracht. Aber je mehr Zeit Bruce als Wolf verbrachte, desto geringer war die Wahrscheinlichkeit, dass er sich wieder zurück in seine menschliche Gestalt verwandeln konnte. Kurz gesagt: Die Spielzeit war vorbei. Laddin musste es ernsthaft angehen Regeln aufzustellen.
Nur wollte er das wirklich, wirklich nicht tun.
Er preschte vor. Für einen Werwolf mochte er klein sein, aber das machte er mit Geschwindigkeit wett. Er schaffte es zwischen Bruce und das Tor, dann verwandelte er sich in einen Menschen zurück. Er tat es schnell, landete auf allen vieren, das T-Shirt noch immer an, aber mit dem nackten Hintern im Wind.
»Siehst du, wie einfach es ist?«, sagte er zu Bruce. »Komm zurück in deine menschliche Gestalt.«
Er richtete sich auf seine Knie auf. Er hatte sich genau diese Stelle ausgesucht, da seine Hose in Reichweite lag. Und während Bruce ihn mit diesen dunkelgelben Augen musterte, schaffte Laddin es, sich die Fernbedienung des Elektroschockhalsbands zu schnappen, dort, wo sie zu Boden gefallen war. Dann stand er langsam auf.
Das Halsband war nur für den Fall. Sein wirkliches Ziel war es, das Scheunentor zu schließen. Leider waren die Flügel riesig. Er würde zwei schwere Türen zusammenschieben müssen und Bruce konnte einfach nach draußen schlüpfen, während er sie schloss. Aber er musste es versuchen.
»Denk darüber nach, was du tun willst, Bruce. Hast du Hunger? Wir könnten ein paar Burger grillen. Bist du Kaffeetrinker? Du musst eine Tasse herbeisehnen. Gott weiß, ich tue es. Hast du eine Freundin? Du kannst sie nicht anrufen, wenn du nur ins Telefon jaulst.«
Bruce hörte mit schief gelegtem Kopf zu, während Laddin redete. Dann sah er die Lösung. Halleluja! Das Tor war elektrisch. Er musste Bruce nur ablenken, während die Dinger sich von allein schlossen.
Er lokalisierte den Schalter schnell und sprach weiter, während er darauf zuging. »Ich hatte in der Highschool mal eine Freundin. Sie war süß, ein Ass in Mathe und verdammt heiß. Ich habe alles getan, was von mir erwartet wurde. Ich habe sie gut behandelt, ihr Blumen gekauft und zugehört, wenn sie geredet hat. Die guten Dinge. Aber ich hab es nicht geschafft, sie zu küssen, weißt du? Ich bin mit dieser Hand schon seltsam genug.« Er hob seine entstellte Hand, während er mit dem Ellenbogen den Schalter für das Scheunentor betätigte. »Ich wollte nicht auch noch schwul sein.«
Das Rumpeln des Tors war laut – zu laut, verdammt. Das Geräusch ließ sie beide zusammenzucken. Laddin hatte gehofft, dass Bruce vor dem Lärm der Türen zurückschrecken würde, und er behielt recht – etwa eine halbe Sekunde lang. Und dann machte Bruce einen Satz nach vorn, in dem Versuch zu entkommen, bevor die frustrierend langsamen Türen sich schlossen.
Laddin machte auch einen Satz, direkt vor den Wolf. Er wollte auf keinen Fall ihre letzte Rangelei Mensch gegen Wolf wiederholen. Er konnte sich nicht noch mal so schnell verwandeln, daher würde ein Biss ihn diesmal auf jeden Fall töten. Er versuchte, besonders vorsichtig zu sein, als er Bruce um die Mitte packte, während er weiter mit seiner guten Hand die Fernbedienung für das Elektroschockhalsband festhielt.
Sie fielen zur Seite um. Laddin schlang beide Arme um Bruce’ Mitte, als sie herumrollten. Es war ein Beiß-die-Zähne-zusammen-und-halt-fest-als-würde-dein-Leben-davon-abhängen-Moment und dennoch bemerkte ein Teil von Laddin, wie weich Bruce’ Fell war. Und dieser Geruch nach verbrannter Kirsche war so nahe noch stärker. Selbst seine menschliche Nase nahm ihn wahr.
Angenehm.
Oh Scheiße. Plötzlich war es nicht mehr so angenehm, als Bruce sich wand und drehte und sein Knurren nicht nur in seinem Körper, sondern auch in Laddins vibrierte. Warum gab der Kerl nicht nach? Laddin presste die Augen und seine Arme so fest wie möglich zusammen und hielt sich fest.
Noch einen Moment länger. Noch einen Moment.
Die Türen waren beinahe zu. Beinahe…
Dann verpasste Bruce ihm einen Kopfstoß. Laddin hatte keine Ahnung, ob es eine bewusste Bewegung war, aber sie war verdammt effektiv. Sterne explodierten vor seinen Augen, als seine Schläfe vom Wolfskopf getroffen wurde. Sein Griff lockerte sich nur für einen Sekundenbruchteil, aber das reichte aus. Mit einem festen Ruck befreite Bruce sich. Dann war er auf den Füßen und sprang auf die Türen zu, bevor sich die letzten Zentimeter schlossen.
Er würde entkommen. Was bedeutete, dass er sich nie zu einem Menschen zurückverwandeln würde.
Verdammt! Laddin hatte keine Wahl mehr. Er wollte es nicht tun, aber es gab keine andere Möglichkeit. Obwohl ihm immer noch schwindelig war, schaffte er es, den Auslöser für das Elektroschockhalsband zu drücken. Er hoffte einfach, dass das reichen würde, um Bruce zu verlangsamen.
Das tat es. Aber was er sah, würde ihn bis in seine Träume verfolgen. Bruce – der prächtige Wolf – erstarrte abrupt. Sein Körper zuckte unbeholfen und seine Beine schafften es nicht, ihn aufrecht zu halten, als sich sein Rücken bog. Aber das Schlimmste war Bruce’ Kläffen, ein hoher Laut, der plötzlich verstummte. Es war schrecklich und als er das hörte, musste Laddin Tränen wegblinzeln.
»Es tut mir leid«, sagte er, als er vorwärtskroch. »Es tut mir so leid.«
Bruce’ Blick war starr, sein Körper immer noch in offensichtlicher Qual gekrümmt. Er lag auf der Seite und seine Beine waren seltsam verdreht. Grausam.
Es dauerte einen Moment, bevor Laddin die Wahrheit realisierte. Heilige Scheiße. Das Halsband schockte ihn immer noch!
»Nein! Nein!« Laddin kämpfte mit der Fernbedienung, suchte nach einem Ausschalter. Es gab keinen. Er drückte den Knopf noch mal, aber es schien keinen Effekt zu haben. Das Knistern des Stroms war noch zu hören. »Aufhören!«
Das tat es – endlich –, auch wenn jeder Moment sich für Laddin wie eine Ewigkeit anfühlte. Und das war nichts im Vergleich dazu, was Bruce ertragen haben musste. Laddin eilte zu ihm und ließ dabei die schreckliche Fernbedienung fallen.
»Es tut mir leid, es tut mir leid«, sagte er immer wieder, als das letzte Sonnenlicht verschwand. Die Türen hatten sich endlich geschlossen, aber das machte verdammt noch mal absolut keinen Unterschied, wenn er Bruce getötet hatte.
Der Wolf lag zuckend da. Seine Beine waren steif, seine Wirbelsäule in einer schrecklichen Krümmung gebogen und seine dunkelgelben Augen glasig.
»Bruce, nein. Gott, nein. Es tut mir so leid.«
Laddin streichelte sein Fell, seine Hände prickelten schmerzhaft überall dort, wo er Bruce berührte. Heilige Scheiße, das war nicht normal. Er wollte seinen Puls prüfen, aber wo fühlte man bei einem Wolf den Puls? Er konnte ihn nicht finden, nicht mit seinen prickelnden Fingern. Er konnte auch keinen Atem hören, nicht über das Wummern seines eigenen Herzschlags hinweg. Und er konnte auch nicht länger in diese anklagenden, gelben Augen starren.
Er versuchte, die Augen des Wolfs zu schließen, aber das war viel schwieriger, als es im Fernsehen aussah. Man wischte nicht nur mit der Hand darüber und zack, die Augen schlossen sich. Stattdessen versuchte er, Bruce’ Wirbelsäule zu strecken und zu erreichen, dass seine Beine sich entspannten. Die Muskeln zuckten immer noch unkontrolliert, in entsetzlichen Krämpfen, die nicht aufhören wollten.
»Es tut mir leid«, hauchte Laddin. »Es tut mir so leid.«
Er strich weiter durch das Fell und fragte sich, ob seine Hände wegen des Prickelns langsam taub wurden oder ob der Strom nachließ. Die Zeit verlor an Bedeutung. Das Leben kreiste nur noch um das Streicheln seiner Hände durch Fell und die verzweifelte Suche nach Atem. Wegen des anhaltenden Zuckens konnte er nicht fühlen, ob Bruce’ Brust sich hob und senkte. Und er hörte nichts, abgesehen vom Schlagen seines eigenen Herzens.
War das ein Blinzeln? Hatte Bruce’ Auge sich von allein geschlossen und geöffnet?
Vielleicht? Er wagte es nicht, zu hoffen. Nur dass er natürlich hoffte und flehte und betete, während er gleichzeitig in die wütenden, gelben Augen sah.
Ein Blinzeln! Es war ein Blinzeln. Bruce war am Leben!
»Gott sei Dank«, flüsterte er und ließ den Kopf auf Bruce’ Wolfsbrust ruhen. »Gott sei Dank.«
Und jetzt, mit seinem Kopf genau an dieser Stelle, konnte er Bruce’ schnellen Herzschlag hören. Es vermischte sich mit dem beständigen Klopfen seines eigenen und er war dankbar, so verflucht dankbar, dass er Küsse auf das Fell presste.
Er spürte das Prickeln unter seinem Ohr und dachte, dass noch mehr Elektrizität auf sie wartete. Doch dann kühlte sich die Luft ab und der Schweiß, der auf seiner Haut trocknete, ließ ihn den Kopf heben und starren. Seine Kinnlade klappte runter, als er das goldene Schimmern sah, das sich über den Wolfskörper ausbreitete. Bruce lag nicht im Sterben, wie er zunächst gedacht hatte, sondern verwandelte sich.
Er verwandelte sich in einen Menschen zurück!
Laddin sank nach hinten auf seine Fersen, weil Erleichterung seinen Körper schwach werden ließ. Er sah beeindruckt zu, wie der Wolfskörper sich in Licht auflöste, das ihm in den Augen brannte. Und dann zog das Licht sich wieder zusammen und formte sich zu Fleisch und Blut. Die Haut war rosig gesund, die Knochen kräftig und die Muskeln definiert. Bruce war am Leben und stark.
Und wunderschön.
Laddin war daran gewöhnt, sexy Schauspieler mit durchtrainierten und fast wie gemeißelten Körpern, überall glatt rasiert und gewachst, zu sehen. Aber an Bruce war etwas anders. Sein Körper war nicht zum Vorzeigen gemacht. Seine ausgeprägten Oberkörpermuskeln waren durch harte Arbeit verdient. Sein Brusthaar war dicht, sein Schwanz hart und seine Oberschenkel muskelbepackt. Da erinnerte Laddin sich daran, dass Bruce Feuerwehrmann war. Das bedeutete harte, schweißtreibende, tägliche Arbeit. Und wow, machte Laddin das an.
Während Laddin in diesem sehr unangemessenen Moment der Lust gefangen war, streckte Bruce sich. Er rollte sich auf den Rücken, machte die Beine lang und öffnete mit den Händen mühelos den Verschluss des Halsbands. Und als er es abgezogen hatte, starrte er es an und zerdrückte das Ding langsam und gewissenhaft in seine winzigen elektronischen Einzelteile.
Okay, das war beeindruckend.
Laddin wollte Bruce nicht in die Augen sehen, aber er konnte es auch nicht vermeiden. Er musste ihm sagen, wie leid es ihm tat, aber Bruce fand als Erster seine Stimme wieder.
»Du bist so was von tot.«