Читать книгу Der zum Golde verdammte König - Katja Bär - Страница 3

1. Kapitel In einem fernen Königreich Die Vollmondnacht

Оглавление

Es war wieder einmal eine sagenhafte Vollmondnacht. Eine jener Nächte, welche die Menschen mit ihrer Schönheit verzaubert.

Unberührt davon ritt ein Mann einsam durch den Wald. Die Schönheit dieser Vollmondnacht interessierte ihn nicht im Geringsten, nicht die Sterne am Himmel, auch nicht der Silberglanz, den der Mond über die Bäume verteilte. Nur ein Gedanke bewegte ihn! Würde er heute auf sie treffen? Sein Pferd lief gleichmäßig ruhig durch die Nacht. Ab und an streifte ihn ein Zweig und sein Rücken begann zu schmerzen. Als der Wald dichter wurde, stieg er von seinem Pferd ab und bat es respektvoll hier, auf ihn zu warten. Sein Gefühl sagte ihm, dass er jetzt in ihrer Nähe sein müsste. In der Nähe des jungen Mädchens, das er schon seit längerer Zeit aus der Ferne beobachtete.

Um ihn herum herrschte eine einzigartige Totenstille. Kein Ast knarrte, kein Tier gab einen Laut von sich, nicht mal eine Eule flog durch die Lüfte. Ein Frieden ging von dieser Nacht aus, den er so noch nie wahrgenommen hatte. Ja, diese Nacht versprach eine ganz Besondere zu werden.

Er durchstreifte das Gehölz, bis sich ihm eine unheimlich sinnliche Stimme näherte. Das musste sie sein, sie, die Langgesuchte. Sirenengleich sang sie vor sich hin. Ein Schauer lief ihm heiß den Rücken herunter und er wunderte sich über seine heftige Reaktion.

Dann, endlich konnte er das Mädchen sehen, nein, eigentlich nur erahnen. Vor ihm erschien eine Welle aus langem rotem Haar, welches in seiner seidenen Schwere hin und her wippte, ihren Rücken streichelte und sanft ihren Hintern umspielte. Das Licht des Mondes fiel auf ihr Goldhaar. Dessen Glanz ließ sie zu einem strahlenden Feuerball werden. In wundervoller Weise schienen für ihn die Sonne und der Mond in einer Nacht. Einer singenden Sonne gleich, ging sie, nur für ihn allein, suchend durch den Wald. Geblendet von ihrer Erscheinung vergaß er für einen Augenblick, warum er sie verfolgte.

Zu seinem Glück lief das Mädchen langsam, so dass er immer wieder stehen bleiben konnte, um sie in aller Ruhe zu betrachten. Ihre weiße Haut schimmerte noch viel heller, als er es erwartet hatte. Fast schwebte sie wie eine Fee dahin, mit der Eleganz einer Königin. Wunderschön anzusehen in ihrer Sanftheit, in ihrer Aufmerksamkeit auf den Boden, wo sie diese Geheimnis umworbene Pflanze suchte. Ab und an warf sie ihren Kopf ruckartig nach hinten und ihr goldglänzendes Haar wogte ihr wellenförmig hinterher. Er erkannte die enorme Kraft, die sie in sich trug und die darauf wartete, endlich gelebt werden zu dürfen. Gleichzeitig sah er in ihren Bewegungen auch die Selbstzweifel der Jugend.

Sehnsuchtsvoll erinnerte er sich an seine eigene Jugend, in der er kraftvoll auf die Jagd ging, sein Rücken beim Reiten nicht nach kurzer Zeit anfing, zu schmerzen und ihm das Laufen noch keine Mühe bereitete. Mit Lockerheit hätte er in jungen Jahren jenen Baum ausreisen können, hinter dem er sich gerade verbarg. Ja, wie hasste er seinen körperlichen Verfall.

Plötzlich drehte sich das Mädchen um, genau in seine Richtung. Hatte sie ihn bemerkt? Nein, sie horchte wohl einfach in den Wald hinein und lief suchend weiter. Wieder sah er nur ihr hin und her wippendes Haar. Es wirkte wie ein seidener Vorhang um sie herum, der sie zu beschützen schien.

So folgte er ihr durch die Nacht. Bald begannen seine Füße zu schmerzen, riefen ihm in Erinnerung, warum er ursprünglich hier im Wald rumschlich. Sein ältlicher Körper war wirklich nicht dazu geschaffen, nachts durch den Wald zu stolpern. Ständig musste er aufpassen, dass er nicht hinfiel. Wieso irrte das Mädchen so lange umher? Hatte er sich in ihr getäuscht? Wusste sie am Ende gar nicht, wo sich diese Pflanze befand? Er bedachte sein jahrelanges, vergebliches Suchen nach eben jener Pflanze und Unruhe bemächtigte sich seiner.

Der Himmel zeigte, leicht ins türkisfarbene übergehend an, dass sich die Nacht dem Ende zuneigte. Schon verlor er den Glauben daran, dass sie um das Geheimnis der Pflanze wusste. Doch da hörte er sie entzückt aufschreien. Merkwürdig, das Mädchen stand vor einer völlig normal aussehenden Pflanze. Allerdings war das Strahlen um ihren wunderbaren Körper noch intensiver in ein orange übergegangen. In diesem Moment trat sie einen Schritt beiseite und gab den Blick frei auf eine feuerrot leuchtende Blüte, die ebenso strahlte wie ihr Haar. Das verwirrte ihn. Suchte sie etwa nicht das Verjüngungskraut, sondern nach so etwas Banalem wie ein Haarfärbemittel? Nein, dass durfte nun wirklich nicht sein!

Mit größter Behutsamkeit pflückte das Mädchen die wertvolle Blüte ab und wiegte sie kurz in ihren zarten feingliedrigen Händen. Auch vergaß sie nicht, sich bei der Pflanze für das kostbare Geschenk zu bedanken und legte die Blüte sanft in ihren Korb.

Er begriff, dass das Geheimnis der Pflanze allein in der Blüte liegen musste, die offensichtlich nur in Vollmondnächten aufging. Mit größter Konzentration prägte er sich den Standort der Pflanze ein.

Jetzt trieb es ihn zu ihr! Vor lauter Gier achtete er nicht auf den Weg. Sein Fuß traf auf einen trockenen Zweig und das Knacken hallte laut in die Nacht hinaus.

Das Mädchen zuckte zusammen. Ihr wurde klar, dass bei ihrer Suche, nicht Acht gegeben hatte, was um sie herum geschah. War ihr jemand gefolgt? Vorsichtig drehte sie sich um, entdeckte, nicht weit entfernt von ihr, zwei grün glühende Augen. Langsam bückte sie sich, schob die Blüte behutsam unter die dünne Jacke und versuchte, ihre Situation zu erfassen. Wer oder was stand dort? Welcher Angst sollte sie heute ins Auge sehen? Ein leichtes Zittern überkam sie. Deshalb rief sie ihre Ahnen an und bat um deren Unterstützung. Gestärkt richtete sie sich auf. Die leuchtenden Augen rückten näher und näher. Dabei verloren sie allmählich ihr stechendes Grün. Sie erkannte, dass diese Augen zu einem gut gekleideten älteren Mann gehörten, dem das Laufen augenscheinlich große Mühe bereitete. Sie nahm sein leicht gekräuseltes weißes Haar wahr, welches im letzten Schein des Mondlichts silbern glänzte.

In diesem Augenblick berührten die ersten Sonnenstrahlen das Mädchen. Der Unbekannte, das letzte Mondlicht mitnehmend, kam wie ein Silberpfeilstrahl auf sie zu. So trafen die beiden, der Sonne und dem Mond gleichend, aufeinander. Er blickte in ein Gesicht voller Anmut und Wärme, bemerkte, dass ihr Charisma schon weit ausgeprägt war und versprach noch ungleich größer zu werden. Sie blickte in ein Gesicht, aus dem große Weisheit sprach, welches ebenso gezeichnet war von einer erschreckenden Härte. Und dann waren da noch seine dunklen Augen, die keine Tiefe erkennen ließen.

Die kaum noch auszuhaltende Spannung zwischen ihnen unterbrach der Fremde mit einer wohlklingenden Stimme:

„Schönes junges Fräulein, was trieb euch zu dieser späten Stunde in den Wald?“

Nun, den wahren Grund ihres nächtlichen Ausfluges wollte sie keinesfalls verraten.

„Pilze sammeln“, hörte sie sich mit leichtem Zittern in ihrer Stimme freundlich sagen.

Dabei bedachte sie nicht, dass sie in einem Meer von Steinpilzen stand. Beide schauten gleichzeitig auf ihren leeren Korb.

„Und, noch gar keinen gefunden?“ fragte der alte Mann süßlich lächelnd.

Mit demselben Lächeln bückte er sich. Da der obere Knopf seines Hemdes nicht geschlossen war, zeigte sich ihr sein behaarter Oberkörper und sie erblickte ein auffälliges Muttermal. Er bemerkte es wohl und während er mit der einen Hand nach einem Pilz griff, erfasste die andere Hand schnell den Knopf des Hemdes und knöpfte es zu. So, als ob sie hier zum Pilze sammeln verabredet wären, fingen sie gemeinsam an, den Korb mit Pilzen aufzufüllen. Nach und nach entwich die Anspannung von ihr.

„Was hat euch denn in diese einsame Gegend geführt?“ wollte sie nun ihrerseits wissen.

„Ich befinde mich auf dem Weg zum Königssohn eures Landes, um an den Krönungsfeierlichkeiten teilzunehmen.“

Ein tiefes Seufzen entwich ihr, welches dem Fremden nicht entging und wie nebenbei fragte er:

„Seid ihr auch eingeladen?“

Sie musste mit einem „Nein“ antworten und spürte einen Stich durch ihr Herz gehen.

Oh, wie gern wäre sie dabei! Ahnte es der Mann neben ihr? Er hatte etwas unheimlich Wissendes an sich. Ihr Gefühl signalisierte ihr, vorsichtig zu sein. Weshalb war er wirklich hier, ausgerechnet in dieser Vollmondnacht? Suchte er vielleicht die Blüte, die sie gerade unter ihrer Jacke trug?

Während sie versuchte, ihre Gedanken zu ordnen und Ruhe zu finden, lächelte sie der Unbekannte unentwegt an, überschüttete sie mit Komplimenten über ihr himmlisches Aussehen und verglich sie mit einem Engel. Nicht, dass sie dies nicht gern hörte, aber leider kamen die Komplimente aus dem falschen Mund. Kämen sie aus dem Mund des Mannes, den sie begehrte, wie glücklich würde sie sich fühlen.

Der junge Königssohn war es, der ihr über alles gefiel. In ehrlichen Stunden gestand sie sich ein, dass sie ihn verliebt war. Wie töricht von ihr! Nicht nur, weil er ein Königssohn war und sie ein einfaches Mädchen. Nein, als viel schlimmer empfand sie die Tatsache, dass sie um einige Jahre älter war, als er. Ihre Chancen bei dem Prinzen standen denkbar schlecht! Trotzdem hoffte sie. Sie wusste, dass der Königssohn sie heimlich beobachtete, wenn sie am Hintereingang der Schlossküche ihre Kräuter ablieferte.

Mittlerweile war der Korb randvoll mit Pilzen gefüllt, ihr offizieller Vorwand sich zu dieser späten Stunde im Wald aufzuhalten, somit erledigt. Der Mann neben ihr wirkte erschöpft und sah jetzt noch älter aus.

„Schönes Fräulein, würdet ihr so freundlich sein und mir den Weg zum Schloss zeigen? Ich habe mich hoffnungslos verirrt“, bat er sie.

Ungern und stumm willigte sie ein. Ohne ein weiteres Wort zu wechseln, gingen sie ein Stück des Weges. Plötzlich stieß ihr Begleiter einen grellen Pfiff aus. Ein stattliches Pferd sprengte direkt auf das Mädchen zu. Sie wollte beiseite springen, stellte sich aber in ihrem Erschrecken ungeschickt an und stürzte hin.

Mit einem merkwürdigen freudigen Gesichtsausdruck half ihr der alte Mann auf, verabschiedete sich äußerst charmant von ihr, stieg auf das wartende Pferd und war seltsam schnell verschwunden.

Erleichtert setzte sie sich auf einen der umgestürzten Bäume. Eine Weile wartete sie noch, versicherte sich dann, dass sich niemand in ihrer Nähe befand und holte die Blüte aus ihrer Bluse hervor. Doch was war das? Sie konnte es nicht glauben! Wie von einem Messer durchtrennt, lag nur noch die Hälfte der Blüte in ihrer Hand. Der Schreck darüber versteinerte sie beinah.

Wer war dieser Mann? Sie hatte ihn hier in der Gegend noch niemals gesehen. Es beschlich sie die Vorahnung, dass sie dem Unbekannten nicht zum Letzten mal begegnet war und Unheil von ihm ausgehen würde.


Der zum Golde verdammte König

Подняться наверх