Читать книгу Der zum Golde verdammte König - Katja Bär - Страница 5

Das Dreiertreffen

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Früh am Morgen schlich der junge Königssohn Olaf heimlich aus dem Schloss. Der Morgen versprach einen angenehmen leichten Sommertag. Mit dem dringlichen Wunsch im Herzen, sie möge heute kommen, lief er aufgeregt zu seinem geheimen Platz.

Seit Monaten verbarg er sich, sooft es ihm möglich war, hinter einer alten Tanne, nur um sie sehen zu können. Sie, die so ganz anders war, als alle Mädchen und Frauen, die er bisher kennenlernen durfte. Für ihn war sie die Schönste, ja sogar die Allerschönste weit und breit. Es ging etwas von ihr aus, dass er sich nicht erklären konnte. Was war das nur? Zum Einem lag es sicherlich an ihrem kupferroten Haar und ihrer hellen Haut. Manchmal schien sie ihm fast durchsichtig zu sein. Zum Anderen umgab sie etwas sinnlich Geheimnisvolles, bereichert von ihrem wunderbaren Lachen. Wenn sich das Lachen auf ihrem Gesicht ausbreitete, überkam ihm jedes Mal ein überaus angenehmes Kribbeln im Körper.

Sie verfolgte ihn bis in seine Träume. In denen war er der perfekte Held, der starke Ritter, der sie natürlich aus jeder aussichtslosen Situation befreite. In der Wirklichkeit jedoch verharrte er, schüchtern bangend, hinter dieser Tanne, dankbar für den winzigen Augenblick, indem er sie sehen konnte. Seit einiger Zeit lächelte sie jedes Mal in seine Richtung, bevor sie durch den Dienstboteneingang in der Küche verschwand. Wusste sie, dass er hier wie angewurzelt stand?

Aber heute wollte er es wagen! Es war die letzte Gelegenheit, ihr seine Einladung zu überreichen, die Einladung für den Eröffnungsball der Krönungsfeierlichkeiten. Denn endlich wurde er König! König im Land seiner Eltern, welches seit deren Tod von seinem Vormund regiert wurde. Mit dem morgigen Tag würde er, Prinz Olaf, die Regentschaft übernehmen und somit sein eigener Herr werden.

Ja, wie er es hasste, sich ständig Alles, aber auch Alles vorschreiben lassen zu müssen! Nicht, dass er den Alten nicht mochte. Im Gegenteil, er war ihm Vater und Mutter zugleich geworden und unterrichtete ihn in den wichtigen Dingen des Lebens, so gut er es vermochte. Nur, leider war der Alte ein verdammt strenger Lehrer und erlaubte ihm kaum irgendwelche Vergnügungen. Vor allem sah dieser es äußerst ungern, wenn Olaf jagen gehen wollte.

Den Grund kannte Olaf. Sein Vater, der König, war bei der Jagd ums Leben gekommen. Vor lauter Kummer über den Tod ihres geliebten Mannes erkrankte seine Mutter, die Königin. Sie starb, da war er gerade mal fünf Jahre alt. Von daher verstand Olaf durchaus die Sorge des Alten, wenn er, der zukünftige König, auf die Jagd gehen wollte. Doch er liebte die Jagd abgöttisch. Und so gerieten sie immer wieder im Streit aneinander.

Olaf wollte ein ebenso guter Jäger werden, wie sein Vater. Ein Bild seiner Kindheit hatte sich tief in ihn eingeprägt: Der Vater, glücklich auf dem Pferd sitzend, wenn er erfolgreich von der Jagd zurückkehrte und seine Beute präsentierte. Dem wollte er nacheifern. Das würde er demnächst tun können, denn im Rahmen der Krönungsfeierlichkeiten, bekommt er den väterlichen Bogen überreicht. Er fieberte dem Augenblick, endlich den Königsbogen in den Händen halten zu dürfen, regelrecht entgegen.

Von dem Mädchen war weithin nichts zu sehen. Wo blieb sie nur? Und was wäre, wenn sie ihn abweist? Diese quälende Vorstellung wiederholte sich permanent in seinem Kopf. Denn, was gab es schon Besonderes an ihm, im Gegensatz zu ihr? Nichts! Unwillkürlich fasste er sich an seine unförmige Nase. Wahrscheinlich würde er sich klein vorkommen neben ihrer strahlenden Schönheit.

Langsam übertrug sich die Feuchtigkeit seiner Hände auf den Umschlag mit der Einladung und dem persönlichen Brief. In der vergangenen Nacht verbrachte er Stunde um Stunde damit, seine Gefühle ihr gegenüber auf das Papier zu bringen. Gern hätte er jemanden um Rat gebeten. Aber wen? Gleichaltrige Freunde hatte er keine und den Alten wollte er auf keinen Fall fragen.

In diesem Moment schwebte ein ihm vertrauter Ton in der Sommerluft und ein leuchtender roter Punkt schimmerte zwischen den Baumstämmen des Waldes hindurch. Sie kam! Sie - die Königin seiner Träume! Der Klang ihrer Stimme erreichte Olaf, wie eine zarte Welle und durchfloss seinen Körper wohlwollend. Alles in ihm jubelte. Sein Herz konnte sich nicht entscheiden, zwischen Schnellerschlagen oder Stehenbleiben.

Aber irgendetwas schien heute anders an ihr zu sein. Lag es an ihrem Gang? Nein! Doch! Ja! Welch ein Anblick! Sie trug ein eng anliegendes Kleid. Wahnsinn! Welch eine betörende Figur kam darin zum Vorschein. Das Wohlwollen in seinem Körper verwandelte sich in eine unbekannte heftige Unruhe. Er wusste nicht, wohin mit seinen Gefühlen und erst recht nicht, wohin mit seinen Händen. Er zögerte und zögerte, während sie sich ihm unaufhörlich näherte. Fast schon konnte er nach ihr greifen. Jetzt musste er es wagen!

Gerade wollte Olaf hervortreten, doch da öffnete sich die Tür der Schlossküche. Der Koch trat heraus, winkte seinem Traum zu und sie erwiderte den Gruß aufs Feinste lächelnd. Unwillkürlich zuckte Olaf zurück. Verpasst! Er hatte versagt. Wieder einmal! Warum musste der Koch ausgerechnet in diesem Moment auftauchen! Krampfhaft versuchte er, sich zu beruhigen und nahm sich vor, es erneut zu probieren, wenn sie aus der Küche wieder herauskommt. Mögen die im Schloss auf ihn warten! Flüsternd übte er zum hundertsten Male, wie er sie ansprechen wollte:

„Gnädiges Fräulein…“

Schon bei der Anrede holperte es. Galt sie denn als gnädiges Fräulein? Er wusste gar nichts von ihr. Klar war ihm lediglich, dass sie aus dem einfachen Volk stammte. Egal, begann er eben mit:

„Liebes Fräulein, ich würde gern ...ich meine, hättet Ihr Lust…. “

Jäh unterbrach ihn das Wiehern eines Pferdes. Er drehte sich um und erblickte einen jungen gut gekleideten Mann, wohl ein wenig älter wie er, auf einem edlen Pferd sitzend. Olaf erschrak, wie lange mochte der Fremde schon dort gestanden haben? Was hatte er gehört? Die stolze Haltung des Mannes erinnerte ihn an die seines Vaters kurz vor dem Ausritt zur Jagd. Vielleicht war der junge Herr vor ihm ein ebenso leidenschaftlicher Jäger? Jedenfalls trug er einen wertvollen Bogen, wie er nur einem König zustand. War das ein geladener Gast? Aber warum kam er aus dieser Richtung?

Als hätte der Fremde seine Frage erraten, begann er sich zu erklären:

„Verzeiht mir, mein Herr“, sprach er mit männlich wohlklingender Stimme, „es war nicht meine Absicht, Euch zu erschrecken! Ich befinde mich auf dem Weg zum Prinzen Olaf dem Achten. Leider verirrte ich mich in diesem Wald.“

Das fehlte Olaf gerade noch, ein Gast entdeckte ihn hier, in der Nähe des Dienstboteneinganges! Trotzdem blieb ihm nichts weiter übrig, er musste sich offenbaren. Denn spätestens heute Abend, während des Balls, würde sein Gegenüber in ihm den Prinzen erkennen.

„Ich grüße Euch Fremder! Vor Euch steht Euer Gastgeber, Prinz Olaf der Achte. Ich freue mich, dass Ihr meiner Einladung gefolgt seid.“

Scheinbar erstaunt, sprang der Unbekannte vom Pferd und verneigte sich leicht vor Olaf.

„Ich bitte Euch um Nachsicht! Ich hatte nicht erwartet, einen Prinzen so früh am Morgen und an solche einem Platz anzutreffen. Gestattet, dass ich mich vorstelle. Ich bin König Klaus der Dritte aus dem Land der zwanzig Wasser. Es ist mir eine Freude, Euch endlich kennenlernen zu dürfen. Erlaubt mir, Euch von ganzem Herzen zu Eurem achtzehnten Geburtstag zu beglückwünschen.“

Für sich dachte Klaus, sieh einer an, der Kleine will sie hier abfangen, da bin ich grad rechtzeitig gekommen. Er genoss es, den Prinzen dabei zu beobachten, wie dieser sich um eine Erklärung bemühte. Ein wenig wartete Klaus noch, bis er ihm vorschlug:

„Bitte, mein Prinz, lasst uns gemeinsam zum Schloss gehen. Dann verlaufe ich mich wenigstens nicht wieder.“

Dem ließ er ein tiefes unheimliches Lachen folgen. Olaf lachte tapfer mit und wusste nicht, wie er die, für ihn missliche Situation, meistern sollte. Einerseits wollte er das Mädchen nicht verpassen, andererseits bei seinem Gast kein weiteres Misstrauen erregen, denn der musterte ihn bereits so, als hätte er eine Ahnung. Und schon zeigte sein Gegenüber auf den Brief in seiner Hand.

„Oder habt Ihr hier noch zu tun?“ fragte er neugierig.

„Nein“, beeilte sich der Prinz zu antworten, „wie kommt Ihr darauf? Folgt mir bitte! Hier entlang!“

Hastig schob Olaf den Briefumschlag in seine Hosentasche und bewegte sich mit seinem Gast in Richtung Schloss, damit aber gelichzeitig geradewegs auf den Dienstboteneingang zu. Olaf hoffte inständig, seine Angebetete möge noch in der Küche beschäftigt sein und bloß nicht jetzt herauskommen. Fast hatten sie es geschafft, waren an der Tür vorbei, da öffnete sich diese!

Sie trat heraus und stand unmittelbar vor dem Prinzen. Das erste Mal sahen sich der Königssohn und das Mädchen tief in die Augen, beide im gleichen Maße erschrocken und verwirrt.

Ihr Herz raste. Sie drückte beide Füße fest gegen den Boden. Nur nicht ins Schwanken kommen, ja nicht umkippen, dachte sie und senkte den Blick. Sie konnte ihn riechen und seinen ebenfalls unregelmäßigen Atem spüren. Die Zeit schien still zu stehen. Doch leider wurde sie herausgerissen aus diesem wunderschönen Stillstand, von einem Mann, den sie bisher nicht mal wahr genommen hatte.

„Kompliment! Prinz Olaf, Ihr habt wunderschöne Mägde in Eurem Reich“, drangen die Worte des Unbekannten an ihr Ohr und sie bemerkte, wie er sich an sie wandte. „Reizendes Kind, würdet Ihr so freundlich sein und mir Euren Namen verraten?“

Nur mit Mühe und kaum hörbar kam ihr „Marie“ über die Lippen.

„Welch schöner Name! Sagt Marie, ist es in diesem Land nicht üblich, dass sich die Mägde vor ihrem zukünftigen König verneigen?“

Oh je, das hatte sie in ihrer Aufregung völlig vergessen. Artig verneigte sie sich tief, verharrte wartend und spürte die Blicke beider Männer auf ihren bebenden Busen.

Dessen Anblick löste bei dem Prinzen wieder dieses Kribbeln im Körper aus und trieb ihm eine wahre Flut von Schweißperlen auf die Stirn. Seine rechte Hand fuhr in die Hosentasche, suchte nervös das Taschentuch, fand es, zog es heraus und mit ihm versehentlich auch den Brief. Dieser landete direkt vor ihren Füßen. Dort lag sie nun, die Einladung, heruntergefallen im denkbar ungünstigsten Augenblick.

Alle drei starrten gebannt auf das Papier, jeder seinen Gedanken nachhängend.

Olaf trat von einem Bein auf das andere, wusste nicht ein noch aus. Sollte er es im Beisein des fremden Königs wagen? Verlegen schaute er zu diesem herüber und war gelähmt, denn der Mann schaute ihn aufs Merkwürdigste an.

König Klaus der Dritte verfolgte jede Regung des Königssohnes. Der Kleine ist zwar verliebt in sie, dachte er, aber würde er den Mut aufbringen, ihr die Einladung zu übergeben? Die Unsicherheit des Prinzen bereitete ihm zunehmend Vergnügen. Obendrein erfreute er sich an dem Anblick des Mädchens in dem grünen Samtkleid, welches sie fraulich und verführerisch erscheinen ließ. Ihm gefiel besonders, dass sie ausgerechnet dieses Kleid trug?

Obwohl sie die Blicke der Männer spürte, galt Maries ungeteilte Aufmerksamkeit dem Brief, der ebenso gut roch, wie der Prinz selbst. Es war ihr, als würde der Brief ihr zuflüstern: Komm, nimm mich! Lies mich! Ich bin für dich bestimmt! Öffne mich! Aber so einfach ging das doch nicht. Das gehörte sich nicht. Der Prinz musste sie dazu auffordern!

Langsam nahm sie den Brief vom Boden, richtete sich auf und sah in die flehenden Augen des Prinzen. Sie hielt ihm den Brief entgegen, bat ihn mit Blicken um die von ihr erhoffte Aufforderung und erkannte zugleich, dass er es nicht vermochte.

Der Königssohn hatte etwas tief Trauriges in sich und mit eben dieser Traurigkeit nahm er ihr den Brief aus der Hand - wortlos. Sie bemerkte, wie sich das Gesicht des Fremden zu einem breiten Grinsen verzog.

„Schönes Fräulein, Ihr wisst, dass Euer Prinz heute Geburtstag hat?“ sprach dieser zu ihr.

Marie nickte stumm.

„Ja, wollt Ihr Eurem Prinzen nicht gratulieren?“ forderte er sie übermütig auf.

Oh, wie gern würde sie das tun, doch sämtliche Halsmuskeln krampften sich schmerzhaft zusammen. Es würgte sie, so als wenn sie innerlich Tränen weinte. Marie schloss die Augen, schluckte mehrmals, öffnete den Mund und heraus gluckste ein gurgelnder Ton. Sie versuchte es noch einmal, schaffte es aber erneut nicht. Sie schämte sich so sehr, dass sie ihr Kleid hochraffte und losrannte.

Völlig verblüfft, jedoch in unterschiedlicher Gemütsverfassung, glotzten ihr die Männer hinterher. König Klaus fand zuerst seine Sprache wieder:

„Hübsches Ding! Der würde ich allerdings Gehorsam beibringen! Wie dem auch sei, ich denke wir sollten zum Schloss gehen. Dort warten sicher eine Menge schöner Frauen auf Euch, Frauen mit Klasse. Ihr ahnt nicht im Geringsten, wie ich Euch beneide.“

Klaus griff in die Zügel seines Pferdes und begann fröhlich zu pfeifen. Dem Königssohn war alles egal und schon gar nicht nach anderen Frauen zumute. Er verspürte eher den Wunsch, sich schnell auf sein Bett legen zu können und in seine Kissen zu heulen. Zwanghaft versuchte er seinen Gemütszustand vor seinem Gast zu verbergen, während er mit ihm zum Schloss ging.

Der zum Golde verdammte König

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