Читать книгу Liebe ist kein Beinbruch - Katja Freeh, u.a. - Страница 6
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Оглавление»Du hättest mich nicht fahren müssen.« Während Charlie neben ihr im Wagen saß, protestierte sie erneut. »Ich hätte das schon allein gekonnt.«
»Wenn deine Tante meint, das wäre nicht so, würde ich mich lieber auf ihr Urteil verlassen als auf deins«, entgegnete Tanja nüchtern. »Sie ist schließlich eine erfahrene Ärztin.«
»Im Gegensatz zu mir.« Bitter lachte Charlie auf. »Ich bin ja nur eine abgebrochene Medizinstudentin.«
»Ja«, bestätigte Tanja das hart und erbarmungslos. »Lange hast du nicht durchgehalten.«
»Wann habe ich das schon?«, murmelte Charlie, aber es schien nicht an Tanja gerichtet zu sein. »Sogar meine Ehe hat nicht mehr als vier Monate gedauert.«
Diese Aussage überraschte Tanja. »Deine Frau war krank«, sagte sie. »Das wusstest du vorher.«
»Ja, das wusste ich vorher.« Charlie schaute sie nicht an, starrte nur vor sich hin.
»Deshalb hast du sie geheiratet«, setzte Tanja noch eins drauf. Sie spürte die Wut so sehr in sich ansteigen, dass sie sich nicht zurückhalten konnte. »Damit du sie möglichst schnell beerben kannst.«
Unwillkürlich versteiften sich ihre Mundwinkel, bis sie ganz starr wurden. Worüber beklagte Charlie sich hier eigentlich gerade? Genau das, was jetzt eingetreten war, war das, was sie erhofft hatte, was sie geplant hatte. Dass sie sich an dem Geld, das ihre Frau im Überfluss besessen hatte, jetzt allein erfreuen konnte.
»Das wirst du mir nie verzeihen, nicht wahr?«, fragte Charlie und warf kurz einen Blick zu Tanja herüber.
Kopfschüttelnd blickte Tanja stumm vor sich hin auf die Straße, während sie vor einer roten Ampel hielt. »Ich habe da nichts zu verzeihen«, sagte sie dann. »Das ist nicht meine Angelegenheit.«
»Würdest du mir glauben, wenn ich dir sage, dass ich Tina geliebt habe?« Charlie fragte das in so einem Tonfall, als ob sie das schon gar nicht erwarten würde.
Und es brachte Tanja auch tatsächlich zum Lachen. Nicht zu einem fröhlichen Lachen, mehr zu einem abschätzigen. »Das hast du mir schon mal erzählt«, sagte sie, während sie leicht das Gas herunterdrückte, damit der Wagen anrollen konnte, weil die Ampel gerade auf Grün gesprungen war. Selbstverständlich fuhr Charlie einen Automatik-BMW. Schalten war viel zu anstrengend. »Und schon damals war es eine Lüge.«
»Ja, das stimmt.« Tief durchatmend lehnte Charlie sich in dem sportlich gepolsterten Ledersitz zurück. Sie war immer gern schnell gefahren, deshalb war dies auch keine Familienlimousine, sondern ein Sportmodell mit Rennfahrersitzen. Aber für Charlies Verhältnisse war das schon die Familienversion, denn früher hatte sie einen Porsche gehabt. »Damals war es eine Lüge.«
Ungläubig lachte Tanja auf. »Willst du mir etwa erzählen, du hättest dich auf eurer Hochzeitsreise in sie verliebt? Auf dieser kurzen Reise, auf der ihr euch kaum kennenlernen konntet, weil ihr von einem Ort zum nächsten gedüst seid?«
Charlie nickte fast beschämt. »Das hätte ich nie für möglich gehalten, genauso wie du jetzt. Aber . . . Aber Tina war«, sie schluckte, »eine unglaublich süße Frau. Sie glaubte an das Gute in der Welt, vermutete nie etwas Schlechtes.«
»Deshalb ist sie auf dich reingefallen«, sagte Tanja. Genau wie ich, dachte sie. Bevor ich Charlie kennenlernte, habe ich auch noch an das Gute in jedem Menschen geglaubt.
»Ja«, bestätigte Charlie wieder. »Deshalb ist sie auf mich reingefallen.«
Das fand Tanja alles sehr merkwürdig. Charlie widersprach ihr nicht, machte keine ironischen Bemerkungen oder anzügliche, wie sie es auch gern tat. Sie schien fast wie eine sprechende Puppe, die nur vorgefertigte Antworten geben konnte oder einfach das wiederholte, was man ihr vorplapperte.
»Am Anfang dachte ich, sie spielt das nur«, fuhr Charlie jetzt leise fort. »So naiv kann niemand sein.« Sie schluckte. »Aber das war sie. Sie war einfach nur gut. Das Böse kam nicht an sie heran. Sie sah es gar nicht. Und wenn sie es gesehen hat, glaubte sie es nicht.«
»Ein wahrhaft guter Mensch.« Obwohl sie nicht wusste, warum, musste Tanja das sagen.
»Hmhm.« Charlie nickte mit einem Kopf schwer wie Blei. »Ein wahrhaft guter Mensch.«
»Dass es so etwas überhaupt noch gibt.« Kopfschüttelnd bog Tanja in eine Seitenstraße ein.
»Jetzt vielleicht nicht mehr«, stellte Charlie freudlos fest. »Denn Tina ist tot.«
Ihre Stimme klang dermaßen niedergedrückt, dass Tanja fast auf die Bremse getreten hätte, weil sie sie genauer ansehen wollte, vielleicht sogar im Labor untersuchen. Das war doch nicht Charlie, die da neben ihr saß. Charlie war das Gegenteil von melancholisch gewesen, sie hatte das Wort gar nicht gekannt. Und auf einmal wirkte sie, als ob sie tatsächlich trauerte? Obwohl sie auch das Wort nicht kannte?
»So kannst du das nun auch wieder nicht sagen«, widersprach sie. »Deine Tante ist ein wahrhaft guter Mensch. Oder würdest du das bestreiten?« Selbst etwas streitsüchtig warf sie einen Blick auf Charlie neben sich.
»Nein, das würde ich nie bestreiten.« Charlies Mundwinkel schienen sich ein wenig heben zu wollen, schafften es aber nicht ganz. »Sie ist ein guter Mensch. Ein sehr guter Mensch. Aber auch ein realistischer. Und das war Tina nie.«
»Sie hatte ja auch gar keine Zeit mehr, ihr Urteil zu revidieren«, stellte Tanja fest, während sie erneut ihre Lippen aufeinanderpresste. »Oder eine realistischere Sicht zu lernen. Kaum wart ihr verheiratet, da ist sie auch schon gestorben.«
»Denkst du nicht, ich hätte versucht, das zu verhindern, wenn ich es hätte verhindern können?« Auf einmal fuhr Charlie auf, blitzte sie an. »Ich habe es versucht. Aber es hat«, sie sank wieder in ihrem Sitz zusammen, »nichts mehr genützt.«
»Du hast was versucht?«, fragte Tanja stirnrunzelnd. »Ihr wart doch nur auf Reisen.« Endgültig erreichten sie das Haus, in dem Charlie wohnte, und sie drückte auf den Öffner für das Garagentor zur Einfahrt, der an der Sonnenblende befestigt war.
»Ist ja auch egal«, sagte Charlie. »Was auch immer ich versucht oder auch nicht versucht hätte, es wäre alles sinnlos gewesen. Das hatte mir Tante Petra ja schon gesagt.« Sie atmete tief durch. »Deshalb hatte sie mir ja praktisch den Auftrag gegeben, Tina glücklich zu machen in der kurzen Zeit, die ihr noch blieb. Und ich glaube«, sie presste ihre Augenlider zusammen, »das habe ich getan. Tina war bis zum Schluss . . . sehr glücklich.«
»Na, das ist doch großartig.« Tanja wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. »Da hattest du ja sozusagen noch die offizielle Erlaubnis von höchster Stelle. Das muss sehr befriedigend für dich gewesen sein.« Sie glitt in die Tiefgarage hinein. »Und jetzt bekommst du auch deine verdiente Belohnung für diese deine große Anstrengung und Selbstüberwindung: viele, viele Millionen, die du ausgeben kannst, wie du willst. Wie du es immer getan hast. Darin hast du ja langjährige Übung. Glückwunsch.« Sie fuhr in Charlies Parkplatz hinein. Wo der war, das wusste sie noch von früher.
»Ja, im Geldausgeben habe ich Übung.« Charlie bestätigte das dumpf, während sie ausstieg. »Sonst hätte ich Tina gar nicht heiraten müssen.« Sie schaute Tanja auf eine ungewohnt erschöpfte Art an. »Vielen Dank fürs Fahren. Ich glaube, Tante Petra hatte recht. Eventuell wäre ich an einem Baum gelandet.«
»Wohl eher an einem Straßenschild«, erwiderte Tanja. »So viele Bäume gab es ja auf unserem Weg hierher nicht.« Sie hob die Hand, um sich zu verabschieden. »Ich gehe dann zum Bus.«
»Nein, nimm dir doch ein Taxi.« Charlie griff in ihre Tasche und zog einen Schein heraus, hielt ihn Tanja hin.
»Ein Taxi von Bettina Hersbachs Geld?« Tanja schüttelte den Kopf. »Nein danke.«
»Bettina Flemming«, murmelte Charlie. »Sie hieß jetzt Bettina Flemming.«
»Ja, stimmt. Das steht ja auch auf ihrem Grabstein.« Tanja hob eine Augenbraue. »Aber den größten Teil ihres Lebens hieß sie Hersbach. Bis auf die letzten paar Monate.« Ein Gedanke ließ ihre Mundwinkel zucken. »Wolltest du deinen Namen nicht abgeben? Hängst du so sehr daran?«
»Nein.« Charlie schüttelte den Kopf. »Tina wollte unbedingt meinen Namen annehmen. Ich habe ihr angeboten, ihren eigenen zu behalten, aber das wollte sie nicht. Sie sagte, sie hat ja sowieso niemanden mehr außer mir. Niemand aus ihrer Familie, der den Namen Hersbach trägt, lebt noch. Ich wäre nun ihre Familie, ihre einzige, sagte sie. Und dann wollte sie auch so heißen.«
»Ach, wie rührend.« Spielte Charlie ihr das hier alles nur vor? Tanja war schwer irritiert. Wollte Charlie sie etwa mit dieser kleinen Geschichte beeindrucken, an ihr Mitgefühl appellieren? »Sie muss dich sehr geliebt haben.« Ein Schlucken unterdrückend entfernte sie sich von Charlie. »Dann werden wir uns wohl demnächst nicht viel sehen, oder?«, warf sie halb über die Schulter zurück. »Du hast ja jetzt für eine Weile genug Geld, sodass du nicht in die Klinik kommen musst, um deine Tante anzupumpen.«
Charlie antwortete nicht, aber Tanja hörte das Klacken ihrer Absätze in ihrem Rücken, als sie zum Lift ging, der sie hinauf in ihr Penthouse tragen würde.
Tanja nahm lieber die Treppe. Erstens, weil es sowieso nur eine Etage hinauf war bis zum Ausgang im Erdgeschoß, und zweitens, weil sie nicht mit Charlie in einer engen Fahrstuhlkabine eingesperrt sein wollte. Sie hatte bemerkt, dass schon die Fahrt hierher nebeneinander im Auto ihr Einiges an Beherrschung abverlangt hatte.
Bin ich denn immer noch nicht darüber hinweg? dachte sie, wütend auf sich selbst. Es ist doch lange genug her.
Fast im selben Moment hörte sie hinter sich ein komisches Geräusch, zuerst eine Art Rutschen, eine Art Fluchen und dann eine Art Stöhnen. Automatisch drehte sie sich um.
Charlie versuchte gerade, sich wieder vom Boden aufzurappeln. Anscheinend war sie gestürzt.
Schnell lief Tanja zu ihr hin. »Charlie. Was ist denn passiert?«
»Ach nichts«, winkte Charlie ab. Sie stand mittlerweile wieder aufrecht, aber nur auf einem Bein, das andere hielt sie in der Luft. »Mein Absatz ist abgebrochen. Ich hätte andere Schuhe nehmen sollen.«
»Was trägst du auch immer so hohe Absätze?«, schimpfte Tanja fast wie eine Ehefrau oder Mutter. »Selbst auf einer Beerdigung. Du bist doch so schon groß genug.«
»Hast du meine Mutter gesehen?«, fragte Charlie mit schief verzogenem Gesicht. »Muss in den Genen liegen.«
»Wahrscheinlich«, stimmte Tanja nicht ganz ernsthaft zu. »Was willst du jetzt tun? Den anderen auch ausziehen?«
Schicksalsergeben zuckte Charlie die Schultern. »Bleibt mir wohl nichts anderes übrig. Das Stückchen im Aufzug bis nach oben werde ich wohl auch auf Strümpfen schaffen.« Sie wollte den Fuß, den sie bisher in der Luft gehalten hatte, auf den Boden setzen, zog ihn aber sofort mit einem schmerzhaften Ausruf wieder nach oben. »Verdammt. Was ist das denn?«
»Du kannst nicht auftreten?« Tanja ging in die Hocke und untersuchte geübt Charlies Knöchel, tastete ihn von allen Seiten ab. »Gezerrt«, sagte sie. »Gebrochen ist nichts.« Sie stand wieder auf. »Komm, ich stütze dich. Ist ja nicht weit.«
»Ich kann auch einen Krankenwagen rufen«, sagte Charlie. »Wenn du nicht hierbleiben willst.«
»Klar«, schmunzelte Tanja. »Und was werden die wohl sagen, wenn sie hören, dass eine Ärztin direkt vor Ort war und nicht ihre Pflicht getan hat? Du hast ihn zwar nicht geleistet, aber du erinnerst dich doch aus dem Studium noch an den hippokratischen Eid?«
»Ich wollte nur nicht –« Charlie räusperte sich. »Ich wollte dich zu nichts zwingen.«
»Das ist wirklich ganz reizend von dir«, entgegnete Tanja in einem bewusst sarkastischen Tonfall. »Und so untypisch. Ich erkenne dich gar nicht wieder. Aber das geht nicht. Ich bringe dich jetzt in deine Wohnung, und da du so etwas sicher nicht da hast, besorge ich dir dann eine Kompresse und einen Stützverband.« Sie hob die Augenbrauen, während sie nun gemeinsam den Fahrstuhl betraten. Charlie hatte einen Arm über Tanjas Schultern gelegt, und so war sie leicht hüpfend hierhergelangt. »Solange, bis ich zurück bin, kühlst du das mit Eiswürfeln. Die hast du ja wohl da – für deinen Whiskey.«
»Ja, die habe ich da«, gab Charlie etwas kleinlaut zu. »Und einen Whiskey könnte ich jetzt auch gut vertragen.«
»Ich halte dich nicht davon ab.« Tanja blickte zu ihr hoch. »Aber bitte nur einen, nicht mehrere. Das ist nicht gut für die Wundheilung.«
Charlies Mundwinkel zuckten. »Zu Befehl, Frau Doktor. Das hätte ich aber jetzt auch noch aus meinem Studium gewusst.«
»Freut mich zu hören«, sagte Tanja. »Ehrlich gesagt hätte ich nicht gedacht, dass du überhaupt noch irgendetwas aus deinem Studium weißt.«
»Du hältst wirklich überhaupt nichts mehr von mir, hm?«, fragte Charlie. »Bei dir bin ich total unten durch.«
»Wundert dich das?« Schon als Tanja das fragte, fiel ihr auf, dass ihr die Berührung an ihren Schultern, auf denen Charlie sich abstützte, nicht unangenehm war. Vorhin hatte sie noch nicht einmal neben ihr im Aufzug stehen wollen, und jetzt lehnten sie hier gezwungenermaßen fast aneinandergeschmiegt, und es machte ihr nichts aus. Es hätte sogar eine Art Kribbeln sein können, das sie da, wenn auch nur unterschwellig, fühlte.
Reiß dich am Riemen! dachte sie. Wo soll das hinführen? Es ist aus und vorbei. Und das nicht nur aus einem guten Grund, sondern aus vielen guten Gründen.
Charlie seufzte. »Nein, das wundert mich nicht. Nicht mehr.«
»Das heißt, früher hat es dich gewundert?«, hakte Tanja nach.
»Früher«, Charlie machte eine lange Pause, »habe ich überhaupt nicht darüber nachgedacht.«
Das versetzte Tanja einen Stich, obwohl sie gedacht hätte, dass nichts, was Charlie betraf, sie noch erschüttern konnte, sie hätte schon alles durch. »Die Gefühle anderer waren dir nie wichtig«, bemerkte sie etwas bitter. »Das weiß ich.«
»Nützt es etwas, wenn ich sage, es tut mir leid?« Charlie blickte tatsächlich schuldbewusst zu ihr herunter. Aber das hatte sie auch früher schon getan, wenn sie etwas erreichen wollte. Sie war eine gute Schauspielerin, solange es um ihren Vorteil ging.
»Nein«, sagte Tanja. »Das nützt nichts.«
»Dachte ich mir.«
Da sie jetzt im Penthouse angekommen waren, öffnete sich die Fahrstuhltür, und mühsam bewegten sie sich wie siamesische Zwillinge hinaus.
»Das hoffe ich«, gab Tanja zurück, während sie versuchte, nicht zu eilig zu gehen, denn eigentlich wollte sie das alles hier möglichst schnell hinter sich bringen. »Nur weil man sagt, es tut mir leid, ist nichts ungeschehen gemacht. Es bleibt alles, wie es ist. Deshalb kann man sich so ein Tut mir leid auch sparen.«
»Es tut mir aber wirklich leid«, sagte Charlie. »Kannst du . . .?« Sie griff in ihre Tasche und reichte Tanja den Schlüssel.
Tanja nahm ihn und schloss auf. »Wie sollte man das bei dir unterscheiden?«, fragte sie währenddessen. »Ob dir etwas wirklich leidtut oder nicht? Du hast das früher oft genug gesagt. Und es war nur eine Phrase, weiter nichts.«
»Was ich alles gesagt habe . . .«, murmelte Charlie. Sie hielt sich am Türrahmen fest, und als Tanja sie wieder stützte, hüpfte sie neben ihr in die Wohnung hinein.
»Ja, das würde wohl Bände füllen«, stimmte Tanja ihr zu. Sie geleitete Charlie noch zum Sofa und hielt sie ein wenig fest, während sie sich setzte, dann richtete sie sich wieder auf. »Eine mehrere Bände umfassende Casanova-Geschichte.«
»Darum ging es mir nicht immer«, behauptete Charlie, die jetzt zu ihr hochblicken musste.
»Ach? Dann habe ich das wohl missverstanden«, sagte Tanja. Sie ging zur Theke hinüber, die Teil der Bar in Charlies Wohnzimmer war, und griff nach dem Whiskey im Regal. »Das Eis?«, fragte sie. »Im Behälter ist nichts.«
»In der Küche«, sagte Charlie. »Du musst einfach nur auf die Taste am Eisfach drücken, dann kommt es raus.«
»Ich erinnere mich«, bemerkte Tanja trocken. »So lange ist es auch noch nicht her, dass ich hier war. Es sei denn, du hättest dir zwischenzeitlich einen neuen Kühlschrank zugelegt. Aber da du sicher nicht auf deine Bequemlichkeit verzichten willst«, sie ging zur Tür Richtung Küche, »wäre das wohl ein ähnliches Modell.«
»Ich wusste nicht, dass du mich so sehr hasst«, hörte sie Charlies Stimme in ihrem Rücken, und sie klang wirklich ziemlich erstaunt.
»Hassen?« Tanja schüttelte den Kopf, drehte sich zu Charlie um und musterte sie, wie sie da nicht sehr fotogen verwurschtelt auf dem Sofa lag. »Ich hasse dich doch nicht. Um jemanden hassen zu können, muss man ihn zuerst einmal sehr geliebt haben. Und so sehr habe ich dich nicht geliebt.«
Dann ging sie in die Küche weiter und ließ Charlie mit einem konsternierten Gesichtsausdruck zurück.