Читать книгу Hilfe, ich hatte eine glückliche Kindheit - Katja Kerschgens - Страница 5
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Оглавление»Kannst du dir vorstellen, wie ätzend das ist? Schlimm genug, dass ich den ganzen Haushalt an der Backe habe, aber dann muss der gnädige Herr abends ja auch noch von vorne bis hinten bedient werden.«
Nadine versuchte ihre Fantasie in Wallung zu bringen, aber sie konnte es sich beim besten Willen nicht vorstellen.
»Warum machst du das überhaupt?«, hörte sie ihre naive Seite laut sprechen. »Ich meine, dein Mann kann doch auch mal selbst ...«
Sarahs Auflachen klang nach dem Beginn einer Hysterie.
»Du hast ja Ideen. Hast du schon mal erlebt, wie das ist, wenn mein Mann aus der Jacke geht? Und da reichen echt kleinere Anlässe, glaub mir. Ich halte lieber den Ball flach. Das ist nun mal so, wenn man noch nie Glück im Leben hatte. Da muss man eben mit sowas zurechtkommen.«
Nadine hatte wohl leicht den Kopf geschüttelt, denn Sarah nahm jetzt richtig Anlauf, die Fältchen um ihre Augen wurden tiefer.
»Du hast gut reden, du hattest keine geschiedenen Eltern. Ich wollte ja so schnell wie möglich eine eigene Familie, und prompt bin ich in die Falle getappt. Und im Job geht das munter so weiter. Ich habe immer die gleichen Idioten um mich herum.«
Nadine rührte sich nicht mehr, während Sarah über die Welt im Allgemeinen und ihr Leben im Speziellen schimpfte. Sie biss sich auf die Lippen, dabei klebte ihr Blick gedankenverloren am grauen Haaransatz ihrer Freundin fest. Die Schatten unter deren Augen gaben den Worten die dazugehörige Dramatik.
»Es ist immer dasselbe, alles bleibt an mir hängen. Die haben sich alle auf mich eingeschossen, ich sag´s dir.«
Der Redeschwall umspülte Nadine wie ein reißender Fluss. Das Ertrinken drohte, aber nicht einmal Loriot rührte sich. Er lag zu ihren Füßen und schlief. Sie glaubte sogar, ihn trotz der Geräuschkulisse in dem kleinen Bistro schnarchen zu hören. Er hätte ihre Rettung sein können. Nein, der zuckte nur im Traum mit seinen Pfötchen. Sarah war mittlerweile bei ihrem Arbeitgeber angekommen.
»Und dann hat er doch glatt von mir verlangt, dass ich meinen Urlaubstag nächste Woche streiche«, schwadronierte sie weiter, »weil die Mannsperger ja so dringend in Kur muss. Klar, mit mir kann man’s ja machen ...«
Nadines durchdringendes Schweigen schien nicht mehr zu reichen. Also versuchte sie es mit so viel Teilnahmslosigkeit wie möglich in ihrer Stimme: »Ach ja?«
Das hatte ihre Gesprächspartnerin allerdings nicht überhört.
»Ist heute irgendwas mit dir los?«, bremste sie ihre Tiraden aus.
»Nö. Wieso?«
Nadine spielte mit der Hundeleine, nahm diese schließlich so kurz, dass Loriot von dem kleinen Ruck an seinem Hals aufwachte. Er blinzelte in die Umgebung, schaute zu seinem Frauchen hoch. Als er sich vergewissert hatte, dass sie noch da und damit alles in Ordnung war, wollte er den Kopf zurück neben die Pfoten legen. Aber wieder zuckte es an der Leine. Irritiert stand er auf, reckte sich mit erhobenem Hinterteil und gähnte.
Es hatte geklappt.
»Oh ja, Mausbär, ich habe die Zeit ganz vergessen«, Nadine beugte sich zu Loriot hinunter, »du musst jetzt mal los, oder?«
Sie streichelte seinen Nacken, was er mit schläfrigem Schwanzgewedel beantwortete. Der vorbeieilenden Kellnerin winkte sie auffällig zu und beglich so schnell wie möglich ihre Rechnung.
Innerlich zusammenzuckend hörte sie sich beim Verabschieden noch zu ihrer Freundin sagen: »Na klar können wir uns am Mittwochabend wieder hier treffen«, dann zog sie davon in Richtung - egal. Irgendwohin.
Der Malteser torkelte ein wenig auf seinen Beinchen.
»Tut mir leid, Loriot, dass ich dich schändlicherweise aus dem Schlaf gerissen habe«, murmelte sie.
Sie stromerte ziellos die Fußgängerzone entlang, stoppte mal hier, dann dort vor den Schaufenstern. Loriot war ganz in seine olfaktorische Welt vertieft und verbrachte den Weg mit der Nase tief auf den Boden gesenkt.
Die Frage war gut gewesen, merkte Nadine jetzt.
Was war eigentlich mit ihr los?
Sarahs Gerede über ihren Job, ihren Mann und überhaupt ihr gesamtes irgendwie verkorkstes Leben hatten sie plötzlich angeödet. Was sie sonst geduldig über sich ergehen ließ und mit gut gemeinten Ratschlägen eher noch befeuerte, fand sie heute einfach nur anstrengend.
Vielleicht die Hormone? An manchen Tagen im Monat ging sie sich schon selbst auf den Nerv, manche Leute kamen ihr dann gerade recht. Doch das kam zeitlich nicht hin. Haken an den Frauenkram.
Also gab es einen anderen Auslöser für ihre schlechte Laune. Gedankenverloren starrte sie in die Auslagen eines Ladens für Gesundheitsschuhe. Warum konnten solche Schuhe nicht schöner sein? Gehörte zum Altwerden oder zu verschieden langen Beinen zwangsläufig, dass die Schuhe aussahen wie ihr eigener Verpackungskarton? Wahrscheinlich musste das so sein. Genauso wie ältere Leute grundsätzlich gerne alles in sportbeige trugen. Sportjacke, Sportschuhe, Sportmütze - alles beige. Genau wie die Gesundheitsschuhe hier. Macht man halt so.
Macht man halt so.
Da klang etwas in Nadines Gedankenwelt nach. Sarah hatte einen Satz gesagt, der jetzt in ihr aufblitzte.
Das ist nun mal so, wenn man noch nie Glück im Leben hatte.
Und dann noch dieser andere Satz.
Du hast gut reden, du hattest ja keine geschiedenen Eltern.
Genau in dieser Sekunde, mit Blick auf die Schnürsenkel im Sonderangebot, wurde ihr klar, warum sie mit einem Mal so verstockt gewesen war. Dieser Satz war der Knackpunkt: Du hattest ja keine geschiedenen Eltern.
So gesehen war sie natürlich nicht die Richtige, um anderen Leuten Ratschläge zu geben. Sie hatte ja gut reden.
Nadine konnte es nicht verhindern: Unmut stieg in ihr auf und ließ den Café Latte in ihrem Magen neu aufschäumen. Jetzt, wo sie sich daran erinnerte, was sie geärgert hatte, könnte sie es abhaken. Aber die Denkschleife in ihrem Kopf war fest eingerastet.
Sie hatte ja gut reden.
Ihre Kindheit war in einer gemütlichen Mittelstandsumgebung abgelaufen. Mit weitläufigem Garten hinter dem Haus, ein paar Haustieren und ohne anstrengende Geschwister. Mit ihren Eltern konnte sie noch bis heute ohne bemerkenswerte Zwischenfälle prima plaudern. Mami war der Mittelpunkt einer allwissenden und wohlgehüteten Ordnung, Papi sowieso ihre ganz große Liebe.
Sie hatte ja gut reden.
Dank ihres einzigen lebenden Opas, der nur drei Straßen weiter gewohnt hatte, lernte sie bereits lange vor der Schulzeit Lesen. Sie hatte den Tabakgeruch seiner Pfeifen geliebt und besaß heute noch uralte Bücher aus seiner Sammlung. Na gut, die Pfeifen hatten Opa irgendwann danieder gestreckt, aber er war trotz seines Kehlkopfkrebses ein sehr alter Mann geworden. Als er starb, war sie schon erwachsen genug, um Abschied nehmen zu können.
Sie hatte ja gut reden.
Niemand hatte sie je irgendwo angefasst, wo er nicht sollte. Mit den meisten Lehrern war sie gut parat gekommen und schwamm im oberen Leistungsdrittel locker mit. Sie hatte einen erfüllenden Job. Sie hatte noch nie einen Vollrausch gehabt.
Sie hatte ja gut reden.
Nadine merkte, wie sie immer noch wie gebannt auf die orthopädischen Strümpfe starrte. Loriot hatte sich mittlerweile neben sie gesetzt und schaute zu ihr hoch. Ihm war die Sache wohl nicht ganz geheuer, er fing leise an zu fiepen.
Sie sah gedankenverloren zu ihm hinunter. Dann ging sie langsam weiter.
Es gab da so eine Kleinigkeit.
Sie mochte ihren Namen nicht.
In ihrer Grundschulklasse hatte es noch zwei weitere Nadines gegeben, in der Oberstufe auf dem Gymnasium vier. Da hatten ihre Eltern Ende der siebziger Jahre nicht viel Fantasie bewiesen, der Name war zu der Zeit eher unoriginell. Und die zahlreichen Verballhornungen nervten sie. Nadinchen, Dina, Nani, Naddi. Ganz schlimm: Naddel. Aber den Vogel hatte damals in der neunten Klasse der dicke Christian abgeschossen. Er hatte sie Nacho getauft. Dieser Name klebte bis heute wie Pech an ihr. Der einzige Trost, der ihr blieb, waren die fünf weiteren Christians in ihrer Stufe. Da hatte es wohl noch andere Eltern gegeben, die keine pfiffigeren Ideen für ihre Sprösslinge in Sachen Namensgebung gehabt hatten.
Dabei ging es ihr doch gut mit ihrem Namen. Da gab es damals Wolke. Die mit den Hippie-Eltern. Zweimal war sie bei ihr zu Besuch gewesen und hatte sich immer über den schweren Geruch gewundert, der durch die Räume der knallbunten Wohnung gezogen war. Seltsames Parfum, hatte sie in jener Zeit mit ihren acht Jahren gedacht. Von diesen sonderbaren bewusstseinserweiternden Substanzen hatte sie erst viel später gehört. Aber da ließ Wolke schon lange niemanden mehr zu sich nach Hause. Das letzte Mal hatte sie eine Schulfreundin bei sich zu Besuch, als ihre Eltern nebenan lautstark bei Übung dreiundvierzig aus dem Kamasutra angekommen waren. So lautete zumindest das Gerücht. Mehr wusste sie ohnehin nicht über Wolke, die kurz vor dem Abi die Schule verlassen hatte. Angeblich war sie mit einem sechszehn Jahre älteren Bänker durchgebrannt und wohnte jetzt – zweimal geschieden – in irgendeinem südbayerischen Kaff. Mit drei Kindern. Ja, so eine Kindheit konnte einem alles versauen. Wolke hatte eben Pech gehabt, dass ausgerechnet ihre Erziehungsberechtigten die Hippiezeit noch bis weit in die Achtziger durchleben wollten.
Ihr Name als Kindheitstrauma? Wie banal.
Nadine war mittlerweile in ihrer Straße angekommen. Loriot zog sie bis zur Haustür, zergelte weiter an der Leine, während sie versuchte, ihre Post aus dem Briefkasten herauszusammeln. Mit den Briefen unterm Kinn fummelte sie ihren Hausschlüssel auf dem Weg in den zweiten Stock aus ihrer heute wieder unendlich tiefen Handtasche.
»Hallo Fippsi«, sagte sie zu der geschlossenen Wohnungstür neben ihrer eigenen. Unter der Türschwelle kroch der Geruch des Parfums hervor, das schon Wolkes Eltern benutzt hatten. Als sie die eigene Tür hinter sich zugezogen hatte, hörte sie durch die Stille ihres kleinen Flurs, dass ihre Nachbarin gerade Geld verdiente. Ihr erster Griff ging sofort zum CD-Player, um das wilde Geknarzte mit dem Adagietto von Gustavs Mahler Symphonie Nummer fünf zu untermalen. Der nächste Griff ging in den Kühlschrank, wo noch ein Rest vom gestrigen Rotwein auf sie wartete. Sie schenkte sich ein Glas ein und stellte es auf den kleinen Beistelltisch neben Mr. Snug.
Und dann ließ sie sich hineinfallen in ihren alten Ohrensessel. Sie lehnte sich zurück, legte die Arme auf die wulstige Lehne aus Leder, schmiegte sich in das stoffbezogene Sitzkissen. Ein Traumstück, das sie mit viel logistischem Aufwand vor ein paar Jahren aus dem ehemaligen Kuhstall ihrer Tante gerettet hatte. Nach drei Flaschen Febreze war er der Mittelpunkt ihrer winzigen Altbauwohnung geworden, zentral zwischen den bis zur Zimmerdecke aufgestapelten Billy-Regalen, die alle von Büchern überquollen.
Loriot verstand ihr offenkundig entspanntes Zurücklehnen als Einladung und sprang ihr schwanzwedelnd auf den Schoß. Er tappte dreimal im Kreis herum, ließ sich endlich schnaufend nieder und rollte sich zu einer atmenden Kugel zusammen.
Nadine versenkte ihre Finger in sein weiches Fell. Sie streifte ihre Schuhe ab und zog seufzend die müden Zehen ein. Ding, ding, jetzt bitte einsteigen zur nächsten Runde! Ihr Gedankenkarussell nahm wieder Fahrt auf.
Sarahs Eltern waren nicht nur geschieden, sie hatten den gesamten Rosenkrieg über ihre drei Kinder ausgetragen. Jahrelang. Irgendwas hatte sie auch mal von einem Onkel erwähnt, die Andeutungen verhießen nichts Gutes.
Da konnte sie selbst natürlich nicht mitreden.
Ihre Nachbarin Fippsi kam aus einer Familie, die seit Generationen Hartz IV bezog. Alkohol hatten die Eltern, Drogen ihre Brüder außer Gefecht gesetzt. Nach ihrem eigenen Entzug verdiente sie ihr Geld mit - na ja, so genau wollte Nadine sich das gar nicht vorstellen.
Da konnte sie selbst natürlich nicht mitreden.
Karl, ein Kollege aus dem Verlag, war einer von diesen Jungs, die in so einem katholischen Internat von Anfang an ganz eigene Vorstellungen von Nächstenliebe durch einen Priester hatte erfahren dürfen. Erst vor zwei Jahren hatte er sich endlich offenbart und sich den Entschädigungsforderungen von ebenfalls Betroffenen angeschlossen. Bislang ohne Erfolg.
Da konnte sie selbst natürlich nicht mitreden.
Sarah konnte nicht von ihrer Ehe mit ihrem jähzornigen Mann loslassen, Fippsi kotzte sich jeden Abend leer, Karl hatte einen ausgeprägten Wasch- und Putzzwang.
Was wusste sie schon vom Leben?
Und das waren von unzähligen Beispielen nur die ersten drei, die ihr spontan einfielen.
All diese traurigen Lebensschicksale erklärten deren jeweiliges Heute. Mit so einer Kindheit war für den Rest des Lebens die Duftmarke gesetzt. Unentrinnbar. Wenn später etwas schief lief, war das nur logisch. Nadine verstand das.
Das erklärte aber nicht, warum ihr Leben nicht einfach perfekt war. Zumindest nach den Normen dieser Welt, in der sie lebte.
Dass sie immer noch alleine wohnte. Mit gut Anfang dreißig. Mitte dreißig. Schon über Mitte dreißig. Ohne Mann, ohne Reihenhäuschen, ohne Kinder, ohne Bidet.
Wenn sie ihre Kindheit nicht dafür verantwortlich machen konnte, dann war sie es wohl selbst schuld.
Das tat weh.
Sie entschied sich um: Eine gute Kindheit war eben eine schlechte Lebensvorbereitung.
Blöde Ausrede, das funktionierte auch nicht richtig.
Ein Klingeln riss sie aus ihren Schlussfolgerungen. Vorsichtig hob sie Loriot von ihrem Schoß, raffte sich aus ihrem Sessel und ging zu dem Regal, aus dem das Geräusch kam. Unter drei Büchern lag das schnurlose Festnetztelefon begraben.
»Hallo Mami.«
»Na, mein kleiner Papierwurm? Wie war dein Tag bis heute?«
»Ich sinniere gerade über mein Karma. Sonst ist alles gut.«
»Ach so?«
Nadine bekam so eine Ahnung, dass das gar kein guter Gesprächseinstieg gewesen war, auch wenn sie ihn nicht wirklich ernst gemeint hatte. Oder wenigstens nur ein bisschen ernst. Auf jeden Fall war es eine Steilvorlage. Sie fiel zurück auf ihren Sessel, auf das Kommende gefasst.
»Ja, ja, ich weiß schon. Aber Würmchen, mir ist völlig klar, warum du deine Sonntage immer noch alleine verbringen musst.«
»Prima, lass hören, dann weißt du mehr als ich.«
»Solange sich in deinem Bett Bücher stapeln, passt da auch kein Mann rein.«
Nadine blickte geistesabwesend durch die offene Tür in das kleine Nebenzimmer. Da stand ihr Bett mit einem Meter fünfzig Breite, die eine Hälfte mit Büchern für die Nachtstunden belegt. Sie verdrehte die Augen.
»Achso.«
»Ja, nach Feng-Shui ist das ganz schlecht. Wenn man jemanden in sein Leben lassen will, muss man dafür auch einen Platz freihalten. Im wahrsten Sinne des Wortes.«
»Feng-Shui?«
»Na ja, habe ich mal gelesen. Aber da ist doch was Wahres dran. Denk mal drüber nach!«
Sie dachte tatsächlich einen Moment darüber nach und versuchte sich gleichzeitig vorzustellen, wie ihre Mutter es sich wahrscheinlich genauso gemütlich auf dem großen Sofa in ihrem eigenen Wohnzimmer gemacht hatte, wie sie es auf Mr. Snug gerade tat. Die Lachfalten, die dichten, nur wenig grauen Haare, die sie in einer modischen Kurzhaarfrisur trug, ihr weicher, warmer Blick. Sie hatte ihre Mutter genau vor Augen. Und ihre Mutter wahrscheinlich auch gerade ihre Tochter.
Nadine kramte nach einem neuen, unverfänglichen Thema.
»Kommt Tante Helga zu Papis Geburtstag?«
»Wir hoffen es. Sie ist ein bisschen angegriffen. Du weißt schon, diese Sache mit ihrer Hüfte ...«
Es war gelungen. Nadine griff entspannt nach ihrem Weinglas. Doch schon mit der nächsten Frage ihrer Mutter stand es wieder auf dem Beistelltisch: »Läuft da Mahler im Hintergrund?«
»Ja - und?«
»Nichts, Schatz.«
»Das war noch im Player, als ...«
»Ja, ja.«
Nadine hörte ihre Mutter wissend lächeln. Sie wünschte sich, sie könnte hörbar die Augen verdrehen. Das Gegenprogramm zu Fippsis beruflichen Tätigkeiten musste schon ganz oben auf der Kulturskala angesetzt sein, sonst wirkte es nicht. Und da sie immer erst abends nach Hause kam, war Fippsi bereits ...
Oh. Heute nicht. Es war Sonntag. Es war Viertel nach fünf. Sie schielte auf ihr Weinglas und spürte das schlechte Gewissen in sich aufsteigen. Verdammter Herbst mit seinen frühen Abenden.
»Was soll ich Papi zum Geburtstag schenken?«
Einen Versuch war es wert.
»Da liegt mir was auf der Zunge.«
»Ach, Mami!«
»Das wäre doch mal eine Überraschung!«
»Na bestens. Woher soll ich denn bis dahin ... Na gut. Ich werde mir einen Mann mieten, ihn den passenden Lebenslauf auswendig lernen lassen und ihn als meinen Verlobten bei euch antanzen lassen.«
»Er sollte aber dunkelhaarig sein.«
»Sonst noch was?«
»Lass mich mal überlegen. Vielleicht so einer mit richtig altmodischem Charme. So mit Handkuss und so. Du weißt schon!«
»Ich hab dich auch lieb!«
Nadine musste darüber lächeln, dass ihre Mutter ihr ein Lächeln entlockt hatte. Sie freute sich auf Papis Geburtstag. Selbst wenn es noch zwei Wochen hin war. Und ihr einfach kein Geschenk einfiel.