Читать книгу Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation - Katrin Bekes - Страница 8

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Bei der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation handelt es sich per Definition um eine systemisch bedingte Hypomineralisation von einem bis vier bleibenden ersten Molaren mit oder ohne Beteiligung der Inzisiven1. Eine große klinische Herausforderung stellen die Variabilität der Hypomineralisation sowie der differierende Ausprägungsgrad dar, der sich daraus ergibt.

In diesem Kapitel werden deshalb zunächst die unterschiedlichen klinischen Manifestationen der MIH beschrieben und erläutert.

2.1 Zähne

Betroffen ist mindestens ein 6-Jahr-Molar. Die permanenten Inzisiven können, müssen aber nicht beteiligt sein (Abb. 2-1 und 2-2). Klinisch zeigt sich, dass die ersten Molaren meist häufiger und ausgeprägter befallen sind als die Schneidezähne. Sind die Inzisiven bei einem Patienten ebenfalls einbezogen, dann betrifft es offenbar vermehrt diejenigen im Oberkiefer2.




Abb. 2-1 MIH bei einer 7-jährigen Patientin an den Molaren und an den Inzisiven. a) Frontalansicht: Die Zähne 11, 21 und 31 weisen weiße Opazitäten auf. Die oberen seitlichen Schneidezähne sind noch nicht beurteilbar. b) OK-Aufsicht: Zahn 16 weist einen posteruptiven Schmelzeinbruch auf, Zahn 26 zeigt scharf begrenzte Opazitäten. c) UK-Aufsicht: Die Zähne 36 und 46 sind ebenfalls durch posteruptive Schmelzeinbrüche gekennzeichnet.




Abb. 2-2 MIH bei einem 8-jährigen Patienten ohne Einbezug der Inzisiven. a) Frontalansicht: Die bleibenden Schneidezähne sind gesund. b) OK-Aufsicht: Zahn 16 und Zahn 26 sind im okklusalen Relief mindermineralisiert. c) UK-Aufsicht: Zahn 36 ist gesund, Zahn 46 hat eine kleine weiße Opazität im okklusal-mesialen Bereich.

2.2 Farbe

Fehlstrukturierte MIH-Zähne zeichnen sich klinisch zunächst einmal durch eine Veränderung in der Transluzenz des Schmelzes aus. Der hypomineralisierte Schmelz kann im Farbton von Weiß über Gelb bis Braun variieren (Abb. 2-3 und 2-4). Die Ränder bzw. Grenzen sind stets klar abgesetzt, gut definierbar und eindeutig von gesundem Schmelz zu unterscheiden.





Abb. 2-3 Opazitäten an MIH-Molaren unterschiedlicher Farbgebung. a) Zahn 46 mit weißlicher Verfärbung im vestibulären Bereich am mesiovestibulären Höcker in der Okklusalansicht. b) Zahn 46 aus Abb. 2-3a in der vestibulären Ansicht. c) Zahn 26 mit einer gelblichen Opazität. d) Zahn 26 mit einer braunen Opazität, die an den Rändern ins Weißliche übergeht.



Abb. 2-4 Opazitäten an MIH-betroffenen Inzisiven in verschiedener Farbgebung. a) Die Zähne 11, 21 und 22 mit einer weißen Opazität unterschiedlicher Ausprägung. b) Mittlere Oberkieferinzisiven mit einer weiß-gelben Opazität am Zahn 11 und einer weißen Opazität am Zahn 21.

Je dunkler die Farbe ist, umso weicher und poröser ist in der Regel der Zahnschmelz und umso höher damit die Gefahr eines posteruptiven Substanzverlusts mit Dentinexposition3. Diese Schmelzeinbrüche finden sich meist an den Zahnhöckern, können aber auch in anderen Bereichen lokalisiert sein (Abb. 2-5 und 2-6).





Abb. 2-5 Posteruptive Schmelzeinbrüche an MIH-befallenen Molaren. a) Substanzeinbruch im palatinalen Bereich des Zahns 26. b) Schmelzeinbruch im okklusalen und distopalatinalen Areal des Zahns 16. c) Okklusaler Substanzverlust bei Zahn 26. d) Einbruch der kompletten okklusalen Fläche mit Einbezug der Höcker am Zahn 46.



Abb. 2-6 Posteruptive Schmelzeinbrüche an hypomineralisierten Inzisiven. a) Substanzeinbruch an Zahn 11 im distoinzisalen Areal. b) Schmelzeinbruch im inzisalen Bereich von Zahn 42.

2.3 Lokalisation

Die Mineralisationsstörung kann im Bereich der Molaren auf einen einzelnen Höcker beschränkt sein oder aber über die gesamte Glattfläche oder das Fissurenrelief bis hin nach zervikal reichen4 (Abb. 2-7). Sind bei einem Patienten mehrere Molaren betroffen, kann es auch hier zu Variationen kommen. Daher ist es möglich, dass bei einem betroffenen Patienten an einem Molaren kleine, intakte Opazitäten zu finden sind, während an einem anderen Molaren große Teile des Schmelzes bereits kurz nach der Eruption einbrechen5 (Abb. 2-8).




Abb. 2-7 Unterschiedliche Lokalisationen der Hypomineralisation. a) Zahn 36 mit weißer Opazität im vestibulären Bereich am mesiovestibulären Höcker. b) Opazität im Fissurenrelief des Zahns 26 sowie im palatinalen Bereich des distopalatinalen Höckers. c) Hypomineralisation (soweit beurteilbar) am Zahn 36 im Bereich der Okklusalfläche und auf die Höcker übergreifend.



Abb. 2-8 MIH-Molaren mit posteruptivem Einbruch kurz nach der Eruption. a) Noch nicht komplett eruptierter Zahn 36 mit kleiner Schleimhautkapuze im distalen Bereich, der bereits einen Substanzverlust aufweist. b) Zahn 16 mit Schmelzeinbruch während Eruption.

Die Inzisiven weisen die Hypomineralisationen meist im Bereich der bukkalen Flächen auf. Auch hier sind viele unterschiedliche Erscheinungsformen möglich (Abb. 2-9).







Abb. 2-9 Inzisiven von MIH-Patienten mit Hypomineralisationen unterschiedlichster Lokalisation und Ausprägung. a) Weißliche kleine Opazität an den Zähnen 11 und 21. b) Hypomineralisationen in unterschiedlichen Höhen und Farben an den oberen Schneidezähnen 11 und 21. c) Opake Fleckung in variabler Ausprägung und Farbgestaltung bei den mittleren Oberkieferinzisiven. d) Mindermineralisation an Zahn 32 im oberen Drittel. e) Opazitäten an den mittleren oberen Schneidezähnen und allen vier unteren Inzisiven, die fast die gesamte vestibuläre Fläche einnehmen. f) Mindermineralisationen an den unteren mittleren Schneidezähnen.

2.4 Ausprägung

Geringgradig veränderte Zähne zeigen eher weiß-gelbliche oder gelb-braune, unregelmäßige Verfärbungen, schwere Hypomineralisationsformen dagegen weisen abgesplitterte oder fehlende Schmelz- und/oder Dentinareale unterschiedlichen Ausmaßes auf4.

Zunächst intakter, aber verfärbter Schmelz kann aufgrund seiner Porosität insbesondere unter dem Einfluss von Kaukräften leicht abplatzen (Abb. 2-10). Ein Prädiktor für eine solche posteruptive Absplitterung des hypomineralisierten Schmelzes scheint die Farbe der Opazität zu sein6.



Abb. 2-10 MIH-betroffener oberer erster Molar zu verschiedenen Zeitpunkten. a) Während der Eruption. b) 3 Jahre später.

Bei permanenten Schneidezähnen ist der betroffene Schmelz in der Regel weniger stark gestört und durch das Fehlen von Kaukräften wohl auch weniger anfällig für den Abbau. Inzisale Schmelzdefekte sind jedoch meist recht umfangreich und am häufigsten auf den labialen Zahnflächen vorzufinden. Dieses Erscheinungsbild löst häufig bei den Eltern – das dokumentieren Gespräche mit ihnen – Irritationen aus, geltend gemacht werden von ihnen insbesondere kosmetische Bedenken.

Die Schwere der Defekte an den Molaren korreliert nicht unbedingt mit der Anzahl und der Ausprägung der Hypomineralisationen an den Inzisiven. So können einerseits bei einem Patienten alle vier Molaren stark betroffen sein, die Inzisiven aber gar nicht (Abb. 2-11); andererseits ist es möglich, dass eine milde Form der MIH an nur einzelnen Molaren mit dem Befall mehrerer Inzisiven kombiniert ist (Abb. 2-12 und 2-13). Auch der unterschiedliche Befall von Molaren oder Inzisiven innerhalb eines Gebisses ist denkbar (Abb. 2-14 bis 2-16).




Abb. 2-11 9-jährige MIH-Patientin mit starker Ausprägung an allen ersten bleibenden Molaren ohne Einbezug der Inzisiven. a) Frontalansicht: Kein Schneidezahn weist eine Opazität auf. b) OK-Aufsicht: Beide ersten Molaren zeigen bereits großflächige posteruptive Schmelzeinbrüche. c) UK-Aufsicht: Auch an den Unterkiefermolaren ist es bereits zu Substanzverlusten gekommen.




Abb. 2-12 6,5-jähriger MIH-Patient mit Opazitäten an den Molaren und beiden mittleren oberen Inzisiven. a) Frontalansicht: Zähne 11 und 21 mit Opazitäten variabler Stärke. b) OK-Aufsicht: Opazitäten unterschiedlicher Farbe an beiden Molaren. c) UK-Aufsicht: Weiße abgegrenzte Verfärbungen im jeweils vestibulären Bereich der unteren 6-Jahr-Molaren.






Abb. 2-13 7-jährige MIH-Patientin mit auffälliger Opazität an einem oberen und einem unteren Schneidezahn sowie milder Ausprägung an den Molaren. a) Frontalansicht: Zahn 21 und 32 mit gelber Hypomineralisation. b) Zahn 16: kein MIH-Befund erkennbar. c) Zahn 26: kein MIH-Befund sichtbar. d) Zahn 46: MIH-betroffener Molar mit Opazitäten in der distalen Fissur sowie am distovestibulären Höcker im vestibulären Bereich. e) Zahn 36: MIH-betroffener Molar mit gelblicher Hypomineralisation im okklusalen Fissurenrelief.



Abb. 2-14 Unterschiedliche Ausprägung einer MIH im Ober- und Unterkiefer eines Patienten. a) OK-Aufsicht: Die Zähne 16 und 26 zeigen posteruptive Schmelzeinbrüche. b) UK-Aufsicht: Die Zähne 36 und 46 weisen lediglich kleine Opazitäten auf.



Abb. 2-15 Heterogener MIH-Befall an den oberen und unteren ersten Molaren einer Patientin. a) OK-Aufsicht: Zahn 16 zeigt eine Opazität, Zahn 26 weist bereits einen Substanzverlust auf. b) UK-Aufsicht: An Zahn 36 ist ebenfalls ein Schmelzeinbruch aufgetreten, Zahn 46 ist gesund.



Abb. 2-16 Differente Erscheinungen der Hypomineralisation an den oberen und unteren 6-Jahr-Molaren. a) OK-Aufsicht: Zahn 16 ist gesund, Zahn 26 zeichnet sich durch massive Substanzverluste aus. b) UK-Aufsicht: Zahn 36 hat eine kleine Opazität im vestibulären Bereich, Zahn 46 ist durch einen starken Schmelzeinbruch charakterisiert.

Daher sind eine frühzeitige Erkennung, Intervention und angemessene Therapie notwendig, um schwere Komplikationen zu vermeiden und sowohl die Kaufunktion als auch die Ästhetik der Zähne zu verbessern.

2.5 Hypersensibilität

Neben dem Defekt selbst ist das Auftreten von Überempfindlichkeiten ein wichtiges und nicht zu vernachlässigendes Leitsymptom der MIH. Vor allem MIH-betroffene Molaren können oft stark temperatur- und berührungsempfindlich sein. Als Ursache für diese Empfindlichkeit wird die Porosität des Schmelzes angeführt, die frühzeitig zu einer Bakterieninvasion und einer chronischen Pulpaentzündung führt7-9 (siehe Kapitel 3). Diese Hypersensibilität hat erhebliche Folgelasten für die Kinder: Sie schränkt sie im Genuss kalter und heißer Nahrungsmittel sowie bei der Mundhygiene ein (Abb. 2-17). Zudem beeinträchtigt sie die Behandlung dieser Zähne, u. a. deshalb, weil die chronische Pulpaentzündung eine erfolgreiche Lokalanästhesie erschweren kann10. Deshalb wird im Rahmen der Behandlung hypersensibler Molaren häufig auf eine Prämedikation zurückgegriffen, auf die in Kapitel 9 näher eingegangen wird.


Abb. 2-17 Hypersensibler MIH-Molar mit posteruptivem Schmelzeinbruch. Man erkennt zusätzlich die Plaqueauflagerungen, die auf eine mangelnde Mundhygiene aufgrund von Schmerzen schließen lassen.

2.6 Abweichungen von der klassischen Definition

Wie oben beschrieben, ist die MIH klassischerweise für die Molaren und Inzisiven definiert. Mittlerweile wurden MIH-charakteristische Defekte vereinzelt auch an anderen bleibenden Zähnen (7er, 5er, 3er) beobachtet11,12. Diese Hypomineralisationen können dabei sowohl in Kombination mit einer klassischen MIH auftreten als auch nicht. Bislang sind die wissenschaftlichen Daten hierzu allerdings spärlich.

In einer griechischen Untersuchung12 bei 1156 14-jährigen Jugendlichen, von denen 21,1 % eine klassische MIH aufwiesen, konnte gezeigt werden, dass 48,1 % zusätzlich mindestens eine Hypomineralisation an einem anderen Zahn aufwiesen. Zudem zeigten 16,2 % der nicht von einer klassischen MIH betroffenen Kinder Hypomineralisationen an anderen permanenten Indexzähnen. Deren Häufigkeit war nach Zahntyp wie folgt: zweiter Molar 33,7 %, Eckzahn 25,7 %, erster Prämolar 23,6 %, zweiter Prämolar 17,0 %.

Die Abbildungen 2-18 bis 2-20 zeigen exemplarisch die beschriebenen möglichen Variationen. Des Weiteren können sich Hypomineralisationen auch an Milchzähnen finden. Am häufigsten betroffen sind dann die zweiten Milchmolaren (siehe Kapitel 17) mit/ohne Einbezug der Milcheckzähne (Abb. 2-21). Die strukturgeschädigten Zähne zeichnen sich ebenfalls klinisch durch eine Veränderung in der Transluzenz des Schmelzes aus. Aufgrund ihrer beachtlichen Prävalenz weltweit hat sich dafür im Rahmen der Forschung ein eigener Terminus etabliert. Solch ein Befund wird als Milchmolaren-Hypomineralisation (MMH) bezeichnet.


Abb. 2-18 Zusätzliche Hypomineralisation bei einem oberen permanenten Eckzahn bei einer Patientin mit MIH. An Zahn 21 ist ebenfalls die klassische Opazität zu erkennen.


Abb. 2-19 MIH-Patientin, die neben dem Befall am Zahn 36 zusätzlich eine abgegrenzte Opazität am Zahn 37 aufweist.



Abb. 2-20 12-jähriger Patient mit hypomineralisiertem zweitem Molaren in Kombination mit dem Befall einzelner Prämolaren. a) OK-Aufsicht: die Zähne 17, 27 und 14 mit Hypomineralisationen. b) UK-Aufsicht: die Zähne 37, 47 und 35 mit Hypomineralisationen.


Abb. 2-21 Hypomineralisierte zweite Milchmolaren im Oberkiefer einer 3-jährigen Patientin. Die Milchmolaren weisen neben einer Opazität auch erste posteruptive Schmelzverluste auf.

2.7 Literatur

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