Читать книгу Speeddates und Kuschelsocken - Katrin Domnick - Страница 8
Оглавление3 – Das rote Knallbonbon
Am heutigen Freitag Abend ist mal wieder ein Speeddate-Event angesagt. Alles ist bereits organisiert. Die Teilnehmer, die Location, die Snack, die Drinks, die Tischordnung, einfach alles. 32 Leute haben sich für den heutigen Abend angemeldet. Romina schlüpft in ihr neu erstandenes Second-Hand-Kleid, sprüht noch etwas Parfum auf und macht sich auf den Weg.
Mit ihrer klapprigen Karre rollt sie in die hoteleigene Tiefgarage, wo das Speeddating stattfindet. Nach endlosem Tastendrücken spuckt der Automat endlich eine Karte aus, die Schranke öffnet sich und ein Frauenparkplatz ist auch schon in Sichtweite. Nach einem Blick auf die Uhr klopft sich Romina selbst auf die Schulter „prima, liege noch gut in der Zeit“. Am Treppenhaus angekommen liebäugelt sie mit dem Fahrstuhl 10 Meter rechts von ihr. Mh, was machen. Die superschönen Pumps und die Treppen? Neee, passt nicht, lieber mit dem Fahrstuhl denkt sie sich, ausserdem dann wieder die 3 Stockwerke zu Hause bis zur Wohnung, boah neee, zu viel. Also, rein in die Kammer und hoch geht’s.
Etage 2, zack, Knopf gedrückt, Tür zu. Es ruckelt, das Licht flackert, der Aufzug steht. Der Aufzug steht? Oh nein, lass das bitte nicht wahr sein. Sie drückt alle Tasten in der Hoffnung es bewegt sich etwas. Nichts. Aus dem Lautsprecher ertönt eine Stimme: „Guten Tag, Fahrstuhltechnik Bayer, Sie haben geläutet? Gibt es Probleme mit dem Aufzug?“ „Oh, was ein Glück, ja, bitte helfen Sie mir, kaum war ich eingestiegen, blieb der Aufzug stecken!“ „Keine Panik, wir senden gleich einen Servicetechniker, haben Sie Platzangst?“ „Nein, bislang eigentlich nicht, ich hoffe das bleibt so. Aber abstürzen kann ich nicht, oder? Ich bin min. schon ein Stockwerk hoch.“ „Nein, keine Angst, das ist unmöglich. Versuchen Sie ruhig zu bleiben, genauso, wie Sie jetzt sind, in spätestens 10 Minuten ist unser Techniker vor Ort. Sollte noch was sein, betätigen Sie den Alarmknopf erneut, mein Kollege ist dann am anderen Ende, ich habe jetzt Feierabend. Ich wünsche Ihnen alles Gute, wir sorgen dafür, dass sie schnell hier rauskommen.“ „Alles klar, vielen Dank und für Sie einen wohlverdienten Feierabend und fahren sie heute besser keinen Aufzug mehr.“ Beide lachen. Nach einer gefühlten Ewigkeit und nach einem heftigen Ruck öffnet sich die Fahrstuhltür und Romina ist befreit. Ein netter Mann in den Fünfzigern begutachtet sie mit besorgter Miene und stellt fest: „ah, junge Dame, wie schön, Ihnen fehlt nichts. Da sind wir froh. Haben Sie einen Termin hier? Hoffentlich schaffen sie es noch rechtzeitig!“ „Ich danke Ihnen, sie haben mich gerettet. Ja, ich habe – oh mein Gott – JETZT einen Termin.“
Im Laufschritt ruft Romina dem netten Herrn noch „einen schönen Tag und nochmals vielen Dank“ zu. Gehetzt und wie immer zu spät steht sie Konferenzraum „Bern“ und sieht wie Ihre 3 Partner bereits zwischen den Tischen hindurchhuschen und rasch noch die Teilnehmerlisten durchgehen. „Romina, nach Deinem Anruf vorhin dachte ich Du kommst einmal pünktlich an…“ Mit einer hochgezogenen Augenbraue und ohne ein freundliches „Hallo“ wendet Tom sich wieder seinen Aufgaben zu. Auch sagt er sonst nie Romina, immer Romi. Er ist wohl etwas angesäuert.
„Ja, Tom, ich weiss, aber bitte glaubt mir, ich war mehr als pünktlich, aber der Aufzug blieb stecken und ich hatte keinerlei Handyempfang darin.“ Schallendes Gelächter ertönt. „Romina, bitte, echt jetzt, das ist albern.“ „Nein, Tom, das ist die Wahrheit, wegen meiner Schuhe hatte ich den Aufzug aus der Tiefgarage genommen und blieb stecken.“ Erneutes Lachen. „Nein, Du bist 2 Etagen mit dem Aufzug gefahren? Ok, also das glauben wir Dir dann doch.“ „Jaja, ich weiss, ist ja gut jetzt. Also, es tut mir leid, was ist noch zu machen Tom?“ „Wir sind fast fertig, Du machst heute den Startschuss und führst unseren Teilnehmern anhand ein paar Beispielen vor, wie die Speeddates ablaufen könnten.“ Maggie und Micha sind einverstanden.
Zusammen mit Tom, Maggie (heisst eigentlich Margarethe) und Micha richtet Romina seit 3 Jahren die Date-Abende aus. Solange die Nachfrage noch da ist, wollen sie weitermachen. Bis jetzt waren sie bei jedem ihrer Termine ausgebucht. Das ein oder andere Gesicht war auch schon mehrmals mit dabei, wie man sieht, bislang leider ohne Erfolg. Dies könnte sich am heutigen Abend ein für alle Mal ändern. Romina und ihr Team freuen sich über jedes Paar, über jede Liebesgeschichte, zu der sie einen Teil beitragen konnten. Die Rückmeldung der Paare erfolgt prompt.
Maggie und Micha kennt Romina noch aus der Schule, Tom hat sie vor Jahren auf einer Party für Singles kennen gelernt (Tom ist schwul), er passt gut zum Team, alle ergänzen sich perfekt. Die Macken der jeweils anderen sind bekannt und dienen der Belustigung. Sehr selten gibt es auch mal Knatsch deshalb, aber das ist nie von langer Dauer. Maggie und Micha haben beide Ehepartner, ein Haus im Grünen, einen festen Job und einen Hund. Nur Kinder fehlen bei Beiden noch zum Glück. Bei Maggie klappt es nicht und bei Micha will seine Frau Susanne nicht. Der nicht kann, der will und der nicht will, der kann. So oder so einfach behämmert ungerecht.
So, die letzten Minuten laufen, gleich werden die ersten Teilnehmer eintreffen. Romina schiebt noch schnell die Stühle an den Tischen gerade, bügelt sich mit der Hand die Falten aus dem Kleid, holt tief Luft, meckert über das enge, neue Kleid und öffnet die Flügeltür des Konferenzraumes „Bern“ für die Gäste des Abends. Na hoffentlich schlägt das Kleid keine Rollen über meinem Hintern, denkt sie.
Alexander ist im Bavarian City Hotel zum Lunch mit seinem ehemaligen Kommilitonen Robert verabredet. Robert war die schon die ganze Woche über geschäftlich in München, aber beide hatten zu keinem Tag der Woche die Chance auf ein Treffen. Zu busy. So ist das Leben. Die Arbeit geht vor. Aber heute klappt‘s. Gerade noch rechtzeitig, Robert fliegt morgen wieder zurück. 2 Jahre ist das letzte Treffen her. Aber in Zeiten von Internettelefonie und Video-Chats sieht man sich nahezu doch jeden Tag, wenn auch nicht persönlich. Robert ist nach wie vor einer von Alex besten Freunden. Nein, eigentlich der einzig und beste Freund. Freunde sind in diesem Beruf eher die Seltenheit. Auch mit Kollegen ist es eher schwierig, befindet man sich doch stetig im Konkurrenzkampf untereinander. Seit Robert ein Jahr nach dem gemeinsamen Studium nach Shanghai zog, halten sie Kontakt. Nahezu täglich tauschen sie sich aus. Beide sehen sich gegenseitig als guten Freund und Berater. Und was die Entwicklungen und Prognosen an der Börse angeht, sind sie ein unschlagbares Team.
15 Minuten vor 19 Uhr: Alex läuft gerade im 2. Stock in Richtung der Steakhouse Bar, als direkt neben ihm die Flügeltür aufgerissen wird. Eine junge Dame sabbelt irgendetwas und zieht sich ihr ziemlich enges Kleid zurecht. Alex muss einfach hinsehen: als die junge Frau rechts zieht, rutscht das Kleid nach links oben, dann wieder entgegengesetzt. Am Hintern schlägt es ziemlich Falten, oh Mann, dass manche Leute aber auch nicht in den Spiegel schauen, bevor sie aus dem Haus gehen. Kopfschüttelnd geht er an ihr vorbei.
Bei Romina und ihrem Team treffen nun nach und nach die Gäste ein. Gleich kann es losgehen. 16 Frauen, 16 Männer. Normalerweise zieht sich Romina einen der Herren raus und setzt sich mit ihm an den vordersten Tisch, um den Teilnehmern kurz den Ablauf anhand einiger Beispiele zu erläutern. Denn das Wichtigste ist, dass die Fragen und die Antworten der Teilnehmer untereinander ehrlich und spontan sind. Heute sitzen schon alle Paare für die erste Runde zusammen… Seltsam… ganz von alleine. Nun gut. Sie möchte diese Konstellationen, die sich gefunden haben, ungern auseinander reißen.
Gerade als Romina sich erneut im Raum nach einer männlichen Testperson umsehen möchte, entdeckt sie auf dem Flur Alex, der gerade von der Toilette zurückkommt und spricht ihn an: „guten Tag, sind Sie evtl. für 5 Minuten frei?“ „Um was geht es denn?“, fragt Alexander, „benötigen Sie Hilfe?“ „Oh ja, das wäre klasse, ich bin Romina und wir veranstalten hier ein Speeddate. Gerne möchte ich meinen Kandidaten eine kurze Hilfestellung zum Ablauf und zum Anwenden der Fragen geben und hierfür würde ich Sie sozusagen als Statist benötigen, wäre das ok?“ Alex schluckt kurz, so ein Mist, denkt er sich, Speeddate, dass es sowas noch gibt und da hocken sogar interessierte Leute drin. Die junge Frau, die sich ihm gerade als Romina vorgestellt hat, sieht von Nahem doch nicht ganz so schlimm aus, wie die grosse Kugel in dem roten Kleid noch ein paar Minuten zuvor. Ehe sich Alex versieht, sitzt er mit Romina am 2er Tisch. Nach ein paar einleitenden Sätzen geht es los.
Alle Augen sind gespannt auf die Beiden gerichtet. „So, wir stellen uns vor. Ich bin Romina und wer bist Du?“ „Guten Tag Romina, mein Name ist Alex. Eigentlich Alexander Anatolij Michail, aber ich glaube, das tut nichts zur Sache.“ „Oh doch Alexander Anatol äh Micha und ob!“ Je mehr wir in dieser kurzen Zeit über den anderen erfahren, umso besser. Ok Alex, warum bist Du heute hier?“ „Weil sie mich gebeten haben, kurz zu helfen.“ „Äh, ja. Aber wenn sie ein Teilnehmer wären, was wäre der Grund hier zu sein?“ „Mh, ich bin nicht sicher, ich schätze ich wäre auf der Suche nach einer Partnerin?“ „Genauso so ist es. Was machen Sie in Ihrer Freizeit Alexander?“ „Ich gehe zum Sport ins Studio oder gehe laufen, erledige Arbeit, die im Büro liegen geblieben ist und überprüfe stündlich mein Portfolio wegen der Volatilität.“ Offene Münder im Raum.
„Und Sie Romina, was machen Sie nach der Arbeit?“ „Nun ja also, ich ähm, ich gehe entweder weiterarbeiten, ich habe noch Nebenjobs und wenn ich das nicht tue, dann gehe ich nach Hause, ziehe meine Kuschelsocken an und lege mich auf die Couch. Am Liebsten schaue ich dann natürlich noch eine meiner Lieblingssoaps oder einen Liebesfilm mit Happy End. Ahja und Eis, unendlich viel Vanille-Eis. Und an Wochenenden, wenn ich frei habe, ja, da ist alles genauso.“ „Aber das ist doch langweilig. Nichts tun, immer den gleichen Schmarrn im TV sehen, oder?“
Ohne Reaktion auf Alexander’s Frage bittet Romina Alex noch selbst eine abschliessende Frage zu stellen. Diese Lautet: „Romina, was ist ihre liebste Sportart?“ (Alex hat diese Frage ernst gemeint, er wollte sie nicht foppen, umso überraschender für ihn die Antwort) „Lieber Alexander, ich muss Sie (wir sind wieder beim Sie) leider enttäuschen, ich hasse, nein, ich verachte Sport. Ab und zu gehe ich mal wandern, aber auch das sehr, sehr selten.“ Das Gesicht von Alex spricht Bände.
„Aber wie können Sie sagen, sie hassen Sport? Welche Sportarten haben Sie ausprobiert, evtl. waren es einfach die Falschen? Es gibt unzählige Möglichkeiten, da findet sich doch für jeden etwas.“ „Nein, es gibt keinen Sport, der mir gefällt, Sport ist Mord und damit basta!“
Irritiert blickt Alex Romina an. Sie scheint verärgert, er versteht nicht warum. Er versteht auch nicht, wie jemand Sport hassen kann, jegliche Art von Sport. Unbegreiflich. Nun gut, man lernt nie aus. Aber dafür, dass sie keinen Sport macht, hätte das Kleid über dem Hintern eigentlich noch mehr spannen müssen, denkt er sich. Beide verstummen. Tom kann es nicht länger mit ansehen und rettet die Situation: „Seht ihr ihr Lieben“, wirft er in den Raum, „das meinen wir, seid einfach ihr selbst, dann klappt das schon, keep calm. Danke Alexander für Ihren spontanen Einsatz.
Wir wünschen Ihnen noch einen schönen Abend. Ah und wenn sie bitte die Flügeltür wieder schliessen würden, besten Dank.“
Romina erhebt sich, wie es der Anstand gebührt, vom Stuhl um Alex die Hand zu geben und – da passiert es – der Schlitz ihres Kleides reisst ein, unüberhörbar, unübersehbar. Einfach nur peinlich. Sie wäre am liebsten im Boden versunken. Aber, wie es sich für eine professionelle Kupplerin gehört, lacht sie über sich selbst, zwar mit hochrotem Kopf, aber gekonnt geschauspielert. Für den restlichen Abend leiht sie sich Maggie’s Longstrickjacke und bindet sie um ihre Hüften. Was hätte sie auch machen sollen. So schlimm dieser Abend begann, das Speeddating war alles in Allem mal wieder ein enormer Erfolg. Es wurde viel gelacht, Nummern ausgetauscht und einige Pärchen sind sogar gleich zusammen in die nächste Bar weitergezogen um den Abend gemütlich ausklingen zu lassen und sich doch ein bisschen näher zu „beschnuppern“. In aller Ruhe eben. Sozusagen den Speed rausnehmen – haha.
Alex schliesst die Tür des Raumes „Bern“. Noch schmunzelnd betritt er die Bar und trifft dort auf seinen guten Freund Robert. Nach Steak und Bier gibt es noch einen kleinen Whiskey mit Soda, dann gehen beide zu Bett. Robert im Hotel, Alex zu Hause im Loft. Die Beiden haben sich für den nächsten Morgen 11:00 Uhr verabredet, Alex fährt Robert zum Flughafen, die Maschine nach Shanghai geht am morgigen Samstag um 14: 30 Uhr. Während so einer Autofahrt kann man sich noch prima über neue Perspektiven austauschen. So wird’s gemacht.
Romina geht im Anschluss an das gelungene Speeddate-Event mit Tom, Maggie und Micha noch kurz zur Currywurst-Bude und bestellt sich eine grosse Portion belgische Pommes-Frittes. Da steht sie, die Mayo. Pommes mit Mayo. Ein Traum. Für Romi gehören die Beiden zusammen wie Scarlett und Rhett, wie Baby und Johnny, wie Bibi Blocksberg und Kartoffelbrei. Ohne das eine, ist das andere Nichts. Romina schüttelt die Flasche, drückt kraftvoll drauf, als mit voller Wucht der mit Mayo prall gefüllte Deckel auf Romina’s zerissenem Kleid landet. Alle schauen auf Romina, schallend lachend. Romina hält noch immer die Tube in der Hand. Nun fängt auch sie an zu lachen. „Jetzt ist es endgültig ruiniert, mein schönes, neues, gebrauchtes, viel zu enges Schmuckstück. Naja, auch egal, scheiss drauf, blödes Kleid.“
Müde aber zufrieden legt sich Romina in ihr Bett und schläft ein. Mit grosser Vorfreude denkt sie an das bevorstehende Wochenende. Ihre Nichte Nele feiert morgen ihren 9. Geburtstag. Also wird Romina am späten Vormittag ins benachbarte Puchheim fahren und ihrer Schwester Caro bei der Vorbereitung des Kindergeburtstages helfen. 15 Kinder kommen, einige Mütter (es gibt immer lecker Sektchen) und 1 Clown. Dieser ist gebucht für eine Stunde zur Bespassung der Kids und gleichsam zur Erholung der gestressten Mütter.