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Meine Wurzeln (1968 – 1975) Katrin Höfer

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Aufgewachsen bin ich in Kraftsdorf, einem Dörfchen in Thüringen im Erlbachtal. Inmitten von Natur, ein Stückchen heile Welt. Dort verbrachte ich eine fröhliche Kindheit.

In unserem Haus lag im Erdgeschoss die Werkstatt, und darüber wohnten wir. Meine Eltern, mein sieben Jahre älterer Bruder Michael und ich. Hier hatte 1929, inmitten der Weltwirtschaftskrise, mein Urgroßvater Albin Seidel seine kleine Tischlerei gegründet. Ich kenne ihn nur von Fotos: schwarzer Anzug, weißes Hemd mit Fliege, anmutig und gut aussehend. Zu den Charmeuren zählte er offenbar allerdings nicht gerade. Wenn er, groß und schlank, mit seinem gezwirbelten Schnurrbart durchs Dort schritt, sollen ihm die Leute aus dem Weg gegangen sein. Er hatte für alle ein Wort übrig, jedoch nicht unbedingt ein freundliches.

Mein Opa Friedrich Glock, sein Schwiegersohn, hatte ebenfalls eine Tischlerlehre gemacht und zuerst in einer fremden Tischlerei sein Geld verdient. Nach langem Drängen seines Schwiegervaters ließ er sich dann doch irgendwann erweichen und fing bei ihm an.

Achtzig Quadratmeter Werkstatt teilten sich beide. Aber wie erwartet funktionierte es nicht. Schon nach kurzer Zeit wurde die Werkstatt hälftig abgetrennt und beide arbeiteten fortan auf eigene Rechnung.

Danach kamen die Kriege, erst der Erste, dann der Zweite Weltkrieg, zu beiden wurde mein Opa eingezogen. Er hatte bereits Familie, die er allein zurücklassen musste. Seine Frau, meine Oma Elli, hatte während dieser Zeit allein für die drei gemeinsamen Kinder zu sorgen: Erika, Manfred und mein Vater Fritz, der Jüngste.

Eigentlich war Oma Elli Schneiderin, mit Sinn für Stoffe, Dekoration und die schönen Dinge. Nun wurde sie aus der Not heraus zur Bauers­frau, um ihre Kinder ernähren zu können.

Auf dem Hof wohnten fortan auch Schweine, Hühner und Ziegen; ein gepachtetes Feld und einen Garten zur Selbstversorgung gab es bald auch, weitab vom Haus. Es war eine schwere Zeit für die Familie, aber irgendwann war auch dieses Kapitel beendet.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges stand mein Opa völlig überraschend vor der Tür, er war aus amerikanischer Gefangenschaft entlassen worden. »Mir ging es gut, Essen gab es reichlich, es war die schönste Zeit meines Lebens!«, schwelgte er in Erinnerungen und ließ keine Gelegenheit aus, dies immer wieder auch zum Besten zu geben.

Er trauerte tatsächlich dem Krieg nach?! Mein Vater, damals 9-jährig, schrie ihn mit Tränen in den Augen an, dass er doch keine Ahnung habe, was die Familie zu Hause durchgemacht hätte. Auch später noch brachte es ihn zur Weißglut, wenn er daran dachte, was seine Mutter alles auf sich genommen hat, damit es den Kindern gut ging, sie genug zu essen hatten. Nachts hatte sie alle drei bei Bombenalarm in ihren Armen beschützt, wenn sie Angst hatten, weil die Sirenen heulten. Jahrelang hatte mein Vater mit seinen Geschwistern und seiner Mutter gebangt und sehnsüchtig auf die Heimkehr seines Vaters gewartet. Jetzt war er zurück und sollte wieder die Verantwortung für die Familie und seine Firma übernehmen. Aber er hatte es schlichtweg verlernt!

Wieder daheim, machte er das, was er gut konnte: Er tischlerte weiterhin Betten, Schränke, Fenster, Türen und Särge, jedoch ohne jeglichen Enthusiasmus. Sein Sohn Fritz, mein Vater, lernte wenig später, mit 14 Jahren, ebenfalls den Beruf des Tischlers im elterlichen Betrieb, genau wie sein großer Bruder Manfred. So war das eben mit der Tradition!

Kaum war der Krieg überstanden, folgte nun die DDR-Planwirtschaft. Das ging einige Jahre so dahin; aber die Tischlerei lief schlecht, das Geld wurde immer knapper.

Mein Vater, der mittlerweile eine kleine Familie zu ernähren hatte, verdiente 50 Mark in der Woche als Angestellter bei meinem Opa. 1966 hatte mein Vater dann die Meisterprüfung in der Tasche; er wollte etwas erreichen, es sollte vorwärts gehen. So setzte er meinem Opa sprichwörtlich die »Pistole auf die Brust«: Entweder übernahm er jetzt die Tischlerei oder er zog seiner Wege.

Mein Großvater gab nach. Ab da war mein Vater der Chef.

FritzGlock

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