Читать книгу Tod im Sommerhaus - Schweden-Krimi - Åke Smedberg - Страница 8
ОглавлениеDas Haus lag etwa fünfzig Meter von dem ehemaligen Waldrand entfernt. Jetzt begrenzte ein ungepflegter, einige Jahre alter Kahlschlag den eigentlichen Wald. Keine Höfe lagen in Sichtweite. Der andauernde Nieselregen vermittelte ein Gefühl von Isolation und Abgeschiedenheit.
Peter Larsson ließ seinen Blick schweifen. Der größte Teil der früheren Weiden war mit Tannen bepflanzt worden, die nun mannshoch waren. Links lag die Zufahrt zu einer Pferdekoppel, die schon seit Jahren nicht mehr benutzt wurde. Der Stall auf der anderen Seite des Hofplatzes stand leer. Vor dem Wohnhaus wuchsen zwischen Findlingen ein paar Beerensträucher. Larsson wischte sich über den Mund und spuckte aus. Er ging zum nächsten Busch, riss eine Hand voll der kleinen Blätter ab, zerrieb sie zwischen den Händen, hielt seine Handfläche unter die Nase und atmete den durchdringenden Duft schwarzer Johannisbeeren ein.
Inzwischen hatte auch Magnusson das Haus verlassen und trat neben ihn.
»Du hattest es auf einmal so eilig«, sagte er.
Peter Larsson verzog das Gesicht. Er hatte in der Tür kehrtmachen müssen und sich direkt neben der Treppe übergeben.
»Hast du so was schon mal gesehen?«, fragte er.
Magnusson betrachtete ihn.
»Ja«, erwiderte er lakonisch, »allerdings nicht oft. Das muss ich zugeben.«
Er wartete eine Weile.
»Bist du es los?«
Peter Larsson nickte. Der andere wandte sich ab.
»Wir müssen uns einen ersten Überblick verschaffen«, sagte er über die Schulter, »bevor die Spurensicherung kommt. Es ist immer schwieriger, sich alles vorzustellen, wenn überall die Kollegen herumgetrampelt sind. Der erste Eindruck ist wichtig ...«
Larsson atmete tief ein und folgte ihm ins Haus.
Der Mann lag mit dem Gesicht auf dem Tisch, der unter seinem Gewicht zusammengebrochen war. Sein Oberkörper war von der Taille aufwärts äußerst brutal malträtiert worden. Der Kopf bestand nur noch aus einer blutigen Masse und war fast platt geschlagen. Eine Axt, aller Wahrscheinlichkeit nach die Mordwaffe, lag neben der Leiche.
Die Frau schien von einem einzigen, brutalen Schlag auf den Kopf getötet worden zu sein. Sie saß aufrecht in einer Ecke auf der Küchenbank. Peter Larsson warf einen raschen Blick auf ihr Gesicht. Ein Auge war durch die Kraft des Hiebs in die Augenhöhle gedrückt worden.
»Glaubst du, dass sie selbst so sitzen geblieben ist?«
Magnusson schüttelte den Kopf.
»Wohl kaum.«
Er trat in die Küche und betrachtete die Frau.
»Schau dir die Hand an«, meinte er.
Die Hände der Frau lagen übereinander in ihrem Schoß. Die Rechte war zwischen Zeige‒ und Mittelfinger gespalten.
»Sie muss versucht haben, sich zur Wehr zu setzen.«
Er ließ den Blick über den Boden gleiten.
»Möglicherweise lag sie da drüben. Das könnte Gehirnsubstanz und Blut sein«, sagte er und deutete auf einen klebrigen Fleck neben der Tür. Schleifspuren führten von dort zur Bank.
Der auffallend blasse Peter Larsson stand immer noch auf der Schwelle.
»Sie haben sie auf die Bank gesetzt«, sagte er leise. »Wie bei einem Kaffeekränzchen.«
Magnusson ging auf ihn zu. Er gab Acht, wo er hintrat.
»Sie, sagst du? Warum glaubst du, dass es mehrere waren? «
Peter Larsson hob die Schultern.
»Ich weiß nicht. Es wirkt einfach so, als wären mehrere am Werk gewesen. Zumindest zwei Personen. Kein einsamer Irrer.«
»Hast du eine Vorstellung, was sich hier drin abgespielt haben könnte?«, fragte Magnusson nach einer Weile.
Peter Larsson starrte vor sich hin.
»Wut«, meinte er schließlich. »Die muss irgendeine Rolle gespielt haben, eine besinnungslose Wut. Nein, das reicht vermutlich nicht. Da ist noch mehr, etwas Verrückteres, ich weiß nicht ... Als sei dies alles ein einziger, schlechter Scherz! Sie so auf die Bank zu setzen mit ihm davor auf dem zerbrochenen Tisch. Das tut man nicht, wenn es sich nur um einen Ausbruch von Wahnsinn handelt. Da baut man nachher nicht noch was auf.«
Magnusson nickte nachdenklich.
»Ja, das ist eigenartig.«
Er drehte sich um und schaute durch die offene Haustür. Ein Auto fuhr auf den Hofplatz.
»Dann warten wir mal ab, was die Wissenschaft dazu sagt.«
Sie traten durch den schmalen Windfang wieder in den Nieselregen hinaus. Reyes war gerade aus seinem Wagen gestiegen. Er nickte ihnen zu.
»Nicht gerade hübsch da drin, oder?«
Magnusson schüttelte den Kopf.
»Nein, das kann man wirklich nicht behaupten.«
»Aber vielleicht interessant«, fuhr Reyes fort und begann, seine Ausrüstung auszuladen. »Etwas Abwechslung. Nicht die Durchschnittsleichen, wenn ich das mal so sagen darf ...«
Er legte den Kopf schief.
»Seid ihr da drin jetzt überall rumgetrampelt?«
Peter Larsson trat einen Schritt zur Seite, um ihn vorbeizulassen.
»Kaum. Ein Blick hat genügt. Mir jedenfalls.«
Reyes lachte.
»Marica!«
Er wartete.
»Dummes Frauenzimmer«, übersetzte er dann mit einem überdeutlichen Akzent.
Der Regen hatte zugenommen. Sie saßen wieder im Auto. Peter Larsson warf einen Blick auf Magnusson.
»Nehmen wir uns jetzt die Nachbarn vor?«
Magnusson hob die Hand.
»Einen Moment noch. Ich will nur abwarten, ob sie etwas über Reifenspuren oder Ähnliches zu sagen haben. Wie der ‒ oder die ‒ Täter überhaupt hierher gekommen sind.«
Er deutete mit dem Kopf zum Hofplatz. Reyes und sein Kollege Nyhlén hatten sich nach einer kurzen Diskussion darauf geeinigt, erst einmal den Tatort in Augenschein zu nehmen, den sie in der Küche vermuteten, um dann eventuelle Spuren im Freien zu sichern, bevor sie vom Regen weggespült wurden.
»Was die Nachbarn angeht«, fuhr er fort, »gibt es in der Nähe nur ein Haus, das das ganze Jahr über bewohnt ist, ein paar Kilometer weiter die Straße entlang. Alles andere sind Sommerhäuser, und dort werden wir heute kaum jemanden antreffen ...
Er schwieg einen Augenblick und kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe.
»Viele waren natürlich über die Feiertage hier, und wahrscheinlich herrschte reger Verkehr. Es wird nicht so leicht sein, die brauchbaren Informationen herauszufiltern.«
»Wann wurde deiner Meinung nach die Tat verübt?«, fragte Larsson.
»Sie sind seit mindestens vierundzwanzig Stunden tot«, antwortete Magnusson. »Die Leichenstarre hat sich bereits wieder gelöst. Wahrscheinlich haben sie recht lange hier gelegen. Meine Schätzung beläuft sich auf zwei bis drei Tage, eher drei als zwei. Dir ist doch der Geruch sicherlich aufgefallen? Man kann es recht gut am Geruch abschätzen, nicht wahr?«
Peter Larsson verzog das Gesicht, und Magnusson warf ihm einen Blick zu.
»Du musst noch üben«, sagte er. »Es ist von Vorteil, solche Dinge zu können. Das spart Zeit.«
Peter Larsson musterte ihn mit gerunzelter Stirn.
»Machst du Witze?«
»Kann sein. Ich weiß nicht. Ich habe keinen Humor.«
Dann zwinkerte er ihm zu und lachte leise.
»Am Vorabend des 1. Mai lebten sie jedenfalls noch«, fuhr er fort, »zumindest meint die Tochter das. Sie hat nachmittags bei ihnen angerufen. Sie und ihr Mann haben ein Wochenendhaus an der Küste und verbrachten die Feiertage dort. Sie hat ihre Eltern erst wieder am Sonntagabend angerufen, nachdem sie nach Hause gekommen war. Niemand ging ans Telefon, und sie nahm an, dass sie schon im Bett waren. Sie unternahm am nächsten Morgen einen weiteren Versuch, und als dann wieder niemand abhob, wurde sie unruhig. Sie fuhr hierher und fand die beiden.«
Magnusson sah in den Regen.
»Sie hatte ihr Handy dabei. Trotzdem setzte sie sich ins Auto und fuhr den ganzen Weg wieder nach Hause, bevor sie uns alarmierte. Es war übrigens ihr Mann, der anrief, als er begriffen hatte, was sie ihm erzählt hatte.«
»War sie ansprechbar?«, fragte Peter Larsson.
»Etwas. Sie stand natürlich unter Schock. Ich riet ihrem Mann, einen Arzt zu konsultieren. Wir müssen sie später eingehender vernehmen.«
Larsson nickte.
»Was hältst du von der ganzen Sache?«, fragte er schließlich. »Hast du eine Theorie?«
»Dafür ist es noch zu früh. Es ist besser, für alles offen zu sein, solange wir nichts Konkreteres haben.«
Magnusson rieb sich die Augen und gähnte. Seit dem Anruf gegen sieben Uhr morgens waren sie ununterbrochen im Einsatz gewesen.
»Vielleicht ging es ja doch um Geld. Irgendwelche durchgeknallten, zugedröhnten Idioten, die geglaubt haben, dass hier was zu holen ist.«
»Und wo hätten die herkommen sollen?«
»Da gibt es viele Möglichkeiten. Bis Sandviken ist es nicht weit. Nach Gävle auch nicht. Und schaut man in die andere Richtung, kommt man auch recht schnell nach Falun und Borlänge.«
»Der oder die Täter müssen sich in dieser Gegend gut ausgekannt haben, sonst hätten sie das Haus kaum gefunden.«
Magnusson zuckte mit den Achseln.
»Tja, vielleicht. Andererseits könnte es auch ein Zufall sein. Vielleicht sind sie ziellos rumgefahren und haben etwas gesucht, was einsam genug lag und trotzdem viel versprechend aussah. Laut seiner Tochter war Haglund kränklich. Er konnte sich nur mühsam bewegen. Unter dem Vordach steht ein Rollator, den wird der Täter auch gesehen haben ...«
Er unterbrach sich und starrte zu Reyes hinüber, der auf die Vortreppe getreten war und sie hereinwinkte.