Читать книгу Tod im Sommerhaus - Schweden-Krimi - Åke Smedberg - Страница 9

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Sie standen vor dem Einkaufszentrum. Es regnete. Die Luft war grau und kalt, und die Temperatur lag knapp über null.

Nervös kaute Li an ihren Nägeln, hielt inne und schaute auf ihre Hände. Sie musste damit aufhören, dachte sie. Sie wusste, dass ihm das nicht gefiel.

»Du hast ihn also nicht gesehen?«

Mama schüttelte den Kopf.

»Nein, keine Spur.«

»Weißt du, ob sonst jemand ihn gesehen hat?«

Mama schnaubte.

»Ich hatte wirklich keinen Grund, herumzurennen und nach ihm zu fragen.«

Sie betrachtete Li eine Weile.

»Bist du dir sicher, dass er nicht zu Hause ist?«

Li zuckte leicht mit den Achseln.

»Jedenfalls macht niemand auf.«

»Und du hast keinen Schlüssel, heh?«

Mama schnaubte erneut verächtlich.

»Nein, natürlich nicht. Er ist ja so was wahnsinnig Besonderes! Klar, dass er niemandem einen Schlüssel gibt, nicht einmal dir. Und Telefon hat er auch nicht, oder? Könnte sein, dass er gar nicht will, dass man ihn erreichen kann?«

Sie grinste anzüglich.

»Vielleicht hat er ja was Interessanteres aufgetan? Junges Gemüse? So eine kleine frühreife Schlampe, mit der er sich eingeschlossen hat ...«

Dann unterbrach sie sich.

»Ja, ich weiß! Ich bin ein alter Drachen! Du machst dir Sorgen, dass ihm was zugestoßen ist. Glaub mir, aller Wahrscheinlichkeit nach kann ihm nicht viel zustoßen.«

Sie deutete mit dem Kopf auf das Einkaufszentrum. Durch die Glastüren war der so gut wie vollzählige Trupp vor dem Spirituosenladen zu erkennen.

»Es wäre nicht verwunderlich, wenn eine von diesen Schießbudenfiguren den Löffel abgeben würde. Und wenn ich ins Gras beißen würde, wäre das auch nicht gerade eine Sensation. Aber Lindberg ist doch vollkommen gesund? Das müsstest du doch wissen, oder?«

Li sah sie verärgert an.

»Es könnte ihm trotzdem was zugestoßen sein! Irgendwas. Seit Donnerstag, dem 30. April, als ich nachts zu dir kam, habe ich ihn weder gesehen noch von ihm gehört. Niemand scheint ihn seither gesehen zu haben. Das heißt, dass er jetzt schon vier Tage weg ist. Findest du das nicht etwas sonderbar?«

»Nicht im Geringsten«, erwiderte die Ältere trocken. »Bei ihm nicht. Es ist schließlich nicht das erste Mal, dass er abtaucht, oder? Dann kannst du ja davon halten, was du willst...«

Sie schüttelte sich.

»Wie auch immer, ich habe jedenfalls nicht vor, hier draußen stehen zu bleiben und mir den Arsch abzufrieren. Kommst du mit rein, oder willst du die allgemeine Suchaktion fortsetzen?«

Li biss die Zähne zusammen.

»Ich gehe nach Hause«, meinte sie. »Wenn du was erfährst, meldest du dich doch, oder?«

Sie machte kehrt und war ein paar Schritte gegangen, als sie jemanden rufen hörte:

»Li!«

Sie erkannte die helle, etwas heisere Stimme sofort. Bella. Sie drehte sich um und sah ihn auf sich zukommen. Ein paar Meter entfernt blieb er stehen und lächelte sie an.

»Ich habe gehört, dass du nach Bosse gefragt hast?«

»Ach, was du nicht sagst.«

»Und? Was willst du? Hast du ihn getroffen?«

Er schüttelte den Kopf.

»Nicht direkt. Aber Lycken hat ihn gesehen. Du weißt schon ... Svante Lyck ...«

»Sein richtiger Name ist mir scheißegal, sag schon, was er gesagt hat!«, unterbrach sie ihn unwirsch.

Bellas Blick glitt zur Seite.

»Er hat gesehen, wie sie ihn abgeholt haben, also Bosse. Irgendwann gestern Abend ...«

»Wovon redest du eigentlich?«, unterbrach Li ihn erneut. »Welche sie? Wer hat ihn angeblich abgeholt?«

Bella machte eine ausholende Handbewegung.

»Die Cops. Die waren da ...«

Li starrte ihn an, dann lachte sie laut.

»Die Cops!«, äffte sie ihn nach. »Wo hast du denn das aufgeschnappt? Hast du mit den großen Jungs spielen dürfen? «

Bella schluckte und errötete.

»Die Bullen haben ihn gestern abgeholt«, beharrte er verbissen. »Aus seiner Wohnung.«

Li hatte aufgehört zu lachen.

»Was hätten die für einen Grund gehabt, Bosse abzuholen? Dass ich nicht lache! Das hast du geträumt!«

»Ich erzähle nur, was Lycken gesagt hat, das wolltest du doch, oder?«

Bellas Blick wurde wieder unsicher.

»Aber ich war schließlich nicht dabei. Ich sage nur ...«

»Du sagst nur, was er gesagt hat, ich weiß! Und ich sage, dass er vermutlich im Delirium war und zwar kräftig! Was hat er denn sonst noch gesehen, vielleicht einen ganzen Zoo oder was?«

Li starrte ihn an. Dann richtete sie ihren Blick auf Mama, die noch am Eingang stand.

»Hast du das gehört? Was für ein saudummes Gerede!«

Sie begann wieder zu lachen, hemmungslos, fast hysterisch. Die Ältere betrachtete sie eine Weile schweigend.

»Wir gehen zu mir«, sagte sie schließlich.

»Was soll denn das? Ich habe wirklich nicht vor, irgendwohin ...«

Ein neuer Lachanfall schüttelte sie, sie beugte sich vornüber und rang keuchend nach Luft.

»Komm, jetzt gehen wir zu mir, habe ich gesagt!«

Mama trat an sie heran, packte sie am Arm, schleifte sie mit sich fort und ignorierte ihre Proteste.

Sie versuchte, sich auf der Couch aufzusetzen. Ihre Zunge klebte am Gaumen, als hätte sie seit Tagen nichts mehr getrunken. Sie hatte so starke Kopfschmerzen, dass sie sich fast übergeben musste. Sie wusste nicht, wo sie war. Erst langsam begann es ihr zu dämmern. Sie drehte vorsichtig ihren Kopf zur Seite und entdeckte Mama, die in dem gegenüberliegenden Sessel hing.

»Gut geschlafen?«

Li verzog das Gesicht.

»Was hast du mir für einen Scheißdreck gegeben? Dasselbe wie letztes Mal? Eine ganze Apotheke oder was? So fühle ich mich jedenfalls.«

»Du hast etwas zur Beruhigung gebraucht.«

Li schnaubte.

»Ruhig wird man davon wirklich. Es fühlt sich an, als hätte mich jemand mit dem Kopf an die Wand genagelt!«

Mama zuckte mit den Achseln.

»Das geht vorbei.«

Li sah sie an.

»Wie lange habe ich geschlafen?«, fragte sie.

»Seit zehn, halb elf ...«

Li warf einen Blick auf die Uhr und holte tief Luft.

»Verdammt! Jetzt ist fast schon Nachmittag! Ich muss los ...«

»Du gehst nirgendwohin«, fiel ihr die andere ins Wort, »und jetzt hörst du mir mal ganz genau zu.«

Li rieb sich das Gesicht und erhob sich schwankend.

»Ich muss rauskriegen, was los ist! Mit Bosse. Begreifst du das nicht?«

Mama zündete sich eine Zigarette an und blickte aus dem Fenster.

»Ich habe rumtelefoniert, während du geschlafen hast, und einige Erkundigungen eingezogen.«

Sie inhalierte tief und begann zu husten.

»Dass man mit diesem Laster nicht aufhören kann«, meinte sie seufzend. »Merkwürdig, nicht wahr? Obwohl man sich die Lunge aus dem Hals hustet.«

»Was jetzt?«, fauchte Li. »Wen hast du gefragt? Und was?«

»Die da habe ich auch gekauft.«

Sie deutete auf ein Aftonbladet, das auf dem Couchtisch lag. Li starrte Mama an, dann riss sie die Zeitung an sich und überflog die Titelseite. Sie holte tief Luft.

»Warum zeigst du mir das hier? Was hat das mit Bosse zu tun?«

Sie wartete.

»Du glaubst doch nicht im Ernst, dass er was damit zu tun hat? Das ist doch vollkommen gestört! Wie kannst du nur behaupten ...«

»Deswegen haben sie ihn jedenfalls abgeholt«, unterbrach die Ältere sie. »Die Person, mit der ich mich unterhalten habe, konnte mir diese Auskunft erteilen.«

»Wer war das?«, kreischte Li. »Wen kennst du, der so was weiß ...«

»Das brauche ich dir nicht zu sagen«, erwiderte die andere knapp.

Sie deutete auf die Zeitung.

»So ist das nun mal«, fuhr sie fort. »Deswegen haben sie ihn eingebuchtet.«

Li starrte auf den Artikel und las weiter. Nach einer Weile begann sie, am ganzen Körper zu zittern, ließ die Zeitung sinken, krümmte sich zusammen und wiegte den Oberkörper hin und her.

»Vielleicht wollen sie ihm ja nur ein paar Fragen stellen«, meinte die Ältere beschwichtigend. »Vielleicht ist alles auch nur ein verdammter Irrtum.«

Li sah auf.

»Dann müsste er schon zurück sein, und zwar seit langem. Glaubst du etwa, dass ich das nicht begreife?«

Sie holte tief Luft und las erneut den Text auf der ersten Seite.

»Hier steht, dass es irgendwann am Freitag passiert sein soll.«

»Da war ich mit ihm zusammen.«

Mama schob das Kinn vor.

»Ach? Wirklich?«

Li begegnete ihrem Blick ohne zu blinzeln.

»Die ganze Zeit. Jede beschissene Minute. Das weißt du doch?«

Mama kniff die Augen zusammen.

»Nein, das weiß ich nicht.«

Dann zuckte sie mit den Schultern, wandte sich zum Fenster und tat erneut einen Lungenzug.

»Tja, das ist dein Leben. Mach, was du willst, aber zieh mich da nicht mit rein.«

Tod im Sommerhaus - Schweden-Krimi

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