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Schietwetter

»Al Bad macht ein Soloalbum.«

Ich schaue von meinem Mac auf. Trish, unsere studentische Aushilfe, hält mir mit verträumtem Augenaufschlag ihr iPad hin. Darauf prangt die Meldung einer Presseagentur und darunter ein winziges Foto, das ich von meinem Stuhl aus nicht erkennen kann. »Wer ist Al Bad?«

»Rebecca, sag bloß, den kennst du nicht!« Trish wischt über ihr iPad und zeigt mir ein größeres Bild: Ein verschwitzter, schlanker Mann mit glänzenden schwarzen Locken, die ihm bis über die Schultern hängen, schwarz geschminkten Augen und einem schwarzen Hemd, das offen über der schwarzen Lederhose hängt. Dazu ein Mikrofon so dicht vor dem halb geöffneten Mund, dass es aussieht, als würde er gleich reinbeißen. »Sieht er nicht umwerfend aus?«

»Aus welcher Gruft ist der denn entsprungen?«, entfährt es mir.

Trish hält sich das iPad vor die Brust, schüttelt ihre kurzen, schreiend rot gefärbten Haare, und sieht mich mitleidig an. »Das Bild stammt aus der Zeit von All Bad.«

»Was?«

»Na, Al Bad aus der Band All Bad, du weißt schon«, betont Trish extra langsam und deutlich, als wäre ich eine Idiotin. »Der Punkrockband«, fügt sie hinzu, als ich sie weiterhin fragend ansehe.

»Nicht meine Musik«, entgegne ich kurz und wende mich wieder meinem Mac zu, doch Trish ist noch lange nicht fertig.

»Das war das erste Konzert, auf das ich gegangen bin! Sie haben in Frankfurt gespielt, und ich bin extra hingetrampt und habe vor der Halle campiert, um in die erste Reihe zu kommen.«

»Und was haben deine Eltern dazu gesagt?«, entgegne ich nur.

»Die haben’s erst im Nachhinein erfahren. Aber die Strafe war’s allemal wert.« Sie seufzt theatralisch. »Stell dir mal vor, ich dürfte den interviewen! Das wäre das Geilste überhaupt!«

»Na, dann wünsche ich dir viel Erfolg«, entgegne ich nur. »Mein Typ wäre er nicht. Und mit Punkrock kannst du mich echt jagen.«


In der nächsten Redaktionskonferenz von RockStar, der monatlich erscheinenden Musikzeitschrift, bei der ich seit acht Monaten Jungredakteurin bin, poppt das Thema zu meinem Erstaunen wieder hoch. Margie, unsere Chefin, spricht es persönlich an: »Al Bad, der Sänger der Punkrockband All Bad, die sich vor einigen Monaten getrennt hat, will eine Solokarriere starten. Momentan nimmt er sein erstes Album auf. Ich will ein Exklusivinterview.«

Trish springt vor Begeisterung von ihrem Stuhl und fuchtelt mit den Händen in der Luft herum. »Ich, ich, ich mach’s!«

Margie übersieht sie geflissentlich. »Sein Management schuldet mir noch einen Gefallen und hat eingewilligt, dass wir zwei Stunden bekommen. Er ist normalerweise ein bisschen zickig, was Interviews betrifft, aber anscheinend haben sie ihm eingetrichtert, dass er die Publicity braucht.«

»Bitte, ich tue alles, wenn ich’s machen darf!«

»Setz dich, Trish, ein durchgeknallter Fan ist das Letzte, was wir brauchen.« Margies Stimme hat an Schärfe zugenommen. Sie sieht uns der Reihe nach an, bevor ihr Blick an mir hängen bleibt. »Rebecca, was weißt du über All Bad?«

»Äh – nichts?« Damit sollte ich aus der Schusslinie sein. Margie würde niemals ein unvorbereitetes Greenhorn zu einem Star schicken.

»Gut. Ich will jemanden, der unvoreingenommen an das Thema rangeht. Du hast den Job. Nächste Woche Freitag.«

»Nein!« Ich starre sie entsetzt an. Ab nächster Woche Donnerstag habe ich Urlaub – meinen ersten und wahrscheinlich einzigen in diesem Jahr – und wollte meine Studienfreundin Sandy besuchen, die seit einem Jahr in Miami lebt. »Da bin ich in Florida!«

»Perfekt.« Zu spät erkenne ich, dass Margie von meinen Urlaubsplänen gewusst hatte und mir nun gar keine Wahl lässt. »Gib mir deine Flugdaten. Das Studio ist auf den Bahamas, da kannst du ab Miami rüberfliegen. Lies dich ein, und sprich deine Fragen vorher mit mir ab. Finn wird dich begleiten.«


»Dass Margie ausgerechnet dich auf die Bahamas schickt, obwohl du dich gar nicht für ihn interessierst … Das Leben kann so ungerecht sein!«

Trish sitzt auf meinem Schreibtisch, baumelt mit den Beinen und schmollt. Letzteres kann sie ausgesprochen gut.

»Hey, ich habe mich nicht um den Job gerissen, ganz im Gegenteil. Das passt mir gerade überhaupt nicht.« Seufzend schaue ich erst aus dem Fenster und dann auf meinen Kalender. Draußen ist es kalt, stürmisch und regnerisch. Echtes Hamburger Schietwetter, dem ich nur zu gerne für eine Weile entkommen möchte.

Ich habe zweieinhalb Wochen Urlaub. Donnerstagabend wollte ich fliegen, so dass ich Freitagmorgen in Miami ankommen würde. Sandy wollte sich den Tag frei nehmen und mich am Flughafen abholen. Dann wären wir zusammen übers Wochenende auf die Florida Keys gefahren, und die darauffolgende Woche wäre ich bei Sandy in Miami geblieben. Die zweite Woche meines Urlaubs wollte ich zu Hause verbringen, um meine Küche zu streichen und mich um einen neuen Pflegeplatz für meine Mutter zu kümmern. Jetzt muss ich umplanen und Sandy sagen, dass ich erst Freitagabend ankommen werde. Die Keys werden wir wohl streichen müssen, da Sandy in der folgenden Woche und am nächsten Wochenende arbeiten muss.

»Na, wie ein durchgeknallter Fan klingst du echt nicht.« Trish schnieft.

»Ach, das hat Margie bestimmt nicht so gemeint«, sage ich halbherzig. Dabei wissen wir beide, dass für Margie Rücksicht auf die Gefühle anderer Menschen ein Fremdwort ist.

Trish sieht mich mit Dackelblick an. »Kann ich dir wenigstens bei den Vorbereitungen helfen? Ich weiß alles über Al Bad.«

»Wie heißt er eigentlich richtig?«

»Das weiß ich nicht.« Sie grinst spitzbübisch. »Vielleicht was ganz fürchterlich Spießiges, wie Alan oder Alwin oder so? Aber abgesehen davon weiß ich echt alles. Kannst mich gerne ausfragen. Was sein erfolgreichster Song war, mit wie vielen Frauen er schon was hatte, mit wem er gerade liiert ist …«

»Aber nur, was das Musikalische angeht«, warne ich sie, denn manchmal habe ich den Eindruck, als wüsste Trish mehr über das Privatleben mancher Stars als diese selbst. »Die Bettgeschichten interessieren mich nicht.«

»Die sind doch das Spannendste! Besonders bei Al, der Typ ist so was von heiß!« Trish hopst vom Schreibtisch und umarmt mich ungestüm.

Ich zucke instinktiv zurück und schiebe sie von mir. »Ganz ruhig. Das ist nur ein Interview.«

»Du bist ja wirklich eiskalt«, mault Trish. »Nun lass mich mich doch wenigstens für dich freuen, wenn du es schon nicht tust.«

»Ich mache nur meinen Job«, entgegne ich und denke im Stillen, dass Trish allmählich gelernt haben sollte, es genauso zu machen. »Du kannst damit anfangen, mir die letzten Pressemitteilungen rauszusuchen, und Kopien sämtlicher Artikel zu besorgen, die wir jemals über All Bad geschrieben haben.«


Als ich spätabends das Redaktionsgebäude verlasse, laufe ich Suzannah über den Weg. Ausgerechnet Suzannah, Kollegin von einem Lifestyle-Magazin und meine ehemals beste Freundin. Obwohl wir im selben Redaktionsgebäude arbeiten, haben wir es in den letzten Monaten erfolgreich geschafft, uns aus dem Weg zu gehen.

Das letzte Mal, als ich sie sah, saß sie gerade auf meinem damaligen Lebenspartner. Die Szene ist noch immer so präsent, als wäre sie gerade erst passiert: Wie ich früher als geplant in seine Wohnung gekommen bin, weil es im Sportstudio über Nacht einen Wasserrohrbruch gegeben hatte und der Fitnesskurs, den ich geben sollte, ausfallen musste. Wie ich, seine Wohnungsschlüssel noch in der Hand, vom Flur aus direkt ins Schlafzimmer sehen konnte. Wie das Sonnenlicht aufs Laminat fiel, als wollte es mir extra noch den Weg weisen. Wie Suzannahs Brüste im Rhythmus ihrer Bewegungen hüpften, während sie sich wie selbstvergessen mit geschlossenen Augen auf meinem Freund bewegte. Wie das Bett bebte, wie es bei uns nie gebebt hatte. Wie Henrik nur »ach du Scheiße!«, rief, als er mich wie angewurzelt im Türrahmen stehen sah. Wie Suzannah mich in den nächsten Tagen mit Anrufen, Mails und internen Nachrichten bombardierte, die ich allesamt ignorierte, bis sie mich in Ruhe ließ.

Noch hat sie mich nicht gesehen. Ich trete hinter eine der Säulen im Eingangsbereich und warte, bis sie das Gebäude verlässt. Durch die Glastür kann ich sehen, wie sie auf einen Mann zugeht. Er küsst sie zur Begrüßung. Einen Moment bin ich wie erstarrt, dann realisiere ich: Es ist nicht Henrik.

Life is not a fu***ing Lovesong

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