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Herwarth Walden - biografisches Stationen vor 1910

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Als der expressionistische Dichter und Dramatiker August Stramm gefragt wurde wurde: „Was ist der Sturm“, antwortete er: „Der Sturm ist Herwarth Walden“ (1). Herwarth Walden der „Gründer und Leiter des Sturm vom ersten bis zum letzten Tage“ (2), war die „Seele des Sturm“ (3). Seine persönliche Entwicklung vom unpolitischen Streiter für die Moderne sowohl in der bildenden Kunst als auch in der Literatur hin zum Kommunisten (4) spiegelt sich im Sturm wider. Bei der Gründung ist „Der Sturm“ ausschließlich als „Wochenschrift für Kultur und die Künste“ (5) gedacht. Im Laufe seiner 22-jährigen Geschichte entwickelt sich „Der Sturm“ mit dem verstärkten politischen Engagement des Herausgebers auch zu einer politischen Zeitschrift. Die Geschichte der Zeitschrift ist nicht zu trennen von der Persönlichkeit des Herausgebers.

Herwarth Walden wird am 16. September 1878 in Berlin als Georg Lewin geboren. Seine Eltern sind der Arzt Victor Lewin und dessen Ehefrau Emma, geborene Rosenthal (7). Den Künstlernamen Herwarth Walden wird ihm seine erste Frau Else Lasker-Schüler verpassen. Sie nennt ihn erst Goldwart, den Musikanten. Später

wird Herwarth Walden sein offizieller Name (8).

Walden entstammt einer jüdischen Familie. Seine Eltern sind jedoch keine praktizierenden Juden; trotz ihrer Abstammung sind sie keine aktiven Mitglieder der jüdischen Gemeinde von Berlin (9). Herwarth Walden genießt im Elternhaus also offenbar keine jüdische Erziehung und fühlt sich auch später nicht als Jude. Wenn es überhaupt einen Anhaltspunkt für die Verwurzelung Waldens mit der jüdischen Tradion gibt, dann äußert sich diese in seinem „Umgang mit dem Wort und das Erleuchten eines Wortinhalts“ (10), der später in seinem Kampf für die Wortkunst zum Ausdruck kommt. Renate Krüger schreibt in ihrem 1966 erschienenen Buch: „Die Kunst der Synagoge - eine Einführung in die Probleme von Kunst und Kult des Judentums": „Die jüdische Bilderwelt ist eine illustrative Unterstützung des geschriebenen Wortes, das im Judentum einen größeren Wert und eine intensivere Wirkung besitzt als in anderen Religionen, auch im Christentum“ (11). Herwarth Walden geht in Berlin auf das Königstädter und das Leibnitzgymnasium (12). An den Berliner Gymnasien besuchen die Schüler seinerzeit je nach Konfession evangelischen, katholischen oder jüdischen Religionsunterricht (13), so kommt Walden mit dem jüdischen Glauben in Berührung. Herwarth Walden führt sich nach Berichten von Zeitzeugen jedoch weder traditionell noch national gebunden, und so kennt auch die Kunst, für die er sich später so vehement einsetzt, keine geographischen oder andere Grenzen. Nell Walden schreibt über ihren Mann: „Wenn mich jemand fragte: Wer war Herwarth Walden, dann müßte ich mit seinem eigenen Wort antworten: Ein Europäer. Er kannte und anerkannte keine traditionellen Bindungen. Er fühlte sich nie als Jude, aber auch nicht als Deutscher. Er liebte zwar Berlin, aber nicht, weil er dort geboren war, sondern weil ihm die Berliner Art gefiel ... Die deutsche Landschaft war ihm ebenso gleichgültig wie irgendeine andere auf der Welt. Es ist ja alles nur Thüringen, pflegte er zu sagen. Damit meinte er etwas recht Hübsches, aber gänzlich Bedeutungsloses“ (14). Trotzdem dürfte seine Geburtsstadt Berlin Waldens fast kosmopolitische Einstellung geprägt haben. Denn „schon in der wilhelminischen Periode entwickelt sich die Reichshauptstadt zu einer für diese Zeit gigantische Weltstadt“ (15). Berlin ist schon vor der Jahrhundertwende mit seinen 100 Vorbahnhöfen, 25 Fernbahnhöfen und den 40 Stadt- und Ringbahnhöfen (16) zu einer Art Knotenpunkt in Europa geworden. „Berlin ist die Hauptstadt der Vereinigten Staaten Europas“ (17) hat Herwarth Walden selbst einmal über seine Heimatstadt gesagt. Zwar toben in Berlin zu dieser Zeit „heftige soziale Kämpfe“ (18), dennoch entwickelt sich die damalige Reichshauptstadt zu einer kulturellen Hochburg. Es gibt in Berlin über 100 Zeitungen, eine Vielzahl von Zeitschriften und Gazetten, zahlreiche größere und kleinere Theater sowie Galerien und Kunstausstellungen (19). Nell Walden beschreibt die Atmosphäre Berlins in den ersten 25 Jahren dieses Jahrhunderts so: „Diese Zeit ... war eine Blütezeit der Kultur und Kunst in Deutschland. Die Verschmelzung von jüdischem Geist und jüdischer künstlerischer Begabung mit deutschen Kultur- und Kunstelementen hat zu einem Niveau an künstlerischen Leistungen geführt, das nicht so leicht wieder zu erreichen werden wird. Das Zentrum war Berlin ... War Berlin damals eine deutsche Stadt? Berlin war international“ (20).

Nach dem Abitur will Herwarth Walden Musik studieren. Doch seinem Vater, der Facharzt für Harn-, Blasen-, und Nierenkrankheiten ist und der später den Titel des geheimen Sanitätsrates (21) trägt, schwebt eine andere Karriere für seinen Sohn vor. Er soll entweder Arzt oder Buchhändler werden. Während sich Waldens jüngere Geschwister Gertrud und Hans den Wünschen des Vaters beugen, setzt Herwarth Walden sein Musikstudium durch. In einer Kurzbiografie, veröffentlicht in der Anthologie „Expressionistische Dichtung vom Weltkrieg bis zur Gegenwart“ (24), heißt es: „Soll Arzt oder Kaufmann werden. Flieht nach Florenz und studiert Musik“ (25). Da diese Anthologie von Herwarth Walden herausgegeben worden ist, liegt nahe, dass er die Biografie selbst verfasst hat, zumindest aber genehmigt hat. Von einer dramatischen Flucht nach Florenz kann allerdings keine Rede sein. Herwarth Walden studiert Klavier, Komposition und Musikwissenschaft bei Conrad Ansorge (1862 - 1930) (26), einem der bedeutendsten Pianisten seiner Zeit (27). Darüber hinaus besucht er das Berliner Konservatorium (28). Für sein hervorragendes Klavierspiel bekommt Herwarth Walden auf Empfehlung seines Lehrers ein Stipendium der Franz-Liszt-Stifung und geht 1897 für zwei Jahre nach Florenz (29). Als Herwarth Walden 1899 nach Berlin zurückkehrt, verdingt er sich als Musiklehrer und gibt Konzerte. Er komponierte darüber hinaus Opfern, Pantominen, Sinfonien, Klavierwerke und Lieder, darunter auch die bekannteren „Dafnis-Lieder“ zu Gedichten von Arno Holz: „Des berühmten Schäffers Dafnis sälbst verfärtigte Freß-, Sauff- und Venus-Lieder“ (30). Alfred Döblin schreibt 1911 im Sturm über die Musik Waldens: „H.W. kennen nur wenige als Komponisten. Die Strenge seines Geschmacks zieht nicht so leicht an. In seinen Liedern herrscht eine unvergleichliche künstlerische Zucht, die sich jede Äußerlichkeit untersagt, die rein musikalisch um den lyrischen Kern besorgt ist“ (31). Walden komponiert unter anderem auch Lieder nach den Gedichten von Richard Dehmel, Johann Wolfgang von Goethe, Peter Hille, Else Lasker-Schüler, Detlev Liliencron, Alfred Mombert und August Stramm. Zu erwähnen ist noch, dass Herwarth Walden Richard Strauss kannte und mit ihm Musikarbende organisierte (32). 1908 war er Mitherausgeber der „Symphonien und Tondichtungen“ von Richard Strauß (33). Ab 1910 spielt Walden noch hier und da als Komponist, ansonsten tritt sein musikalisches Schaffen immer stärker in den Hintergrund. Doch „Walden Interesse umfasste alles, was mit Kunst zusammenhing. Auch die angewandte Kunst interessierte ihn. Als Musiker lag ihm der Klang; Klang als Musik, Klang als Farbe. Darum Malerei“ (34).

Der Sturm entfacht von Herwarth Walden

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