Читать книгу Der Sturm entfacht von Herwarth Walden - Kerstin Herrnkind - Страница 7

Оглавление

"Der Sturm" entfacht von Herwarth Walden. Die Geschichte der Zeitschrift von 1910 bis 1914

Die Geschichte des Sturms lässt sich in vier Phasen einteilen. In der Anfangszeit, das heißt von der Entstehung der Zeitschrift bis 1914, beschränkt sich die Berichterstattung auf allgemeine Kunst- und Kulturkritik. Während des Ersten Weltkrieges eröffnet der Sturm unter anderen eine Kunstschule und eine Bühne, die dazu beitragen sollen, dass sich die so genannte Sturm-Kunsttheorie verbreitet. Die dritte Phase setzt 1919 ein und wird gekennzeichnet durch Waldens politisches Engagement für den Marxismus/Kommunismus. Neben kunstkritischen Artikeln erscheinen immer häufiger Stellungnahmen Waldens zu politischen Themen. Der zunehmende Radikalismus des Herausgebers ab 1928 leitet die vierte und letzte Phase des Sturms ein. Die kunstkritischen Artikel weichen politischen Themen. Aus der „Wochenschrift für Kultur und die Künste“ (1) wird „Die führende Zeitschrift der neuen Kunst“ (2) und schließlich eine „Internationale Monatsschrift“ (3). In der Literatur wird häufig behauptet, in seiner Anfangszeit sei „Der Sturm“ ausschließlich ein „Organ für Malerei“ (4) gewesen. Doch ein Blick in die ersten Jahrgänge der Zeitschrift widerlegt diese Behauptung. Die Berichterstattung bezieht sich gleichermaßen auf Literatur, Musik und bildende Kunst. 1912 engagiert sich Walden stärker für die bildende Kunst und gründet die Sturm-Galerie. In der Folgezeit ist die Geschichte der Zeitschrift nicht zu trennen von der Ausstellungstätigkeit der Galerie. Die Ausstellungen werden in der Zeitschrift angekündigt, besprochen und gegen die zum größten Teil vernichtenden Kritik verteidigt.

Volker Pirsich wählt in seiner Dissertation eine andere Einteilung und sieht nur drei Phasen. Die erste Phase des Sturms verortet er in die Zeit bis 1912. Er begründet diese Einteilung unter anderem mit dem Weggang mehrerer Autoren, die für das Blatt bis 1912 prägend waren, darunter Waldens Ex-Frau Else Lasker-Schüler. Die Literatur trete im Sturm zurück, mache der Bildenden Kunst Platz (Pirsich: Der Sturm, S. 61 ff.). Pirsich schreibt, dass die dritte Phase „fast unmerklich ab Mitte der 20er Jahre einsetzt" und den „sich immer rascher vollziehenden Abstieg“ markiert (Pirsich: Der Sturm, S. 71). Dies ist für ihn die letzte Phase des Sturms.

Entstehungsgeschichte des Sturms - Rolle von Karl Kraus und Einfluss der Zeitschrift „Die Fackel“

Einen maßgeblichen Anteil an der Entstehung des Sturms hat der Wiener Journalist und Schriftsteller Karl Kraus. Herwarth Walden lernt ihn über seine Frau Else Lasker-Schüler kennen und zeigt sich von der Kulturzeitschrift „Die Fackel“ (5), die von Kraus in Wien herausgegeben wird, stark beeindruckt. Herwarth Walden übernimmt im Juli 1909 (6) das Berliner Büro der Zeitschrift. Als Walden sich mit dem Gedanken trägt, eine eigene Zeitschrift herauszugeben, nimmt er nicht nur die finanzielle Hilfe von Karl Kraus in Anspruch, sondern stimmt auch den Titel sowie die inhaltliche Konzeption mit ihm ab (7). Karl Krauss, ohne dessen finanzielle Unterstützung „Der Sturm“ nicht zustande gekommen wäre, hat allerdings keine Rechte an der Zeitschrift. Gleichwohl ist der erste Jahrgang des Sturms stark an „Die Fackel“ angelehnt. Walden übernimmt von Kraus zum Beispiel das Verfahren, Zeitungsartikel zu kritisieren, indem er Zitate ohne Kommentar oder nur kurz kommentiert abdruckt. Auch die Methode, besonders kritikwürdige Sätze ohne Kommentar, dafür aber gesperrt zu drucken, kopiert Walden von Kraus. Als Karl Kraus und Walden sich 1912 überwerfen, orientiert sich Walden nicht mehr an „Die Fackel“.

Die erste Sturm-Ausgabe

Am 3. März 1910 (8) erscheint die erste Ausgabe des Sturms. Mit einer Note auf der ersten Seite umreißt „die Schriftleitung“, also Herwarth Walden selbst, die Grundidee seiner Zeitschrift: „Zwei Worte. Zum vierten Male treten wir mit einer neuen Zeitschrift an die Öffentlichkeit. Dreimal versuchte man, mit gröbsten Vertragsbrüchen unsere Tätigkeit zu verhindern, die von den vielzuvielen als peinlich empfunden wird. Wir haben uns entschlossen, unsere eigenen Verleger zu sein. Denn wir sind noch immer so glücklich, glauben zu können, dass an Stelle des Journalismus und des Feuilletonismus wieder Kultur und die Künste treten können“ (10). Journalismus und Feuilletonismus behindern, so glaubt Walden, die Kultur und die Künste, anstatt sie zu fördern. Wie bei der Gründung des „Vereins für Kunst“, mit dem Walden versucht, ein Gegengewicht zu den kommerziellen Agenturen zu schaffen, stellt er auch seine Zeitschrift in den Dienst der Künstler und ihrer Förderung. Else Lasker-Schüler gibt der Zeitschrift den Namen (11). Kurt Möser weist in seinem Buch: „Literatur und die ,Große Abstraktion‘, Kunsttheorien, Poetik und ,abstrakte Dichtung‘ im Sturm von 1910 bis 1930“ darauf hin, dass es für diese Behauptung keinen Beleg gebe (12). Die Zeitzeugen Lothar Schreyer (13) und Gottfried Benn (14) haben allerdings bestätigt, dass der Name der Zeitschrift von Else Lasker-Schüler stammt (15). In der Literatur stösst man häufig auf den Hinweis, der Name sei angelehnt an „Sturm und Drang“ (16). Lothar Schreyer spricht dem Namen jedoch eher eine metaphysische Bedeutung zu: „Der Sturm reinigt, entwurzelt, zerstört. Aber er braust auch als heiliger Geist durch die Welt. Er ist die immerwährende Verwandlung, die Erneuerung von Grund auf“ (17). Tatsächlich setzt „Der Sturm“ in der bildenden Kunst und der Literatur nicht nur neue Akzente, sondern entwickelt sich im Laufe der Jahre „zu dem bedeutendsten Sprachrohr der Moderne“ (18). Die „Wochenschrift für Kultur und die Künste“ (19), die laut Verlagsangabe mit einer Erstauflage von 30.000 Exemplaren (20) erscheint, unterscheidet sich deutlich von dem, was die Leser der bürgerlichen Presse gewöhnt sind. Walden setzt auf ein großes Format (2°) und - „im Unterschied zu fast allen erscheinenden bürgerlichen Zeitschriften, die noch lange durch die Frakturschrift eine längst zur Illusion gewordene Tradition aufrechterhielten“ (21) auf Antiqua. Erst 18 Jahre später wird das „Berliner Tageblatt“ am 22. März 1928 in Antiqua gedruckt (21a) . „Der Sturm“ bringt auf acht Seiten unter anderem einen Leitartikel von Karl Kraus über die Operette, eine Ballade über Berlin von René Schickele, die Geschichte „vom armen reichen Mann“ von Adolf Loos sowie Gedichte von Peter Baum und Else Lasker-Schüler. Darüber hinaus werden in der Rubrik: „Bemerkenswerte Bücher und Tonwerke“ (22) Veröffentlichungen von Herman Bang, Karl Kraus, Ludwig Hatvang, Joseph Schöffel und Robert Heu empfohlen. Die beiden letzten Seiten stehen ganz im Zeichen der Werbung. Dies ist umso verwunderlicher als dass Walden sich als Redakteur der Zeitschrift „Das Theater“ stets geweigert hat, Reklamenotizen redaktionell zu vertreten (23). Die Werbung ist nicht auf den Kulturbereich begrenzt: Neben den „Vereinigten Smyrateppich-Fabriken“ (24), die ihre „mechanisch gewebten hochflorigen Teppiche anpreisen“ (25), wirbt die Berliner Firma Hoffmann für „elegante Herrenmode“ (26). Doch auch der „Verein für Kunst“, einige Malschulen und Ateliers sowie die Zeitschrift „Die Fackel“ sind mit Anzeigen in der ersten Ausgabe des Sturms vertreten (27). Mit einem Verkaufspreis von 10 Pfennigen buhlt der Stern auf dem Berliner Zeitungsmarkt um Leser. Doch von der Auflage können „nur Bruchteile verkauft werden“ (Pirsich, Der Sturm, S. 79). Im März schreibt Walden Karl Kraus, dass von der zweiten Ausgabe des Sturms ca. 3.000 Exemplare verkauft worden seien. Von der Nummer 3 sollen in Wien 1.200 Hefte verkauft worden sein. Eine Zahl, die Pirsich allerdings für „schwer vorstellbar“ hält (Pirsich, S. 79). Heft 5 wird in Deutschland angeblich 4.000 Mal abgesetzt. Den Rest der Auflage verschenkt Walden, indem er gemeinsam mit Kokoschka und seiner Frau Else loszieht und die übrig gebliebenen Sturm-Hefte in Briefkästen steckt (Pirsich, S. 80).

Der Sturm entfacht von Herwarth Walden

Подняться наверх