Читать книгу Projekt Phoenix - Kevin Behr - Страница 8

Dienstag, 2. September

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»Bill Palmer hier«, melde ich mich am Handy direkt nach dem ersten Klingeln.

Ich bin spät dran, daher fahre ich zehn Meilen pro Stunde schneller als erlaubt – anstelle meiner üblichen fünf. Ich habe den Morgen mit meinem dreijährigen Sohn im Wartezimmer des Kinderarztes verbracht und versucht, ihn nicht von den anderen anstecken zu lassen, während immer wieder mein Telefon vibrierte.

Heute sind unregelmäßige Netzwerkaussetzer das Problem. Als Director of Midrange Technology Operations bin ich verantwortlich für die Verfügbarkeit und Funktionsfähigkeit einer recht kleinen IT-Gruppe bei Parts Unlimited, einer Produktions- und Vertriebsfirma aus Elkhart Grove mit vier Milliarden Dollar Jahresumsatz.

Selbst in den ruhigeren Gefilden, für die ich mich mit meinem Job entschieden habe, muss ich Netzwerkprobleme schnell beheben. Weil ein kaputtes Netzwerk die Services stört, die meine Gruppe anbietet, muss ich mich auch um solche Dinge kümmern.

»Hallo Bill, hier ist Laura Beck aus der Personalabteilung.« Mit ihr habe ich sonst nichts zu tun, aber ihr Name und ihre Stimme klingen vertraut ... Mist. Ich versuche, nicht zu laut zu fluchen, als ich mich wieder erinnere. Aus den monatlichen Firmen-Meetings. Sie ist die verantwortliche VP of HR. »Guten Morgen Laura«, sage ich mit einem erzwungenen Lächeln, »was kann ich für Sie tun?«

»Wann sind Sie im Büro? Ich würde Sie gerne so schnell wie möglich treffen«, ist ihre Antwort.

Ich hasse solch unklare Meeting-Anfragen. Ich selbst mache so etwas nur, wenn ich jemanden zusammenfalten will. Oder entlassen.

Moment. Ruft Laura an, weil mich jemand feuern will? Gab es einen Ausfall, auf den ich nicht schnell genug reagiert habe? Als Mitarbeiter in IT Operations machen wir ständig unsere Witze über diese letzte Panne, die unsere Karriere beenden wird.

Wir vereinbaren, uns bei ihr in einer halben Stunde zu treffen, aber als sie keine weiteren Details preisgibt, frage ich so schmeichelnd wie möglich: »Laura, worum geht es denn? Gibt es ein Problem in meiner Gruppe? Oder stecke ich selbst in Schwierigkeiten?« Ich lache extra laut, damit sie es auch bei sich hören kann.

»Nein, nein, darum geht es nicht«, sagt sie fröhlich. »Eigentlich sind es sogar gute Nachrichten. Bis gleich, Bill.«

Als sie auflegt, versuche ich mir auszumalen, wie gute Nachrichten heutzutage aussehen könnten. Als mir das nicht gelingt, schalte ich das Radio wieder ein und höre augenblicklich einen Werbespot unseres größten Konkurrenzhändlers. Es geht um seinen einmaligen Kundenservice und ein atemberaubendes Angebot, bei dem die Leute ihre Autos mit ihren Freunden zusammen online konfigurieren können.

Die Werbung ist toll. Ich würde den Service sofort nutzen, wenn ich nicht so loyal zu meiner Firma stünde. Wie schaffen sie es nur, solch unglaubliche Dinge auf den Markt zu bringen, während wir nicht von der Stelle kommen?

Ich schalte das Radio aus. Trotz all unserer Arbeit und der langen Nächte zieht die Konkurrenz problemlos an uns vorbei. Wenn unsere Marketingleute diesen Werbespot hören, gehen sie bestimmt die Wände hoch! Denn weil sie eher aus der Kunst- oder Musikecke kommen und keinen technischen Hintergrund haben, versprechen sie den Kunden das Blaue vom Himmel, und die IT muss dann sehen, wie sie das liefern kann.

Jedes Jahr wird es schwerer. Wir müssen mehr mit weniger erreichen und konkurrenzfähig bleiben, während wir gleichzeitig Kosten verringern.

Manchmal denke ich schon, dass das nicht klappen kann. Vielleicht habe ich zu viel Zeit als Sergeant bei den Marines verbracht. Dort lernt man, seinen Standpunkt gegenüber seinem Vorgesetzten so gut wie möglich zu vertreten, aber bisweilen muss man einfach »Yes, Sir!« sagen und dann diesen Hügel einnehmen.

Ich biege auf den Parkplatz ein. Vor drei Jahren war es so gut wie unmöglich, einen freien Platz zu finden. Nach den ganzen Entlassungen ist Parken nur noch selten ein Problem.

Beim Betreten von Gebäude 5, in dem Laura und ihre Kollegen sitzen, stelle ich überrascht fest, wie nett es hier eingerichtet ist. Ich kann noch den neuen Teppich riechen, und es gibt sogar schicke Holzpaneele an den Wänden. Plötzlich kommen mir die Wände und Teppiche in meinem Gebäude sehr alt vor. Die hätten längst erneuert werden müssen. Wie unsere IT. Immerhin sitzen wir nicht in einem armseligen, schwach beleuchteten Kellerloch wie in der britischen Serie The IT Crowd.

Als ich Lauras Büro erreiche, schaut sie lächelnd hoch. »Schön, Sie wiederzusehen, Bill.« Wir geben uns die Hände. »Nehmen Sie Platz, während ich schaue, ob wir uns jetzt mit Steve Masters treffen können.«

Steve Masters? Unser CEO?

Während sie zum Telefon greift, setze ich mich hin und schaue mich um. Das letzte Mal war ich vor ein paar Jahren hier, als wir von der Personalabteilung aufgefordert wurden, einen Raum für stillende Mütter bereitzustellen. Wir hatten damals viel zu wenig Büros und Meeting-Räume, und es standen kritische Projekt-Deadlines an.

Eigentlich ging es nur darum, einen Konferenzraum in einem anderen Gebäude zu nutzen, aber bei Wes klang das so, als wären wir ein Haufen von Mad Men-Neandertalern aus den 1950ern. Kurz danach wurden wir beide für einen halben Tag herzitiert, um politisches Bewusstsein und unser Verhalten zu schulen. Vielen Dank, Wes.

Neben vielem anderen ist Wes auch für die Netzwerke verantwortlich, weshalb ich mich immer so intensiv um Netzwerkprobleme kümmere.

Laura dankt der Person am anderen Ende der Leitung und wendet sich mir zu. »Schön, dass Sie so kurzfristig kommen konnten. Wie geht es Ihrer Familie?«

Ich runzle die Stirn. Wenn ich Small Talk halten wollte, würde ich andere Leute bevorzugen als jemanden aus HR. Ich zwinge mich zu ein paar Sätzen über unsere Familien und Kinder und versuche dabei, nicht allzu intensiv über all die anderen Dinge nachzudenken, die ich jetzt eigentlich erledigen müsste. Schließlich frage ich direkt: »Also, was kann ich für Sie tun?«

»Natürlich. Entschuldigung.« Sie macht eine Pause, dann sagt sie: »Seit heute Morgen arbeiten Luke und Damon nicht mehr für unsere Firma. Da ist einiges ganz nach oben gekocht, und schließlich wurde Steve einbezogen. Er hat Sie als neuen Vice President of IT Operations ausgewählt.«

Sie lächelt mich an und hält mir ihre Hand hin. »Bill, Sie sind der neue VP in der Firma. Ich denke, ich darf gratulieren?« Heilige Scheiße. Ganz benommen schüttele ich ihre Hand.

Nein, nein, nein. Das Letzte, was ich will, ist eine »Beförderung«.

Luke ist unser CIO gewesen, der Chief Information Officer. Damon hat für ihn gearbeitet, er war mein Chef, verantwortlich für IT Operations in der gesamten Firma. Und jetzt sollen beide einfach weg sein?

Das habe ich nicht kommen sehen. Es gab keine Gerüchte. Gar nichts.

In den letzten zehn Jahren kamen und gingen neue CIOs. Alle zwei Jahre, wie ein Uhrwerk. Sie blieben gerade lang genug, um die Abkürzungen zu verstehen, zu wissen, wo sich die Toiletten befinden, einen Haufen Programme und Initiativen aufzusetzen, die alles über den Haufen werfen, und dann wieder zu verschwinden.

CIO steht für »Career Is Over«. Und VPs of IT Operations sind nicht weit davon entfernt.

Mir war klar geworden, dass der Trick für eine lange Karriere im Management von IT Operations darin liegt, erfahren genug zu sein, um seine Sachen ordentlich zu machen, dabei den Kopf aber immer schön geduckt zu halten, um den strategischen Spielchen auszuweichen, die einen verletzbar machen. Ich habe überhaupt kein Interesse daran, einer der VPs zu werden, die sich den lieben langen Tag nur gegenseitig PowerPoints zuschicken.

Um Laura mehr Informationen zu entlocken, versuche ich es mit Witzchen. »Zwei Executives, die gleichzeitig gehen? Haben sie silberne Löffel geklaut?«

Sie lacht, zeigt aber schnell wieder ihr HR-gestähltes Pokerface. »Sie haben beide entschieden, sich neu zu orientieren. Näheres werden Sie sie selbst fragen müssen.«

Gemeinhin ist es so: Wenn Ihr Kollege Ihnen sagt, dass er sich entschieden hat, zu gehen, war das freiwillig. Erzählt Ihnen jemand anderes, dass er gehen wollte, war das erzwungen.

Folglich wurden mein Boss und dessen Boss gerade rausgeworfen.

Das ist genau der Grund dafür, dass ich keine Beförderung möchte. Ich bin sehr stolz auf das Team, das ich in den letzten zehn Jahren aufgebaut habe. Wir sind nicht viele, aber wir sind die bei Weitem am besten organisierte und zuverlässigste Truppe. Insbesondere verglichen mit Wes.

Beim Gedanken daran, der Chef von Wes zu sein, stöhne ich auf. Er managt kein Team – er ist eigentlich nur einen Schritt von einem chaotischen Mob entfernt.

Als mir der kalte Schweiß auf der Stirn steht, weiß ich, dass ich diese Beförderung niemals akzeptieren werde.

Die ganze Zeit hat Laura weitergeredet, und ich habe kein einziges Wort mitbekommen. »... und daher müssen wir uns natürlich überlegen, wie wir diesen Wechsel bekannt geben. Und Steve möchte Sie so schnell wie möglich sehen.«

»Laura, vielen Dank für das Angebot. Ich fühle mich geehrt. Aber ich will diesen Job nicht. Warum sollte ich? Ich liebe meine aktuelle Arbeit, und es gibt so viel, was ich da noch erledigen will.«

»Ich glaube nicht, dass Sie eine Wahl haben«, sagt sie mitfühlend. »Das kommt direkt von Steve. Er hat Sie persönlich ausgesucht, also müssen Sie mit ihm reden.«

Ich stehe auf und bleibe standhaft: »Nein, wirklich. Vielen Dank, dass Sie an mich gedacht haben, aber ich habe schon einen tollen Job. Ich wünsche viel Glück dabei, jemand anderen zu finden.«

Minuten später führt mich Laura zu Gebäude 2, dem höchsten auf unserem Gelände. Ich ärgere mich über mich selbst, dass ich mich in diesen Wahnsinn habe reinziehen lassen.

Wenn ich jetzt losrenne, wird sie mich bestimmt nicht einholen können, aber was dann? Steve würde mir einfach einen Trupp HR-Schläger hinterherschicken und mich wieder einfangen.

Ich sage nichts. Ich habe jetzt wirklich kein Interesse an Small Talk. Laura scheint das nicht zu stören, sie geht flott neben mir her, über ihr Smartphone gebeugt und ab und zu die Richtung angebend.

Sie findet Steves Büro, ohne einmal aufzusehen. Offensichtlich ist sie diesen Weg schon viele Male gegangen.

Dieser Flur ist warm und einladend, eingerichtet wie in den 1920ern, als dieses Gebäude erbaut wurde. Mit dem dunklen Holzboden und den Buntglasfenstern stammt es aus einer Ära, als im Büro noch jeder Anzüge trug und Zigarren rauchte. Damals florierte die Firma – Parts Unlimited schuf diverse Bauteile, die in so gut wie jedem Auto zu finden waren, als die Pferdekutschen gerade aus dem Alltag verschwanden.

Steve hat ein Eckbüro, vor dem eine Sekretärin Wache hält. Sie mag um die 40 sein, strahlt Freundlichkeit aus und scheint ausgesprochen organisiert zu sein. Ihr Schreibtisch ist aufgeräumt, die Wand hinter ihr übersät mit Klebezetteln. Neben ihrer Tastatur steht eine Kaffeetasse mit den Worten: »Don’t mess with Stacy«.

»Hi Laura«, sagt sie, als sie von ihrem Computer hochschaut. »Viel los heute, was? Das ist also Bill?«

»Jepp, höchstpersönlich«, antwortet Laura lächelnd.

Zu mir sagt sie: »Stacy sorgt dafür, dass bei Steve alles läuft. Sie werden sie bald gut kennenlernen, vermute ich. Wir beide können später weitermachen.« Dann geht sie.

Stacy lächelt mich an. »Schön, Sie kennenzulernen. Ich habe schon viel von Ihnen gehört. Steve erwartet sie.« Sie zeigt auf seine Tür.

Ich mag sie auf Anhieb. Und ich denke darüber nach, was ich gerade erfahren habe. Laura hatte heute viel zu tun. Stacy und Laura kennen sich sehr gut. Steve hat also einen direkten Draht zu HR. Offensichtlich bleiben Leute, die für Steve arbeiten, nicht lange in der Firma.

Toll.

Als ich Steves Büro betrete, bin ich ein bisschen überrascht, dass es fast genauso aussieht wie das von Laura. Es hat die gleiche Größe wie das meines Chefs – okay, meines Exchefs – und wie vermutlich mein zukünftiges Büro, wenn ich mich dümmer anstelle, als ich bin.

Vielleicht habe ich persische Teppiche, Wasserspiele und große Skulpturen erwartet. Stattdessen gibt es Fotos eines kleinen Propellerflugzeugs, von seiner fröhlichen Familie und – zu meiner Überraschung – eines von ihm in einer Uniform der US Army auf einer Landebahn irgendwo in den Tropen. Mir fallen die Abzeichen an seinen Aufschlägen auf.

Steve war also ein Major.

Er sitzt hinter seinem Schreibtisch und prüft irgendwelche Excel-Ausdrucke. Hinter ihm ist ein Laptop aufgeklappt, auf dem in einem Browser eine Reihe von Aktienkursen zu sehen ist.

»Bill, schön, Sie wiederzusehen«, sagt er, steht auf und schüttelt mir die Hand. »Es ist schon lange her. Etwa fünf Jahre, oder? Nachdem Sie dieses beeindruckende Projekt gestemmt haben, eine der eingekauften Firmen zu integrieren. Ich hoffe, es ist Ihnen seitdem gut ergangen?«

Ich bin überrascht und ein bisschen geschmeichelt, dass er sich an unser kurzes Zusammentreffen erinnert, insbesondere da es doch schon so lange her ist. Ich lächle und sage: »Ja, sehr gut, danke. Ich bin beeindruckt, dass Sie sich daran erinnern.«

»Sie glauben, wir geben solche Prämien an jeden?«, sagt er ernst. »Das war ein wichtiges Projekt. Damit sich der Zukauf bezahlt machte, mussten wir ihn gut in unsere Firma einbringen, was Sie und Ihr Team ausgezeichnet hinbekommen haben.

Ich bin sicher, Laura hat Ihnen ein bisschen was über die organisatorischen Änderungen erzählt, die ich vorgenommen habe. Sie wissen, dass Luke und Damon nicht mehr länger in der Firma arbeiten. Ich werde die Position des CIO noch neu besetzen, aber bis dahin wird die IT direkt an mich berichten.«

Geschäftig fährt er fort: »Wie auch immer, weil Damon jetzt weg ist, muss ich eine Position neu besetzen. Nach unseren Recherchen sind Sie deutlich der beste Kandidat für den VP of IT Operations.«

Als ob er sich gerade erinnert, sagt er: »Sie waren ein Marine. Wann und wo?«

Ich antworte automatisch: »22. Marine Expeditionary Unit. Seargent. Ich war sechs Jahre dabei, habe aber nie einen Kampf miterlebt.«

Als ich mich daran erinnere, wie ich damals als großspuriger 18-Jähriger zu den Marines ging, muss ich lächeln. »Die Armee hat mir in manchen Dingen den Kopf zurechtgerückt – ich verdanke ihr viel. Trotzdem hoffe ich, dass keiner meiner Söhne dort unter den Bedingungen beitreten würde, die ich damals erlebt habe.«

»Das glaube ich gerne.« Steve lacht. »Ich war selbst acht Jahre in der Armee, nur etwas länger, als ich musste. Aber es machte mir nichts aus. Das ROTC1 war die einzige Möglichkeit für mich, das College zu bezahlen, und es ist mir dort gut ergangen.«

Lächelnd fügt er hinzu: »Sie haben uns nicht so verhätschelt wie euch Marines, aber ich kann mich trotzdem nicht beschweren.«

Ich lache und stelle fest, dass ich ihn mag. Das ist das längste Gespräch, das wir je hatten. Ich frage mich plötzlich, ob es das ist, was Politiker ausmacht.

Ich versuche jedoch, mich darauf zu konzentrieren, warum er mich hat kommen lassen: Er will mich dazu bringen, irgendeine Kamikaze-Aufgabe zu übernehmen.

»So sieht es im Moment aus«, sagt er und lässt mich an seinem Konferenztisch Platz nehmen. »Wie Sie sicherlich wissen, müssen wir wieder profitabel werden. Dazu sind unser Marktanteil und die durchschnittliche Auftragsgröße zu erhöhen. Unsere Retail-Konkurrenz macht sich schon lustig über uns. Und weil das die ganze Welt weiß, sind unsere Aktien nur noch die Hälfte von dem wert, was sie vor drei Jahren waren.«

Er fährt fort: »Das Phoenix-Projekt ist von essenzieller Bedeutung, um wieder mit der Konkurrenz gleichzuziehen und endlich das zu tun, was dort schon seit Jahren geschieht. Die Kunden müssen bei uns überall einkaufen können – sei es im Internet oder in unseren Läden. Ansonsten werden wir bald keine Kunden mehr haben.«

Ich nicke. Vielleicht mag unser IT-Umfeld nicht auf dem neuesten Stand sein, aber mein Team ist mit Phoenix seit Jahren beschäftigt. Jeder weiß, wie wichtig es ist.

»Wir hängen dem Zeitplan Jahre hinterher«, fährt er fort. »Unsere Investoren und die Börse sind wirklich nicht erfreut. Und jetzt verliert der Aufsichtsrat das Vertrauen in unsere Fähigkeit, Zusagen einzuhalten.

Ich will direkt sein. Wenn es so weitergeht, bin ich in sechs Monaten weg vom Fenster. Seit letzter Woche ist Bob Strauss, mein alter Chef, der neue Vorstandsvorsitzende. Es gibt eine lautstarke Gruppe von Investoren, die die Firma aufteilen wollen, und ich weiß nicht, wie lange wir sie noch hinhalten können. Auf dem Spiel steht hier nicht nur mein Job, sondern der von fast 4.000 Mitarbeitern bei Parts Unlimited.«

Plötzlich sieht Steve viel älter aus als die Anfang fünfzig, auf die ich ihn schätze. Er sieht mich direkt an und sagt: »Als kommissarischer CIO wird Chris Allers, unser VP of Application Development, direkt an mich berichten. Und Sie auch.«

Er steht auf und geht in seinem Büro hin und her. »Ich brauche Sie, damit all die Dinge, die laufen sollen – nun ja, eben laufen. Ich brauche jemanden, der zuverlässig ist und der keine Angst hat, mir schlechte Nachrichten zu erzählen. Und vor allem brauche ich jemanden, dem ich vertraue und von dem ich glaube, dass er das Richtige tut. Bei diesem Integrationsprojekt gab es viele Herausforderungen, aber Sie haben immer einen kühlen Kopf bewahrt. Sie haben den Ruf, zuverlässig und pragmatisch zu sein und zu sagen, was Sie denken.«

Er war ehrlich zu mir, daher werde ich es auch sein. »Sir, bei allem Respekt, aber es scheint für die IT-Führungsebene sehr schwierig zu sein, hier Erfolge vorweisen zu können. Anfragen nach Budget oder Mitarbeitern werden immer abgewiesen, und manche Manager werden so schnell ausgetauscht, dass sie nicht einmal die Möglichkeit hatten, ihren Schreibtisch komplett einzurichten.«

Mit aller Entschiedenheit sage ich: »Die Midrange Operations sind für den Erfolg von Phoenix ebenso wichtig. Ich muss dort bleiben und dafür sorgen, dass alles erledigt wird. Ich freue mich, dass Sie an mich gedacht haben, aber ich kann das Angebot nicht akzeptieren. Ich verspreche jedoch, meine Augen offen zu halten und mich nach einem geeigneten Kandidaten umzuschauen.«

Steve schaut mich abschätzend an, mit erstaunlich ernsthaftem Blick. »Wir mussten in der ganzen Firma Budgetkürzungen vornehmen. Diese Anordnung kam direkt aus dem Aufsichtsrat. Mir waren da die Hände gebunden. Ich möchte keine Versprechen machen, die ich nicht einhalten kann, aber ich kann versprechen, dass ich alles, was möglich ist, auch tun werde, um Sie und Ihren Auftrag zu unterstützen.

Bill, ich weiß, dass Sie nicht nach diesem Job gefragt haben, aber es geht hier um das Überleben der Firma. Ich brauche Sie, um dieses großartige Unternehmen am Leben zu erhalten. Kann ich auf Sie zählen?«

Oh, bitte.

Bevor ich erneut höflich ablehnen kann, höre ich mich plötzlich selbst sagen: »Jawohl, Sir, Sie können auf mich zählen.«

In Panik realisiere ich, dass Steve irgendeinen Jedi-Trick eingesetzt haben muss. Ich zwinge mich, mit dem Reden aufzuhören, bevor ich noch weitere dumme Zusagen mache.

»Herzlichen Glückwunsch«, sagt Steve, steht auf und schüttelt mir kräftig die Hand. Er schlägt mir auf die Schulter. »Ich wusste, dass Sie sich richtig entscheiden würden. Im Namen des gesamten Führungsteams bedanke ich mich dafür, dass Sie mitmachen.«

Ich starre seine Hand an und frage mich, ob ich mich da irgendwie wieder rauswinden kann.

Keine Chance.

Mich selbst innerlich verfluchend, sage ich: »Ich werde mein Bestes geben, Sir. Und könnten Sie trotzdem erklären, warum keiner auf dieser Position lange durchgehalten hat? Was ist Ihnen am wichtigsten? Und was wollen Sie gar nicht?«

Mit einem resignierten schiefen Lächeln füge ich hinzu: »Wenn es schiefgeht, werde ich wenigstens dafür sorgen, dass es auf eine neue und ungewöhnliche Weise passiert.«

»Das mag ich!«, sagt Steve und lacht laut auf. »Ich will, dass bei der IT alles läuft. Es ist wie mit der Toilette. Ich nutze sie und will mir keine Sorgen darum machen müssen, ob sie funktioniert. Ich will nicht, dass irgendetwas verstopft und die Toiletten die ganze Etage unter Wasser setzen.« Er lächelt breit über seinen eigenen Witz.

Toll. Seiner Meinung nach bin ich ein besserer Hausmeister.

Er fährt fort: »Sie haben den Ruf, dass Sie in der IT-Organisation das am besten geführte Schiff haben. Daher gebe ich Ihnen die Verantwortung für die gesamte Flotte. Ich erwarte, dass Sie auch die anderen Schiffe auf Vordermann bringen.

Chris muss sich weiter auf das Umsetzen von Phoenix konzentrieren. In Ihrem Bereich darf nichts davon ablenken. Das gilt nicht nur für Sie und Chris, sondern für jeden in der Firma. Ist das klar?«

»Absolut«, sage ich und nicke. »Sie wollen, dass die IT-Systeme zuverlässig verfügbar sind und dass die anderen Abteilungen darauf aufbauen können. Sie wollen, dass es so wenige Unterbrechungen gibt wie möglich, sodass Phoenix weiter vorangetrieben werden kann.«

Überrascht nickt Steve. »Genau. Genau das, was Sie sagen, ist auch mein Wunsch.«

Er übergibt mir eine ausgedruckte E-Mail von Dick Landry, dem CFO.

Von: Dick Landry

An: Steve Masters

Datum: 2. September, 08:27

Wichtigkeit: Hoch

Betreff: ACTION NEEDED: Gehaltsabrechnungslauf schlägt fehl

Hey, Steve. Wir haben echte Probleme mit dem Lauf der Gehaltsabrechnung, der diese Woche ansteht, und sind uns noch nicht sicher, ob es an den Zahlen liegt oder am System. Aber unabhängig von der Ursache sind die Zahlungen an die Mitarbeiter in Gefahr, wenn wir das Ganze nicht wieder zum Laufen bekommen. Das wäre wirklich schlecht.

Wir müssen das Problem beheben, bevor heute um 17 Uhr das Zeitfenster geschlossen ist. Bitte sage uns, wie wir das in der neuen IT-Organisation eskalieren können.

Dick

Ich zucke zusammen. Mitarbeiter, die kein Gehalt überwiesen bekommen, bedeuten Familien, die ihre Verpflichtungen nicht erfüllen können – Hauskredit, Miete, ja sogar das normale Einkaufen.

Mir wird klar, dass auch mein Hauskredit in vier Tagen abgebucht wird und wir eine dieser Familien sein könnten. Eine verspätet bezahlte Rate kann zu großen Problemen führen, und wir mussten sowieso schon lange daran arbeiten, den Studienkredit von Paige zurückzuzahlen.

»Sie wollen, dass ich mich darum kümmere und das Problem beseitige?«

Steve nickt und zeigt mit dem Daumen nach oben. »Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden.« Dann wird er nochmals ernst. »Jede verantwortungsbewusste Firma kümmert sich um ihre Mitarbeiter. Viele unserer Arbeiter leben von Gehalt zu Gehalt. Sorgen Sie dafür, dass es für sie und ihre Familien nicht noch schwerer wird, okay? Das könnte sonst Ärger mit der Gewerkschaft bringen, vielleicht sogar einen Streik. Und das wäre keine gute Presse für uns.«

Ich nicke automatisch. »Kritische Geschäftsvorgänge wieder zum Laufen bringen und uns von den Titelseiten fernhalten. Verstanden. Vielen Dank.«

Warum ich mich genau bedanke, weiß ich auch nicht.

Projekt Phoenix

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