Читать книгу Hand aufs Herz - Kim Jackson - Страница 8

Klara

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Er ist zu alt für mich! Er ist zu alt ... er ist ...viel zu verführerisch.

Okay, versuchen wir es mit einer anderen Begründung. Er hat ein Kind. Er hat ein Kind ... Er ... Hat ... viel zu starke Hände, ich schmelze!

Es dauert nicht lange, bevor Runes Hände zwischen meinen Beinen landen. Mit der einen Hand hält er meine linke Kniekehle fest, sodass er mein Bein mit Leichtigkeit um seine Hüfte schwingen kann. So kommt er leichter ran. Ich bin schon jetzt total feucht und will ihn in mir spüren. Und als er mit zärtlichen Fingern über den Stoff meines Höschens fährt, muss ich nach Luft schnappen, so geil fühlt sich das an.

Ich weiß wirklich nicht, was mit mir los ist. Noch nie zuvor habe ich mich bei einem Mann so gehen lassen, habe ihn derart überfallen. Er hat ja sogar noch versucht, uns zu stoppen, aber irgendetwas ist da, dem ich einfach nicht widerstehen kann. Irgendetwas, was mein Körper braucht, will, nach dem ich mich verzehrt habe, ohne es zu wissen. Und außerdem war er auch einfach zu heiß, als ich ihn klammheimlich beobachtete, in seinem dunklen T-Shirt mit dem V-Ausschnitt. Die Jogginghose, die er vor dem Einsatz anhatte, ist einer schwarzen Jeans gewichen, die so aussieht, als sei sie maßgeschneidert, so gut steht sie ihm.

Unsere Lippen trennen sich für den Bruchteil einer Sekunde. Aber er zögert nicht, als sein Mund meinen sucht, und seine Finger zwischen meine Beine, in mein Höschen gleiten. Sie untersuchen neugierig meine Wärme, meine Säfte. Und obgleich wir uns so hektisch bewegen, als gelte es dem bloßen Überleben, sind seine Berührungen unendlich zärtlich und vorsichtig. Ich stöhne in seinen Mund. Es ist so schön. Schöner als ich es je mit einem Anderen erlebt habe.

„Wir müssen aufhören!", stöhnt er.

Er hat recht. Ich nicke, aber unsere Zungen haben ihren eigenen Willen: Sie sind weiterhin fest ineinander verschlungen.

Ein Finger meldet sich zu Wort. Er ist breit und stark und macht mich noch viel feuchter als ich ohnehin schon bin. Mein Körper brennt von innen heraus. Ein Feuer ist in mir entfacht, er hat es gelegt, und ich fürchte, dass es ihm nicht gelingen wird, es wieder zu löschen, wenn er mit mir fertig ist.

Ich halte es nicht aus. Ich will mehr. Er soll weitermachen. Wir müssen weitermachen. Plötzlich ist es mir vollkommen egal, wie alt er ist. Oder wie alt seine Tochter ist. Ich will ihn, und ich will ihn jetzt. Der Rest wird sich schon finden. Ich bin schließlich recht reif für mein Alter, und ein bisschen Erfahrung mit Kindern habe ich auch. Ich habe ein Praktikum im Kindergarten gemacht, verdammt. Kinder lieben mich.

Plötzlich reißt Rune sich von mir los und zieht seinen verspielten Finger zurück, während er leise flucht.

Neeein ... Wenn er jetzt tatsächlich aufhört, fange ich an zu weinen, so geil bin ich.

Ein tierisches Verlangen strahlt mir aus den glühenden grünen Augen entgegen, als sich unsere Blicke treffen. Seine Lippen sind von unserem leidenschaftlichen Kuss ganz leicht geschwollen und gerötet. Langsam lässt er mein Bein los, sodass ich wieder mit beiden Beinen auf den Boden der Tatsachen zurückkehre.

„Warte ..." Seine Stimme ist heiser, wie ich es nur allzu gut von anderen Männern kenne. Das bedeutet, dass er genau so sehr im Bann seiner Lust ist wie ich. Er schüttelt ganz schwach den Kopf, während sein Blick weiterhin über mein Gesicht huscht, und über meinen Körper, als bekommebekomme er nicht genug von dem Anblick.

Aber seine Worte passen nicht zu dem, was eben zwischen uns passiert ist: „Wir müssen aufhören." Verdammt, ist diese Stimme sexy. Rau und heiser vor Erregung.

Mir ist bewusst, dass ich ihm eben noch recht gegeben hatte, aber das war eben. Er kann mir doch nicht seinen geilen Finger in die Muschi stecken und dann so tun, als sei nichts passiert, bevor er mich zum Kommen gebracht hat. Wenn wir das jetzt hier auf seine Initiative hin abbrechen, werde ich mich so sehr dafür schämen, dass er die Kraft dazu hatte, und ich nicht. Also schüttele ich den Kopf.

„Sei doch nicht so ein Feigling!", necke ich ihn mit einem Lächeln und flirte, wie ich noch nie zuvor geflirtet habe. „Wir müssen einfach nur leise sein, damit wir die Anderen nicht aufwecken."

Rune schaut sich über die Schulter. Er sieht aus wie einer, der vergessen hatte, dass wir nicht allein auf der Wache sind.

„Verdammt, Prinzessin!", stöhnt er gequält, während seine Blicke mich von Kopf bis Fuß verschlingen. „Wie kann ich da nein sagen?" Der Spitzname wäre wie ein Stoß vor den Bug gewesen, wären da nicht die letzten Worte gewesen.

„Dann sag ja!", lächle ich mit all meinem Mut. Er lächelt zurück. Es ist sexy. Es ist heiß, und ich will ihn einfach so sehr, mit seinem Lächeln und allem Drum und Dran.

Er wiederholt seine Bewegung von eben: Sein Gesicht schnellt vor und hält dann wenige Zentimeter vor meinem Mund inne. Ich bebe vor aufgestauter Lust auf ihn.

Sein Blick ist auf meine Lippen fixiert, während er fragt: „Bist du dir sicher?"

Meine Wangen brennen, aber nicht mehr, weil ich verlegen bin. Nein, ich spüre einen drückenden Knoten im Zwerchfell, und solange ich hier vor ihm stehe, in seinem Bann, wird der sich nicht lösen. Er wird nur größer und stärker. Nur er kann ihn lösen, kann ihn zersprengen, sodass ich wieder frei atmen kann, aber das erfordert gewissen Handlungsbedarf von seiner Seite. Weniger Gerede, mehr Taten, bitte.

Ich nicke. „Ja, Rune, ich bin mir sicher."

„Und dein Bruder?"

Jetzt fängt er langsam an, mich zu nerven. „Ich bin kein Kind. Ich bin sehr wohl in der Lage, meine eigenen Entscheidungen zu treffen. Und ich muss meinen Bruder ganz bestimmt nicht um Erlaubnis fragen."

Seine Augen glühen gefährlich, was mich einerseits nervös macht und andererseits neugierig auf das, was da jetzt noch kommt. Gleichzeitig habe ich ein bisschen Angst vor dem Moment, wenn er den Knoten zum Platzen bringt – was kommt dann zum Vorschein?

Seine Lippen pressen sich auf meine und unsere Zungen um wirbeln einander wie alte Bekannte. Er ist ein guter Küsser, das muss man ihm lassen. Jeder seiner Küsse bringt meinen ganzen Körper dazu, vor Lust zu summen. Er bringt mich zum Schweben mit seinen Fähigkeiten. Ein echter Profi. Und wenn seine Hände über meinen Körper gleiten, vergesse ich manchmal, wo oben und wo unten ist. Ich hoffe inständig, dass er noch gegenwärtig genug ist, um zu hören, wenn jemand kommt – denn ich bin hoffnungslos verloren.

Naja gut, ein wenig nervös bin ich schon, denn sein Alter habe ich noch nicht vergessen. Und mit dem Aussehen hat er sicher schon viele Frauen flachgelegt. Was, wenn ich ihn enttäusche?

„Wenn ich nicht so eine Lust darauf hätte, dich von innen zu spüren", flüstert er atemlos, während er meinen gestreckten Hals mit Küssen bedeckt, „würde ich dich lecken. Ich habe so eine Lust, deinen Geschmack auf der Zunge zu schmecken, wenn ich komme ..."

Heilige Scheiße!

Mein Magen zieht sich zusammen, sodass es mir noch schwerer fällt, meine Lungen mit Luft zu füllen, und als er mich hochhebt, sodass ich meine Beine um ihn legen kann, verschwindet alles um uns herum.

Shit!", wispert er in mein Ohr. „Das Kondom ist im Geldbeutel, in meiner hinteren Hosentasche. Nimm es!"

Okay, soweit so gut. Wenn Rune so richtig geil ist, wird er direkter. Gut zu wissen. Meine Finger sind in seine dicke, dunkle Mähne gewickelt, während er an meinem Ohrläppchen lutscht. Es ist viel zu schön, wie soll ich da überhaupt irgendwas finden?

Seine Zähne legen sich um meinen Kiefer. Er beißt nicht hart zu, sondern erweckt mich aus meinem Rausch.

„Jetzt!", stöhnt er. „Während ich noch im Stande bin zu denken!"

Heilige ..., denke ich erneut. Ich bin mir nicht sicher, ob er weiß, was seine Worte mit mir machen.

Rune knurrt ungeduldig; ich bin zu langsam. Und auch jetzt macht mich seine Ungeduld nur noch mehr an. Ein gefährliches Kribbeln macht sich in meinem Bauch breit. Das sind diese verdammten Schmetterlinge mit ihren flackernden Feenflügeln. Wie ein einziger Organismus erwacht der ganze Schwarm zum Leben und wedelt viele Monate alten Staub auf.

Mit einem kleinen, verträumten Lächeln versenke ich meine Hand in seiner Hosentasche und kann die Tatsache nicht ignorieren, wie fest sein Hintern ist. Ich wünschte, wir wären nackt. Oder nicht. Ich glaube, ich würde ganz schnell den Schwanz einziehen, wenn ich seinen durchtrainierten, muskulösen Körper vor mir sehen würde.

„Beeil dich!", presst er hervor und zwingt mir einen dringlichen Kuss auf. Ich bekomme sein Portemonnaie zu fassen, aber leicht ist es nicht, wenn er so gierig ist. Dass er da noch klar denken kann, finde ich bewundernswert. In meinem Kopf ist nur ein einziger, lauter, alles erfüllender Gedanke, und das ist der uralte Drang nach Befriedigung. Ich ertaste das kleine Plastikbriefchen mit dem Kondom drin. Ich ziehe es aus dem Portemonnaie, öffne es, seinen stöhnenden Befehlen folgend, und dann setzt er mich auf die Tischplatte, um es sich überzuziehen. Verdammt, warum haben wir nur die Handytaschenlampe? Ich würde ihn so gern richtig sehen können, während er sich für mich bereit macht. Seine Silhouette macht Lust auf mehr.

Noch bevor er ganz fertig ist, stürzt er sich schon wieder auf mich, um mich zu küssen. Und ich schwebe davon, hoch über unsere Köpfe. Die starken Hände legen sich fest um meine Taille, und ich hänge in der Luft, als würde ich nichts wiegen. So stark ist er.

Bevor er eindringt, zieht er den Kopf zurück und schaut mir in die Augen, sodass mir die Luft wegbleibt. Und er sieht nicht weg, bohrt seinen grünen Blick tief in meinen, während er in mich eindringt. Und ich sehe alles in seinen Augen, obwohl es dunkel ist, aber wir sind uns so nahe, dass sich die Gefühle nicht verstecken können. Ich spüre ihn. Jeden Zentimeter. Er ist unglaublich. Er fühlt sich wahnsinnig gut an, in und auf meinem Körper. Er passt perfekt zu mir.

Rune stöhnt leise, als er sich bis zum Anschlag in mich hineindrückt, und seine Augen fallen zu. Verdammt, er ist so geil, und fühlt sich noch viel geiler an. Ganz langsam zieht er sich fast ganz heraus. Die Augen noch immer geschlossen. Dann dringt er erneut ein. Mein Inneres packt zu, umgreift ihn in einem panischen Versuch, so viel wie möglich von ihm und am liebsten noch viel mehr zu bekommen. Ich bekomme nicht genug von ihm.

Dann komme ich. Plötzlich. Schnell. Es überrascht und überwältigt mich. Ich beiße mir auf die Unterlippe, um keinen Lärm zu machen, und vielleicht auch um zumindest einen kleinen Teil der Kontrolle über mich und meinen Körper zu bewahren, sodass ich nicht vollends davonschwebe.

Rune schlägt die Augen auf und sieht mich mit schweren Augenlidern an. Wenn ich dachte, dass ich vorher in den Anblick verliebt sei, dann war das nichts dagegen, was jetzt in mir vorgeht. Er schaut mich an, als sei ich die einzige Frau, die ihn so sehen, so spüren darf. Kein Anflug eines Lächelns. Wirklich! Es ist so intensiv, dass mein Körper komplett loslässt, und ich komme so stark, wie ich noch nie in meinem Leben gekommen bin.

Sofort stürzt er sich auf meinen Mund und unsere Zungen versuchen der Intensität der Situation gerecht zu werden, während unsere Körper gemeinsam gen Gipfel schweben. Es summt in den Fingerspitzen, kribbelt unter der Haut und unsere Herzen schlagen so schnell und laut, dass sie alle anderen Geräusche übertönen, während mein Orgasmus langsam und rhythmisch abebbt.

Im selben Takt werden auch unsere Küsse seichter, während wir uns wieder der Macht der Erdanziehung ergeben, bis wir mit beiden Füßen fest auf dem Boden stehen. Beziehungsweise Rune. Er bewegt sich langsam, neckend in mir vor und zurück, sodass es wunderbar verführerisch kitzelt, während er sein Gesicht in meiner Halsbeuge, in meinem Haar versteckt.

Ich bin noch immer ganz durcheinander, aber ich spüre, dass ich ihn stoppen muss, denn wenn er weitermacht, fängt es an, wehzutun. Das passiert, wenn das letzte Mal ein halbes Jahr her ist.

Er atmet noch immer schwer, sein heißer Atem fühlt sich an wie eine zärtliche Streicheleinheit auf meiner Haut. Dann hält er inne. Er setzt mich so vorsichtig auf der Tischplatte ab, dass ich mich tatsächlich einen Moment lang wie eine Prinzessin fühle. Und obwohl mir der alberne Spitzname nicht gefällt, mag ich es, dass er mich so behandelt. Langsam zieht er sich aus mir heraus, während er mit einer Hand das Kondom festhält. Ich verziehe kurz das Gesicht, weil es ein bisschen brennt. Aber das sieht er zum Glück nicht.

Von da aus, wo er steht, kann er den Schrank unter der Spüle mit dem Mülleimer leicht erreichen. Er wirft das Kondom hinein, nimmt den alten, schmutzigen Wischlappen, der über dem Wasserhahn hängt, und schmeißt ihn hinterher, auf das Kondom. Der flüchtige Blick, den er mir zuwirft, lässt mich ein paar Zentimeter zurückweichen.

„Bist du in Ordnung?", fragt er leise.

Ich lächle gezwungen und nicke. Nein, ich glühe förmlich von innen heraus vor Glück, aber warum benimmt er sich jetzt so komisch?

Er knöpft seine Jeans zu und belohnt mich mit noch einem flüchtigen Blick. Oder ... bestraft? Wenn sein Blick mir physisch Schmerzen zufügen könnte, würde ich schreien, als würde er mich gerade auspeitschen. So deutlich strahlt mir das schlechte Gewissen aus den grünen Augen entgegen.

Er tritt zurück. Die beiden Blicke, die er mir zugeworfen hat, waren beide sehr kurz, aber der Ausdruck ist eindeutig: Reue.

Das Arschloch leuchtet scharlachrot vor Scham, als er noch ein paar Schritte weiter zurückweicht. Er lehnt sich rückwärts an die gegenüberliegende Küchenplatte. Zumindest bleibt er, bis auch ich wieder normal atmen kann. Wenn ich in diesem Moment von der Platte auf den Boden springen würde, ich wüsste nicht, ob mir nicht die Beine wegsacken würden. Meine Knie sind wie Wackelpudding. Es war so geil. Er kann wirklich was, dieser Mann. Und er mag es bereuen. Aber ich habe nichts bereut.

Man bemerke den Perfekt.

Er bückt sich und hebt etwas vom Boden auf. Ich bleibe sitzen. Obwohl ich meine ganze Kraft aufbringen muss, um keine Gefühlsregung zu zeigen, zittert meine Stimme, als ich das Höschen entgegennehme. Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern, wann das ausgezogen wurde. „Mach den Kühlschrank auf."

Er runzelt die Stirn. „Was?"

„Mach es einfach ...", krächze ich.

Verwirrt schüttelt er den Kopf, also nehme ich stattdessen sein Handy in die Hand und leuchte ihm damit direkt ins Gesicht. Er blinzelt und dreht den Kopf weg, um das scharfe Licht nicht in die Augen zu bekommen.

Aber ich kann ihn richtig sehen. Ich wünschte, sein Anblick hätte nicht noch immer den gleichen Effekt auf mich, aber ich kann es ja nicht ändern. Er sieht genauso gut aus. Genauso verführerisch.

Ich senke die Taschenlampe ein wenig, sodass ich ihn nicht damit blende, während ich langsam nicke, denn meine Befürchtung war richtig.

Rune schweigt. Ein paar Mal gelingt es mir, einen Blick in seine Augen zu erhaschen, aber er tut wirklich sein Bestes, beschämt auf den Boden zu starren. Mit beiden Händen versucht er, seine Haare zu glätten. Dann reibt er sich über den Mund. Dann über den Nacken. Mit fast aggressiven Bewegungen. Er quält sich wirklich.

„Was bist du für ein Arsch!", zische ich und lasse mich von der Küchenplatte gleiten.

Das Handy drücke ich ihm fest vor die Brust. Er ist gezwungen, schnell zu reagieren und es zu ergreifen, bevor es auf den Boden fällt. Denn ich bin schon auf dem Weg aus dem Aufenthaltsraum und greife nach meiner Jeansjacke, ohne stehen zu bleiben.

Er hält mich nicht zurück. Ruft mir nicht einmal hinterher, als ich mich in der Garage gegen die Tür stemme, während meine vor Wut zitternden Hände mit dem Schloss kämpfen.

Draußen ist es stockdunkel, wie in meinem Herzen. Ich renne los. Es ist noch nicht richtig Sommer, und so ist es nachts noch immer recht kalt. Obwohl ich so schnell renne, wie meine Gefühle mir diktieren, friere ich.

Ich weine nicht, aber meine Augen brennen und ich spüre einen Kloß im Hals. Aber ich weine nicht. Ja, meine Gefühle wurden verletzt, aber ich bin ja nicht in ihn verliebt. Nur zutiefst verletzt darüber, so behandelt zu werden. Also werde ich garantiert keine einzige Träne über so einen wie ihn verschwenden.

Atemlos schließe ich die Tür zu meiner und Tobis Wohnung auf. Ich laufe in mein Zimmer und werfe mich aufs Bett. Mein Kopf schwirrt vor lauter Gedanken um den Mann, dem ich gerade mein tiefstes Innerstes offenbart habe.

Unglaublich, wie hoch hinaus er mich katapultieren konnte, ganz nach oben, wo die Luft dünn ist und einem schwindelig wird. Und noch viel unglaublicher, dass er mich danach einfach loslassen konnte, sodass ich mit voller Geschwindigkeit auf die Erde prallte, sodass meine Knochen rasselten und mir schwarz vor Augen wurde.

Zum Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee aufzuwachen ist immer ein guter Start in den Tag. Es ist mein Glück, dass mein Bruder genauso koffeinabhängig ist wie ich, und in diesem Moment hält er mir die volle, dampfende Tasse direkt unter die Nase. Mit einem verschlafenen Lächeln setze ich mich auf, streiche mir die zerzausten Strähnen hinter die Ohren und nehme die Tasse in beide Hände. Ich nippe sofort an dem heißen Getränk, denn bei Kaffee kann es mir nie schnell genug gehen – oder zu heiß sein.

Tobi setzt sich auf die Fensterbank. „Wo warst du gestern?"

Ich weiche seinem prüfenden Blick aus. Ich hätte es wissen müssen. Tobi bringt mir nur dann Kaffee ans Bett, wenn er etwas will. Es fällt ihm schwer, einfach nur mein Bruder zu sein. Wir zogen zusammen, als ich gerade 19 geworden war. Eigentlich hatte ich noch bei unseren Eltern zu Hause wohnen sollen, bis ich mit der Ausbildung fertig bin. Ja, unsere Eltern sind noch zusammen. Und selbst nach 44 Jahren lieben sie einander mit einer Tiefe und Hingabe, die ich selbst bestimmt nie finden werde. Die Kerle bereuen es ja schon, sobald sie das bekommen haben, was sie wollten, denkt ein zynischer Teil von mir bitter.

Nachdem Tobi ausgezogen war, verging gerade mal ein halbes Jahr, ehe meine Eltern und ich uns beinahe gegenseitig umgebracht haben. Ich hatte das Gefühl, bis zum Hals in einer plötzlichen Flut aus Regeln, abendlicher Ausgangssperre und nervigen Pflichten zu stecken. Ich meinte, und das meine ich im Übrigen noch immer, dass man, wenn man sich aus einer Laune heraus einen Chihuahua anschafft, sich auch selbst um das Tier kümmern muss und es nicht auf die 18-jährige Tochter abwälzen kann – und das nur mit der Begründung, dass wir alle die häuslichen Aufgaben teilen.

Naja gut, der einzige Grund für meinen Auszug war das natürlich nicht. Es gab so einiges, was plötzlich nicht mehr funktionierte, aber der Hund war das Erste, was mir als Begründung einfiel, als ich halb panisch meine Sachen packte und mich aus dem Staub machte. Inzwischen sind wir natürlich wieder ein Herz und eine Seele, und fast wäre ich sogar wieder nach Hause gezogen, denn ganz ehrlich ... so cool ist es auch wieder nicht, sich nachts die Kissen auf die Ohren zu pressen, weil einem das orgasmische Schreien der Frauen den Schlaf raubt. Mein Bruder denkt, er sei ein erstklassiger Liebhaber, und bei den Geräuschen, die aus seinem Zimmer dringen, wenn er Besuch hat, wage ich es fast, ihm zu glauben. Baah. Bei dem Gedanken allein wird mir übel. Es sollte verboten sein, seinen eigenen Bruder beim Sex hören zu können. Wenn das keine bleibenden Schäden verursacht, weiß ich auch nicht ...

Ich habe meine Lehre in der Bank gemacht und arbeite inzwischen in einer Nordea-Filiale. Nein, ich bin nicht in der Ausbildung zur Köchin. Ja, ich weiß, dass das gestern gesagt wurde, aber das war gelogen. Tobi hat das nur gesagt, weil er andere gern aus dem Konzept bringt, und in der gestrigen Situation war es eben Rune, der die Klappe halten sollte. Und in diesem Moment finde ich es ehrlich gesagt ganz geil, dass Rune jetzt denkt, etwas über mich zu wissen, was eine glatte Lüge ist. Soll er mich ruhig weiter als professionelle Köchin sehen. Nicht weil ich mich dafür schäme, Bankangestellte zu sein, aber Tobi sagt, dass Runes Kochkünste nichts Besonderes sind, und deshalb ist es ein gutes Gefühl, dass mein Gericht so sehr in seinem Geschmack entsprach. Dass ich ihm hinterher unbedingt noch ein Dessert servieren musste, ist der wahre Fehler.

Ich hätte Abführmittel in seine Portion mischen sollen.

„Du bist doch nicht etwa noch auf der Wache geblieben, oder?" Tobis Blick ist stechend.

„Was?" Ich sehe überrascht auf. „Ich? Nein, was denkst du denn! Was soll ich denn da, wenn du nicht da bist?"

Er schaut mich nur mit diesem Großer-Bruder-Blick an. Ich hasse ihn. Also, nicht so richtig. Aber wieso muss er nur so gut darin sein, mich zu durchschauen? Ganz ehrlich, mein Privatleben geht ihn gar nichts an. Bruder hin oder her.

Und das gebe ich ihm auch gleich zu verstehen: „Das geht dich einen feuchten Dreck an, wo ich gewesen bin. Guck dich doch selbst an mit deinen Bimbos!"

Ich stelle den Kaffee ab – so billig kann er mich nicht kaufen, dann mach ich lieber meinen eigenen Kaffee, der ist sowieso besser. „Mein Leben geht dich nichts an. Und selbst wenn ich dageblieben wäre und die ganze Mannschaft gefickt hätte, hättest du dazu schon mal gar nichts zu sagen!"

Meine Worte zeigen Wirkung: Er sieht so aus, als wolle er sich in meine Sammlung von Grünpflanzen übergeben.

Ich steige aus dem Bett, gehe hinaus in den Flur und weiter ins Bad, während es sich der hässliche Gedanke in meinem Kopf gemütlich macht. Ja, die ganze Mannschaft ist es nicht gewesen. Aber der Anfang ist auf jeden Fall gemacht ...

Hand aufs Herz

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