Читать книгу Marder Alarm! Ein mörderischer Sommer - Kirsten Klein - Страница 5

1

Оглавление

"Pah, Tiernotrettung...", erbost sich Captain Nemo. "Und was ist mit meinem Magen? Der ist auch in Not, seit fast einer halben Stunde! Aber keiner von den Dosenöffnern hier kapiert das, obwohl sie ihn alle lautstark knurren hören." "Wahrscheinlich denken sie, du würdest schnurren", überlegt Mistie.

Der Kater verzieht das Gesicht. "Das ist wieder mal typische Marder-Logik. Unsinn! Selbst der allerdümmste Dosenöffner kann Knurren von Schnurren unterscheiden! Aber für alle Fälle werde ich denen jetzt ein bisschen Nachhilfeunterricht in Katzensprache erteilen!" Noch etwas unentschlossen, schaut er zu Lydia empor. Die junge Wirtin sitzt eingeklemmt zwischen ihrem Freund und Mitinhaber Charles sowie einem Hundeliebhaber am vollbesetzten runden Tisch in der Hamburger Kneipe "Hammerhai". Es geht um die Gründung eines Vereins für Tiernotrettung in der Hansestadt.

Lydia will gerade auf Tierarzt Sammys Vorschlag eingehen, im Rahmen des Vereinslebens regelmäßig Seminare für Tierfreunde im Hammerhai anzubieten, da springt Captain Nemo auf ihren Schoß und stupst mit seiner Schnauze gegen ihr Kinn. Alle lachen, und Sammy triumphiert:

"Siehst du, einen hab ich schon, der mir beipflichtet."

Maunzend widerspricht der Kater: "Von dir hätte ich nun wirklich erwartet, dass du mich richtig verstehst! Nicht, dass ich etwas gegen solche Seminare hätte, aber was nützen sie mir, wenn ich vorher verhungert bin?"

Typisch Captain Nemo, geht es Mistie dabei unweigerlich durch den Kopf. Der denkt wieder mal in erster Linie an seinen Magen. Stattdessen sollten sie überlegen, wie sie Sammy dazu veranlassen, nach Hause zu fahren. Dort muss nämlich niemand Geringeres gerettet werden als seine Lebensgefährtin Sophia – und zwar vor den mehr als zweifelhaften Therapieversuchen des Psychotherapeuten Cornelius Sauberkraut. So wie der Marder seine Hundefreundin Lady kennt, hält die ihn zwar tapfer in Schach. Doch wer weiß, wie lange ihr das noch gelingt?

Wenn Mistie wüsste! Lady befindet sich in einer praktisch aussichtslosen Lage. Von wegen Sauberkraut in Schach halten! Angebunden neben dem weißen Nappaledersessel im Salon, kann sie nicht mal beobachten, was am Pool vor sich geht, nur immer wieder an der Kette zerren und aus Leibeskräften bellen. Doch hinter schallisolierten Fenstern ist das vergebliche Liebesmüh.

Lady kläfft trotzdem weiter, aus Wut – auf diesen verdammten Psychotherapeuten und nicht zuletzt auch ein bisschen auf Sophia. Denn die hat sie schließlich hier eingesperrt, wegen Sauberkrauts Tierphobie. Na warte, schwört ihm die Hündin. Wenn ich hier raus bin, hast du allen Grund für eine Chihuahua-Phobie!

Wütend beißt sie auf die Metallkette. Dünn ist die ja, aber nichtsdestotrotz widerstandsfähig. Zu blöd – sonst benutzt Sophia doch immer Lederleinen.

Ladys Zähne kapitulieren. Nein, so geht es nicht. Ihre Wut steigert sich zu unbändigem Zorn. Zwecklos – bei jedem Sprung nach vorn schmiegt sich das feine Leder des Geschirrs eng an ihre Brust und bremst sie aus. Wenn Mistie da wäre, könnte er es durchbeißen – so wie die Schnur, mit der Sauberkraut hier letztes Jahr gefesselt war. Nachdem er den Schock überwunden hatte, von einem Marder befreit worden zu sein, alarmierte er die Polizei. Die hätte es ohne die tatkräftige Unterstützung der Tiere allerdings nicht geschafft, Sophia aus der Gewalt ihres Ex-Mannes Anton zu befreien. Der wollte sich an ihr dafür rächen, dass er sie im Sommer zuvor während einer gemeinsamen Kreuzfahrt nicht im Meer ertränken konnte und obendrein auch noch gefasst wurde. Also war er aus dem Gefängnis ausgebrochen und hatte mit zwei weiteren Ganoven Sophias Villa überfallen.

Seit seiner Festnahme, sitzt Anton wieder hinter Gittern. Doch Sophia leidet immer noch unter seinem Mordversuch an ihr. Sie fürchtet sich vor Wasser, weil sie beinahe darin ertrunken wäre. Aber was fast noch schlimmer ist – sie hofft weiterhin, dass Cornelius Sauberkraut sie davon heilen kann.

Lady will rückwärts aus dem Geschirr schlüpfen, aber Sophia hat es enger geschnallt. So eine Zwangsjacke! Die Hündin schüttelt sich. Intuitiv richtet sie ihren Blick auf die Schlaufe der Leine, die um eines der Holzbeine des Sessels geschlungen ist. Prüfend schnuppert Lady daran und beißt hinein. Bingo – sie ist aus Synthetik und kapituliert nach wenigen Minuten.

Lady muss nun zwar die Kette hinter sich herschleifen, ist aber frei. Jetzt nichts wie durch die Marderklappe hinaus und ab zum Pool!

Unweit vom Rand, kniet Sauberkraut in einer für ihn mindestens zwei Nummern zu kleinen Badehose auf einer riesigen Luftmatratze. Vor ihm liegt seine Patientin auf dem Bauch und schlottert an sämtlichen Gliedern, trotz der heute durch keinerlei Wolken blockierten Frühlingssonne.

Andächtig träufelt Sauberkraut mit einem Badeschwamm Wasser auf ihren Rücken und wispert: "Fühl' nur, wie angenehm das Wasser deine Haut liebkost, Sophia. Es kann dir überhaupt nichts geschehen."

"Aber dir", knurrt Lady, deren feines Gehör sein Gesäusel schon von weitem vernimmt. Sie galoppiert über den kurzgeschorenen Rasen, zwischen diversen Ziersträuchern hindurch, und schlägt unfreiwillig einen Salto rückwärts. Nach dem ersten Schreck, rappelt sich die Kleine verdutzt auf. Was war das denn?

Erst, als sie weiterlaufen will, bemerkt sie, dass die Kette sich im Gezweig einer Hortensie verfangen hat. Kein Problem für Lady, sich freizunagen, aber das kostet Zeit. Zeit, in der Sauberkraut an ihrer Sophia herumfummelt. Mit gesteigerter Wut – falls das überhaupt noch möglich ist –, rast die Hündin weiter.

Längst liebkost nicht mehr nur das Wasser aus dem Schwamm Sophias Haut. Sauberkraut verteilt es auf ihrem Rücken und lässt wie beiläufig seine Hand unter das Oberteil ihres glutroten Bikinis gleiten, während ihm die Badehose noch enger wird.

In ihrer Angststarre realisiert Sophia das erst, als seine Stimme erregt klingt. Sie richtet sich auf und blickt irritiert in sein vor Verlegenheit gerötetes Gesicht. "Ich glaube, für heute reicht's. Sammy müsste auch bald kommen, wegen seiner Sprechstunde."

Der Psychotherapeut fährt sich durch sein schütteres Haar. "Aber Sophia, so kommen wir nie voran. Ich bin sicher, du würdest das Wasser noch länger ertragen."

Das Wasser vielleicht schon, aber deine Hand nicht, denkt die Blondine unweigerlich. Bei dieser Erkenntnis geht ein Strahlen über ihr Antlitz. Also wenn das kein Fortschritt ist...

Sauberkrauts Gesicht glüht fast so rot wie Sophias Bikini. Stolz auf seinen vermeintlichen Therapieerfolg, umarmt er sie überschwänglich und bringt dadurch die Luftmatratze heftig zum Schwanken.

Noch bevor Sophia überhaupt versuchen kann, sich zu wehren, schreckt er allerdings schreiend zurück und stiert auf seinen rechten Zeigefinger. Daraus tropft Blut auf sein Knie.

Lady kommt hinter Sophias Rücken hervor, platziert sich mit klatschnassem Fell besitzergreifend auf deren Schoß und präsentiert dem Therapeuten ihre nadelspitzen Zähnchen.

"Lady?", haucht die junge Frau. "Wo kommst du denn her?" "Von dort, wo du mich angebunden hast", kläfft die Hündin. "Schon vergessen?" Knurrend fixiert sie Sauberkraut, der einen unfreiwilligen Salto rückwärts von der Luftmatratze geschlagen hat und nun auf der Stelle im Wasser herumpaddelt. "Dieser Kerl kann dir nicht helfen, der bringt dich bloß noch mehr durcheinander!"

"So... So... Sophia", stammelt der Psychotherapeut atemlos. "So geht das nicht. Die hat mich gebissen, diese Bestie..." "Ja, so geht das wirklich nicht", stimmt Lady ihm ausnahmsweise zu. Bevor Sophia es verhindern kann, springt sie ins Wasser und jagt ihn durchs Becken. Dass die Kette immer noch an ihr dranhängt, stachelt sie nur noch mehr an. Ohne die hätte sie den Kerl längst erreicht und ein für allemal klar Schiff gemacht!

"Ich und Elias, wir haben ein Schiff gekapert – eine goldene Kogge, auf einem der höchsten Dächer", berichtet Elsie stolz, nachdem sie in den Hammerhai geflogen ist und sich auf einer Stuhllehne niedergelassen hat. "Aber wie das so ist – wer viel hat, der kann auch viel verlieren."

Mistie gesteht sich nur ungern ein, wie beeindruckt er von dermaßen viel Lebensweisheit einer so jungen Elster ist. Liegt es womöglich daran, dass sie in menschlicher Obhut aufgewachsen ist? Dann könnte er eigentlich auch stolz sein. Schließlich waren es seine Menschen, die Elsie letztes Frühjahr adoptierten. Und obwohl sie einem manchmal gewaltig auf die Nerven geht, ist es vorteilhaft, einen Vogel zu kennen.

"Elsie, du könntest doch zur Villa fliegen und nachschauen, ob Sauberkraut die Finger von Sophia lässt", schlägt er vor. "Hm...", überlegt die Elster. "Dann muss aber in der Zwischenzeit jemand Elias helfen, unsere goldene Kogge zu verteidigen."

Klar, denkt der Marder. Da sind viele andere Vögel scharf drauf, besonders jetzt, im Frühling. Er überlegt fieberhaft, wer dieser "Jemand" sein könnte.

Gelächter, das vom Stammtisch herüberschallt, lässt ihn aufhorchen. Durch drollige Kunststückchen hat Captain Nemo von zukünftigen Tiernotrettern Leckerlis ergattert.

Muss es denn unbedingt ein Vogel sein, der die goldene Kogge auf dem Dach verteidigt?, fragt sich Mistie. Wäre ein Kater nicht viel besser dazu geeignet, unliebsames Geflügel zu vertreiben? Sofern er sich nicht vorher den Wanst vollhaut und in süße Träume versinkt!

Mit zwei Sätzen ist Mistie am Tisch bei Captain Nemo und zupft ihn am Kragen. "Los komm, du wirst anderweitig gebraucht. Ich weiß, wo es ganz frisches Fleisch gibt – fangfrisch!"

Die Leute lachen noch lauter. "Hier, du kriegst auch was", verspricht ein junger Mann und hält Mistie ein Stückchen Fleisch von seinem Teller vor die Nase. "Brauchst nicht eifersüchtig sein."

Bei aller Notwendigkeit, anderes zu erledigen – da kann der Marder natürlich nicht widerstehen. Die Elster äugt neugierig herüber und hüpft auf die um den Tisch Versammelten zu, flattert aber gleich wieder zurück, als man sie beachtet.

"Typisch Elsie, frech und vorsichtig zugleich", bemerkt Sammy. "Ihr scheint es in der Großstadt zu gefallen. Jedenfalls lässt sie sich kaum noch bei uns blicken. Das hat Sophia auch schon ge..." Abrupt bricht er ab, wirft einen Blick auf seine Armbanduhr, deren Zeiger auf kurz vor sechzehn Uhr stehen, und schlägt sich gegen die Stirn. "Himmel, meine Sprechstunde! Ich hab völlig die Zeit vergessen, muss sofort Sophia anrufen und fragen, ob schon Patienten da sind."

Mistie und Captain Nemo haben denselben Gedanken: Na endlich! Gespannt lauschen sie, hören aber nur den Wählton, was sie nicht gerade beruhigt. Sophia kann offenbar nicht rangehen. Seufzend steht Sammy auf und blickt in die Runde. "Tut mir leid, aber ich muss los." "Wir informieren dich, wenn's Neuigkeiten gibt", verspricht Charles.

"Na, wie hab ich das gemacht? Was krieg' ich dafür?", krächzt Elsie, fliegt voraus und lässt sich auf dem Dach von Sammys schwarz-weißem Fiat Panda nieder, der am Straßenrand parkt. Mistie und Captain Nemo folgen ihr und fragen wie aus einer Schnauze: "Wieso du?" Elsie plustert sich auf. "Na, durch mich ist ihm schließlich eingefallen, dass er nach Hause muss."

Marder und Kater sehen sich an. Diese Logik erscheint ihnen ein bisschen sehr an den Haaren, beziehungsweise Federn, herbeigezogen.

Doch bevor Elsie Lohn einklagen kann, erreicht Sammy sein Auto, steigt nach Mistie ein und startet den Motor. Hinter ihnen wartet bereits ein orangenes VW Käfer-Cabrio blinkend auf die Lücke. Das Lenkrad einschlagend, schaut Sammy in den Rückspiegel – und stutzt. "Was ist?", fiept Mistie vom Beifahrersitz herüber, findet aber kein Gehör. Stattdessen dreht Sammy den Zündschlüssel wieder ab, steigt aus und sieht sich einer attraktiven Brünetten gegenüber.

Zum Entsetzen der Tiere, fallen sich die beiden lachend in die Arme. "Anja, was machst du denn hier?", bringt Sammy endlich heraus. "Das wollte ich dich gerade fragen", erwidert die junge Frau und kneift ihn freundschaftlich in die Seite. "Sag bloß, du hast bei dieser Tiernotrettungsgeschichte die Finger im Spiel."

Sammy streicht sich eine seiner dunklen Locken aus dem überraschten Gesicht. "Na klar, du weißt doch, dass ich bei allen interessanten Unternehmungen mitmische." "Stimmt", pflichtet Anja ihm bei. "Das war schon während unserer Studentenzeit so."

Sammy lächelt gedankenverloren, offenbar in Erinnerungen schwelgend. Doch plötzlich schreit er auf, gekniffen von spitzen Zähnchen, und schaut verdutzt den Marder an. "Was fällt dir ein?" "Das frage ich dich", fiept Mistie. "Wann fahren wir endlich?"

"Denk an Sophia und an deine Sprechstunde!", mahnt Captain Nemo und richtet sich pfötelnd an Sammys Hosenbeinen auf. Auch Elsie wird ungeduldig, hüpft zeternd auf dem Autodach herum. "Ich muss jetzt wissen, ob ich zum Pool fliegen soll oder nicht! Selbstverständlich nur, wenn der Captain solange als Dachschiffskater einspringt und Elias hilft, unsere goldene Kogge zu verteidigen! Und zwar schnell, ich kann meinen armen Mann nicht mehr lange warten lassen!"

Die Brünette bricht in schallendes Gelächter aus. "Kannst du mir das übersetzen, Doktor Dolittle?" Sammy grinst. "Klar. Sie wollen, dass du bei uns einsteigst."

Mistie wendet sich an Captain Nemo. "Zu uns, ins Auto? Von wegen! Was, wenn Sophia ihn mit der sieht..." "Vor allem, wenn sie sieht, wie er mit ihr umgeht", fügt der Kater hinzu.

Doch zu beider Entsetzen nickt Anja. "Dafür bin ich extra aus Berlin angereist. Ich eröffne in Hamburg eine Kleintierpraxis und mach' mit bei eurer Tiernotrettung."

"Lady!", ruft Sophia aus Leibeskräften. Bäuchlings auf der Luftmatratze liegend, paddelt sie mit beiden Händen der Hündin nach, während ihr der Schweiß aus allen Poren bricht. "Hierher Lady – Lady!"

Sie ist schon ganz heiser, als ihr klar wird, dass sie ihre Strategie ändern muss. "Cornelius, schwimm' zu mir, dann kommt sie auch, und ich kann sie erwischen!"

Der Psychotherapeut hält Kurs auf den Beckenrand, ist aber noch weit davon entfernt. Atemlos vor Angst und Anstrengung, bringt er kein Wort heraus, befolgt jedoch die Anweisung seiner Patientin. Deren Rechnung scheint aufzugehen, denn Lady bleibt ihm dicht auf den Fersen. Mehrmals verfehlt sie knapp eine seiner Zehen, schluckt Wasser und niest. So ein Mist! Die Kette an ihrem Geschirr ist schuld! Ohne die hätte sie den Kerl längst erwischt. Der soll bloß versuchen, wieder zu Sophia auf die Luma zu kommen!

Apropos Sophia – von der wird sie sich auch nicht austricksen lassen. Trotz des lästigen Anhängsels, gelingt es der Hündin, ihren Zugriffen auszuweichen. Eifrig jagt sie Sauberkraut um die Luma herum und kneift ihn in seine Rettungsringe, die über der Badehose hervorquellen.

Nachdem er sich endlich mit ersterbender Kraft wie ein Walross auf die Luftmatratze gehievt hat, fällt er heulend und hilfeheischend in Sophias Arme. Tröstend wiegt und streichelt sie ihn, während ihre freie Hand den Hund von ihm abhält.

Dermaßen miteinander beschäftigt, entgeht den Dreien völlig, wie ein lauer Frühlingswind die Luma zum Beckenrand treibt. Erst Sammys Stimme lässt Sophia aufhorchen und in sein angewidertes Gesicht blicken. "Schatz", beginnt sie zögernd. "Es ist alles ganz anders, als du denkst."

"Überlass' gefälligst mir, was ich denke", entgegnet der Tierarzt barsch und wendet sich ab. "Hilf mir raus!", stößt Sophia panisch hervor und fügt ein leises "Bitte" hinzu.

Sammy hebt die nunmehr lammfromme Hündin hoch, befreit sie von ihrem Anhängsel und setzt sie zu Mistie auf den Rasen. Anschließend reicht er Sophia innerlich widerstrebend eine Hand, zieht und übersieht, dass ihr linker Fuß in Sauberkrauts Armbeuge hängt. "Nicht so schnell!", schreit sie, aber es ist schon zu spät.

Nachdem Sammy sie mit einem Ruck an Land gezogen hat, reibt sich Sophia mit schmerzverzerrtem Gesicht ihren Fuß. Ohne sich auch nur einmal umzuschauen, geht Sammy zur Praxis.

"Der ist ja stinksauer", winselt Lady, worauf Mistie meint: "Wenn er die andere mitgebracht hätte, wäre sie es wahrscheinlich auch." Lady horcht auf. "Welche andere?" "Die, mit der er studiert hat", erklärt Mistie. "Eine Kommilitonin?", fragt die Hündin. Der Marder ist wieder mal tief beeindruckt von ihrem Wortschatz. "Ja, so hat er sie den anderen im Hammerhai vorgestellt." "Das fehlte noch", seufzt Lady, leckt Sophias schmerzenden Fuß und versucht gleichzeitig, Sauberkraut anzukläffen.

Der hat inzwischen auch wieder festen Boden unter den Füßen und schleicht sich davon, am ganzen Körper glänzend von Wasser und Schweiß.

"Komm gut nach Hause, Cornelius!", ruft Sophia und hält Lady am Geschirr fest, damit sie ihm nicht nachrennen kann. Der leichenblasse Psychotherapeut dreht sich im Gehen um, nickt und entschwindet in Richtung seiner Limousine.

Sophia blickt auf Hemd und Hose, die auf der Terrasse über der Lehne eines Teakholzstuhls hängen, und schreit: "Deine Kleider!" Der Flüchtende reagiert nicht darauf, erreicht sein Auto und braust davon.

"Das war's dann wohl", spekuliert Sophia seufzend, steht auf, hinkt über die Terrasse in den Salon und zieht sich an. Mistie sieht, dass sich hier in naher Zukunft nichts Interessantes mehr ereignen wird, und macht sich über den Rasen davon. Lady verharrt zunächst unschlüssig, folgt ihm dann aber zur Tierarztpraxis im Souterrain der Villa.

Hinter einem Rauhaardackel schlüpfen sie ins Wartezimmer. Dort verharren Hunde und Katzen in scheinbarer Eintracht. Mistie weiß aus Erfahrung, wie trügerisch dieser Eindruck sein kann, und verbirgt sich zunächst hinter dem Tresen. Von dort aus beobachtet er, wie Lady schnurstracks auf einen schwarzen Fellberg zusteuert und sich von ihm umgarnen lässt. "Du riechst nach Bruno, bist es offenbar wirklich", bemerkt die Hündin schwanzwedelnd. "Ich hätte dich beinahe nicht erkannt, so, wie du dich rausgemacht hast." "Tja", entgegnet der Briard-Mix-Rüde stolz. "Seitdem ich so liebevolle Menschen habe, kann ich mich richtig entfalten." Dabei blickt er dankbar zu der aparten Mittfünfzigerin neben ihm auf dem Stuhl und lässt sich von ihr hinter den Ohren kraulen.

"Ich werde dir nie vergessen, dass Du unseren Sammy vor der miesen Charlotte beschützt hast", beteuert Lady und erlaubt sogar, dass Bruno sie unter dem Schwänzchen beschnüffelt – wenn auch nur kurz. Schließlich hat alles seine Grenzen. Außerdem wird gerade die Tür zum Behandlungsraum geöffnet. "Bruno!", ruft Sammy und strahlt übers ganze Gesicht. "Das ist aber nett, dass Du mich mit deinem neuen Frauchen besuchst, obwohl es dir offensichtlich ausgezeichnet geht." Der Rüde begrüßt Sammy überschwänglich, lässt sich von ihm knuddeln und folgt ihm bereitwillig in den Behandlungsraum, die vorwitzige Chihuahua-Hündin im Schlepptau.

Drinnen wendet sich der Tierarzt an die Begleiterin. "Schön, dass Bruno bei Ihnen ein neues Zuhause gefunden hat. Er hat es sich aber auch redlich verdient." Die Mittfünfzigerin lacht herzhaft. "Das können Sie laut sagen! Guten Tag, Herr Doktor. Mein Mann und ich hoffen, dass wir so einen Prachtkerl wie ihn verdient haben. Verzeihen Sie meine Neugier", fährt sie fort. "Aber war das wirklich so, wie es die Medien rüberbringen? Hat er Sie tatsächlich vor der Komplizin dieser Einbrecher bewahrt?" "Und ob", beteuert Sammy. "Die hatte mich unter einem Vorwand von zu Hause weggelockt und wollte mir eine Betäubungsspritze verpassen." Schaudernd bei der Erinnerung daran, tätschelt Sammy den Rüden am Hals und fährt fort: "Aber du hast das nicht zugelassen, mein Junge, nicht wahr? Du bist dazwischengegangen."

"Sie hätten ihn bestimmt auch gern genommen", vermutet die Frau, mit fast schuldbewusstem Unterton in der Stimme. "Und jetzt hab ich ihn Ihnen weggeschnappt."

Seufzend streicht Sammy über Brunos Kopf, beteuert dann aber: "Das ist schon okay so, Frau..." "Reimann." "Frau Reimann – er kam ja von einer Tierschutzvereinigung und musste laut Vertrag erst mal zu denen zurück. Außerdem...", fährt er lächelnd fort, wobei sein Blick auf Lady fällt, "...ist es fraglich, ob diese kleine Fellnase damit einverstanden gewesen wäre. Sie ist nämlich ziemlich kapriziös und wird leicht eifersüchtig."

Gegen diese Unterstellung protestiert Lady lauthals und übertönt damit den Klingelton von Sammys Smartphone, das auf einem niedrigen Schränkchen liegt. Flugs hüpft sie hinauf, nimmt es und bringt es dem Tierarzt.

"Meine neue Assistentin", erklärt der grinsend der verblüfften Frau Reimann und versucht, sich seinen Unmut nicht anmerken zu lassen, als er die Nummer auf dem Display erkennt. Sich entschuldigend, tritt er beiseite und fragt: "Was ist?" "Ich will nur sagen, dass ich dir heute nicht assistieren kann", berichtet Sophia vom anderen Ende der Leitung. "Hab mir womöglich 'nen Bänderriss zugezogen und muss zum Arzt." Sammy, immer noch geladen, hört kaum zu. "Okay", entgegnet er knapp, unterbricht die Verbindung und fragt Frau Reimann, was er für sie und Bruno tun könne. "Seine nächste Impfung ist fällig", antwortet sie. "Und vorher sollte man doch eine Wurmkur machen, oder?" "Ganz recht", bestätigt Sammy, entnimmt seinem Arzneischrank eine kleine Schachtel und reicht sie Frau Reimann. "Das verstecken Sie in irgendwas besonders Leckerem, am besten in Leberwurst."

Lady stellt sich auf die Hinterbeine und stupst ihren großen Freund an. "Lass dich nicht so schnell austricksen, sondern spuck' die Tablette gleich wieder aus. Dann kriegst du bestimmt noch mal was von der Leberwurst." "Prima Tipp", freut Bruno sich schwanzwedelnd. "Gibt es das zur Impfung auch? Ich meine, als kleine Entschädigung dafür, dass ich die über mich ergehen lassen muss –, obwohl ich ihn vor einer Spritze bewahrt habe." "Das kannst du doch nicht miteinander vergleichen", protestiert Lady. "Die Impfung soll dich vor Krankheiten schützen. Außerdem...", fügt sie hinzu, "ist es gar nicht schlimm. Sammy kann sehr gut impfen." Bruno staunt. "Als Tierarzt-Assistenzhund weiß ich so was", erklärt Lady, "weil die Menschen hier oft darüber reden. Sammy gibt eigentlich jedem nach der Impfung ein Leckerli, allerdings keine Leberwurst."

Frau Reimann hat sich unterdessen bedankt und die Schachtel eingesteckt. Da fällt ihr plötzlich noch etwas ein. "Oh, bevor ich's vergesse..." Lady horcht auf. Was kommt jetzt? Diese Frau scheint ja ganz okay zu sein, aber all die üblen Erfahrungen in der Vergangenheit haben das Misstrauen der Hündin Menschen gegenüber geschürt.

"Ich habe gehört, dass Sie einen Tiernotrettungs-Verein gründen", fährt Frau Reimann fort. Als Sammy das nickend bestätigt, fragt sie: "Haben Sie schon einen Fahrer für den Rettungswagen?" Der Tierarzt verneint und gesteht ein, daran noch gar nicht gedacht zu haben.

Ein Leuchten geht über Frau Reimanns Gesicht. "Ich kann Ihnen einen empfehlen, und zwar meinen Mann. Er war Fernfahrer, wissen Sie, und weiß einfach gar nichts mit sich anzufangen, seitdem er in Rente ist. Unter uns gesagt..." Vertraulich legt sie eine Hand auf Sammys Unterarm und blickt sich um, als wolle sie sich vergewissern, dass sonst niemand im Raum ist. "Er geht mir entsetzlich auf die Nerven mit seiner ständigen Leichenbittermiene."

Sammy ist begeistert. "Das wäre wirklich prima! Ich fürchte nur..." Er stockt, doch Frau Reimann scheint seine Gedanken lesen zu können und hilft ihm aus der Verlegenheit. "Ich weiß schon, was Sie sagen wollen, machen Sie sich mal wegen der Bezahlung keine Sorgen", versichert sie. "Er fährt selbstverständlich ehrenamtlich, wird froh sein, dass er wieder etwas zu tun hat. So wie ich ihn kenne..." Lachend unterbricht sie sich selbst", ...wird er dem Verein noch was spenden wollen – aus lauter Dankbarkeit dafür, dass er endlich was Vernünftiges mit seiner Zeit anfangen kann."

Erleichtert atmet Sammy auf. "Na, dann... Das wäre wirklich super. Er ist uns herzlich willkommen!" Frau Reimann zwinkert ihm zu. "Sie müssen es ihm ja nicht unbedingt sagen, aber mir täten sie damit auch einen großen Gefallen. Ach übrigens..." Plötzlich wird sie ernst und verzieht das Gesicht. "Ich hoffe, dieser schreckliche Kerl, dieser – Sie wissen schon –, ist inzwischen zu einer gerechten Haftstrafe verurteilt worden." Sammy zuckt mit den Schultern. "Wie man's nimmt – unter zehn Jahren, weil man ihm offenbar nicht nachweisen konnte, dass der Mord an seinem Komplizen keine Notwehr war."

Wenn die Rede von Anton ist, kann Lady sich ein Knurren nicht verkneifen. Und wie so oft, wird es auch diesmal von den Menschen fehlinterpretiert. "Jetzt scheint sie tatsächlich eifersüchtig zu werden", meint Frau Reimann und verabschiedet sich umgehend. Sammy ist es recht, denn draußen warten noch andere Patienten.

Marder Alarm! Ein mörderischer Sommer

Подняться наверх