Читать книгу Marder Alarm! Ein mörderischer Sommer - Kirsten Klein - Страница 7

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"Jetzt reden sie schon seit drei Tagen nur das Allernötigste miteinander", winselt Lady, als sie Mistie nach einem anstrengenden Vormittag in der Praxis auf dem Flur im zweiten Stock der Villa begegnet. "Ja", bestätigt der Marder, "und dabei ist Frühling – Paarungszeit! So kann es nicht weitergehen. Du kennst die Menschen besser als ich. Was können wir tun? Los, schlag was vor."

Weil der Hündin spontan nichts einfällt, kratzt sie sich erst mal hinter dem Ohr. Währenddessen fährt Mistie fort: "Wenn es denen schlecht geht, haben wir auch keinen Spaß. Sammy ist so zerstreut, dass er sogar vergessen hat, meinen Napf zu füllen, als ich gestern Abend später nach Hause gekommen bin. Ich hab ihn erst anstupsen müssen." "Aber warum kommst du auch immer so spät?", regt Lady sich auf.

"Immer?!" Mistie fühlt sich zu unrecht beschuldigt. "Na ja", meint Lady, "fast immer treibst du dich bis nach der Abenddämmerung im Wald herum – manchmal noch viel länger." Der Marder sieht nicht ein, was daran schlimm sein soll. "Na und, komm doch einfach mit." "Du weißt genau, dass das nicht geht", belehrt ihn die Hündin. "Ich muss schließlich auf die Villa aufpassen und auf unsere Menschen. Im Gegensatz zu dir, besitze ich Verantwortungsgefühl."

Mistie ärgert sich über diese Vorwürfe, möchte aber nicht streiten. Flüchtig erwägt er, zurück ans andere Ende des Flurs zu laufen, wo Sammy in seinem Büro am Schreibtisch sitzt und am Computer einen Kalkulationsplan für den Tiernotrettungs-Verein erstellt. Dass er seinen beharrlich knurrenden Magen dabei ignoriert, konnte Mistie nicht mehr ertragen. Fast fühlte er sich davon bedroht. Und nun auch noch Ladys Unmut... "Du brauchst doch gerade nur jemanden, auf dem du rumhacken kannst, weil Sophia nicht macht, was du willst", sagt er ihr auf den Kopf zu.

Die Hündin fühlt sich ertappt. "So bockig war sie wirklich noch nie, liegt auf dem Bett in ihrem Schlafzimmer, das sie jetzt für sich allein eingerichtet hat, und jammert über ihren schmerzenden Fuß. Ans Essen denkt sie nicht die Bohne, obwohl die Mittagspause schon fast vorbei ist." "Na ja", meint Mistie. "Also da kann ich Sophia verstehen. Bohnen gehören auch nicht gerade zu meinen Lieblingsgerichten." "Das sagt man doch bloß so!", kläfft Lady, kehrt aber sogleich zum eigentlichen Thema zurück: "Wenn sie nichts isst, fällt natürlich auch für mich kein Häppchen ab."

Dass Menschen vieles sagen und gar nicht so meinen, weiß Mistie ja längst, aber über etwas anderes wundert er sich jetzt. "Vom Teller dürfen wir doch sowieso nichts haben." "Ja, aber mir steckt Sophia manchmal heimlich was zu, wenn Sammy es nicht sieht", verrät Lady und gibt sich kapriziös. "Tja, das ist eben ihr Tribut an mich – nur an mich."

"Pah!", stößt Mistie gekränkt fauchend hervor. "Bild' dir nur nichts ein! Von wegen nur an dich! Wenn ich sie so anhimmeln würde wie du, bekäm' ich genauso viel – mindestens!" "So, glaubst du?", kläfft Lady. "Und warum hast du's dann noch nie ausprobiert?" "Warum?" Der Marder überlegt. "Ich hab halt mehr Ehrgefühl im Leib." Als du, fügt er gedanklich hinzu. Urplötzlich geht ihm auf, wie sehr ihm dieses sich anbiedernde hündische Verhalten manchmal zuwider ist.

"Mehr Ehrgefühl!" Empört schnappt die Hündin nach seiner Wange, verfehlt sie jedoch knapp, weil er reflexartig zurückzuckt. Das stachelt ihren Ärger nur noch mehr an. "Was hat das denn mit mangelndem Ehrgefühl zu tun? Eher mit Dummheit! So wirst du es niemals schaffen, Menschen gekonnt um die Pfote zu wickeln!"

Mehr vor Schreck als vor Wut, kreischt Mistie auf. So hat er seine Hundefreundin ja noch nie erlebt. Soll er sich wehren oder versuchen, sie zu beschwichtigen?

Dermaßen miteinander beschäftigt, entgeht den Kontrahenten, dass die Türen an beiden Enden des Flures geöffnet werden. Sammy erreicht im Nu den Schauplatz des Geschehens. Auch Sophia ist erstaunlich schnell, trotz ihres schmerzenden Fußes. Mistie, der sich gerade dazu entschlossen hat, Lady gehörig zu zwicken, hält inmitten der Bewegung inne. Die Hündin verharrt wie ausgestopft.

Weil keiner ihrer Menschen mit dem anderen gerechnet hat, schauen sie einander verdutzt an. Sammy, dem die Zwietracht seelisch besonders zusetzt, will diese Gelegenheit zu einem versöhnlichen Lächeln nutzen. Doch einen Sekundenbruchteil zuvor herrscht Sophia die Tiere an: "Aufhören, hört sofort auf!" Kaum hat sie ausgesprochen, da erkennt sie ihren Fehler und lockt die Hündin mit sanfter Stimme und Kosenamen. Aber die durchschaut ihre Absicht, duckt sich unter ihrer Hand, entzieht sich so dem Zugriff und huscht zu Sammy. Verborgen hinter seinen Füßen, lugt sie neugierig an seinem Knöchel vorbei zu Sophia. Die muss bei diesem Anblick lachen.

So nimmt sie dich nicht ernst, liegt es Sammy auf der Zunge, doch er kann die Worte gerade noch hinunterschlucken und lacht mit.

Lady winselt Mistie zu: "Worauf wartest du noch? Das ist unsere Chance, ihnen zu zeigen, wie man sich versöhnt."

Der Marder trippelt zu seiner Freundin und leckt ihr die Lefze. "Schau nur, die sind schlauer als wir", resümiert Sophia. In weniger als zwei Schritten ist Sammy bei ihr und nimmt sie in seine Arme. "Verzeih mir Schatz, aber ich kann diesen Sauerkraut einfach nicht mehr ertragen." "Sauberkraut", berichtigt sie ihn, mit Tränen der Erleichterung in den Augen. "Genau", stimmt Sammy zu, "diesen sauberen Sauertopf – Sauerkraut, Sau..." Weiter kommt er nicht, denn sie verschließt seinen Mund mit Küssen.

"Tut mir leid, das mit deinem Fuß", beteuert Sammy, als er endlich wieder sprechen kann. "Ist es noch sehr schlimm? Was sagt denn der Arzt?" "Hm...", meint Sophia. "Tut schon noch weh, so was kann langwierig sein. Aber zum Glück ist das Band nur gezerrt und nicht gerissen, wie ich zuerst befürchtet hab. Ich soll mich ablenken, meint der Arzt." "Ablenken... Du, da hab ich eine Idee. Ich bin heute nach der Sprechstunde im Hammerhai verabredet, zur Vereinsgründung", berichtet Sammy. "Es gibt auch eine Überraschung, für euch alle. Weißt du was, komm doch mit, du musst ja nicht viel gehen."

"Prima Idee", meint Lady zu Mistie. "Das hält Sammy davon ab, auf dumme Gedanken zu kommen." Der Freund versteht nicht, was sie damit meint. "Was für dumme Gedanken?" "Oh Marder!", jault die Hündin. "Du bist ja fast so begriffsstutzig wie ein Mensch!"

"Wir hätten unseren Verein besser an einem Ruhetag gründen sollen", meint Sophia mit bedauerndem Blick zu Lydia. Die muss nämlich schon zum x-ten Mal aufstehen, um einen Gast zu bedienen, diesmal am Nachbartisch.

"Gerade darin liegt doch die Raffinesse meines Schachzugs", flüstert der neununddreißigjährige Marketing Manager August Keller Sophia zu und beugt sich dabei über ihr Dekolleté. Weil sie ihrem Fuß wegen der Verletzung keinen schicken Schuh zumuten kann, trägt sie, trotz des warmen Aprilabends, kein luftiges Kleid, sondern Jeans und ein tief ausgeschnittenes bunt gemustertes T-Shirt.

"Auf diese Weise kriegt nämlich jeder mit, dass hier etwas ausgesprochen Bedeutendes besprochen wird", erklärt August. "Okay...", wundert sich Sophia und verschränkt die Arme vor der Brust. "Aber wenn es jeder mitkriegen soll, warum flüsterst du dann?"

Auch von anderen künftigen Vereinsmitgliedern am vollbesetzten Stammtisch erntet August fragende Blicke. Als wäre er von Idioten umgeben, schüttelt er seufzend den Kopf und erklärt schulmeisterlich: "Wenn ihr aufgepasst hättet, dann wäre euch aufgefallen, dass ich absichtlich besonders laut geflüstert habe."

"Hä?", tönt es von allen Seiten. Das wird ja immer kurioser. Ist August noch bei Verstand? "Na ja", fährt er geduldig fort. "Laut genug, damit auffällt, dass hier etwas Interessantes besprochen wird, aber leise genug, damit es noch geheimnisvoll bleibt. Das ist angewandte Psychologie, macht neugierig und erregt allgemeines Aufsehen", fügt er mit erhobenem Zeigefinger hinzu.

Psychologie – auf dieses Wort reagieren Mistie, Lady und Captain Nemo mittlerweile allergisch. Fehlt noch, dass der nun Sophia von ihrer Wasserangst heilen will, raunen sie unter dem Tisch einander zu.

Lydia registriert Augusts Geste aus einem Blickwinkel heraus. "Komme gleich!" ruft sie herüber und widmet sich wieder dem Gast. "Also – ein Pils und ein paniertes Schnitzel Wiener Art mit Kartoffelsalat?" Der ältere Mann nickt zustimmend.

"Apropos Schnitzel", wirft Sammys Ex-Kommilitonin Anja mit leuchtenden Augen in die Runde. "Wie wär's, wenn der Hammerhai auf Veggieschnitzel umstellen würde?" "Super Idee!", ruft Sophia begeistert. Lydia blickt fragend herüber und auch Gäste an einigen anderen Tischen horchen auf.

Sammy wendet sich seiner Lebensgefährtin erstaunt zu. "Na ja", erklärt sie, "ich überlege schon lange, ob ich meine Ernährung auf vegan umstellen sollte – oder wenigstens auf vegetarisch." Zweifelnd blickt sie in die Runde. "Aber wie's aussieht, sind Anja und ich mit dieser Idee allein – und das unter Leuten, die einen Verein zur Tiernotrettung gründen."

"Also ich finde euren Einfall prima", pflichtet Sammy ihr endlich bei. "Ich war nur etwas überrascht darüber, dass du das auch möchtest, Schatz." Noch während er spricht, würde er seine Worte am liebsten wieder zurücknehmen. Er fühlt nämlich den nachdenklichen Blick seiner Kommilitonin auf sich gerichtet und lässt sich davon verunsichern. Obwohl er nun schon seit geraumer Zeit mit Sophia zusammen ist, scheint er sie noch nicht wirklich gut zu kennen.

Inzwischen hat Lydia die Bestellung des Gasts an den Koch weitergegeben und sich zurück auf ihren Platz am Tisch der Vereinsgründer gesetzt. Sie spricht sich für das Veggieschnitzel aus.

Bestärkt wendet sich Anja an die Männer in der Runde: "Typisch, wieder mal sind wir Frauen die Vorreiter." "Moment", widerspricht Sammy empört. "Ich habe schließlich dafür gestimmt." Entschuldigend legt die Tierpsychologin ihre schmale und auffallend langfingrige Hand auf seinen Arm. "Sorry, dich hatte ich jetzt natürlich nicht gemeint. Also – was sagen die übrigen Herren der Schöpfung dazu?"

Charles nimmt einen langen Schluck aus seinem Bierglas und äußert sich zögerlich. "Hm, ja... Wisst ihr... Also, nicht dass ich grundsätzlich dagegen wäre..." "Aber?", nimmt Anja ihm das nächste Wort aus dem Mund. "Lass mich raten. Du fürchtest um eure Paleo-Anhänger." Der einstige Schiffskellner braucht einen Moment, bis er begreift, was sie meint. "Wenn du damit andeuten willst, dass unsere Gäste – insbesondere die männlichen –, auf dem Niveau der Steinzeit stehengeblieben sind, finde ich das nicht besonders charmant."

Anja seufzt. "Müsst ihr Kerle euch denn immer gleich auf den Schwanz getreten fühlen?" Das kann der harmoniebedürftige Sammy nicht so im Raum stehen lassen. Verlegen lacht er auf und verweist auf die sprichwörtliche Berliner Mentalität.

Die ist den Tieren unter dem Tisch natürlich fremd. "Wie kann man sich denn auf etwas getreten fühlen, was man gar nicht hat?", überlegt Mistie. "Menschen können nun mal nicht logisch denken", erklärt Lady. "Und überhaupt – manchmal glaube ich wirklich, sie sind neidisch auf uns, weil ihnen dieses hervorragende Ausdrucksmittel fehlt." "Ja, tragisch, wirklich sehr tragisch", sinniert Captain Nemo. "Vor allem unter den Menschen-Männern scheint das zu Kommunikationsproblemen zu führen. Jedenfalls prügeln die sich viel öfter als Frauen. Das erlebe ich auf meinen Streifzügen immer wieder.

Charles nimmt einen weiteren Schluck aus seinem Glas und meint versöhnlich: "Tut mir leid, wenn ich dich falsch verstanden hab, Anja. Wie du das gesagt hast – 'Paleo-Anhänger' –, ist es halt ein bisschen herablassend rübergekommen. Übrigens ernähren sich auch viele Frauen so. Diese Steinzeitkost besteht ja nicht nur aus Fleisch, aber es ist halt ein wichtiger Bestandteil."

Captain Nemo maunzt zustimmend und streicht ihm um die Beine. Er könnte sich ganz und gar nicht vorstellen, auf Fleisch zu verzichten, zumal ihm gerade der verführerische Duft des Schnitzels Wiener Art aus der Küche entgegenweht. Mistie und Lady pflichten ihm lautstark bei und ziehen damit die Aufmerksamkeit am Tisch auf sich.

Nach allgemeinem Gelächter schlägt Sammy vor, die Speisekarte durch vegetarische und vegane Gerichte zu ergänzen. "Dann gibt's für jeden was, und alle sind zufrieden." Lydia nickt zustimmend, während sie dem älteren Mann am Nachbartisch das Essen serviert. Den ersten Bissen kauend, meint der, er würde sehr gerne mal ein veganes Schnitzel Wiener Art probieren.

"Prima!", freut sich Sammy und fügt mit verheißungsvoller Miene hinzu: "Übrigens gibt's heute noch eine Überraschung." Er wirft einen Blick auf seine Armbanduhr. "Es müsste eigentlich bald soweit sein. Bis dahin erhält jeder die Vereins-Satzung." Er nimmt einen Stapel Formulare aus seiner Aktentasche und verteilt sie. "Ihr könnt sie ja noch mal durchlesen. Ich hab sie exakt so erstellt, wie beim letzten Treffen besprochen."

Während alle am Tisch lesen, äugen Gäste zu ihnen herüber, spitzen die Ohren und fragen sich augenscheinlich, was dort gerade besprochen wird. Manche haben unter den Vereinsgründern Harry Horch entdeckt, einen ewig jugendlich wirkenden Star-Reporter der "Hamburger Lupe". Bisher hat er sich zurückgehalten und nur gelegentlich Notizen gemacht. Doch nun räuspert er sich vernehmlich und äußert sein Erstaunen darüber, dass der Verein laut Satzung keine Mitgliedsbeiträge erheben wird.

"Wir wollen jedem ermöglichen, uns beizutreten. Deshalb finanzieren wir uns durch Spenden", erklärt Sammy und wendet sich an Sophia. "Schatz, ich nehme an, du möchtest etwas dazu sagen." Die Blondine nickt entschlossen. "Genau – der soziale Charakter des Vereins liegt uns sehr am Herzen. Deshalb werde ich ihn finanzieren."

Harrys Mund formt ein großes O. Ehe jedoch auch nur eine Silbe herauskommen kann, erläutert Sophia: "Aber das ist nicht der alleinige Grund. Nein, eigentlich..." Sie bricht ab und krault Lady, die mittlerweile auf ihren Schoß gesprungen ist, hinter den Ohren. "Harry, Sie haben ja auch über den Einbruch in meine Villa berichtet. Ich bin es endgültig leid, von Dieben behelligt zu werden! Schreiben Sie ruhig, dass sich das künftig nicht mehr lohnt, weil ich meinen Safe meistbietend versteigern lasse. Und um Ihre nächste Frage vorweg zu nehmen – mit Inhalt." Schelmisch lächelnd setzt sie hinzu: "...über den ich allerdings nichts verlauten lasse. Nur so viel: der Erlös kommt in vollem Umfang dem Tiernotrettungs-Verein zugute."

Die Frage, ob so eine Ankündigung glaubhaft ist, ja, ob die Blondine von Sinnen ist, hängt förmlich in der Luft – bis jemand auf den Tisch klopft und einen allgemeinen Begeisterungstaumel auslöst.

Der dröhnt nicht nur dem Marder unangenehm durch die Ohren. "Ich dachte, dieser Verein soll Tiere retten, nicht umbringen!" protestiert er laut fauchend. Sammy, der ihm am nächsten sitzt, vernimmt es und interveniert: "Ein bisschen leiser bitte!" Erst nach mehrmaligem Rufen kann er auch bis zu Gästen an weiter entfernten Tischen durchdringen.

Der Applaus ebbt ab. Stille tritt jedoch nicht ein, sondern Elsie. Die war in der Nähe auf Nahrungssuche und hat mitbekommen, dass im Hammerhai etwas los ist. Natürlich kann sie ihrer Neugier nicht widerstehen, fliegt durch die offenstehende Tür herein, lässt sich auf Sammys Stuhllehne nieder und krächzt: "Was geht denn hier ab? Hab ich was verpasst?"

Gäste amüsieren sich über ihren Auftritt. Elsie ignoriert das, blickt sich um und entdeckt auf dem Nachbartisch das halbverzehrte Schnitzel.

Lady durchschaut ihre Absicht. "Untersteh' dich!", kläfft sie warnend von Sophias Schoß aus. Captain Nemo springt auf Sammys Schulter und schlägt mit einer Pfote nach der Elster, aber die ist längst auf den Nachbartisch gehüpft und spottet: "Du schwerfälliger Sesselpupser!"

Als sie sich mit dem Schnitzel davonmachen will, muss sie feststellen, dass dessen Eigentümer es mittels seiner Gabel am Teller fixiert hat. "Warte, ich geb dir ja ein Stückchen", verspricht er lachend: "Aber nicht alles."

Der Mann hat bestimmt auch ein Herz für Vierbeiner. Captain Nemo, dem der "Sesselpupser" im Magen liegt, springt von Sammys Schulter auf den Nachbartisch, um Elsie zu verjagen. Der Speisende hält ihn jedoch mit einer Hand zurück und zerkleinert mit der anderen das restliche Schnitzel. Währenddessen bestellt er ein neues.

Lady erwägt nun ebenfalls, den Tisch zu besetzen, wird aber von Sophia zurückgehalten. "Nichts da, wo bleiben deine Manieren?", mahnt sie.

Manieren – Mistie fragt sich, ob ein Marder das haben muss und verneint augenblicklich. Schließlich werden die anderen mit der Schnitzelverteilung nicht auf ihn warten. Beim Essen hört bekanntlich die Freundschaft unter Tieren auf. Na ja, nicht unbedingt, aber sie gerät doch sehr hart an ihre Grenzen.

Lydia fängt den Marder ab, als er auf den Tisch springen will, aber der Gast meint: "Ach, lassen Sie. Wenn Sie nur bitte ein Foto von uns machen könnten... Meine Familie glaubt mir das sonst nie. Wissen Sie, ich bin Vertreter und erzähle daheim gerne von meinen Erlebnissen. Na ja...", fügt er etwas verlegen hinzu, "manchmal schmücke ich sie ein bisschen aus, verstehen Sie?" Die Wirtin zückt grinsend ihr Smartphone.

Mistie schnappt dem Gast ein Stück Schnitzel aus der Hand. Lydia reagiert schnell genug, um dessen überraschten Gesichtsausdruck zu verewigen. Andere Gäste amüsieren sich köstlich. "Hier gibt's auch was!" rufen zwei Kinder und winken mit Fritten. Mit wenigen Flügelschlägen ist Elsie bei ihnen, um die Kartoffelstäbchen zu probieren.

Der Hamburger Hammerhai – das neue Tiererlebnislokal!, notiert unterdessen Harry Horch in fetten Lettern und bittet Lydia, weitere Aufnahmen der Gäste mit den Tieren zu machen, für die Samstagsausgabe der "Hamburger Lupe".

Die Vereinsgründer werfen einander vielsagende Blicke zu. Ja, es war wohl wirklich sinnvoll, sich heute hier zu treffen. August kann es sich in seinem Eifer nicht verkneifen, das mehrmals zu betonen, vor allem, dass es seine Idee war.

Anja seufzt und verdreht die Augen. "Wir haben's verstanden. Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn, das auf seinem Mist gewachsen ist."

Mist? Der Marder blickt zu ihr herüber und überlegt, ob er sich angesprochen fühlen soll. Doch da erregt etwas anderes seine Aufmerksamkeit. Er und alle übrigen schauen zum Fenster, wo gerade hupend ein Rettungswagen vorfährt. Nur die Aufschrift "Tiernotrettung" unterscheidet ihn auf den ersten Blick von jedem anderen seiner Art. Ein drahtiger älterer Mann mit Glatze steigt aus, betritt strahlend das Lokal und weist auf das Gefährt. "Na, was sagt ihr dazu?"

Sammy springt von seinem Stuhl auf und schüttelt ihm herzlich die Hand. "Perfekt – einfach perfekt, Herr Reimann!" "Nix Herr Reimann", widerspricht der Angesprochene entschieden. "Ich bin der Freddy."

"Super, echt perfekt!", rufen alle Vereinsmitglieder, auch viele der Gäste. Nur Anja dämpft die Euphorie. "Fast perfekt", schränkt sie ein, "bis auf eine klitzekleine Kleinigkeit." Sie hält inne und blickt in fragende Gesichter. "Wir dürfen – sogar im Notfall –, weder mit Blaulicht noch mit Sirene fahren."

Aus fragenden Gesichtern werden lange.

Doch bevor eine Diskussion entstehen kann, überschlagen sich die Ereignisse. Eine Passantin sieht den Wagen mit dem auffallenden Schriftzug und stürzt ins Lokal. "Da hinten!", ruft sie und weist mit dem Finger in die Ferne. "Ein paar Straßen weiter ist ein Hund angefahren worden!"

Ohne kostbare Zeit zu vergeuden, eilen Sammy und Freddy hinaus und brausen mit quietschenden Reifen davon.

August, immer noch entrückt und in seinem Einfallsreichtum schwelgend, merkt verdutzt an, dass der Verein ja noch gar nicht rechtskräftig gegründet worden sei, doch niemand hört zu. Stattdessen geht einigen durch den Kopf, was Sophia ausspricht: "Das muss ausgerechnet im Feierabendverkehr passieren."

"Los, flieg hinterher!", fordert Captain Nemo Elsie auf. Die frisst gerade den Kindern die Pommes weg. Der Gast, auf dessen Tisch er immer noch sitzt, streicht ihm tröstend über den Kopf. "Mach dir nichts draus, ich bestell' dir eine neue Portion." Weil der Kater weiß, wie zwecklos es sein kann, Menschen über ihre Irrtümer aufzuklären, ignoriert er diese Bemerkung und wendet sich erneut an die Elster. "Willst du nicht beobachten, was sie machen?" "Ja", hakt Mistie ein, "du könntest uns dann Bericht erstatten."

Elsie hüpft auf eine Stuhllehne in Türnähe und putzt sich den Schnabel daran ab. "Ich muss zurück zu unserem Schiff und Elias dabei helfen, es vor den Krähen zu verteidigen." "Das können doch Nemo und Mistie übernehmen", wendet Lady ein. Die beiden sehen sie irritiert an. "Na ja", erläutert sie, "ihr könnt aufs Dach klettern, ich nicht. Und du", wendet sich Lady an Captain Nemo, "bist obendrein ein Schiffskater." "Ex-Schiffskater", berichtigt der Angesprochene. "Ist doch wurst", kläfft Lady genervt und stützt sich mit den Vorderpfoten an Sophias Schulter ab, um auf selber Höhe mit ihm zu sein – mindestens. "Eben nicht!", knurrt Nemo. Wurst? Mistie kann sich wieder mal nur wundern.

Unterdessen hüpft Elsie ungeduldig auf der Stuhllehne herum. "Könnt ihr euch jetzt endlich entscheiden?"

Auch unter den Menschen entbrennt eine heftige Diskussion. Deshalb achtet keiner auf den tierischen Disput. Anja verlangt von Harry Horch, die Notwendigkeit von Sirene und Blaulicht für die Tiernotrettung in seinem Bericht zu erwähnen – ja, zu bekräftigen. Sie habe gar nichts von ihm zu verlangen, erregt der sich und behauptet, damit würde er sich nur lächerlich machen. Das stachelt wiederum Anja an.

Ex-Schiffskater hin oder her – seine Kletterkünste will Captain Nemo nicht abstreiten. Ein Kater ist er schließlich immer noch. "Dann muss er aber mit aufs Dach", bekräftigt Lady, springt von Sophias Schoß und läuft zur Tür, Mistie hinterher. Ehe auch nur einer der Menschen etwas davon mitkriegt, flitzen, beziehungsweise fliegen die Tiere auf und davon.

Marder Alarm! Ein mörderischer Sommer

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