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Bruder Fritz.

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Ein Bataillon der tapferen Coburg-Gothaer ward am Tage der Schlacht bei Langensalza, deren Jahrestag wir in dieser Woche feiern, von dem preußischen Feldherrn bestimmt, die Eingänge und Tore der Stadt vom Feinde zu säubern und diesen aus den südlichen Vorstädten zu vertreiben. Die Hannoveraner ließen es aber hier noch nicht zu einem ernsten Kampfe kommen, sondern zogen sich nach einigen Schüssen bei der Annäherung der Preußen zurück.

Unsere Freunde hielten am Eingange der Stadt eine kurze Rast, um sich nach einem dreistündigen Marsche in heißer Sonnenglut und im Staub etwas zu erholen. Ein nicht enden wollendes Hurrah- und Jubelgeschrei begrüßte die befreundeten Truppen, aus Hütten und Häusern trugen ihnen die freudig erregten Bürger Labungen aller Art zu und drückten ihnen brüderlich die Hände. Auch ich, einer der Nahewohnenden, hatte mich unter Volk und Krieger gemischt und den letzteren tapfer zugetragen. Als ich eben im Begriffe war, mit den leeren Trinkgefäßen in meine Wohnung zurückzukehren, wurde ich von einem der Offiziere, einem hochgewachsenen, schönen, jungen Mann, zurückgehalten und angeredet.

„Mein verehrter Herr“, sagte er, „ich höre, dass Sie der ..… sind. Mein Vater ist Ihr Standesgenosse. Dies, sowie Ihre soeben an uns bewiesene Menschenfreundlichkeit gibt mir den Mut, eine herzliche Bitte auszusprechen. Es hat dringende Eile, denn in wenig Augenblicken ziehen wir dem Feinde entgegen. Ob ich falle oder davon komme, Gott allein weiß es. Denken Sie, mein jüngster Bruder, mein und aller Liebling daheim, ist unserer Kolonne von Gotha heimlich nachgelaufen, aus Liebe und Sorge für mich. Meine Angehörigen in der Ferne besuchten mich gestern dort, um sich von mir zu verabschieden. Bei ihrer Wegfahrt befand sich der Knabe unter ihnen, saß zwischen Vater und Mutter. Wer kann sich aber mein Entsetzen vorstellen, als ich auf der Höhe dort, beim Sammeln und Antreten, den Knaben hinter einem Gepäckwagen hervorkommen sah, vor Schmutz kaum zu erkennen! Er warf sich in meine Arme, vor meine Knie und bat flehentlich, ihn da zu behalten. ‚Lass’ mich bei Dir, Bruder Eduard, stoße mich nicht weg! Ich habe keine Ruhe, und jagst Du mich hier fort, so komme ich dort wieder!‘ Dies waren und sind seine Worte, und wollte ich auf ihn einschlagen oder ihn mit Gewalt entfernen lassen, es würde mir zu nichts fruchten, er würde entspringen und mir von neuem nachlaufen. Aber es darf nicht sein, denn ein Unfall des Knaben könnte unsere Eltern mit Herzeleid in die Grube bringen. Raten, helfen Sie! Was ist zu tun? Ich bitte Sie um Gotteswillen, nehmen Sie sich seiner an; behalten Sie ihn hier, bis Alles vorüber! Der Knabe ist in seiner Sorge um mich fähig, hinter mir her und geradezu in den Tod zu laufen. Was kennt oder achtet ein Kind die Gefahr! die brüderliche Liebe macht ihn ganz gleichgültig gegen Alles. Bitte, mein teurer Herr, ich flehe um Ihren Beistand!“

Die Angst des guten Bruders, ebenso sehr die Liebe des Knaben, bewegten mich tief; unmöglich konnte ich mein Herz solch’ flehentlicher Bitte verschließen und andererseits durfte der Jüngere sich nicht unnütz opfern. Ich hatte meinen Entschluss gefasst. Als der Offizier mir den Knaben zugeführt, hoch aufgeschossen und mit einem Auge, in welchem eine ganze Welt voll Liebe thronte, ergriff ich freundlich seine Hand und sprach zu ihm: „Friedrich, so heißt Du ja wohl, Dein guter Bruder hat Dich mir bis heute Abend anvertraut, dann will er Dich selbst wieder abholen. Du kannst nicht mit ihm ziehen, dass erlaubt weder Kriegsbrauch noch Kriegsgesetz, das würden Offiziere und Kameraden nicht zugeben. In die Schlacht ziehen nur Männer und nicht Knaben; aber willst Du den Ort und die Gegend sehen, wo Dein Bruder kämpfen wird, so werde ich Dich nach jenem Turme führen, von dessen Höhe Du das Schlachtfeld überschauen kannst. Und zu Deiner Sicherheit und Belehrung will ich selbst mit hinaufsteigen und Dir zur Seite bleiben; meine zwei Enkel hier, Otto und Willy, sollen uns begleiten. Ermanne, fasse Dich, wir meinen es gut mit Dir und Deinem lieben Bruder und mit allen unseren Befreiern; wir beten für sie und Du wirst sehen, Gott wird sie nicht verlassen.“

Beide Brüder umschlangen sich in der zärtlichsten Umarmung, der ältere aber riss sich endlich los, küsste noch einmal den beinahe ohnmächtigen Friedrich und legte ihn in meine Arme. „Lassen Sie ihn nicht von sich“, flüsterte er; „hüten Sie ihn wie Ihren Augapfel, sonst verschwindet er Ihnen unter den Händen!“ Ich winkte, ergriff den Willenlosen und führte ihn in Begleitung der andern Kinder in meine Wohnung. – „Still’ gestanden! Gewehr auf! Marsch!“ hörte ich noch kommandieren, und als wir oben an das Fenster traten, war der Platz bereits leer. Ich führte meinen Schützling in Mitte der beiden Knaben bald darauf nach dem Turm, denn alle drei hatten unten keine Ruhe. Als wir oben angelangt waren und einen Blick nach Morgen warfen: ha, da lag das ganze Schlachtfeld bis in seine fernsten Flügel zur Linken und Rechten vor uns.

Ich bot dem jungen Friedrich das mitgebrachte Fernrohr und er verfolgte mit ängstlicher Hast den Zug seiner Coburger Landsleute, ihren Vormarsch und ihre Aufstellung zur Bedeckung der preußischen Batterien auf dem nahen Jüdenhügel.

Auf einmal schrie einer der Knaben: „Großpapa, jetzt muss eine Kanonenkugel in unsere Reiterei am Jüdenhügel eingeschlagen sein. Sieh’ nur, eine Menge Pferde springen herrenlos umher. Du lieber Gott, es betrifft fast lauter Landwehrleute. Da ist ‘was Schlimmes passiert; siehe, die ganze Reiterei samt den Coburgern zieht sich weg und stellt sich hinter dem Jüdenhügel auf!“

„Umso ruhiger und getroster können wir deshalb sein“, fügte ich möglichst unbefangen hinzu; denn die Gesichter der Kinder lagen voll Schrecken und Betrübnis. „Ihr seht, die Anführer verstehen ihr Handwerk und suchen ihre Leute zu schonen.“ Aber auf den jungen Friedrich schienen diese Tröstungen geringen Eindruck zu machen. Unverwandt sah er mit dem Glase in die Ferne, seine Hände zitterten, sein Antlitz war erdfahl.

So wogte der Kampf hin und her, und wenn man nicht gewusst hätte, dass es um Leben und Tod ging, dieses Schauspiel und herrliche Panorama wäre wahrhaft bezaubernd gewesen; aber das glänzende Bild hatte einen schaurigen Hintergrund und der Tod hielt auf diesen gesegneten Fluren eine reiche Ernte.

Der laute Ruf von der Straße nach Wein, Essig, Wasser, nach Hilfe, enthüllte mehr und mehr die Schrecken des Kampfgewühls. Auch mich trieb Hilferuf und Angstschrei vom Turme hernieder, nachdem ich die Kinder in sichere Obhut des eigenen Schwiegersohnes übergeben. Wer beschreibt aber meine Bestürzung, als ich nach kurzer Zeit den Turm von neuem bestieg und unter den Anwesenden den jungen Friedrich vermisste, auch Niemand über sein Verschwinden Auskunft geben konnte. Alt und Jung waren dermaßen mit dem Anblick und Laufe der Schlacht beschäftigt, dass alles andere vergessen schien. Wie eifrig ich jeden Winkel des alten finsteren Turmes durchspähte, so laut ich den Namen Friedrich rief, der Flüchtling war und blieb wie von der Erde verschwunden. Ich ahnte, wohin er geflohen: in das nahe Schlachtgewühl zu seinem Bruder. Es bekümmerte mich sehr und ich machte mir Vorwürfe, aber es war zu spät.

Ich übergehe den Lauf und Ausgang der Schlacht, es gehört dieses Bild in einen andern Rahmen. – Am andern Tage früh kam ein Bote aus dem nächst gelegenen Lazarette und erbat dort meine Gegenwart. „Unter unsern Verwundeten ist ein Offizier“, sprach der Mann, „der Sie kennt und sprechen möchte; er lässt Sie um Ihren Besuch bitten.“ Ein notwendiges Geschäft im Hause hielt mich zurück und ich schickte deshalb meinen Schwiegersohn mit dessen zweien Knaben, um das Anliegen des Offiziers zu erforschen; aber wie groß waren mein Erstaunen und Bedauern, als sie mit einem Verwundeten zurückkamen, den zwei Landwehrmänner mehr trugen als führten. Und wer war der Arme? Es war der schöne Jägeroffizier von dem Coburger Bataillon, von einer Vollkugel an der Schläfe gestreift und dadurch niedergeworfen. Und wer schlich hinter ihm her, blass, erschöpft und matt bis zum Umsinken? Unser Ausreißer, der junge Friedrich. – Ohne für jetzt weiter etwas zu fragen, denn der Offizier war fast ganz bewusstlos, entkleideten wir ihn und brachten ihn zu Bette. Der herbei gerufene Hausarzt untersuchte seinen Zustand und erklärte: „Starke Hirn- und Rückenmarkerschütterung! Eisumschläge auf Kopf und Nacken und die größte Ruhe!“ – Sofort wurden die nötigen Vorbereitungen getroffen und Friedrich blieb mit unsern Knaben zur Pflege an dem Bette des Schweratmenden; Alle Versuche und Vorstellungen, den ganz erschöpften Friedrich zu eigner Schonung und Ruhe zu bringen, blieben erfolglos. Er wich und wankte nicht und ließ sich eine kleine Erfrischung fast nur mit Gewalt aufnötigen. Den ganzen langen Sommertag und auch während der Nacht blieb der treue Hüter in seinem Samariterdienste. Erst gegen Morgen, als des Kranken Atem ruhiger wurde und Schlaf eintrat, ließ er sich von uns erbitten, ein Stündchen zu ruhen. Seine Erschöpfung war so groß, dass er in einen wahrhaft totenähnlichen Schlaf versank. Wir ließen beide Brüder ungestört, Ruhe und Schlaf war das beste Heilmittel.

Als Friedrich endlich erwachte, war es bereits Abend und es fing an zu dunkeln. Hastig sprang er in die Höhe, das ängstliche Auge blickte nach dem Kranken. Und o Freude und Wonne! die Blicke desselben zeigten klares Bewusstsein; er lächelte seinem Bruder zu, hob die Hand und drohte mit dem Finger.

Der freudig erregte Knabe kniete am Bette des Kranken nieder, ergriff seine beiden Hände und küsste sie unter Tränen. „O bitte, bitte, nur ein einziges Wort“, flüsterte er dem Bruder zu. Dieser aber war in sichtbarer Rührung; seine Augen standen voll Tränen, die Lippen zitterten, unfähig eines jeden Wortes. Endlich legte sich der Sturm seiner Gefühle; er streichelte und klopfte dem Knieenden die Wangen, spielte mit dessen Haare und beruhigte sich mehr und mehr.

Aber seine Augen schlossen sich bald wieder, der Kopf fiel zurück, er schlummerte ein. „Mein lieber Friedrich, fürchte nichts“, sprach ich tröstend zu dem Knaben, als ich seine ängstlichen Blicke sah; „das ist der Schlaf wiederkehrender Gesundheit. Überzeuge Dich selbst: Atem und Pulsschlag gehen ruhig.“ – Der Knabe lebte von jetzt an immer mehr auf und ließ sich sogar zeitweise von seinen jungen Freunden Otto und Willy bei der Krankenpflege ablösen. –

Seine heißen Gebete und unsere herzlichen Wünsche gingen in Erfüllung: mit dem Kranken wurde es täglich besser und an einem der folgenden Tage war er im Stande, seine Erlebnisse auf dem Schlachtfelde zu erzählen.

„Eine Zentnerlast wälzte sich von meiner Seele“, sprach er, „als ich meinen Bruder Friedrich wohlgeborgen in Ihren Händen sah, und ich zog getrosten Herzens von dannen. Unser Bataillon war zur Bedeckung der preußischen Batterien auf dem Jüdenhügel bestimmt und nahm daselbst mit zwei Schwadronen Kavallerie – Dragoner und Husaren – Stellung. Dicht an dieser Anhöhe hat irgend ein Sonderling im freien Felde einen kleinen Garten angelegt, hinter dessen noch jungen Bäumen und schwacher Umzäunung wir aber dem Feuer des Feindes von dem Kirchberge des nahen Dorfes Merxleben – dem Zentrum der Hannoveraner und ihrer massenhaften Artillerie – sehr ausgesetzt waren. Einschlagende und platzende Granaten deuteten bald genug unsere Gefahr an und der Kommandierende gab deshalb Befehl, hinter die Anhöhe des Jüdenhügels zurückzugehen, um dem Feinde nicht sichtbar zu sein.

Aber auch dahin sandten die Hannoveraner ihre Vollkugeln und Granatschüsse, ja sogar Bombenfeuer mussten wir aushalten. Indem ich den Schall und Flug der Kugeln beobachtete, bemerkte ich beim Niedersehen in einiger Entfernung an einem Feldstein eine Gestalt in kniender Stellung und mit erhobenen Händen. Eine schreckliche Ahnung drang in meine Seele: Ist das nicht Friedrich, entsprungen und von neuem nachgelaufen? Für einige Minuten stand ich starr, in furchtbarer, innerer Aufregung. Endlich ermannte ich mich, hob drohend den Degen und gebot durch Zeichen, indem ich auf die einschlagenden Granaten verwies, sich augenblicklich zu entfernen. Wer aber nicht ging, das war Friedrich. Er streckte mir fortwährend die Arme entgegen, rief meinen Namen, flehte und wich und wankte nicht. Was blieb mir am Ende übrig? Ich musste den Knaben zu mir rufen, aber ich tat es mit Zähneknirschen, in der fürchterlichsten Erregung. In diesem Augenblicke hätte ich ihn töten können. Er sah meinen Zorn und rief: ‚Durchbohre mich, Eduard, tritt mich mit Füßen, nur treibe mich nicht wieder von Dir!‘ Ich stand rat- und tatlos; da rief der Hauptmann: ‚Lieutenant, lassen Sie den Knaben nur hier, nicht jede Kugel trifft!‘ Zu ihm selbst sprach er: ‚Junge, Du hast einen dummen Streich gemacht; eine Schlacht ist Männersache, Kinder gehören ins Haus zu Vater und Mutter! Der Allmächtige möge Dich schützen!‘

Kaum war das Wort gesprochen, als von neuem und in nächster Nähe eine Granate einschlug, zersprang und den braven Mann selbst schwer am Fuße verletzte. ‚Lieutenant‘, rief er, ‚lassen Sie mich aus dem Gefechte tragen, ein Granatsplitter hat mich getroffen, ich leide große Schmerzen!‘ Ein folgender Granatschuss hatte noch eine verhängnissvollere Wirkung: er verwundete den hoch zu Pferde sitzenden Bataillons-Kommandeur tödlich und außerdem noch eine Menge unserer Leute.

Eben wollte ich den Knaben, unter Hinweis auf diese schrecklichen Vorgänge, von neuem zur Flucht antreiben, als ich urplötzlich ein Ohrengebraus empfand. Es war mir wie Glockengeläute, wie das Summen eines Bienenschwarms; dann glaubte ich wieder Trommelschall und den Donner heransprengender Kavallerie zu vernehmen. Endlich verwirrten sich meine Gedanken immer mehr, das Bewusstsein schwand gänzlich. Was weiter mit mir geschah, ist mir unklar. Lassen Sie uns den Knaben hören.“

„Ich habe nicht viel zu erzählen“, fuhr der junge Friedrich fort. „Kaum hattest Du die Verwundeten aus dem Gefechte tragen lassen und Dich zu mir gewandt, als ich Dich in die Knie sinken und zur Erde fallen sah. Mit einem lauten Schrei warf ich mich über Dich her. In diesem Augenblicke stürmte eine Kolonne der Hannoveraner dem Jüdenhügel zu und die preußischen Batterien mussten sich zurückziehen. Hannöversche Dragoner brausten heran und suchten das Bataillon zu zersprengen; ich aber hielt Dich fest umschlungen, unbekümmert um all’ diese schrecklichen Kämpfe. Als sich das Gefecht nach der Stadt zu gezogen hatte und der ganze südliche Abhang frei lag, nahten sich die braven Turner von Gotha, um die Verwundeten aufzuheben und in Sicherheit zu bringen oder die Toten anzusammeln und nach den Friedhöfen zu schaffen.

Auch Dich hielten sie für tot, ich selbst glaubte es; da, als sie Dich hoben, schlugst Du die Augen ein wenig auf. ‚Halt!‘ riefen die Wackeren, ‚der Offizier ist nicht tot; auf den Wagen mit ihm und ins Lazarett!‘ Unter Wonneschauern bemerkte ich Dein Erwachen und folgte den Menschenfreunden in das nahe Lazarett der Vorstadt. Du mit sechs anderen Verwundeten,

Ihr fandet Euer Lager im ersten Zimmer des Kaffeehauses; aber Niemand bekümmerte sich um Euch Armen, denn immer neue Wagenladungen, darunter die Schwerverwundeten, füllten die Wohn- und Gastzimmer, die großen Säle des Hauses, selbst die überbauten Kegelbahnen, die Lauben und Hütten im Garten.

‚Wasser, Wasser!‘ schrien meine Verwundeten im Vorderzimmer; Wasser für die lechzenden Zungen, für die brennenden Wunden. Keinen Augenblick zögerte ich. An der Straße, vor dem Hause, stand ein Brunnen, eine Gießkanne fand ich im Garten. Unaufhörlich trug ich frisches Wasser herbei, labte die Schmachtenden und kühlte ihre Wunden. Dir, mein geliebter Bruder, legte ich von Minute zu Minute kalte Umschläge auf das Haupt, wie mir einer der Turner geraten hatte.

Auf diese Weise war die Nacht vergangen und der Morgen angebrochen; aber da sich auch jetzt Niemand um meine sieben Verwundeten bekümmerte, fasste ich mir endlich ein Herz und erkundigte mich bei dem freundlichen Hauswirte nach Ihrem Namen, und als mir derselbe genannt wurde, ließ ich bei Ihnen um Hilfe bitten. Das Übrige wissen Sie.“

Ich nickte und erzählte unserem Verwundeten weiter: „Mein Schwiegersohn übernahm es an meiner Statt, in dem Lazarette nach dem unbekannten Bittsteller zu forschen und Sie, den Verwundeten, hierher schaffen zu lassen.

Es war dies keine leichte Sache, denn einmal wurden Sie noch als Gefangener betrachtet, andernteils wollten die hannöverschen Ärzte Sie nicht losgeben, und es musste unter Hilfe des menschenfreundlichen Wirtes eine kleine Kriegslist angewendet werden, um Sie mit Wehr und Waffe frei und aus dem Hause zu bringen.

Ich war nicht wenig erstaunt und betrübt, als ich Sie ankommen sah, gestützt und gelehnt und mehr getragen, als geführt. Unser Ausreißer Friedrich an Ihrer Seite ließ mich nicht lange in Zweifel über die Person des Ankommenden.

Ein guter Geist hatte dem Knaben eingegeben, unsere Hilfe zu suchen. Sie befanden sich, obwohl nicht geradezu verwundet, dennoch in einem sehr bedenklichen Zustande und jetzt kann ich es schon sagen: ich fürchtete einen Schlaganfall; aber der Höchste hat geholfen, die Gefahr ist vorüber.“

Noch etwa vierzehn Tage blieb der junge Offizier in unserer Pflege und hatte sich bis dahin soweit erholt, dass der Arzt seinen Transport in die waldige Heimat erlaubte, ja sogar dringend empfahl. „Der Wald mit seinen aromatischen Nadelhölzern, die schattigen Buchen“, sprach er, „sowie die Ruhe, Stille und Abgeschiedenheit in der schönen Natur wird die Schwächen und Störungen des Nervenlebens am schnellsten und sichersten heben!“

Und so zog unser junger Offizier eines Tages mit Bruder Friedrich von dannen, begleitet und geführt von liebenden Händen aus der Heimat. Beide gingen nicht ohne Tränen inniger Liebe und Dankbarkeit, und Brief und Gruß bekunden den Langensalzaer Freunden immer wieder, dass sie unvergessen sind.

Erinnerungen aus dem deutschen Kriege 1866

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