Читать книгу Einige meiner besten Freunde und Feinde - Klaus Bittermann - Страница 4
Vorwort
ОглавлениеDass der Verlag einmal 40 Jahre alt werden würde, das habe ich mir nie vorstellen können, weil die Zeit damals vor vierzig Jahren nicht zu vergehen schien und man nie auch nur einen Gedanken an sie verschwendete. Ich hatte keine Vorstellung davon, wie sich vierzig Jahre Verlag anfühlen würden. Warum auch? Es interessierte mich nicht. Auf einmal aber blickt man auf gut sechzig Leitzordner voller Besprechungen zurück, Ordner mit Artikeln, Manuskripten und Korrespondenz. Und dann stellt man plötzlich fest, dass man aus einer untergegangenen Epoche stammt, in der man sich noch Briefe schrieb. Viele der Autoren des Verlags und vor allem viele wichtige sind inzwischen tot, wie Hunter S. Thompson, Eike Geisel, Wolfgang Pohrt, Guy Debord, Harry Rowohlt, Mark Fisher und der kürzlich verstorbene Wiglaf Droste.
Da lag es nahe, noch einmal in mein Archiv hinabzutauchen, um Porträts, Nachrufe und Essays herauszusuchen, die ich im Laufe der letzten Jahre geschrieben habe, um an die Autoren zu erinnern und gleichzeitig zu zeigen, welches Profil sie dem Verlag gegeben haben. Ich bin stolz darauf, dass ich nicht nur die genannten oder in diesem Buch gewürdigten Autoren für den Verlag gewinnen konnte, sondern viele, die häufig nicht weniger wichtig waren als die genannten. Dass nicht alle vorkommen, liegt einfach daran, dass ich nicht über jeden geschrieben habe und der Anlass, über meine Autoren etwas zu schreiben, häufig ihr Tod war.
Zudem gibt es natürlich viele Autoren und Schriftsteller, die ich großartig finde und die ich gerne verlegt hätte, wenn es möglich gewesen wäre. Deren Bücher habe ich häufig besprochen, und von diesen Rezensionen eine Auswahl getroffen, wie um aus zahlreichen Puzzleteilen ein Bild des Verlags entstehen zu lassen, einen Kosmos, in dem, wie ich hoffe, mein Literaturgeschmack deutlich wird und meine Sympathie für die Abweichler, Melancholiker, Analytiker, Unruhestifter, Sonderlinge, Verweigerer, Irrlichter, Rabauken und Rebellen, die mit ihren Büchern ein Affront gegen den gesellschaftlichen Mainstream und nicht wirklich einzuordnen sind, und die ihren ganz eigenen Stil haben, den man nur findet, wenn man es ernst meint mit der Literatur.
Ich hoffe, dass auch anderen die Lektüre der Bücher aus dem Verlag ein intellektuelles Vergnügen bereitet. Literatur, die weh tun soll, wie es manchmal der Anspruch avancierter Autoren ist, wird man bei Tiamat nicht finden, denn die bekommt man als Verleger zuhauf angeboten. Wenn ein paar Leser meinen Geschmack teilen und vielleicht sogar die Notwendigkeit und die Dringlichkeit erkennen, diese Bücher gegen die hohle Bestsellerliteratur zu verteidigen, die die Buchhandlungen verstopft und die Gehirne verklebt, dann mag das nicht viel sein, aber immerhin schon mal was.
2019