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Kapitel 3 Die Ankunft im Eisland
ОглавлениеMit der frühen Morgensonne wurden die Gespanne von den Wagenlenkern neu verteilt, Duboor wies sie an, je vier Ochsen vor jeden einachsigen Wagen einzuspannen und vor die zweiachsigen Fuhrwerke sechs Ochsen. Durch die Umverteilungder Ladung waren auch die großen Fuhrwerke nicht mehr ganz so schwer, so dass sie gut vorankamen. Das Tal neigte sich langsam und endete gegen Ende der Sonnenreise in einem schmalen, passähnlichen Weg, der sich gut befahren ließ.
Darkahr machte sich über die Richtung des Weges Sorgen, denn der führte sie sehr weit in den Westen. Er wartete ungeduldig auf die Rückkehr der Kundschafter, um mehr über den Verlauf des Weges zu erfahren.
Sie saßen schon beim Abendessen, als endlich die Kundschafter eintrafen und ihrem Fürsten Bericht erstatten konnten. Leider, so mussten sie berichten, führt der jetzige Weg mindestensnoch ein bis zwei Mondzyklen in die westliche Richtung, es gäbe aber genug Wasser und Wild hätten sie auch gesehen. Wenn die Kundschafter nur noch einen Tagesritt weiter in Richtung Westen geritten wären, hätten sie ein Land vorgefunden, vergleichbar mit der weiten Ebene, grüne Wiesen, viel Wald, etwas entfernter ein großes Binnenmeer. Aber auch Darkahr ahnte nichts von diesem Land.
Unruhig lief Darkahr auf und ab, selbst die emsigen Arbeiten rings um ihn herum konnten seine Sorgen nicht vertreiben. Wothar blickte hoch, als er seinen Vater neben sich stehen sah.
„Wir kommen mit dem Umbau der Wagen gut voran“, versuchte Wothar seinen Vater etwas aufzuheitern. Dankbar klopfte Darkahr seinen Sohn für diesen Versuch auf die breiten Schultern. „Ihr leistet alle gute Arbeit und alle halten sich trotz aller Unbill großartig, man hört kein Jammern und Wehklagen, jeder versucht seinen Teil zum Gelingen dieser Flucht vor der wilden Horde beizutragen.“ Mit diesen Worten drehte sich der Fürst von seinem Sohn und ging zu einem der verletzten Krieger.
Die Wagenlenker schafften es, an diesem Abend zwei Wagen umzubauen und im hellen Fackellicht wurden die Wagen neu beladen. Todmüde legten sich dann die Leute zur Nachtruhe, nur manchmal hörte man leise die Rufe der Wachen. Den Ochsengespannen ging es seit der Umrüstung der Wagen wesentlich besser, sie sahen wieder gut genährt aus und gingen willig an die Arbeit. Die Fahrt durch das enge Tal, obwohl der Boden des Tales erstaunlich flach und eben war, war sehr mühselig. Die Felswände engten das Tal so stark ein, dass die Wagen stecken blieben und die Männer mit schwerem Gerät die Felswände weg schlagen mussten. Beruhigend war für alle, dass sie keine Not in dieser kargen Landschaft leiden mussten, es gab, wie von den Kundschaftern berichtet, genügend Wasser für Mensch und Tier und die Jäger brachten genügend Nahrung. Alle brauchbaren Felle wurden sorgfältig von den Tieren entfernt und anschließend gegerbt. Seit Darkahr diese Anweisung herausgegeben hatte, stapelten sich auf einem der Wagen schon Mengen von Fellen. Diese waren als Schutz vor der Witterung vorgesehen. Darkahr hatte seinem Volk erzählt, dass sie die Temperaturen nicht gewohnt seien, daher sei es unerlässlich, so viele Felle wie möglich zu sammeln, damit jeder genügend davon erhielt und nicht unter der Kälte zu leiden hatte. Wie Recht ihr Fürst mit dieser Maßnahme hatte, spürten sie schon jetzt, die Nächte wurden eisig kalt und die Tage jetzt in der engen Schlucht waren auch schon sehr kalt.
Dankbar wurden die Felle, die Frauen hatten diese wie die Decken ähnlich zusammengenäht und in der Mitte ein Loch geschnitten, von den Menschen angenommen. Sie steckten ihre Köpfe durch das Loch und es entstand ein weiter und warmer Umhang, in dem die Menschen recht bequem ihrer Arbeit nachgehen konnten.
Darkahr bat seine Weisen zu sich und ließ sich berichten. Lehton konnte Darkahr beruhigen, sie hatten genug Nahrung und solange die Jäger ständig Nachschub brachten, konnten sie sogar Reserven anlegen. Darkahr neigte dankend sein Haupt zu seinem Freund und wandte sich dann an Willger: „Deine Idee mit den teilbaren Wagen war grandios, sie hat uns sehr gut weitergeholfen.“ Willger dankte seinem Fürsten und wies auf die Wagenlenker hin, die die Idee eingebracht hatten. Darkahr bat Willger, seinen Leuten seinen großen Dank auszusprechen.
Thor-Tun konnte seinen Fürsten von der raschen Heilung der Verwundeten berichten: „Es sind nur noch wenige, die auf den Wagen transportiert werden müssen.“
Darkahr informierte Thor-Tun über seine innerliche Unruhe und bat ihn, die Wachen anzuweisen, in den nächsten Tagen und Nächten besonders wachsam zu sein. „Ich werde die Wachen verdoppeln“, sprach Thor-Tun und sah seinen Fürsten beruhigend an. Darkahr winkte einem Knaben und beauftragte ihn, dass Sirgith, die Heilerin, zu ihm kommen solle. Der Knabe legte achtungsvoll die rechte Hand an seine Stirn und lief los, um den Auftrag zu erledigen. Darkahr war immer wieder von Sirgith fasziniert, diese hochgewachsene Frau, schlank, aber sehnig mit breiten Schultern, die nackten Arme für eine Frau sehr muskulös, fast schon zu viel für eine Frau und trotz allem war sie in erster Linie Frau. Das war jetzt besonders zu sehen, da sie keine Rüstung trug, sondern ein Gewand wie all die anderen Frauen, ihre weiblichen Rundungen waren gut zu erkennen. Darkahr kannte und liebte diese Frau seit vielen Sommern, aber sie war und blieb immer etwas rätselhaft für ihn. Sirgith begrüßte die Runde der Weisen mit einem kleinen Lächeln auf ihrem schönen Gesicht und nahm zwischen Kuur-Sen und ihrem Fürsten Platz. Sie konnte die Aussage von Thor-Tun bestätigen, dass die Heilung der Verwundeten beinahe abgeschlossen seien, aber auch die restlichen Schwerverwundeten waren auf dem guten Weg der Besserung. Sirgith bat ihren Fürsten und Thor-Tun um die Erlaubnis, weitere Bogenschützen ausbilden zu dürfen, es hätten sich viele gemeldet, so dass man fast die alte Stärke der Bogenschützen aufbauen konnte.
Thor-Tun schaute fragend zu Darkahr, dieser nickte bestätigend. „Du hast die Erlaubnis.“ Sirgith dankte der Runde und verabschiedete sich leise mit einem Gutenachtgruß. Im Fortgehen schenkte sie Darkahr ein leises Lächeln und deutete auf die Unterkunft.
Die Fahrt durch die enge Schlucht blieb auch in den folgenden Sonnenreisen mühselig, immer wieder blieben die Wagen mit den Achsen an den Felswänden hängen und die Männer mussten mit einer wahnsinnigen Kraftanstrengung die Felsen weg schlagen.
Müde und erschöpft lagerte der Treck in der engen Schlucht, viele waren zu müde zum essen und legten sich sofort schlafen. Über dem Lager schwebte eine bedrohliche Stimmung und Darkahr wanderte höchst beunruhigt durch das Lager, leise meldeten sich die Wachen, auch die anderen Weisen gingen durch das Lager. Darkahr traf Sirgith, die dabei war, ihre Bogen und Pfeile zu richten. Als sie Darkahrs fragenden Blick spürte, gab sie zu, dass sie sehr unruhig sei und lieber bereit war. Darkahr spürte jetzt in der Dunkelheit überall Bewegung und konnte schemenhaft die Menschen erkennen, die sich kampfbereit machten.
Aber der Mond beendete seine Reise in aller Ruhe und auch die folgende Sonnenreise blieb ruhig. Als auch der folgende Mond ruhig blieb, entspannten sich die Menschen etwas und warteten am Lagerfeuer auf das Essen. Ihnen blieben die ersten Bissen vor Schreck im Hals stecken, schrill ertönten Alarmrufe, Waffenlärm, wilde Schreie, Getöse. Nach den ersten Schrecken waren die Menschen blitzschnell kampfbereit, sie stürzten sich mit wildem Kampfgeschrei in das Getümmel und erstarrten fast vor Schreck, als sie ihre Gegner zum ersten Mal sahen. Wilde, riesenhafte, zottelige Wesen, die sie noch nie gesehen hatten, ihre Gegner waren zwar stark und wild, aber sie hatten keine Waffen, einige von ihnen warfen mit großen Steinen. Als Sirgith erkannte, dass die Angreifer waffenlos und nur mit ihren Fäusten angriffen, winkte sie ihre Bogenschützen in einen Halbkreis und zeigte den anderen Kämpfern an, dass sie sich zurückziehen sollten.
Gnadenlos schossen die Bogenschützen ihre Pfeile in die großen, pelzigen Körper und mit tierischem Gebrüll brachen die Angreifer zusammen, verzweifelt versuchten sie, die Pfeile aus ihren Körpern zu entfernen, vergeblich. Die letzten vier oder fünf Angreifer rannten brüllend davon und verschwanden blitzschnell in den Felswänden.
Vorsichtig näherten sich die Menschen den besiegten Wesen und fanden nur noch wenige, die noch lebten. Die Überlebenden schauten sie mit großen traurigen Augen an, als könnten sie nicht verstehen, was mit ihnen passiert war.
Thor-Tun ließ alle Überlebenden töten und die Leichen zur Seite schaffen, soweit es in der engen Schlucht möglich war. Die Nacht war dann ruhig, nur ab und zu von wilden Schreien der Bergwesen unterbrochen, von denen die Menschen aus der weiten Ebene nichts wussten.
Früh zogen sie weiter, ängstliche und sehr vorsichtige Blicke schweiften umher, der Schreck über den Angriff der unbekannten Wesen steckte noch tief in den Knochen der Menschen.
Der Weg durch das enge und unfreundliche Tal zog sich elendig lange dahin, obwohl der Umbau der Wagen fast abgeschlossen war und kaum noch Verwundete transportiert werden mussten. Die Ochsengespanne zogen die leichteren Wagen mühelos, es herrschte kein Hunger und trotzdem wurden die Menschen unzufrieden und mürrisch. Sie sahen einfach kein voran kommen.
Endlich, endlich, die ersten Schneeflocken schwebten schon vom Himmel, öffnete sich das enge Tal und der Treck zog in eine Ebene, sie hatten endlich das Gebirge verlassen. Darkahr gab sofort das Zeichen zum Anhalten und der Treck fuhr zu einem engen Kreis zusammen. Die Frauen richteten das Abendessen, die Männer versorgten die Ochsengespanne, Jeelohr trat zu Darkahr und berichtete seinem Fürsten. Falls er noch weiterziehen wollte, sollten sie sich eng an die Ausläufer des Gebirges halten, weil das flache Land kaum Deckung bot.
Er habe eine halbe Sonnenreise weiter einen brauchbaren Lagerplatz gefunden, auf dem sie einigermaßen geschützt den Winter verbringen konnten. Darkahr dankte dem Kundschafter und entließ ihn zum Essen, dann winkte er seine Weisen zu sich und gab an diese weiter, was er von dem Kundschafter erfahren hatte. „Wenn der Lagerplatz in Ordnung ist, sollten wir dort den Winter verbringen, die Menschen sind erschöpft und unzufrieden, sie brauchen unbedingt eine längere Pause, wir übrigens auch.“ Darkahr lächelte leicht seine Weisen an, er wusste um ihre Arbeit. Die Frauen brachten den Männern Essen und Krüge mit frischem Wasser, eine der Frauen überreichte Darkahr einen kleineren Krug, aus dem es warm dampfte.
Er schaute die Frau überrascht an. „Die Heilerin sagt, Ihr sollt das Getränk probieren.“ Darkahr schlürfte vorsichtig an der heißen Flüssigkeit und es rann wie Gold seine Kehle herunter.
„Bestell der Heilerin meinen Dank. Davon möchte ich noch einen Krug und wenn es geht, für alle anderen auch.“
Am Morgen ritt Darkahr mit seinem Sohn, Thor-Tun und dem Kundschafter zu dem von ihm vorgeschlagenen Lagerplatz. Unterwegs stellte Darkahr fest, dass es genügend Wild zu jagen und genügend Wasser und Brennholz gab, schon auf halber Wegstrecke stimmte Darkahr seinem Kundschafter zu.
Als er dann endlich den eigentlichen Lagerplatz sah, war er, wie auch Thor-Tun, restlos von diesem überzeugt. Der Platz lag gut geschützt von Felsengruppen umgeben, weiteren Schutz boten mehrere Waldstücke, in der oberen Hälfte des Platzes durchquerte ein kräftig fließender Bach das Gelände und für die Tiere gab es genug Weidefläche.
„Wenn der Winter nicht zu hart und zu lang wird, müssen wir ihn hier ganz gut überstehen können.“ Sie brauchten den Rückweg nicht mehr antreten, sie hörten die Kolonne heran rumpeln und die Mienen der Menschen hellten sich schlagartig auf, als sie von ihrem Fürsten erfuhren, dass sie hier überwintern wollten. Sie schlugen ihr Nachtlager auf und überall sah man Gruppen von Menschen zusammenstehen und beratschlagen, wie das Lager am besten aufgebaut werden sollte.
Darkahr besprach mit seinen Weisen ebenfalls den kommenden Lageraufbau, er rief Duboor und Jeelohr hinzu. Jeelohr wies darauf hin, dass man die Windrichtung berücksichtigen musste, ebenso musste sichergestellt werden, dass sie immer Wasser hatten, Futter für die Tiere musste bevorratet werden, vielleicht konnte man aus den ehemaligen Wagenplanen Vorratsstände bauen.
Er sah zu Duboor herüber: „Das ist machbar und wir können die Wagen als Palisaden verwenden.“ Darkahr fragte Duboor, wie er sich das vorstellte.
„Wir entfernen die Planen und die Halterungen, montieren die Räder ab und legen die Wagen auf die Seite, mit dem Boden nach außen. Sollten wir dann noch Wagen übrig haben, benutzen wir diese, um unsere Unterkünfte zu stabilisieren.“
Darkahr und Thor-Tun waren von ihrem obersten Wagenlenker tief beeindruckt, Willger legte eine Skizze vor, auf der er einen Plan aufgezeichnet hatte, wie man das Lager aufbauen könnte. Der Plan wurde diskutiert, Änderungen eingefügt, die Unterkünfte für die Tiere wurden zum südlichen Rand des Lagers verlegt. Darkahr gab den Plan bekannt, die Menschen sahen sich diesen genau an, der eine oder andere Vorschlag wurde gemacht, Willger änderte den Plan entsprechend ab.
Wothar schlug noch vor, Planen zwischen die einzelnen Unterkünfte zu spannen, so dass die Menschen selbst bei schlechtem Wetter einigermaßen geschützt von Unterkunft zu Unterkunft gehen könnten, auch sollte das Feuerholz unter einer Plane aufgestapelt werden, damit es trocken blieb. Darkahr sah seinen Sohn anerkennend an, Wothar entwickelte sich zu einem großen und besonnenen Mann, der mit seinem handwerklichen Geschick viel bewerkstelligen konnte. Darkahr hatte schon mit Sirgith über die sich gut entwickelnden Führungsqualitäten ihres Sohnes gesprochen. Sirgith bestätigte es Darkahr gerne; „Wothar hat eine natürliche Führer Verantwortung.“ Er war sich für keine Arbeit zu schade und half, wo er nur konnte. Der Aufbau des Lagers wurde emsig angegangen, die Menschen spürten den nahen Winter, der Wind aus dem Norden brachte die erste Kälte mit. Die Wagenlenker bauten die Wagen auseinander und die Räder und das Plangestell je Wagen wurden sorgfältig markiert und eingelagert. Schnell konnte man die gute Idee von Duboor erkennen, die stabilen Kästen der Wagen bildeten eine feste und beruhigende Wand. Die Unterkünfte für die Tiere nahmen Gestalt an, die Zelte für die Menschen standen gegen Mittag, von vielen Frauen und Kindern wurde Futter für die Tiere herangebracht. Einige Frauen brachten noch Beeren und Früchte mit, die sie trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit noch an Sträuchern und Bäumen vorgefunden hatten. Lehton hatte von Männern eine Weide für die Tiere einzäunen lassen, solange das Land frei von Schnee und Eis war, sollten die Tiere frei grasen, die Weide konnte leicht verlegt werden.
Darkahr kam zu Lehton und ließ sich über den Bestand ihrer Nahrungsvorräte unterrichten. „Wenn wir von dem Normalfall ausgehen, haben wir Vorräte für fünf bis sechs Mondzyklen. Sollten die Jäger aufgrund des Wetters keine Beute mehr bringen können, müssen wir das Essen etwas strecken, aber Sorgen brauchen wir uns deswegen nicht machen“, beruhigte Lehton seinen Fürsten.
Die Wagenkästen wurden von den Wagenlenkern geschickt in die Zwischenräume der Felsbrocken und Felsgruppen eingefügt. Teilweise stapelten sie vor die Vorderseiten große Steine an dem Wagenboden hoch, dadurch wurden die Wagen verborgen und auch bei einem möglichen Angriff etwas geschützt.
Die Futtervorräte für die Tiere wuchsen beruhigend, die Tiere konnten noch weiden, an den Rückseiten der Unterkünfte stapelte sich das Brennholz, es wurden vorrangig abgefallene Äste gesammelt, Bäume sollten erst gefällt werden, wenn das Brennholz nicht reichen sollte. Das Winterlager ging seiner Fertigstellung entgegen, kleine Verbesserungen wurden noch eingebaut, die Frauen hatten die Innenseiten der Unterkünfte mit den Fellen ausgekleidet und die Männer hatten in fast allen Unterkünften Feuerstellen gebaut.
Die Jäger brachten immer noch Wildbret von ihrer Jagd mit und die Kundschafter meldeten Ruhe weit und breit. Das Leben in dem großen Winterlager hatte sich eingerichtet, wenn das Wetter es noch zuließ, trafen sich alle zu den Essenzeiten in der Mitte des Lagers, sonst aßen die Familien in ihren Unterkünften. Drei junge Frauen brachten ihre Kinder zur Welt und alle schöpften daraus wieder Hoffnung und Kraft, dass es für sie doch noch irgendwo ein neues Zuhause gab.
Ein paar Sonnenreisen nach der Geburt eines besonders kräftigen Knaben standen die drei Waldwesen, die viele aus ihrer Zeit in der weiten Ebene noch kannten, vor dem Zelt der jungen Familie, die drei Reiter auf ihren weißen Pferden waren in ein blaues Licht gehüllt. Wie Statuen warteten die drei Waldwesen darauf, dass sich jemand aus dem Zelt meldete. Das Lager war inzwischen in heller Aufregung, alles redete aufgeregt durcheinander. Der junge Vater kam vorsichtig heraus und fragte etwas unsicher und dann doch forsch, was ihr Anliegen sei. „Euer Sohn wird ein großer Krieger und ein bedeutender Fürst eures Volkes werden und das Schwert, das euer Kundschafter von dem Schlachtfeld mitgenommen hat, gehört eurem Sohn. Gebt es ihm, sobald er das Alter eines Kriegers erreicht hat.“
Wieder verschwanden die drei Wesen geisterhaft in einem lichten Nebel, alle waren zutiefst verwirrt, selbst Darkahr
brauchte eine Weile, um das Geschehene zu verstehen. Er rief seine Weisen, die alten Heilerinnen und Sirgith und besprach mit ihnen das eben Geschehene. Die älteste der Heilerinnen brachte es zum Schluss auf den Punkt: „Wir tun, was sie uns aufgetragen haben.“
Kuur-Sen, der Weise, der eigentlich für den Handel zuständig war, trug das Ereignis mit feiner Schrift in ihre Dorfschriften ein. Der Knabe erhielt den Namen Soll-The. Die neue Sonnenreise brachte den ersten Schnee, in der Nacht war so viel Schnee gefallen, dass die Menschen ihre Unterkünfte erst verlassen konnten, nachdem Wege frei geräumt worden waren. Die Kinder hatten ihren Spaß mit dem Schnee, sie tobten darin herum, bis sie müde waren. Jetzt konnten die Tiere nicht mehr auf die Weide getrieben werden, der Schnee reichte den Ochsen und Pferden bis an den Bauch, Schafe und Ziegen kamen gar nicht mehr durch den Schnee, die ersten Tage waren die Tiere sehr unruhig, weil sie in den Unterständen bleiben mussten, aber sie gewöhnten sich schnell daran.
Der Mond machte langsam der Morgendämmerung Platz, das Licht kam kaum durch die schwere Dunkelheit, als die Wachen das Lager alarmierten, da draußen wären seltsame, fremde Geräusche, sie wüssten nicht, was die bedeuteten. Die fünf Weisen waren schnell auf den Beinen und gingen mit den Wachen zum Lagerrand. Schon auf dem Weg hörten sie das fremde, bedrohliche Geräusch, es war wie gedämpftes Trommeln von vielen, vielen Trommeln und Thor-Tun fiel es wie Schuppen von den Augen. „Das sind Reiter, der Schnee dämpft die Geräusche der Hufe. Alarm, gebt Alarm!“, schrie er laut in das schlafende Lager und sehr schnell wurde es im Lager lebendig.
Noch bevor die Reiterhorden ihr Lager erreichten, waren die Palisaden besetzt und der tödliche Pfeilhagel flog den Angreifern entgegen. Die Angreifer saßen auf kleinen, sehr wendigen Pferden und schossen ihre Pfeile von kleinen, bauchig gebogenen Bögen in Richtung Lager, durch die heftigen Bewegungen der Pferde, die sich durch den hohen Schnee kämpfen mussten, war die Trefferzahl ihrer Pfeile sehr gering. Umso bitterer waren die Pfeile der Verteidiger für sie, mit tödlicher Präzision trafen die langen Pfeile und rissen große Lücken in die Front der Angreifer. Die wenigen, die es doch noch bis zur Palisade schafften, wurden von den Soldaten mit heftigen Schwertschlägen empfangen und erbarmungslos getötet. Die verletzten und toten Angreifer bildeten einen zweiten Schutzwall und durch den tiefen Schnee behindert, kamen die Pferde der Angreifer nicht bis zu der Palisade. Gut geschützt schossen die Verteidiger Pfeil um Pfeil auf die Angreifer. Plötzlich gellte ein weiterer Alarmruf durch das Lager: „Sie greifen vom Osten an!“ Sofort wurden Bogenschützen und weitere Krieger an die Ostseite des Lagers geschickt. Einige der Angreifer waren in die Felsen am südlichen Rand des Lagers geklettert und schossen ihre Pfeile in die Tiergehege, brüllend brachen die ersten Ochsen zusammen, sie schossen mit Brandpfeilen auf die Unterkünfte, es wurde kritisch für die Verteidiger, aber Thor-Tun schickte früh genug einen Trupp Soldaten in die Felsen, sie konnten die Angreifer in den Felsen erfreulicherweise schnell besiegen.
Die Frauen hatten die wenigen Brände löschen können und dann war der Spuk so schnell vorbei, wie er gekommen war. Etwas erstaunt sahen sich die Verteidiger an. Warum verschwanden die Angreifer so plötzlich, wie sie gekommen waren? Sie hörten ihre Kundschafter rufen und schreien: „Seht mal nach Norden, seht mal!“, und voller Entsetzen sahen sie eine pechschwarze Wolkenwand auf sich zukommen. Mit einem Mal herrschte völlige Windstille, es war, als fehlte die Luft zum Atmen und dann brach der Wintersturm mit Urgewalt über sie herein. Die durch den Brand beschädigten Unterkünfte flogen davon, die Menschen rannten im ersten Moment in Panik ziellos herum, es war blitzartig bitterkalt geworden, der Sturm presste ihnen die Luft aus den Körpern. „In die Unterkünfte, geht in eure Unterkünfte!“, brüllten die Weisen und die Jäger in den Sturm, die Leute verstanden instinktiv, sie verschwanden in ihre Unterkünfte und zurrten sie fest zu, wütend zerrte der Sturm an den Planen, es wurde kalt, trotz des Feuers. Der Sturm tobte die ganze Sonnenreise und den Mondreise hindurch und noch eine halbe Sonnenreise, bis er abflaute und der Schneefall nachließ.
Vorsichtig steckten die ersten ihre Köpfe aus ihren Unterkünften, die Stille war ihnen genauso unheimlich, wie der Lärm des Sturmes vorher. Wieder mussten mühselig Wege freigeschaufelt werden, nach und nach kamen die Menschen zum Vorschein und trafen sich vor Darkahrs Unterkunft. Willger bestimmtemehrere Soldatentrupps, sie sollten die Schäden feststellen und ihm umgehend melden. Von den Bewohnern der Unterkünfte kamen beruhigende Meldungen, von gar keinen bis kleineren Schäden hatten sie den Sturm gut überstanden, auch die Unterstände der Tiere waren zum größten Teil unbeschadet, bis auf die, die durch die Brandpfeile beschädigt worden waren, drei Ochsen waren tot und ein Pferd so schwer verletzt, dass es getötet werden musste.
Drei Verletzte waren zu beklagen, aber die Palisaden hatten dem Angriff standgehalten. Der Rest der Sonnenreise wurde mit Aufräumen verbracht, erleichtert waren die Menschen, dass es für sie doch noch so gut ausgegangen war.
Thor-Tun verstärkte die Wachen, jetzt wurden alle Seiten ihres Lagers bewacht.
Die Kundschafter und die Jäger konnten eine kleine Herde von den Pferden der getöteten Angreifer einfangen und ins Lager bringen, Lehton und Kuur-Sen sahen es mit Freude, frisches Blut für ihre Pferdezucht konnten sie gut gebrauchen. Die Angreifer hatten unbemerkt von ihnen ihre Toten bergen können, das bereitete Darkahr und Thor-Tun mächtig viel Sorgen, denn wenn die Toten unbemerkt von ihnen geborgen werden konnten, konnte auch der nächste Angriff von ihnen genauso unbemerkt erfolgen. Höchste Wachsamkeit und Alarmbereitschaft war angesagt, jetzt liefen ständig Soldaten Wache, die eine Hälfte Soldaten hatte Ruhezeit, während die andere Hälfte auf Wache stand.
Sie hatten den Angriff und den schlimmen Wintersturm ganz gut überstanden, Sorge bereitete der lang anhaltende Winter. Lehton überprüfte ständig die Nahrungsvorräte und hoffte auf das Jagdglück der Jäger.
Der Schnee und die Kälte wollten nicht enden, der Himmel war grau von schweren Wolken, ein Weiterziehen war bei dieser Schneehöhe unmöglich. Lehton war gezwungen, die Ausgabe der Nahrungsmittel zu reduzieren, es wurde kritisch im Winterlager der Menschen. Die Schäden im Lager waren beseitigt, sie hielten sich in Grenzen, die beschädigten Planen konnten aus der Reserve ersetzt werden, schon fast gewohnheitsmäßig wurden die Massen an Schnee beiseite geräumt.
Die Jäger und Kundschafter verließen trotz des schlechten Wetters das Lager, sie brauchten unbedingt Nahrung, die Jäger kamen schnell mit großer Jagdbeute zurück und berichteten von einer großen Herde Büffel, die durch den hohen Schnee nur sehr langsam voran kamen. Lehton folgte den Jägern mit einer Gruppe bewaffneter Männer und sie trafen bald auf die wilden Büffel. Die Männer erlegten fünf der großen Tiere, häuteten sie ab und schnitten das Fleisch in große Stücke zum Transport, die Felle wurden sorgfältig zusammengerollt und auf die Packpferde verteilt. Mit Jubelgeschrei wurden die Jäger und deren Begleiter im Lager begrüßt, Lehton verteilte das Fleisch an die Leute und gab die Felle zum Gerben weiter.
Nachdem Lehton erfahren hatte, dass genügend Vorratsbehälter vorhanden waren, um weiteres Fleisch zu bevorraten, zogen die Jäger noch mal auf die Jagd und wieder fanden sie die Herde schnell. Drei weitere Tiere wurden erlegt, enthäutet und ins Lager gebracht. Mit den zurückkehrenden Jägern kamen auch die Kundschafter zurück und gingen sofort zu ihrem Fürsten, um ihm zu berichten und sie hatten gute Kunde. Nur eine Sonnenreise entfernt war der Schnee nur noch einen knappen Fuß hoch, sie könnten also langsam an den Aufbruch denken. Diese gute und lang ersehnte Nachricht und das frische Fleisch zum Essen blies mit einem Mal die trübselige Stimmung der Menschen weg und weckte neue Energie. Die Männer gingen mit Elan an längst fällige Arbeiten, die Frauen brachten Kleider und Gerätschaften in Ordnung. Das Büffelfleisch wurde von den Frauen in Portionsstücke geschnitten und mit viel Salz in die Vorratsbehälter gepresst und verschlossen.
Die Felle wurden sorgfältig von den Fleischresten befreit und zum Gerben vorbereitet. Willger überprüfte mit den Wagenlenkern die Geschirre der Ochsengespanne und fehlerhafte wurden zur Reparatur aussortiert. Alle waren emsig damit beschäftigt, die Abreise vorzubereiten.
In der Nacht fiel seit langer Zeit kein Schnee und als die Menschen aus ihren Unterkünften traten, staunten sie über einen strahlend blauen Himmel und mittendrin die leuchtende Sonne. Die Menschen waren über diesen schönen Morgen so erschüttert, dass vielen die Tränen übers Gesicht liefen. Jetzt gab Darkahr offiziell bekannt, dass sie weiterziehen wollten. Die Begeisterung kannte keine Grenzen mehr.
Und mitten in dieser Begeisterung erfolgte der zweite Angriff! Die Alarmrufe der Wachen schallten durch das Lager, die Männer und Frauen rissen ihre Waffen an sich, und voller Wut über diesen Angriff stürmten sie zu den Palisaden und stellten sich zwischen die Wachen. Erstaunt sahen sie, dass die Angreifer eine neue Taktik anwendete. Sie hatten sich im Schutz der Nacht durch den hohen Schnee gewühlt und sich darin bis zum Angriff getarnt. Auf diese kurze Distanz trafen die kleinen Bogen besser und der eine oder andere Krieger musste das sehr schmerzhaft feststellen. Aber wieder hatten die Angreifer gegen die massive Verteidigungsfront keine Chance, wieder wurden sie vernichtend geschlagen. Thor-Tun schickte einen Trupp Krieger hinaus, sie sollten überprüfen, ob Überlebenden oder Verletzten geholfen werden konnte. Die drei Krieger fanden nur drei Verletzte, die sie ins Lager brachten. Neugierig wurden die Fremden angestarrt, bis die Heilerinnen alle davonjagten und sich um die Verletzten kümmerten. Einer der Männer hatte nur eine leichte Wunde am Oberarm, verursacht von einem ihrer Pfeile und Thor-Tun versuchte von dem Gefangenen zu erfahren, zu welchen Volk er gehöre und warum sie von ihnen angegriffen wurden. Der Gefangene verstand Thor-Tun nicht, aber er zeigte ihm an, dass er Hunger habe und zeigte auf die Kochtöpfe. Thor-Tun wies auf eine Frau, sie möchte den Gefangenen zu essen geben. Gierig verschlang der Mann das Essen und schaute Thor-Tun fragend an, der nickte der Frau zu und diese füllte die Schale noch mal. Ein Kundschafter fragte, ob er eintreten dürfte, Thor-Tun winkte den Kundschafter herein und dieser sprach den Gefangenen in einer ihm unbekannten Sprache an. Aus dem Gefangenen sprudelte es wie ein Wasserfall heraus. Sie hätten nur vor lauter Hunger angegriffen, ihre Frauen und Kinder starben vor Hunger, das war der härteste Winter, den sie je erlebt hatten, selbst die Ältesten konnten sich nicht an einen noch schlimmeren Winter erinnern. Die Kinder und die Alten starben vor Hunger und Kälte, die Jäger fanden keine Beute mehr, sie kauten vor lauter Hunger auf Fellen und dann hätten ihre Jäger das Lager entdeckt, und der Gefangene machte eine weit ausholende Geste mit seinen beiden Armen, aber keiner von ihnen ahnte auch nur annähernd die Größe des Lagers. Der Gefangene schaute Thor-Tun und den Kundschafter an, als wenn er sagen
wollte: den Rest kennt ihr ja.
Darkahr, der inzwischen dazu gekommen war, wollte von dem Gefangenen wissen, wie viele Krieger noch in ihrem Lager sind. Der Kundschafter übersetzte, der Gefangene schüttelte traurig mit seinem Kopf, keine Krieger mehr, eigentlich seien er und die anderen Männer, die den Angriff versuchten, auch keine Krieger, nur noch ein paar Frauen, Kinder und Alte.
Darkahr ließ Lehton rufen.
„Können wir von unseren Vorräten an die Leute etwas abgeben?“
Lehton nickte nach kurzem Überlegen.
„Gut, packt etwas zusammen und dann soll der Gefangene mit ein paar Leuten von uns das Essen in das Lager bringen.“
Als der Gefangene begriff, fiel er vor Darkahr auf die Knie und dankte mit vielen Verbeugungen. Die Packtiere waren bereits bereit und der Gefangene ging zu den beiden Verletzten und erzählte ihnen, was passiert war.
Pure Erleichterung war auf den Gesichtern der verletzten Männer zu erkennen. Als der Trupp das Lager erreichte, machte sich bei Lehton und seinen Leuten nacktes Entsetzen breit, ausgemergelte Menschen krochen völlig erschöpft aus den runden, flachen Zelten, kaum noch in der Lage, aufzustehen.
Die Furcht verschwand schnell, als der gefangene Krieger erzählte, was ihm passiert war. Die Männer luden die Nahrungsmittel ab und schnell dampften die Kochtöpfe. Lehton rief seine Männer an: „Wir müssen zurück, die Sonnenreise geht schon zur Neige.“ Wie selbstverständlich stellte sich der gefangen genommene Krieger zu Lehton und war völlig überrascht, als ihm angedeutet wurde, dass er im Lager bleiben konnte.
Lehton wurde von Darkahr und den anderen Weisen sowie von der alten Heilerin erwartet. Lehton berichtete von dem entsetzlichen Zustand, in dem sich die paar Menschen befanden und bestätigte, dass von dort keine Gefahr mehr für sie drohte. Darkahr und die anderen nickten zu Lehtons Bericht und Darkahr gab die Anweisung, die paar Leute aus dem Lager zu holen, wenn sie wollten, konnten sie mit ihnen weiterziehen.
Die Vorbereitungen für den Abmarsch waren im vollen Gange, die ersten Wagen hatten wieder Räder und Deichseln. Die Männer räumten mit Hilfe von ein paar Ochsengespannen den Schnee weg, die Aussage der Kundschafter traf zu, der Schnee wurde mit jedem Meter Abstand zum Gebirge deutlich weniger.
Die neue Sonnenreise brachte wieder strahlenden Sonnenschein und der Schnee begann zu schmelzen. Lehton und Kuur-Sen übernahmen die Überführung des Lagers der Fremden, die paar Menschen konnten ihr Glück überhaupt nicht fassen, tausendmal bedankten sie sich bei allen Menschen, die sie sahen. Willger sah sich äußerst interessiert die Zelte an, das Material und der Aufbau waren ihm absolut fremd, aber auch für ihn sehr interessant, falls sie noch mal überwintern müssten.
Es dauerte dann doch noch sechs Sonnenreisen, bis sie endlich aufbrechen konnten, es herrschte eine ausgelassene Stimmung, die Peitschen knallten und die Ochsen zogen willig die jetzt leichten Fuhrwerke. Ohne jede Wehmut wurde das Winterlager verlassen, alle schauten gespannt noch vorne, neugierig auf das, was da noch kommen konnte.
Die Heilerinnen kümmerten sich um ihre neuen Nachbarn, die Kinder waren nach ein paar Mal gut essen als erste wieder auf den Beinen, trotz der anfänglichen Verständigungsschwierigkeiten tobten die Kinder ausgelassen durch die Schneereste.
Einen Mondzyklus später war das Winterlager endgültig vergessen, sie waren in einer leicht hügeligen Landschaft angekommen, das Wetter war angenehm, die Jäger brachten wieder Beute ins Lager. Die neuen Mitbewohner hatten sich eingefunden, ein Teil der Männer hatten sich zu den Jägern gesellt, ein Teil war zu den Kundschaftern gegangen, der Rest hatte sich bei den Bogenschützen gemeldet. Die Frauen waren schnell in den täglichen Aufgaben eingebunden, einige halfen bei den Heilerinnen, einige gingen sogar zu den Bogenschützinnen.
Langsam wurde bekannt, wie schlimm es das Steppenvolk getroffen hatte, sie hatten mit ihren beiden Angriffen aufdas Winterlager der Menschen aus der weiten Ebene fast alle ihrer Krieger verloren, sie hatten keine Jäger mehr, die für Nahrung sorgten. Sie hatten aus Hunger und purer Verzweiflung angegriffen, eigentlich seien sie nicht feindlich gegenüber Fremden eingestellt. Sie waren nur eine kleine Horde ihres Volkes, knapp sieben Zelte, der Hunger hatte sie immer weiter nach Westen getrieben, seit vielen Monden lebten sie, bis zu ihren Angriffen, hier in den Hügeln, mit dem harten Winter hatte keiner gerechnet, ihre Vorräte reichten normalerweise für die Winterzeit. Jetzt waren es nur noch knapp vierzig Menschen, plus Kinder, die den Winter und ihre Angriffe überlebt hatten, insgesamt nur zwölf Familien.
Es waren zähe Menschen, die mit dem regelmäßigen Essen und der Ruhe schnell wieder hergestellt waren, den Rest besorgten die Heilerinnen mit ihrer Heilkunst. Die Kundschafter folgten dem Verlauf des Tales nordwärts, das sich durch die Hügel wand. Links und rechts auf den Hügeln konnte Thor-Tun seine Reiter erkennen, die den Tross an den Flanken absicherten.
Die Sonne beendete schon fast ihre Reise, als sie ihr Lager für die Nacht aufbauten, Thor-Tun ließ die Wagen immernoch im Kreis als Palisaden auffahren und immer noch hielten Soldaten Wache.
Es war eine ruhige und angenehme Zeit, das Wetter brachte die lang vermisste Wärme, die Tiere hatten genug zu fressen und die Jäger brachten reichlich Jagdbeute ins Lager. Die Kundschafter zeigten den fünf Weisen die steile Felsenküste in der Nähe ihres Lagers. Tief beeindruckt standen die Männer am Rande der Klippen und starrten tief hinunter auf das wild schäumende Meer, das mit hohen Wellen machtvoll gegen die Felsenwände anbrandete. Wothar stand staunend neben seinem Vater, so etwas hatte er noch nie gesehen. Die Felsenküste umschloss eine weite Bucht, die Felsenwand verschwand nordwestlich im Dunst der Wellen.
Der Tross zog Richtung Norden in der Nähe der Steilküste weiter, bis sie durch eine tiefe Schlucht gezwungen wurden,nach Osten abzubiegen. Sie zogen am Rande der Schlucht weiter, in der Hoffnung, dass sie einen Übergang finden oder die Schlucht enden würde. Sie schlugen ihr Nachtlager am Rande der tiefen Schlucht auf, auch die zurückkehrenden Kundschafter konnten nur berichten, dass die Schlucht mindestens noch zwei Sonnenreisen weiter ging. Einer der Männer des Steppenvolkes meldete sich ehrerbietig bei Thor-Tun: „Ich kenne diese Schlucht, sie endet an einem kleinen See, ab dort können wir wieder Richtung Norden ziehen. An dem See müssen wir jedoch sehr vorsichtig sein, weil er die einzige Wasserquelle weit und breit ist, oft wird dort von Räubern einHinterhalt gelegt, auch die Tiere, die dort zur Tränke kommen, sind mit Vorsicht zu behandeln.“ So gewarnt, zogen sie mit äußerster Vorsicht und Wachsamkeit weiter, Thor-Tun ließ die Wagen in einem lang gezogenen Oval fahren, Frauen, Kinder und Tiere liefen in der Mitte geschützt.
Alle Soldaten und Bogenschützen waren im Einsatz, patrouillierten ständig um den Treck. Thor-Tun ließ das Nachtlager in einem lichten Wald nahe der Schlucht aufschlagen, so hatten sie wenigstens eine Seite, von der kein Angriff kommen konnte.
Die Menschen waren nervös, ängstlich und aufgeregt, kaum jemand schlief. Die Anspannung hielt die ganze Nacht an,selbst die aufgehende Sonne beruhigte die Menschen nicht, das Frühstück wurde wie nebenbei heruntergeschlungen und schon liefen die Soldaten wieder an ihre Plätze und das war gut so. Der Angriff kam trotzdem überraschend und überfallartig, weil die Angreifer aus der Schlucht kamen, von dort rechnete ja niemand mit einem Angriff, dadurch sorgten die Angreifer für so viel Verwirrung, dass sie weit ins Lager vordringen konnten, ehe die Bogenschützen sie stoppen konnten. Die Angreifer schlugen und stachen alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte, ihnen war es anscheinend egal, wen sie töteten, ob Kinder, Frauen oder die Alten. Dieses Verhalten ließ bei den Verteidigern heiße Wut aufsteigen, sie mussten mit ansehen, wie kleine Kinder schreiend zusammenbrachen und sich in ihrem Blut auf dem Boden wälzten, bis sie endlich qualvoll starben, Frauen lagen mit aufgeschlitzten Bäuchen neben ihren toten Kindern. Es waren nicht sehr viele Angreifer, aber sie schlugen mit einer Wildheit und Kraft zu, die den Verteidigern arg zu schaffen machte, aber die Überlegenheit ihrer Krieger besiegte sie schließlich, nur drei von den Angreifern überlebten verletzt den Angriff. Darkahr ordnete an, dass sie nicht weiterziehen, sie alle sollten das Lager wieder in Ordnung bringen und ihm, sobald es möglich ist, die Schäden melden.
Die scharf bewachten Angreifer wurden vor die Weisen gebracht. Es waren große, kräftige Männer mit unruhigen Augen, die verschlagen hin und her gingen, ihre Gesichter machten den Eindruck, als wären sie enttäuscht, dass ihnen diese Beute verloren ging. Trotz aller Befragung reagierten die Räuber nicht und die Weisen verurteilten sie zum Tod, das Urteil wurde von allen begrüßt. Sirgith trat vor und nahm die Gefangenen und führte sie an den Rand der Schlucht, trat zurück und schoss erbarmungslos und unberührt den drei Männern ihre Pfeile in die Hälse, gurgelnde Laute ausstoßend stürzten die drei Männer in die Schlucht. Die Weisen beschworen noch mal alle, sehr wachsam zu sein, sie müssten jederzeit mit weiteren Angriffen rechnen. Die Nacht blieb ruhig und auch der Aufbruch erfolgte ohne Störungen. In Sichtweite zu dem kleinen See schlugen sie in einem buschigen Gelände ihr Nachtlager auf, nervös liefen die Menschen im Lager herum, keiner fand Ruhe, selbst die Kinder spürten die Unruhe, viele weinten im Arm ihrer Mütter. Die Jäger, Kundschafter und Soldaten hielten sehr wachsam Ausschau, noch mal wollten sie nicht überrumpelt werden.
An dem kleinen See herrschte reger Betrieb, Tiere kamen zum Trinken, Tiere, die sie kannten, und Tiere, die sie noch nie gesehen hatten. Die großen, schwarzen Büffel kannten sie, auch die Hirsche mit ihren großen Geweihen und die flinken, zierlichen Antilopen, aber dann kamen Kolosse zur Tränke, die selbst den erfahrenen Jägern Furcht einflößten. Mit ruhigen und gelassenen Bewegungen kamen diese, mit dickem Pelz besetzten Kolosse an den See, aus ihren Gesichtern ragten gewaltige, krumm gebogene Hauer, mit ihrer langen Nase saugten sie das Wasser auf und spritzten es sich ins Maul.
Selbst als die großen, katzenähnlichen Tiere an der Tränke auftauchten, die mit ihren langen Reißzähnen jedem Tier gefährlich werden konnten, tranken diese riesenhaften Tiere in aller Ruhe ihr Wasser und genauso ruhig und gelassen verließen die Tiere den See. Aufgeregt zeigte einer der Kundschafter auf ein neu angekommenes Tier, richtig groß mit einem braunschwarzen Pelz bedeckt kam es in einem wendigen Trab ans Wasser und alle anderen Tiere machten respektvoll Platz, außer den großen Katzen, die fauchten den Neuankömmling böse an. Der stellte sich auf seine Hinterpfoten und richtete sich zu einer imponierenden Größe auf und ließ ein markerschütterndes Brüllen hören, jetzt konnte es in Ruhe saufen.
Die Nacht blieb ruhig, nach dem Frühstück wurde das Lager abgebaut und erst dann wurden die Wasservorräte am See aufgefüllt, viele Fässer und Tonkrüge wurden gefüllt, weil keinerwusste, wann das nächste Wasser erreicht wurde. Vom See aus brach der Treck wieder in nördlicher Richtung auf, sie kamen in ein dürres flaches Gebiet, ohne jedes Leben, sie brauchten beinahe zwei Mondzyklen, bis sie dieses Gebiet verlassen hatten. Die Fuhrwerke zogen jetzt in ein fruchtbares, von vielen kleinen Gewässern durchzogenes Land. Darkahr ließ den Treck für zwei Sonnenreisen lagern, damit sich Mensch und Tier von den Strapazen aus dem Dürreland erholen konnten. Die Wasservorräte konnten ergänzt werden, die Tiere fraßen sich an dem hohen Gras satt. Die Frauen besserten verschlissene Kleider aus, Gerätschaften wurden repariert.
Vor ihnen lagen flache, freundlich anzuschauende Hügel, mit dichten Wäldern bewachsen. Dahinter erhob sich ein beeindruckendes Gebirgsmassiv. Je näher sie dem Gebirge kamen, umso kühler wurde es, aber die Natur war grün, die Wälder voller Wild und gelb und rot leuchteten Früchte an Büschen und Bäumen. Überall rauschten Bäche mit klarem, kaltem Wasser von den Bergen herunter, es schien ein gutes Land zu sein, keine Spur von irgendwelchen Bewohnern.
Darkahr saß mit seinen Weisen beim Abendmahl und fragte, ob ihnen die Landschaft zusagen würde, hier gäbe es Wasser genug, dichte Wälder, in denen bestimmt genug jagdbare Tiere lebten, der Boden gäbe nach der Rodung bestimmt gute Äcker her. Die Weisen stimmten den Ausführungen ihres Fürsten zu.Jeelohr, der Kundschafter, trat mit einer dampfenden Schüssel in der Hand zu den Weisen und bat sie, seinen Bericht abgeben zu dürfen. Darkahr nickte Jeelohr zu und bedeutete ihm,sich zu ihnen zu setzen. „Ein, zwei Sonnenreisen von hier entfernt habe ich ein Tal gefunden, wie du es suchst“, und sah dabei seinen Fürsten an. „Es hat einen fast nicht erkennbaren Eingang, wir selbst sahen den Eingang nur durch Zufall, eines der Pferde scheute und durch die Drehung des Tieres entdeckten wir den Eingang zu diesem Tal.
Vorsichtig ritten wir in die enge Schlucht, die großen Wagen werden da nicht durchkommen, die sich in engen Kurven rechts, links wandte und dann öffnete sich das Tal vor uns. Eine breite Talsohle, die nach links und rechts in sanfte Hügel überging, die Hügel gingen weiter oben dann in felsiges Gestein über und wurden zu gewaltigen Bergen. Wir sind drei Sonnenreisen in das Tal vorgedrungen und haben das Ende nicht gefunden, zur Mitte wurde das Tal noch breiter, dort kommt auch ein breiter Bach mit viel klarem Wasser den Berg herunter, der Bach fließt an der rechten Talseite bis zu dem von uns gefundenen Tal-Eingang und verschwindet dort in den Felsen. Wir konnten viel Wild entdecken und der Talgrund ist mit saftigen Weiden bedeckt, die Hügel sind alle bewaldet.
Das Gebirge ist unüberwindbar, so weit wir in das Tal geritten waren, konnten wir das alle mit Sicherheit feststellen. Die Felsen sind sehr steil und nirgendwo sahen wir einen Weg oder Pass.“ Die Weisen bedankten sich bei Jeelohr für den erfreulichen Bericht und sie beschlossen, einen Trupp Soldaten mit den Kundschaftern in das Tal zu schicken und es komplett zu erkunden. Die Weisen Lehton, Lehton war für die Nahrung verantwortlich, Willger, Willger war ihr Baumeister, und Thor-Tun, Thor-Tun war ihr oberster Militär, wollten mit auf die Expedition. So wurde es beschlossen, das Lager sollte bis zu ihrer Rückkehr hier bleiben. Die Runde löste sich auf, die drei Weisen machten sich an ihre Reisevorbereitungen und Darkahr schärfte noch mal den Wachen ein, sehr wachsam zu sein. Langsam senkte sich Ruhe über das Lager, ruhig stand das Vieh in der Koppel, in den Zelten wurde es dunkel.
Früh wurde das Lager lebendig, nach dem Frühstück sah man die Kundschafter beschäftigt hin und her laufen, Packtiere wurden beladen, der Trupp Soldaten stand bei ihren Pferden und die drei Weisen saßen auf und nahmen ihre Packtiere an die Zügel. Das ganze Lager sah den davon Reitenden nach undalle Hoffnungen begleiteten sie, sie alle hatten genug von der Flucht vor der wilden Horde, sie wollten wieder in festen Häusern leben und ihre Äcker bestellen.
Die Kundschafter führten den Tross zügig in Richtung Gebirge, sie umrundeten ein, zwei Hügel und es begann ein leichter Anstieg, der Untergrund wurde felsig.
Sie ritten bis zum Abend durch eine imposante Landschaft, sie schien zumindest völlig menschenleer, die Kundschafter zeigten den Weisen oft Tiere, die neugierig aus dem Wald traten.
Sie lagerten an einem kleinen Bach, der glasklares, aber eiskaltes Wasser führte, so kalt, dass die Pferde empört prusteten und sehr langsam das Wasser tranken. Am nächsten Morgen ritten sie weiter, sicher geführt von den Kundschaftern, der Weg blieb eben, es ging nicht mehr höher in die Berge. Zum späten Nachmittag blieben die Kundschafter unerwartet stehen, die Weisen sahen sich erstaunt um, an diesem Platz war nichts besonderes, das ein Anhalten erforderte. Jeelohr ritt zu Thor-Tun und wies auf die steile und schroffe Felswand links von ihnen, Thor-Tun schaute seinen Kundschafter unverständlich an, dieser bat ihm zu folgen und nachdem die Pferde eine scharfe Rechtswendung gemacht hatten, sah Thor-Tun die schmale Schlucht.
Anerkennend nickte er seine Kundschafter an und in Zweierreihe ritten sie in die Schlucht und waren erschlagen von der Schönheit des Tales, das sich jetzt vor ihnen öffnete. Junge Soldaten wischten sich verstohlen Tränen aus ihrem Gesicht, sie wussten, dass sie jetzt ihr neues Zuhause gefunden hatten.
Jeelohr führte seine Leute zu einem fantastischen Lagerplatz, der allen einen herrlichen Ausblick auf das Tal bot. Voller Begeisterung und Entdeckerfreude brachen sie nach einer ruhigen, erholsamen Nacht auf, ritten bei freundlichem Wetter weiter ins Tal und kamen gegen Mittag an die Stelle, an der sich das Tal weit öffnete und die hohen Berge weit zurück traten. Es war genauso, wie Jeelohr es beschrieben hatte.
Ziemlich mittig im Tal wölbte sich ein flacher Hügel, in dessen Mitte ein munterer Bach entsprang. Thor-Tun und Willger waren sich sofort einig: das ist der Platz ihres neuen Dorfes. Sie blieben bis zum nächsten Morgen dort und zogen mit der frühen Sonne weiter in das Tal, erst gegen Ende der Sonnenreise wurde das Tal wieder etwas enger, die Berge schoben sich wieder mehr und mehr zusammen, aber ein Tagesritt weiter verbreiterte sich das Tal wieder, womöglich noch weiter als das Tal vorher.
Nach vierzehn Sonnenreisen kam der Tross von seinem Erkundungsritt zurück und die Freude nahm kein Ende mehr, als der Bericht von den Reisenden bekannt wurde. Sie wussten jetzt, sie hatten ihre neue Heimat gefunden. Der Treck brauchte beinahe einen ganzen Mondzyklus, um das Tal zu erreichen.
Die Menschen waren von dem Tal restlos begeistert und fühlten sich sicher gegen jede Art von Bedrohung.
Thor-Tun ließ, nachdem der letzte Wagen durch die enge Tal Einfahrt verschwunden war, von seinen Kriegern den Eingang durch große Felsbrocken versperren. Mit den letzten drei großen, vierachsigen Wagen hatten sie einige Mühe, sie mussten vor der Einfahrt zum Tal auseinandergebaut werden, selbst der geschickteste Wagenlenker brachte die großen Fuhrwerke nicht durch die enge Schlucht. Aber es wurden alle Probleme gelöst und mit riesiger Erleichterung strömten die Menschen in das Tal. Darkahr stand mit Sirgith und ihrem Sohn etwas abseits und sah in das Tal, in das die Menschen strömten.
„Hoffentlich haben wir hier unseren Frieden und können uns in Ruhe erholen.“ Wothar sah seinen Vater voller Bewunderung an. „Du hast es geschafft, du hast unserem Volk ein neues Zuhause geschenkt, nur deiner Beharrlichkeit haben wir es zu verdanken.“ Sirgith küsste Wothar leicht auf die Wange.
„Besser hätte ich es nicht sagen können!“ Gemächlich folgten die drei den Menschen, die voller Tatendrang in das Tal liefen, als wollten sie noch heute wieder alles aufbauen, was sie durch die wilde Horde in der weiten Ebene verloren hatten.
In einer heiteren Stimmung, die Darkahr so lange vermisst hatte, bauten die Menschen das Nachtlager auf, einige Trupps von Männern waren in Richtung der Wälder unterwegs, um sich die Bäume anzusehen und auszusuchen, die sie für den Bau ihrer Häuser brauchten. Die Frauen machten sich an die Vorbereitung des Abendessens, überall brannten Feuer und voller Freude und Erleichterung vernahm Darkahr den Gesang der Frauen und Mädchen, Scherzworte flogen von Feuerstelle zu Feuerstelle, die Kinder konnten endlich wieder sorglos herum rennen. Das Essen war fertig und Ruhe senkte sich über das Lager.
Die Sonnenreise hatte gerade erst begonnen, als die ersten von ihrem Nachtlager aufsprangen, die Frauen richteten das Frühstück und die Männer entluden die Fuhrwerke. Fein säuberlich sortierten die Männer die abgeladenen Sachen, hier die Beile und Äxte, dort Sägen, Keile, Hämmer und Zangen, andere luden die große Säge ab, die sie zur Herstellung von Balken und Brettern dringend benötigten. Als sie alles beieinander hatten, trugen sie das Material zu einer geeigneten Stelle an den Bach, hier war die Strömung besonders stark und schnell. Das Wasserrad wurde montiert, das Gestell, auf dem die Säge befestigt wurde, wurde aufgebaut. Zum Abendessen konnte man schon gut das spätere Sägewerk erkennen. Viele Männer kamen aus den Wäldern zurück, sie hatten Bäume markiert, die sie fällen wollten, um daraus ihre Häuser zu bauen. Es dauerte nur wenige Sonnenreisen, als mit dem ersten Hausbau begonnen wurde und schnell folgten die weiteren Häuser. Darkahr und Willger drängten sehr darauf, sie spürten schon die Kälte, die von den Bergen herunter kam.
Seine Weisen hatten die Menschen gut eingeteilt, eine Gruppe baute die dringend benötigten Werkstätten auf, die Frauen kümmerten sich um Nahrung für Mensch und Tier, sie pflückten Früchte und sammelten Beeren, hohe Haufen Gras trockneten in der Sonne.
Während einer kurzen Pause, in der sie mal Zeit für sich hatten, machte Sirgith Darkahr darauf aufmerksam, dass Wothar sich sehr um eine hübsche, junge Frau bemühte. „Die Frau ist nicht abgeneigt, scheint mir!“ Darkahr sah Sirgith etwas erstaunt und irritiert an. „Aber unser Wothar doch noch nicht.“ Sirgith schaute ihren Darkahr leicht spöttisch an. „Unser Sohn ist achtzehn Sommer alt und die kleinen, hübschen Mädchen schauen sich die Augen nach ihm aus!“ Darkahr sah seinen Sohn bei einer Baustelle eines Stalles, Wothar arbeitete mit nacktem Oberkörper, wie alle anderen Männer auch, schweißglänzend die Haut, unter der sich mächtige Muskeln bewegten.
„Wahrhaftig“, staunte Darkahr, „unser Sohn ist ein Mann geworden.“ Hell lachte Sirgith ihren Mann an. „Du prächtiger
und tüchtiger Fürst, du siehst alles und du hörst alles, weißt für alles einen Rat und eine Lösung, aber dass unser Sohn erwachsen werden könnte, wie viele andere Jünglinge auch, geht dir nicht in den Kopf.“ Sirgith küsste Darkahr und beide gingen wieder an ihre Arbeit.
Die ersten Menschen bezogen die fertig gestellten Häuser, Darkahr konnte erkennen, dass die Bauleute versuchten, ein klein bisschen von dem Muldendorf in ihr neues Dorf einzubringen. Um die fertigen Häuser legten die Männer einen Sockel aus großen Steinen, die sie von den ausgesuchten Flächen abgesammelt hatten, die ihre Felder werden sollten. Die Steinsockel schützten das Holz und sahen auch noch gut aus.
Das Sägewerk war komplett aufgebaut und die Männer begannen die angelieferten Baumstämme zu entrinden und schoben die Stämme anschließend in die Säge, die durch das Wasser angetrieben wurde. Die Baumstämme verwandelten sich erstaunlich schnell in die so dringend benötigten Bretter. Die Männer in der Säge wechselten von Sonnenreise zu Sonnenreise die Herstellung von Balken und Brettern, so dass fast immer genügend Baumaterial vorhanden war. Die Menschen arbeiteten vom frühen Morgen bis zum letzten Sonnenstrahl und fielen dann todmüde auf ihre Lagerstatt. Darkahr sah, dass das auf Dauer nicht gut gehen konnte und wies seine Weisen an, die Menschen etwas zu bremsen, sie sollten wenigstens in Ruhe ihr Mittagsmahl zu sich nehmen, sonst hätten sie noch zu viele Ausfälle.
Nach drei Mondzyklen konnte jeder erkennen, welch ein prächtiges Dorf von den Männern gebaut wurde, sie brachten die ganze Erfahrung aus der weiten Ebene in die Gestaltung ihres neuen Dorfes ein. Auch hier führten die Wege zwischen den Häusern sternförmig zum Dorfzentrum. Der Platz für das Gebäude war schon markiert, ebenso der Platz für die Schule und das Heilhaus, und ein besonderer Optimist zeichnete sogar den Platz für eine Kaserne ein.
Aber am allermeisten wurden die Töpfereien vermisst, die Herstellung von Vorratsbehältern konnte zu einem Problemwerden, auch die gebrannten Tonziegeln wurden schmerzlich vermisst. In der näheren Umgebung war auch kein Tonvorkommen gefunden worden. Willger bekam die Sorgen der Menschen mit und er stellte daraufhin einen Suchtrupp zusammen, der das Tal nach Ton und Erz absuchen sollte.
Schon am Beginn der frühen Sonnenreise machte sich der Trupp auf die Suche, sie ritten das Tal an den Hängen des östlichen Gebirges in Richtung Norden ab. Sie sahen Risse und Spalten, gruben probehalber in den Boden, ohne Ergebnis. Nach drei Sonnenreisen erreichten sie den breiten Teil des Tales, von dem die Kundschafter berichtet hatten, sie wären überwältigt von der Schönheit des Tales, die Weite des Tales wurde links und rechts von hohen Bergen begrenzt, die Talsohle war leicht hügelig, bewachsen mit dichten Wäldern. Von den linken Bergen schoss ein schmaler, wild fließender Bach ins Tal und floss mit dem größeren Bach von der rechten Gebirgsseite zusammen weiter das Tal hinunter.
In dem Dreieck, das die beiden Bäche bildeten, schlugen die Männer ihr Lager auf. Die zwei Frauen kümmerten sich um das Essen, sie errichteten die Feuerstelle wegen des Windes etwas außerhalb vom Lager. Die eine Frau kratzte und kratzte und rief dann plötzlich ganz aufgeregt einen der Männer zu sich und deutete auf die seltsamen Steine, die sie bei der Errichtung der Feuerstelle frei gekratzt hatte. Der Mann grub einen der Steine aus dem Boden, drehte ihn hin und her und strahlte über sein ganzes Gesicht. „Du hast Eisenerz gefunden!“Jetzt war das Essen Nebensache, alle freuten sich über den so wichtigen Fund!
Nach dem Frühstück ritten zwei Männer zum Dorf zurück, um die frohe Nachricht zu verkünden. Helle Begeisterung
brach bei den Menschen aus und die Schmiede packten ihre Sachen auf mehrere Fuhrwerke und verabschiedeten sich von ihren Familien. „Wir holen euch nach, sobald die Häuser stehen und dann bauen wir die Schmiede!“
Die beiden Boten ritten wieder zurück zu dem Suchtrupp. Der hatte inzwischen eine große Fläche von dem Erz freigelegt und auch schon einiges ausgegraben. Jetzt fänden sie auch Ton, davon waren nun alle überzeugt. Mit viel Schwung wurde das Lager abgebrochen und der Suchtrupp zog weiter am Rande des östlichen Gebirges entlang und machte nur Halt für das Mittagessen. Während des Essens sagte eine der beiden Frauen:„Wenn ich es mir recht überlege, waren die Tongruben in der weiten Ebene alle mitten im flachen Land und nicht am Gebirgsrand. Lasst uns mehr in der Mitte des Tales suchen.“
Der Trupp reagierte etwas beschämt. „Du hast Recht, daran hätten wir auch denken können!“ Die Sonne beendete ihre Reise mit einem herrlichen Farbenspiel und der Suchtrupp baute das Lager auf. Sie hatten wieder nichts entdeckt, die Stimmung war trotzdem gut, denn einer der Männer hatte unterwegs das Abendessen erlegt.
Es vergingen zwei weitere ergebnislose Sonnenreisen, obwohl sie jetzt in der Mitte des Tales nach Ton suchten. Sie waren jetzt schon weit in das Tal vorgedrungen und waren alle von dem, was sie sahen, begeistert. Das Tal war sehr groß, gut geschützt durch die hohen Berge an beiden Talseiten, überall grünte und blühte es und die Wälder und Wiesen waren voller Wild. Eine Frau sagte tief beeindruckt: „Hier sollten wir ein zweites Dorf bauen, einen schöneren Platz gibt es im ganzen Tal nicht.“ Alle stimmten der Frau zu.
Nach dem Frühstück brachen die Frauen und Männer wohlgemut auf, sie waren immer noch von der Schönheit dieses Teiles des Tales tief beeindruckt, ohne jede Scheu traten Tiere aus dem Wald und schauten neugierig zu den Menschen herüber. Sie ritten in eine kleine Senke, in der ein kleiner Teich im Sonnenlicht blinkte, die Hufe ihrer Pferde matschten durch die feuchte Wiese, ein Mann zeigte auf eine Stelle, schräg rechts, etwas hinter dem Teich. Neugierig lenkten sie ihre Pferde zu der angezeigten Stelle und aufgeregt sprang eine der Frauen von ihrem Pferd und kniete sich, um den Boden dieser Stelle genauer ansehen zu können. Sie entfernte einige Grasbüschel und grub ihre Hände in den jetzt frei gelegten Boden, matschend zog sie ihre Hände aus dem Boden. Freude strahlend sah sie hoch zu den anderen. „Wir haben es gefunden, wir haben es!“, jubelte die Frau. Beim Nachtmahl besprachen sie ihre weitere Vorgehensweise und einigten sich, dass eine Frau und drei Männer hier bleiben und schon beginnen, ein festes Lager einzurichten, die anderen sollten zum Dorf zurück reiten und schnellstens mit dem benötigten Material zurückkommen.
Das ganze Dorf freute sich sehr über den Erfolg ihres Suchtrupps und half fleißig, die Wagen mit dem Material zu beladen. Es meldeten sich drei weitere Frauen, die mit zur Tongrube und sich dort ein neues Zuhause schaffen wollten.
Darkahr verabschiedete die Pioniere, die weit oben im Tal sesshaft werden wollten. „Schickt einen Boten, wenn ihr etwas benötigt!“
Beim Frühstück bemerkte Sirgith, dass ihr Sohn einen sehr trübseligen Eindruck machte und wies Darkahr darauf hin.
„Wothar, was bedrückt dich? Du machst ein Gesicht wie alles Elend dieser Welt.“ Wothar machte nur eine unbestimmte Bewegung mit seiner Hand und blies weiter Trübsal. Sirgith stand auf und setzte sich neben Wothar. „Ist es wegen der hübschen jungen Frau, die mit ihren Eltern zu der Tongrube gefahren ist?“ Stumm nickte Wothar mit seinem Kopf. Sirgith sah Darkahr an. „Wir glauben, dass du auch unbedingt zu dieser Tongrube reiten und dort den Leuten helfen solltest. Dort wird jetzt jede tüchtige Hand gebraucht.“ Wothar machte noch einen sehr lahmen Versuch, die Sache herunter zu spielen. „Aber was wird hier aus meiner Arbeit?“ Darkahr beruhigte seinen Sohn. „Das regle ich schon mit den Bauleuten.“ Erleichtert sprang Wothar auf, küsste seine Mutter und drückte kurz seinen Vater und weg war er. Wenig später sah Darkahr, wie sein Sohn ein Packpferd belud, sich von einigen Leuten verabschiedete und in Richtung Norden los ritt.
Darkahr setzte sich mit seinen Weisen zusammen, um die aktuelle Lage zu besprechen. Lehton freute sich sehr, dass er seinem Fürsten berichten konnte, dass es in diesem Tal keine Nahrungsprobleme gab. „Auch die Bevorratung für den kommenden Winter machen gute Fortschritte, die Männer haben Vorratskisten hergestellt, in denen die Früchte gelagert werden können. Für die Beeren und Pilze, und was die Frauen sonst noch gesammelt haben, sind genügend Vorratsbehälter vorhanden.“
Auch Willger konnte zufrieden den Fortschritt beim Häuserbau vermelden. „Wir werden für alle feste Häuser bis zum
Winterbeginn haben, auch werden wir genügend Ställe für die Tiere haben, ebenso für Heu und weiteres Futter für die Tiere. Die größeren Kinder und die Halbwüchsigen sammelten fleißig Brennholz, jedes Haus soll einen großen Vorrat an Brennholz haben, wir wissen ja nicht, wie kalt der kommende Winter wird und wie lange er anhält.“ Willger schloss seinen Bericht mit einem Blick auf Kuur-Sen, der die Berichterstattung an seinen Fürsten weiterführte. „Wir haben uns mögliche Wege angesehen für den Transport der Waren zwischen dem Dorf und der kommenden Töpferei, es wird, bis auf einige Stellen, keine größeren Probleme geben, die wenigen Stellen müssen wir mit Steinen befestigen. Sonst sitzen unsere Fuhrwerke im Schlamm fest. Der Weg zum Tal-Eingang ist in Ordnung, auf dem kommen unsere Fuhrwerke zur Versorgung der Soldaten gut durch“, und gab mit dem Stichwort Soldaten an Thor-Tunweiter. „Die Bewachung des Tal Einganges läuft reibungslos“, begann dieser seinen Bericht, „die Soldaten haben zwischen zwei hoch aufragenden Felsen einen Wachturm gebaut, jetzt können sie sehr weit ins Land vor dem Gebirge sehen. Jetzt beginnen sie mit dem Bau einer Kaserne.“ Die Weisen nickten alle zustimmend, Thor-Tun wandte sich direkt an Darkahr.
„Die Soldaten haben mir berichtet, dass wir uns keine Sorgen wegen der Rauchfahnen unserer Feuerstellen machen müssen, sie sind nicht zu sehen. Wir sollten nur weiterhin darauf achten, dass nur trockenes Holz für die Feuerstellen benutzt wird.“
„Wie groß wird die Kaserne?“, erkundigte sich Darkahr. „Sie soll Platz für fünf Trupps haben, mit einem großen Pferdestall dabei. Als nächstes ist eine Kaserne für die Bogenschützen geplant und dann eine Waffenschmiede.“
Nachdem der offizielle Teil abgehakt war, trat Sirgith zu den Weisen und informierte sie über den Krankenstand, sie musste zwei Todesfälle melden. „Die Soldaten sind ihren schweren Verletzungen doch noch erlegen, aber alle anderen Verletzten sind schon beinahe dienstfähig.“
Innerlich war Darkahr froh und sehr erleichtert, dass sein Volk fast in den normalen Alltag zurückgefunden hatte. Die schrecklichen Erlebnisse verblassten langsam und es wuchs eine neue Generation in diesem Tal heran.
Junge Frauen brachten den Weisen das Abendessen und Darkahr genoss mit seinen Freunden den Abend.
Nach vielen Sonnenreisen besuchte Wothar seine Eltern mal wieder und brachte zur Überraschung aller heiß begehrte Dinge mit. Voller Stolz ließ Wothar aus einem Beutel weiße Steine auf den Boden fallen und aus einem kleineren Beutel streute er einer Frau ein weißes Pulver in die Hand. „Salz, es ist Salz!“, rief die Frau voller Begeisterung. Wothar musste genauestens erzählen, wie er an die Schätze gekommen war. „Also, das war so: Zwei Männer waren unterwegs, um passende Steine für das Fundament der Töpferei zu finden und fanden dabei genauso einen Steinbruch mit diesen herrlichen Steinen, wie in der weiten Ebene.“ Wothar strahlte vor Freude seine Eltern an, die inzwischen in den Kreis der Zuhörer getreten waren. Kaum hatte Wothar geendet, meldeten sich die Steinbrecher. „Wir machen uns schnellstens auf den Weg dorthin, die Fuhrwerke haben wir schon lange beladen, wir haben nur auf die Nachricht gewartet.“ Alle freuten sich und lachten mit den Männern.
„Das Salz habe ich auf einem Erkundungsritt durch Zufall entdeckt. Ich ritt direkt auf einen seltsam ausschauenden Tümpel zu. Um den Tümpel wuchs keine Pflanze, auch im Wasser selbst war kein Grünzeug und der Boden um den Tümpel war fast weiß.“ Alle Zuhörer nickten jetzt, sie wussten Bescheid. „Und als mein Pferd das Wasser ums Verrecken nicht saufen wollte, wusste ich Bescheid. Der Teich enthielt kein trinkbares Wasser, vorsichtig schöpfte ich eine Handvoll und probierte es, es schmeckte furchtbar, aber dann wurde mir klar, was ich da entdeckt hatte. Ich sammelte in diesen Beutel die Salzkristalle für euch, ihr wisst sicher besser als ich, was jetzt zu tun ist.“ Kuur-Sen ließ sich von Wothar genau die Lage des Salzteiches erklären, auch die Entfernung bis zur Töpferei erfragte er ganz genau. Nachdem Wothar alles berichtet hatte, konnte er endlich seine Eltern begrüßen. Darkahr klopfte seinem Sohn anerkennend auf die breiten Schultern, seine Mutter sah jetzt trotz ihrer Größe richtig zierlich gegen ihren beachtlich gewachsenen Sohn aus. Untergehakt gingen die drei zu ihrem Haus. Während des Essens informierte Wothar seine Eltern, dass er im Lager der Töpfer bleiben wird. Sie hatten schon begonnen, Häuser zu bauen, auch die Töpferei machte gute Fortschritte. Wothar äußerte hier eine dringende Bitte: „Das Lager benötigt dringend für den Bau der Gebäude viel mehr Balken und Bretter als bisher.“ Darkahr versprach seinem Sohn, sich darum zu kümmern. Sirgith stellte nach dem Essen einen irdenen Krug auf den Tisch und drei Becher dazu, sie füllte aus dem Krug eine goldgelbe Flüssigkeit in die Becher und hob ihren an. „Lasst es euch schmecken!“ Neugierig probierten die beiden Männer das Getränk und eitel Sonnenschein ging auf den Gesichtern der Männer auf. „Ein herrliches Getränk“, befand Wothar und sein Vater stimmte dem sofort zu.
Es wurde einer der schönen, aber leider so seltenen Abende in der Fürstenfamilie.
Mit der nächsten Sonnenreise machte sich Wothar wieder auf den Weg, er hatte jetzt zwei Packpferde dabei, seine Mutter hatte er alles Mögliche eingepackt. Unterwegs traf er den Tross der Steinhauer, die auf dem Weg zu den weißen Steinen waren und mit ihren vielen Fuhrwerken nur langsam vorankamen.
Die Frauen und Männer, die dabei waren, die Töpferei aufzubauen, arbeiteten emsig, sie fühlten, dass ihnen nicht mehr viel Zeit blieb, bis der Winter käme. Die Sonne schaffte es kaum noch richtig über die Berge, dadurch wurde es empfindlich kühl und die Nächte in den provisorischen Unterkünften waren schon sehr kalt. Eine junge Frau hielt ab und zu in ihrer Arbeit inne und hielt Ausschau nach Wothar. Ein glückliches Lächeln strahlte über ihr hübsches Gesicht, als sie Wothar ansichtig wurde. Die beiden jungen Menschen fielen sich in die Arme, herzten sich und dann luden sie die Schätze, die Wothar von seinen Eltern erhalten hatte, von den Packtieren. Die persönlichen Dinge brachten sie in ihre Unterkunft und die anderen Sachen in das gemeinsame Vorratszelt, zwei weitere Frauen kamen neugierig dazu und wollten unbedingt die neuen Sachen sehen, sie freuten sich sehr über lang entbehrte Dinge. Wothar wurde beim gemeinsamen Abendessen von den älteren Männern angesprochen. Sie machten sich Sorgen über das immer kälter werdende Wetter. „Wenn es so weiter geht, befürchten wir, werden wir die Häuser für uns alle nicht rechtzeitig fertig gestellt bekommen und in unseren jetzigen Unterkünften können wir den Winter nicht überstehen.“
„Was schlagt ihr also vor?“ Wothar achtete die Männer ob ihrer Erfahrung. „Wir arbeiten so lange weiter wie es geht, sollten wir nicht fertig werden, müssen wir den Winter im Dorf verbringen.“ Wothar schaute in die Runde der ihm so vertrauten Gesichter und sah darin ihre Zustimmung zu diesem Vorschlag. „Also gut, so wird es geschehen.“ Damit schloss Wothar die Runde und alle gingen recht müde von der Tagesarbeit in ihre Unterkünfte.
Wothar wurde von dem Rütteln an seiner Schulter wach, er sah in die strahlenden Augen von Liekar. „Aufstehen, du fauler Kerl“, lachte sie Wothar an. Als Wothar aus dem Zelt trat, spürte er heftig die beißende Kälte der vergangenen Nacht.
Die Männer hatten Recht, wenn die Häuser nicht für alle fertig gebaut werden konnten, mussten sie über den Winter ins Dorf zurück. Die Leute hier an der Tongrube hatten die Sonnenreisen gut organisiert, ein Teil der Menschen ging zu den halbfertigen Häusern und arbeitete daran weiter, ein anderer Teil baute an dem Gebäude der zukünftigen Töpferei weiter, vier Männer gruben schon in dem Tonvorkommen und richteten Blöcke von Ton in der Grube zum Abbau ein. Ein paar Männer ritten mit Wothar und Liekar Wache um die Tongrube bis zum Steinbruch und bis zum Salzteich und wieder zurück zur Töpferei.
Hier im Tal hoch im Norden wurde es während der ganzen Sonnenreise nicht wirklich hell, die Sonne kam kaum noch über die Berggipfel, so konnte sie auch das Tal nicht erwärmen. Frierend saßen sie auf ihren Pferden und waren heilfroh, als sie von den Männern im Steinbruch warme Getränke erhielten. Die Männer waren von den Steinen im Bruch begeistert.
„Mit diesen Steinen bauen wir im Dorf unser neues Dorfzentrum und natürlich auch das Kultzentrum, mit dem Steingeröll können wir wieder die Wege befestigen.“ Die Männer waren voller Tatendrang. Aber sie wussten auch, dass sie in ihren einfachen Unterkünften den Winter nicht verbringen konnten und waren daher mit dem Vorschlag von den Leuten der Töpferei einverstanden. Wothar zog mit seinem Trupp weiter zum Salzteich. Hier waren die Menschen schon im Aufbruch, sie beluden die Packtiere mit Säcken voller Salz und verteilten ihre Habseligkeiten auf die Reitpferde. Sie teilten Wothar mit, dass sie genug Salz gesammelt hatten, für den kommenden Winter reichte es allemal. Sie befestigten ihre Unterkünfte mit zusätzlichen Planen und Stricken. „Nach dem Winter kommen wir zurück“, sie winkten dem Wachtrupp zu, „grüßt die Leute im Dorf von uns!“
Das Laub fiel von den Bäumen, die Kälte färbte sie bunt, einer der Männer zeigte Wothar, dass der Schnee der Berge schon fast das Tal erreicht hatte. „Lange können wir nicht mehr bleiben.“
Es dämmerte schon, als der Wachtrupp ins Lager zurückkehrte, sie sahen, dass ein weiteres Haus fertig geworden
war, auch das Gebäude der Töpferei hatte ein gutes Stück dazu bekommen. Froh über das warme Essen setzten sich die Menschen frierend um die Feuerstelle. „Wir sollten langsam unsere Sachen zusammenpacken, lange werden wir hier nicht mehr bleiben können.“ Dazu nickten alle zustimmend. Wothar wurde durch eine seltsame Helligkeit wach, vorsichtig steckte er seinen Kopf aus dem Zelt und zuckte überrascht zurück, er fasste sich erstaunt ins Genick und hatte Schnee in der Hand.
Wothar trat zusammen mit Liekar aus dem Zelt und sie sahen eine makellose, weiße Landschaft. Die übrigen Menschen schauten genauso überrascht auf das zugeschneite Lager. Die Pferde brusteten den Schnee von den Nüstern und schüttelten den Schnee von ihren Rücken. Ein älterer Mann trat zu Wothar: „Wir sollten heute die Baustellen befestigen, damit sie den Winter überstehen, in den fertigen Häusern lagern wir das Werkzeug, morgen sollten wir das Lager abbrechen und ins Dorf zurückgehen.“
„So machen wir es, wir sagen noch den Männern vom Steinbruch Bescheid, dann können wir zusammen reiten.“ Auf halber Wegstrecke kamen Wothar und seinem Trupp die Männer vom Steinbruch schon entgegen. Es hatte keinen Zweck mehr, weiter zu arbeiten, durch den Schnee und das Eis wurde es überall glatt und damit zu gefährlich.
„Lasst uns nach Hause reiten.“ Wothar ließ seinen Trupp wenden und sie ritten ins Töpferlager zurück, hier war schon
alles im Aufbruch begriffen, die halbfertigen Häuser waren durch die Planen gesichert, auch das halbfertige Töpfereigebäude wurde durch Planen geschützt. Das Werkzeug wurde in die fertigen Häuser gelagert, die Männer aus dem Steinbruch legten ihr Werkzeug dazu. Die letzte Nacht war etwas unruhig, die bevorstehende Abreise ließ die Menschen nicht schlafen.
In der Nacht schneite es wieder und die Menschen standen bis zu den Knien im Schnee. Jetzt wurde es Zeit, schnell waren die Packtiere beladen, alles, was nicht benötigt wurde, kam in eines der Häuser. Wothar hob den rechten Arm und gab damit das Zeichen zum Aufbruch. Die verschneite Landschaft ließ dasTal ganz anders erscheinen, es wirkte noch größer und weiter, es war schwer, sich zu orientieren, der ihnen bekannte Weg war nicht mehr zu erkennen, die Pferde stampften mühselig durch den hohen Schnee. Wothar schaute sich ständig um, aber auch er fand keine Landmarke, an der er die Richtung erkennen konnte. Liekar machte den Vorschlag, zum Bach und an dessen Ufer bis zum Dorf zu reiten. Die Menschen waren sichtlich erleichtert, alle wussten, dass der Bach sie sicher zum Dorf führen wird. Wothar schaute seine Liekar stolz an. „Du bist ein tüchtiges und hübsches Mädchen.“ – „Ich weiß“, kam es kokett von Liekar zurück! Die Sonnenreise endete früh in einer schnellen Dämmerung und so musste der Trupp schon früh das Lager aufschlagen und wieder schneite es in der Nacht. Der Weiterritt wurde für Mensch und Tier eine mühselige Plackerei, es ging nur langsam voran, zu langsam und wieder machte Liekar einen guten Vorschlag: „Lasst uns doch alles, was wir nicht unbedingt benötigen, an einer Stelle lagern, die wir gut markieren. Wir können dann öfter die Pferde wechseln und kommen so bestimmt schneller voran.“ Wothar nahm seine Liekar in den Arm und küsste sie herzhaft. „Welch ein Glück, dass ich dich habe!“ Liekar strahlte ihren Wothar glücklich an.
Nach drei weiteren Sonnenreisen trafen sie im Dorf ein, von dick vermummten Wachsoldaten begrüßt. Das Dorf machte einen menschenleeren Eindruck, alle Bewohner waren in ihren festen, warmen Häusern.
Auch Darkahr und Sirgith genossen die Ruhe, draußen arbeiten war nicht mehr möglich, so studierte Darkahr die alten Schriften und Sirgith beschäftigte sich mit Hausarbeiten. Wothar klopfte kräftig an die Tür. Sirgith öffnete und begrüßte die beiden jungen Leute herzlich.
Still fiel der Schnee und deckte das Tal mit einer dicken Decke zu, das Tal erstarrte in der Kälte und eine fühlbare Stille breitete sich aus.