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II. Gewohnheitsrecht

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[100] Zum ungeschriebenen Unionsrecht zählt daneben auch das Gewohnheitsrecht. Darunter versteht man durch Übung und Rechtsüberzeugung entstandenes Recht, das primäres oder sekundäres Recht ergänzt oder ändert. Die Möglichkeit der Existenz solchen Gewohnheitsrechts wird grundsätzlich anerkannt83. Die tatsächliche Herausbildung von Gewohnheitsrecht unterliegt auf der Ebene des Unionsrechts allerdings wesentlichen Grenzen.

Eine Grenze ergibt sich aus der Existenz eines speziellen Verfahren zur Vertragsänderung (Art. 48 EUV). Dadurch wird zwar die Herausbildung von Gewohnheitsrecht nicht schlechthin ausgeschlossen, jedoch verschärft diese Tatsache die Anforderungen, die an den Nachweis einer lang andauernden Übung und einer entsprechenden Rechtsüberzeugung zu stellen sind. Jedes Organhandeln der EU muss zudem seinen Geltungsgrund in den Unionsverträgen finden, nicht jedoch aufgrund des tatsächlichen Verhaltens und eines entsprechenden Rechtsbindungswillens. Daraus folgt, dass Gewohnheitsrecht im Range von Vertragsrecht in keinem Fall von den EU-Organen, sondern allenfalls von den Mitgliedstaaten unter den soeben beschriebenen verschärften Bedingungen ausgehen kann. Übungen und Rechtsüberzeugungen der[S. 89] EU-Organe können allerdings im Rahmen der Auslegung der von diesen Organen geschaffenen Rechtssätze herangezogen werden, wodurch unter Umständen die rechtliche und tatsächliche Tragweite des betreffenden Rechtsaktes geändert wird. Allerdings sind auch hierbei die durch das primäre Unionsrecht vorgegebenen Voraussetzungen und Grenzen zu beachten.

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