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Bestandsaufnahme eines menschlichen Problems
ОглавлениеIrgendeine Fernsehsendung im Jahre 1966:
Ein Schwarzer in den USA möchte den Gottesdienst einer Kirche besuchen, die bisher den Weißen vorbehalten war. Zwei weiße Kirchendiener weisen ihn ab.
Der Schwarze fragt: „Was hätte Christus an Ihrer Stelle getan? Hätte er mich abgewiesen?“
Und: „Ihr schickt weiße Missionare nach Afrika. Aber wir Schwarzen dürfen eure ‚weißen Kirchen‘ nicht besuchen.“
Resigniert geht er weg. Weiße Polizisten stehen dabei, um „Ruhe und Ordnung“ zu schützen, und greifen auch nicht ein, als der Schwarze als Kommunist beschimpft wird.
Nach einem internationalen Zeltlager im Jahre 1965 verabschieden ein paar Engländer eine deutsche Gruppe in Victoria Station in London. Dabei entwickelt sich zwischen einem Deutschen und einem Engländer folgendes Gespräch:
„Wir haben uns doch vierzehn Tage lang gut verstanden.“
„Ja, das haben wir.“
„Ich kann nicht begreifen, dass unsere Völker in den letzten fünfzig Jahren zweimal gegeneinander Krieg geführt haben.“ Schweigen. Dann der Engländer: „Wenn ich mir vorstelle, dass wir beide zwanzig Jahre älter wären, dann hätten wir vor zwanzig Jahren aufeinander schießen müssen …“
Und etwas leiser: „Das ist doch Wahnsinn.“
Der sowjetische Schriftsteller Jewgenij Jewtuschenko hat in einem Gedicht geschrieben: „All diese Grenzen – sie machen mich verrückt.“
Dieses Buch berichtet von einem Mann, der in seinem Leben für andere gegen Grenzen angegangen ist: gegen die Grenzen des Hasses und der Vorurteile, der Besserwisserei, des Fanatismus und des Rassenwahns. Dr. Martin Luther King war kein verträumter, gefühlsbetonter Weltverbesserer, sondern ein realistischer, nüchterner Christ, der mit dem Prinzip der Gewaltlosigkeit seine Gegner nicht in den Staub zwingen wollte, sondern sich für ein friedliches und sinnvolles Miteinander von Farbigen und Weißen einsetzte. Was in den letzten Jahren in den USA zwischen Weißen und Farbigen geschah und was in nächster Zeit geschehen wird, ist nicht nur ein amerikanisches, sondern ein zutiefst menschliches Problem.
Martin Luther King schreibt in seinem Buch „Freiheit“:
„Der Anhänger des gewaltlosen Widerstandes ist mit dem, der sich in sein Schicksal ergibt, einer Meinung, dass man nicht tätlich gegen seinen Gegner vorgehen soll. Andererseits ist er aber auch mit dem, der für Gewalt ist, einig, dass man dem Bösen Widerstand leisten muss. Er vermeidet die Widerstandslosigkeit des Ersteren und den gewaltsamen Widerstand des Letzteren. Wer gewaltlosen Widerstand leistet, braucht sich weder als Einzelperson noch als Gruppe irgendwelchem Unrecht zu beugen; er braucht aber auch nicht zur Gewalt zu greifen, um sich Recht zu verschaffen. Die Anhänger des gewaltlosen Widerstandes können ihre Botschaft in den folgenden einfachen Sätzen zusammenfassen: Wir wollen gegen die Ungerechtigkeit direkt vorgehen (direct action), ohne zu warten, bis andere handeln. Wir wollen nicht ungerechten Gesetzen gehorchen oder uns ungerechten Machenschaften fügen. Wir wollen das auf eine friedliche, offene, fröhliche Art tun, weil es unser Ziel ist, die Menschen zu überzeugen. Wir schlagen den Weg der Gewaltlosigkeit ein, weil wir eine Gemeinschaft anstreben, die im Frieden mit sich selbst lebt. Wir wollen versuchen, mit Worten zu überzeugen. Aber wenn unsere Worte versagen, wollen wir mit unseren Taten zu überzeugen suchen. Wir wollen immer zu Gesprächen und ehrlichen Kompromissen bereit sein. Aber wir sind auch bereit zu leiden, wenn es nötig ist, und sogar als Zeugen für die Wahrheit, wie wir sie erkannt haben, unser Leben einzusetzen. Wenn physischer Tod der Preis ist, den ein Mann bezahlen muss, um seine Kinder und seine weißen Brüder von einem ewigen, geistigen Tod zu befreien, dann könnte nichts erlösender sein.“