Читать книгу Stadt des Unheils: Phenomena 7 - Klaus Frank - Страница 6
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ОглавлениеVincent lief vor den wütenden Stimmen davon, die ihn verfolgten. Er kannte die Männer nur vom Sehen, aber er wusste, dass sie ihm Böses wollten. Keuchend rannte er über das öde Land und hoffte, dass er keine Kuhle übersah, die ihn zu Fall bringen konnte. Die Sonne hing hoch am blauen Himmel und schickte ihre mörderische Hitze, die Vincents Schädel zu versengen drohte.
Er blickte über die Schulter zurück, sah aber aus dieser Perspektive seine Verfolger nicht. Vielleicht war das ganz gut so, umso besser konnte er sich auf sein Ziel konzentrieren. Nicht weit von ihm entfernt sah er ein kleines Waldstück. Vielleicht gelang es ihm dort, die Männer zu narren, wenngleich er nicht wusste, wie er das anstellen sollte. Er fühlte schmerzhafte Stiche in seiner Seite, und sein Atem klang wie das Schnaufen eines gestrandeten Seelöwen.
Insekten zirpten und summten in seiner Nähe, vollkommen unberührt von den Ängsten, die ihn plagten. Ihre Stimmen klangen wie Spott in seinen Ohren.
Ich kann nicht mehr!, dachte er, aber ganz zu seiner Überraschung lief er dennoch weiter.
Wieder hörte er Stimmen, aber er verstand nicht, was sie sagten. Ohne es zu bemerken, verzog er sein Gesicht zu einer Grimasse, die ihn wie einen Schwachsinnigen aussehen ließ. Viele Leute glaubten gar, dass er einer war; im Laufe der Jahre hatte sich in den Köpfen der Menschen ein Bild von ihm entwickelt, in welchem er nur als Idiot seine Daseinsberechtigung hatte. Vincent verspürte keinen Anreiz, ihnen das Gegenteil zu beweisen; es lebte sich seiner Meinung nach ganz gut mit einem solchen Makel.
Doch sein Leben hing nun an einem seidenen Faden; das spürte er. Die Männer verfolgten ihn nicht, weil sie sich einen Spaß draus machen wollten, ihn zu demütigen.
Alles in seinem Körper brannte, sein Kopf genauso wie seine Füße und seine Lunge, und er stieß einen erleichterten Laut aus, als er endlich die ersten Sträucher und kleinen Bäume des Waldgebietes erreichte und von ihnen geschluckt wurde; nur noch das Hin- und Herschwingen der Äste und das ängstliche Gewusel einiger Tiere verrieten ihn.
Für einen Moment verhielt er sich still und lauschte, aber sein eigenes Keuchen übertönte die Schritte seiner Verfolger. Er konnte die Männer nun jedoch sehen. Drei waren es; sie näherten sich ihm, sodass er für einen Moment befürchtete, dass sie ihn ebenfalls sahen. Aber die Sträucher verdeckten ihn. Eilig lief Vincent weiter, durch Geäst und dornige Sträucher, die sich an ihm festkrallten und blutige Botschaften in seinen Armen und seinem Gesicht schrieben. Er machte ungelenke, hüpfende Schritte, um nicht ins Straucheln zu geraten. Er wusste nicht, wie groß dieses Waldstück war, aber er konnte sein Ende nicht sehen, und das machte ihm Mut. Er änderte unmerklich die Richtung und sprang von einer Lücke zur nächsten, die sich ihm bot.
Er warf einen flirrenden Blick zurück, übersah vor sich den Abgrund, der sich plötzlich auftat, und fiel mit einem Schrei auf den Lippen ins Leere. Sein Herzschlag schien auszusetzen. Der Aufprall, der einen Moment später folgte, erschütterte ihn und ließ ihn aufstöhnen. Für einen endlosen Moment verharrte er in der Umklammerung aus purem Schmerz, der ihm die Tränen in die Augen trieb. Er biss seine schlechten Zähne aufeinander, krümmte sich zusammen und kam sich wie ein Wurm vor, den ein perverses Kind in zwei Teile geschnitten hatte.
Er hörte ein heiseres Gekläff und spürte, dass es Zeit wurde, wieder auf die Beine zu kommen. Vorsichtig richtete er sich auf und war erleichtert, als er feststellte, dass er unverletzt war. Er war in eine Senke gefallen. Nachdenklich blickte er zu dem Abhang hinauf, den er hinuntergestürzt war, und sah die Schneise der Verwüstung, die er hinterlassen hatte.
Vincent bemerkte an der natürlichen Wand der Senke eine kleine höhlenartige Öffnung, die durch einen Busch vor allzu neugierigen Blicken geschützt war. Vielleicht nicht ganz das ideale Versteck, aber er vertraute darauf, dass ihm seine Verfolger so viel Raffinesse nicht zutrauten. Eilig verwischte er die Spuren seines Aufpralls, die sich im Laub abzeichneten, und quetschte sich in die Öffnung. Bequem war es dort nicht, aber es war auch nicht seine Absicht, lange dort zu verweilen. Schon jetzt vermutete er, dass die Männer seine Spur verloren hatten. Ihre leisen Stimmen wehten gespenstisch zu ihm hinüber, und er lächelte zufrieden.
So gut es ging machte er es sich in seinem kleinen Versteck bequem und schloss seine Augen.