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3.2 Risiko- und Schutzfaktoren

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Risikofaktoren können die gesunde Entwicklung eines Kindes gefährden, da durch sie das Auftreten einer psychischen Störung begünstigt wird (Bengel, Meinders-Lücking & Rottmann, 2009; Holtmann & Schmidt, 2004). Dabei gibt es Faktoren, die in der Person des Kindes ihren Ursprung haben (kindbezogene/Vulnerabilitätsfaktoren) und Risikofaktoren, die im nahen oder weiteren sozialen Umfeld des Kindes liegen (Risikofaktoren/Stressoren). Zu den Vulnerabilitätsfaktoren werden Faktoren gezählt, die rund um die Geburt auftreten können, wie Frühgeburt, Komplikationen während der Geburt, Erkrankungen des Neugeborenen, chronische Krankheiten des Kindes wie Neurodermitis, Asthma oder Herzfehler. Weitere Vulnerabilitätsfaktoren, die im Laufe der Entwicklung durch die Interaktion mit der Umwelt herausgebildet werden, sind eher schwach ausgeprägte kognitive Fähigkeiten eines Kindes, geringe Fähigkeiten zur Selbstregulation und eine unsichere Bindungsorganisation. Risikofaktoren im familiären und weiteren sozialen Umfeld sind unter anderem Aufwachsen in dauerhafter Armut, ständiger Streit in der Familie, keine verlässlichen Bezugspersonen, Trennung und Scheidung der Eltern, Alkohol- und Drogenmissbrauch der Eltern, elterliche Kriminalität, ungünstige Erziehungspraktiken, kein soziales Netzwerk oder wenig bis keine soziale Unterstützung. Schließlich zählen traumatische Erlebnisse zu den Risikofaktoren wie Katastrophenerlebnisse, Kriegs- und Terrorerlebnisse, schwere Unfälle, Gewalterlebnisse (direkt und indirekt erlebte), schwere Krankheit eines Elternteils oder Tod eines Elternteils (Rönnau-Böse, 2013; Sarimski & Papoušek, 2000; Scheithauer, Niebank & Petermann, 2000; Wustmann-Seiler, 2012).

Schutzfaktoren sind Faktoren, die eine gesunde Entwicklung eines Kindes begünstigen. Sie erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines gesunden Aufwachsens, indem sie im Falle von krisenhaften Ereignissen eine erfolgreiche Anpassung ermöglichen. Schutzfaktoren werden nur bei Auftreten eines bedrohlichen Ereignisses als solche bezeichnet. Liegt kein Risiko für die kindliche Entwicklung vor, wird eher von entwicklungsförderlichen Bedingungen gesprochen. Masten (2016) formuliert eine »Shortlist«, eine kurze Liste, in der die bekannten Schutzfaktoren aufgelistet werden. Sie benennt

effektive elterliche Fürsorge und eine positive Qualität der elterlichen Betreuung

enge Beziehungen zu anderen kompetenten Erwachsenen

enge Freundschaften

Intelligenz und die Fähigkeit, Probleme zu lösen

Emotionsregulation und die Fähigkeit, vorausplanen zu können

Selbstwirksamkeit und Erfolgsmotivation

die Überzeugung von der Sinnhaftigkeit des Lebens sowie Vertrauen und Hoffnung

effektive Erziehungs- und Bildungssysteme (Kindertageseinrichtungen und Schulen)

ein positives soziales Umfeld (Masten, 2016).

Schutzfaktoren lassen sich unterscheiden in Faktoren, die in der Person des Kindes liegen (kindbezogene, personale Ressourcen und Resilienzfaktoren), und in Faktoren, die im nahen und weiteren sozialen Umfeld zu finden sind (soziale Ressourcen). Ausführlicher lassen sich aus den vorliegenden Studien folgende Schutzfaktoren benennen (Wustmann-Seiler, 2012):

Tab. 1: Schutzfaktoren (eigene Tabelle nach Wustmann-Seiler, 2012, S. 115 f)



Personale Ressourcen

Besonders zentral für die Entwicklung von Resilienz sind enge Beziehungen zu kompetenten, fürsorglichen Bezugspersonen (Masten, 2016). Deshalb ist es so wichtig, dass jedes Kind eine verlässliche, warmherzige Bezugsperson an seiner Seite hat. »Je jünger das Kind ist, desto mehr ist sein Verhalten sowie sein biopsychosoziales Gleichgewicht eingebettet in seine Beziehungen zu den wichtigsten Bezugspersonen« (Klitzing, Döhnnert, Kroll & Grube, 2015, S. 269). Dabei ist vor allem die Qualität der Beziehung wichtig, mehr noch als die Quantität. Eine solche Bezugsperson kann eine Person aus dem familiären Umfeld eines Kindes sein, es kann aber auch eine Person aus der Nachbarschaft, aus einem Sportverein, aus einer Tanzgruppe, eine Kindertagespflegeperson, eine pädagogische Fachkraft aus der Kindertageseinrichtung oder eine Lehrkraft sein. Die Kinder aus der Kauai-Studie, die sich als widerstandsfähig erwiesen hatten, verfügten über eine solche kompetente und verfügbare Bezugsperson (Werner, 2008). Gerade wenn Kinder in ihren Familien keine emotional verfügbare Bezugsperson an ihrer Seite haben, werden andere Personen wie Fach- oder Lehrkräfte wichtig, die dem Kind eine unterstützende Beziehung anbieten und so eine kompensatorische Wirkung gegenüber möglichen Risikofaktoren entfalten (Pianta, Stuhlman & Hamre, 2008). Eine solch förderliche Beziehung beinhaltet im frühen Kindesalter zuallererst den Aufbau einer sicheren Bindungsbeziehung zum Kind ( Kap. 4.1).

Ein Schutzfaktor muss nicht zwingend eine schützende Wirkung entfalten. Je nach Person und Kontext kann aus einem Schutzfaktor ein Risikofaktor werden (Bengel et al., 2009). So werden intellektuelle Fähigkeiten zwar zu den Schutzfaktoren gezählt. Wenn sich ein Kind jedoch angesichts einer Krise viele Gedanken über mögliche Lösungswege macht, zu viel über das Problem nachdenkt und nicht mehr aufhört, über die möglichen Lösungen zu grübeln, dann kann sich dieser eigentliche Schutzfaktor in einen Risikofaktor umkehren.

Als Erklärungsansatz für das Auftreten von Krankheiten oder psychischen Auffälligkeiten oder eben für den Erhalt von Gesundheit kann das bio-psycho-soziale Modell (Engel, 1977) zugrunde gelegt werden. In diesem Modell wird davon ausgegangen, dass Störungen der (seelischen) Gesundheit in einer Wechselwirkung aus psychischen, biologischen und sozialen Faktoren entstehen. In dieses Modell lassen sich die genannten Risiko- und Schutzfaktoren einordnen. So lässt sich ein bio-psycho-soziales Modell der Risiko- und Schutzfaktoren darstellen (Abb. 1).


Abb. 1: Bio-psycho-soziales Modell der Risikofaktoren (-) und der Schutzfaktoren (+) (eigene Darstellung)

In diesem (erweiterten) Modell sind die dargelegten Risiko- und Schutzfaktoren den jeweiligen Bereichen biologisch, psychologisch und sozial zugeordnet.

Resilienzförderung in Krippe und Kindertagespflege

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