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3.1 Resilienz – verwandte Theorien, Konzepte und Studien

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Resilienz wird seit mehreren Jahrzehnten erforscht. Ausgelöst durch den Zweiten Weltkrieg und die einschneidenden Erlebnisse, die er für die Menschen mit sich brachte, begannen mehrere Forscherpersonen, sich mit den seelischen Auswirkungen solcher Erlebnisse auf die Menschen zu befassen (Masten, 2016). Wurde anfangs noch vorwiegend danach gefragt, wer psychisch erkrankt und warum, veränderte sich die Fragestellung im Lauf der Zeit hin zu der Frage, wer psychisch gesund bleibt und warum (ebd.). Dies waren die Anfänge der Resilienzforschung, die parallel zu Veränderungen in der medizinischen Forschung verliefen, in der ebenfalls ein Blickwechsel (Paradigmenwechsel) stattfand weg von einer pathogenetischen Sichtweise, die nach den Ursachen für Krankheit suchte, hin zu einer salutogenetischen Sichtweise, die nach den Ursachen für Gesundheit fragte (Wustmann Seiler, 2012).

Die Salutogenese, die auf Antonovsky (1997) zurückgeht, ist ein Ansatz, der mit dem Resilienzkonzept verwandt ist. Was den Menschen gesund erhält und was die Gesundheit fördert, sind Fragen, denen die Salutogenese nachgeht. Zentral sind zwei Begriffe: die generalisierten Widerstandsressourcen und das Kohärenzgefühl. Generalisierte Widerstandsressourcen sind individuelle, umweltbezogene und gesellschaftliche Faktoren, die der Gesundheit förderlich sind (wie kognitive Ressourcen, Wissen über Gesundheit usw. auf individueller Ebene, Frieden und stabile soziale Netzwerke auf gesellschaftlicher Ebene; Franke, 2015). Verfügt ein Mensch über viele Widerstandsressourcen, bildet sich eine Grundüberzeugung aus, dass das Leben gemeistert werden kann und Sinn macht, auch wenn Hindernisse zu überwinden sind. Diese Grundüberzeugung – das Kohärenzgefühl – setzt sich zusammen aus dem Gefühl der Verstehbarkeit (»Ich kann die Welt/Situationen verstehen«), aus dem Gefühl der Handhabbarkeit (»Ich kann mein Leben/Situationen handhaben«) und aus dem Gefühl der Bedeutsamkeit und Sinnhaftigkeit (»Ich sehe einen Sinn im Leben/Diese Situation ergibt einen Sinn«). Je mehr Widerstandsressourcen ein Mensch hat, desto stärker ist sein Kohärenzgefühl. Ein starkes Kohärenzgefühl entsteht bei einem Kind, indem es Vertrauen in eigene Fähigkeiten oder in hilfreiche Fähigkeiten anderer Personen entwickelt und zusätzlich Vertrauen aufbaut, dass alles gut werden wird (Klappstein & Kortewille, 2020). Auch die Sicht Frankls auf den Menschen, dem er einen unbedingten Willen zum Sinn (Frankl, 2015) zuspricht, lässt eine Verwandtschaft mit dem Resilienzkonzept erkennen. Weitere Theorien, bei denen sich ein Zusammenhang zum Resilienz-Konzept herstellen lässt, sind die Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (1993) und Interaktionistische Theorien wie der ökosystemische Ansatz von Bronfenbrenner (1981). Letzterer geht davon aus, dass Entwicklung stets eingebettet in ein zusammenhängendes System stattfindet – verändert sich ein Bestandteil des Systems, bringt dies Veränderungen in anderen Teilen des Systems mit sich.

Es gibt inzwischen zahlreiche Studien zu Resilienz, die der Frage nach der psychischen Widerstandskraft nachgehen. Die wohl bekannteste und häufig zitierte Studie zu Resilienz ist die Kauai-Studie (Werner, 1994), eine Längsschnittstudie, die über einen Zeitraum von mehr als 40 Jahren Menschen von ihrer pränatalen Entwicklung an beobachtete. Dabei wurden die Lebensumstände von nahezu 700 Kindern auf der Hawaii-Insel Kauai erfasst – beginnend bereits vor der Geburt, kurz nach der Geburt, sowie 1, 2, 10, 18, 32 und 40 Jahre nach der Geburt (Werner, 2011). Von diesen Kindern waren ca. 30 % hohen Entwicklungsrisiken ausgesetzt, weil sie beispielsweise bereits bei der Geburt Komplikationen erlebt hatten, in dauerhafter Armut lebten, in der Familie psychische Krankheiten auftraten und ständig Streit herrschte. Davon zeigte wiederum ein Drittel der Kinder ungünstige Entwicklungsverläufe: auffälliges Verhalten, psychische Probleme oder Straffälligkeit (Werner, 2008). Ein anderes Drittel der Kinder entwickelte sich jedoch positiv: sie wurden bereits als Säuglinge positiv charakterisiert, im Kleinkindalter setzte sich diese Beschreibung fort, gegen Ende der Grundschulzeit und im Jugendalter zeichneten sich diese Kinder und Jugendlichen dadurch aus, dass sie »Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten gewonnen (hatten) sowie die Überzeugung, dass die Probleme, die sie angingen, durch ihre eigenen Handlungen überwunden werden könnten« (Werner, 2011, S. 37).

Als weitere Resilienz-Studien führen Bengel, Meinders-Lücking und Rottmann (2009) für Deutschland die Mannheimer Risikokinderstudie (Laucht et al., 1998) und die Bielefelder Invulnerabilitätsstudie (Lösel & Bender, 2008) an, in den USA das Minnesota Eltern-Kind-Projekt (Yates et al., 2003), die Rochester-Längsschnittstudie (Sameroff et al., 2003), in Großbritannien die British Cohort Study (Schoon, 2006), in Neuseeland die Dunedin-Multidisziplinäre-Gesundheits- und Entwicklungsstudie (Caspi et al., 2003) oder die Christchurch-Gesundheits- und Entwicklungsstudie (Fergusson & Horwood, 2001), um nur einige der bisherigen Studien zu nennen. Die genannten Studien fanden eine Vielzahl an Faktoren, die eine seelisch gesunde Entwicklung hemmen können (Risikofaktoren) und eine Zahl an schützenden Faktoren, die eine seelisch gesunde Entwicklung stärken (Schutzfaktoren).

Resilienzförderung in Krippe und Kindertagespflege

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