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Päpstliche Konzeptionen und politischer Druck im 6. Jahrhundert?
ОглавлениеEs bleibt die Frage, in welchem Maße die skizzierten Stellungnahmen und Positionsbestimmungen der Realität entsprachen. Die Zweigewaltenlehre war in der Zeit des sogenannten Akazianischen Schismas (benannt nach dem Patriarchen Akazius) zwischen Ostrom und Rom am Ende des 5. Jahrhunderts formuliert worden. Hier ging es um eine Gewichtung des päpstlichen Einflusses gegenüber der Reichsregierung, jedoch scheinen die Bemerkungen aus der päpstlichen Feder in dieser Zeit eher Kommentare denn wirksame Waffen gewesen zu sein. Den bestehenden Druck aus Byzanz, wo immer häufiger eigenständige Positionen formuliert wurden, auf die solche und ähnliche römische Stellungnahmen eher antworteten, verdeutlicht folgende Episode: Um den Monophysiten (Anhänger der Lehre, die Christus nur eine einzige Natur zuschreiben wollte) einen Kompromiss anzubieten, verurteilte Kaiser Justinian der Große die Schriften von drei Theologen aus der Schule Antiochias, die dem Monophysitismus feindlich gegenübergestanden hatten. Im Verbotsedikt war von drei Kapiteln die Rede. Papst Vigilius (537–555) weigerte sich, dieses Verbot zu übernehmen, und hielt demgegenüber an den alten Konzilsbeschlüssen fest. Deshalb wurde er nach Konstantinopel zitiert und schloss sich dort zwar der Verurteilung der drei Kapitel an, unterstrich aber 548 die Wahrheiten des Konzils von Chalzedon.14 Nach Protesten aus Afrika zog Vigilius dies später zurück, schwenkte aber 553 unter dem Druck Ostroms wieder um. Erst jetzt durfte er nach Rom zurückkehren; er starb auf dem Weg. Ein Programm zu eigenständigen theologischen Positionen nützte also wenig, wenn Pressionen eingesetzt wurden.
Auch die Nachfolger, Pelagius I. (556–561) und Johannes III. (561–574), folgten der vom Kaiser vorgeschriebenen Ablehnung der drei Kapitel. Durch die römische Haltung in diesem „Dreikapitelstreit“ wurden Mailand und Aquileja ebenso wie Afrika einige Zeit lang dem römischen Einfluss entzogen. Die starke kaiserliche Politik Justinians und der damit verbundene Einfluss von Konstantinopel endeten in Italien erst, als die Langobarden dort auch die politischen Schwerpunkte 568 neu setzten. Die skizzierten Reaktionen hatten jedoch entgegen den Absichten für das alte Rom weder in politischer noch in kirchlicher Hinsicht eine Wiederherstellung des alten Glanzes gebracht. Neue Ansätze lassen sich gut in der Pontifikatszeit Gregors I. erkennen.