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Kontakte mit den Franken bis 754
ОглавлениеVerstärkt sind seit der Zeit des Missionars Winfrid-Bonifatius († 754) Bindungen Roms an das Frankenreich festzustellen, denn die angelsächsischen Reformer der fränkischen Kirche hatten römische Ratschläge und Legitimation mehrfach als Richtschnur für ihre Entscheidungen gesucht. Zur Missionierung in Germanien hatte Bonifatius 719 den Auftrag von Papst Gregor II. (715–731) erhalten. Nach der Predigt in Thüringen, Friesland und Hessen reiste Bonifatius 722 zum zweiten Mal nach Rom und wurde dort mit einem Gehorsamseid zum Bischof geweiht, der demjenigen der Bischöfe im römischen Umland entsprach. Bonifatius wurde auch päpstlicher Legat (Gesandter) in Germanien, gründete dort verschiedene Bistümer und fixierte auf dem Concilium Germanicum (742/43) die Kirchenstruktur für das südliche Deutschland. Da römische Entscheidungen immer wieder bemüht wurden, erreichte päpstlicher Einfluss zunehmend Mitteleuropa: Die von Gregor I. zumindest initiierte Missionspolitik auf den Britischen Inseln (vgl. Kapitel III, S. 56f.) brachte so durch die angelsächsischen Missionare „auf Umwegen“ römische Orientierungen auf den Kontinent.
Vielleicht lassen schon die Beschlüsse der römischen Synode von 732 Anzeichen erkennen, dass Gregor II. nicht mehr gewillt war, sich kaiserlichen Vorgaben aus Konstantinopel unterzuordnen. Ob Boten des Bonifatius an dieser Synode teilnahmen,8 bleibt unsicher. Weiterer Handlungsbedarf ergab sich dadurch, dass die Langobarden Rom wiederholt bedrohten. Die Hilferufe Gregors III. an Karl Martell 739 und 740, bei einem erneuten Angriff Unterstützung zu schicken,9 blieben jedoch ohne größere Konsequenzen, weil Karl Martell zum langobardischen Herrscher Liutprand ein relativ gutes Verhältnis pflegte.
Unter Papst Zacharias (741–752), dem letzten schreibenden Griechen auf dem Papstthron, kam es zu einem Waffenstillstand mit den Langobarden. Als diese den römischen Dukat 754 jedoch erneut bedrohten, wandte sich Stephan II. (752–757) an die Franken und bat um eine Einladung ins Frankenreich. Die päpstliche Annäherung erscheint in den Quellen nicht als einseitiger Prozess, denn gleichzeitig versuchten die Karolinger, ihre de facto königgleiche Stellung als Hausmeier zu legitimieren. Als Pippin der Jüngere 750/51 eine Gesandtschaft an Papst Zacharias schickte, um die Herrschaft als König zu übernehmen, soll er zur Bestätigung ein päpstliches Responsum (Antwortschreiben) erhalten haben, in dem der Papst – wohl mit Rückgriff auf augustinische Vorstellungen – betonte, der ordo solle nicht gestört werden und derjenige den Königstitel besitzen, der die Macht habe. So berichten vor allem die Karolingischen Reichsannalen,10 deren hier einschlägige Teile allerdings erst am Ende des 8. Jahrhunderts niedergeschrieben wurden und die damit aus der Rückschau die Anfänge der karolingischen Königsherrschaft sehr einheitlich konstruieren, vielleicht sogar teilweise fiktiv sind.11 Ob Bonifatius die Salbung, die das neue Königtum sakral untermauern sollte, an Pippin vornahm, ist strittig. Vielleicht berichten dies manche Quellen, weil Bonifatius als Erster den Weg nach Rom geebnet hatte.
Für die Papstgeschichte wichtiger sind die Ereignisse von 754, als Stephan II. sich mit Briefen an König Pippin wandte und um Einladung bat. Pippin stimmte diesem Ansinnen zu, vielleicht auch, weil er die Autorität des Papstes für eigene Interessen nutzen wollte. Stephan reiste als erster Papst über die Alpen.12 Auf schwierigen Wegen gelangte er in die Nähe der Königspfalz Ponthion, wo Pippins Sohn Karl, der spätere Karl der Große, ihn Anfang Januar 754 kaiserähnlich empfing. Der Papst traf sodann mit König Pippin zusammen, aber sein Hilfegesuch war im Frankenreich umstritten: Während der König offensichtlich bereit war, den papstfreundlichen Kurs fortzusetzen, stellten sich Teile des fränkischen Adels gegen einen Bruch mit dem Nachbarreich der Langobarden. Wohl deshalb kam sogar Pippins Bruder Karlmann, der sich 747 nach Montecassino zurückgezogen hatte, nach Norden, um mögliche italische Kriegspläne seines Bruders zu verhindern. Pippin ließ ihn in Burgund abfangen und nach Vienne ins Kloster bringen.
Zu Ostern (14. April 754) erfolgten in Quierzy weitere wichtige Akte: Neben dem Versprechen der Schwurfreundschaft, dem „Bund gegenseitiger Liebe“, dem Beschluss eines Kriegszuges gegen die Langobarden gehörten wohl Landversprechungen in Mittelitalien (promissio donationis) an den Papst (die nach erfolgtem Sieg zu leisten seien) dazu. Pippin wurde am 28. Juli 754 durch Stephan gesalbt, und ihm wurde die Würde eines patricius (dies war die ranghöchste Position nach dem Kaiser) verliehen. Außerdem salbte der Papst die Söhne Pippins, Karlmann und Karl, ernannte auch sie zu patricii und verbot unter Androhung des Kirchenbannes, jemals einen König aus anderem Hause zu erheben. Die verschiedenen Akte – vom Freundschaftsbündnis über das Schenkungsversprechen bis hin zu Salbung und Patriciuswürde – unterstreichen die Bedeutung, die beide Seiten dem Zusammenwirken beimaßen; sie wurden aber schon damals von König und Papst unterschiedlich interpretiert und werden bis heute kontrovers gedeutet. Für den Papst dürfte neben dem Schenkungsversprechen die Salbung deshalb höchst bedeutend gewesen sein, weil Pippin und seine Söhne hierdurch zum Schutz der römischen Kirche verpflichtet wurden, während die Könige hierin stärker die Legitimation ihrer königlichen Stellung sahen. Gewichtung und Interpretation der verschiedenen Aspekte13 bedingen die Beurteilung der weiteren Wechselbeziehungen zwischen Päpsten und Frankenkönigen und der in der folgenden Zeit jeweils geforderten Pflichten. In ihrem Handeln bezogen sich künftige Päpste zweifelsohne situativ auf mehrere Aspekte; jedoch scheint aus päpstlicher Perspektive die Frage des Schutzes vor allem an die Salbung gebunden gewesen zu sein.