Читать книгу Geistlicher und sexueller Machtmissbrauch in der katholischen Kirche - Klaus Kießling - Страница 10

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3. Kollusionen – ein Definitionsvorschlag

Mir liegt daran, geistlichen Missbrauch als spezifisches Beziehungsgeschehen zu umreißen. Dazu drängt sich mir der Begriff der Kollusion24 auf. Er stammt aus Psychoanalyse und Paartherapie, ist aber nicht mehr nur dort zu Hause. Als Kollusion gilt das Zusammenspiel von Partner*innen auf der Basis einander entsprechender Beziehungskonflikte. Dabei scheinen ihre jeweiligen Dispositionen wie Schlüssel und Schloss zusammenzupassen, die beiden fühlen sich wie füreinander bestimmt und finden in heimlichem – und zugleich unheimlichem – Einverständnis zueinander. Sie vermögen unreife Wünsche und übergroße Beziehungsängste unter Kontrolle zu halten, indem sie einander jenes Verhalten abverlangen, das zur Reduktion je eigener Beziehungsängste beiträgt, und somit füreinander Lösungsvarianten des Problems des jeweiligen Gegenübers bereitstellen: Wer sich etwa außergewöhnlich gern und intensiv umsorgen, verwöhnen und narzisstisch nähren lässt, passt zu einem Gegenüber, das gern in eine helfende Rolle schlüpft – und den eigenen ungelebten Narzissmus delegiert mit der Aussicht darauf, dass vom grandiosen Glanz des Gegenübers auch etwas auf ihn oder sie fällt.

Kollusionen vermitteln ein Gefühl exklusiver Nähe und Unentbehrlichkeit füreinander und versetzen manche Menschen überhaupt erst in die Lage, sich eine Liebesbeziehung zuzutrauen. Dieses Arrangement bleibt unter den dabei zusammenwirkenden Akteur*innen selbst weitgehend uneingestanden, es erscheint allenfalls Dritten fragwürdig, denen diese Beziehung aber häufig völlig verborgen bleibt.

Geistlichen Missbrauch verstehe ich als Kollusion einer geistlichen Autorität mit spirituell Suchenden, die systemisch begünstigt die Macht des Täters wachsen lässt und diejenigen mundtot macht, die in dieser Beziehung zu Opfern werden.

Geistlicher und sexueller Machtmissbrauch in der katholischen Kirche

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