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DAS BÖSE IST ÜBERALL

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Für gläubige Menschen manifestierte sich das Böse jahrhundertelang in der Gestalt des Teufels und seiner Dämonen. Doch das Böse ist viel banaler — und auch raffinierter. Es kann überall nisten, hinter einem scheinbar freundlichen, zugewandten Blick, hinter den Gardinen eines vermeintlich gutbürgerlichen Hauses, hinter der Fassade eines Lebens, das solide und moralisch gefestigt erscheint. Irgendwo lauert das Bestialische, vielleicht gerade dort, wo wir es am allerwenigsten erwarten.

Und so kann jeder Opfer werden. Manchmal sucht sich der Täter aus seinem persönlichen Umfeld seine Opfer, um sie bei einer sich ihm bietenden Gelegenheit gezielt anzugreifen. Andere werden zum Opfer, weil sie zufällig den Weg eines Gewalttäters streifen, der auf eine Gelegenheit lauert, um seine Fantasien auszuleben.

Das Böse ist überall.

Es kann zum Beispiel daherkommen in der Person des Hans-Jürgen S. Der Mann ist ein 64 Jahre alter Maurer, der zusammen mit seiner 90-jährigen Mutter in einem Reihenhaus wohnt. Hierhin ist er nach der Trennung von seiner Frau, mit der er zwei Töchter hat, gezogen. Die Nachbarn beschreiben den Norddeutschen als „auffällig unauffällig“. Er ist bereits Großvater. Groß und stämmig ist er, mit gepflegten grauen Haaren und grauem Bart. Bilder von früher zeigen ihn mit wuscheligem vollem Schopf und einem dunklen Vollbart. Er spielte damals in einer Fußballmannschaft, galt aber eher als Einzelgänger.

Am 5. April 2011 nehmen Beamte der Mordkommission Kiel den Handwerker in Henstedt-Ulzburg fest: Hinter der gutbürgerlichen Fassade verbirgt sich ein Serienmörder. Auf seine Spur kommt die Mordkommission, als 2010 ein sogenannter Cold Case wieder aufgerollt wird. Es handelt sich um einen Mordfall aus dem Jahr 1984. Die achtzehn Jahre alte Schwesternschülerin Gabriele S. wurde vergewaltigt und dann mit ihrem eigenen Schal erdrosselt. Nun, sechsundzwanzig Jahre nach dem Mord, führt die Polizei DNA-Reihenuntersuchungen durch. Männer aus dem Umfeld des Opfers müssen Speichelproben abgeben, die mit DNA-Spuren vom Tatort abgeglichen werden. Dabei fällt den Experten des Landeskriminalamts eine Probe auf, die zwar nicht identisch ist mit jener vom Tatort. Doch die Spezialisten sind sich sicher, dass bei einem sehr nahen Verwandten der Treffer mit der hundertprozentigen Übereinstimmung zu finden sein wird. Und tatsächlich: Es war der Bruder. Dieser war bei der Polizei kein Unbekannter. Nach der Vergewaltigung einer Hamburger Prostituierten hatte er 1994 eine einjährige Bewährungsstrafe erhalten.

Nach seiner Festnahme gesteht Hans-Jürgen S. sehr schnell die Vergewaltigung und den Mord an Gabriele S. — und überrascht die Beamten, als er kurz danach vier weitere Verbrechen zu Protokoll gibt. Es sind Morde, die er zwischen 1969 und 1984 im Hamburger Norden und in Schleswig-Holstein begangen hat, auch sie aus sexueller Motivation. Er hatte seinen Zufallsopfern im Bereich von Bushaltestellen oder in der Nähe von Diskotheken aufgelauert. Zwei dieser Sexualmorde ereigneten sich 1969 in Hamburg-Langenhorn, die weiteren in den Jahren 1970 und 1972. Mit dem Verbrechen an Gabriele S. beging Hans-Jürgen S. dann schließlich seine letzte Tat.

Der Schleswig-Holsteiner ist nun endlich, zweiundvierzig Jahre nach seinem ersten und siebenundzwanzig Jahre nach seinem letzten Mord, gefasst. Dass er selbst nach wie vor unter hohem inneren Druck stand, ist daraus abzulesen, dass er nach seiner Festnahme alle weiteren Morde aus eigenem Antrieb berichtete. „Er wollte reinen Tisch machen“, sagt der Chef der Mordkommission. Über seine Anwälte lässt Hans-Jürgen S. später ausrichten, dass er die Zeit zwischen 1969 und 1984 nunmehr „als eine unfassbare Phase seines Lebens“ empfinde. Er sei inzwischen „ein anderer Mensch“ geworden.

„Es ist über mich gekommen. Ich habe die Kontrolle verloren.“ Dies sind seine Angaben in den Vernehmungen. Seinen ersten Mord beging er im Frust auf Frauen, von denen er immer Absagen kassiert habe. „Da hat das Mädchen dran glauben müssen“, sagt er lapidar über den ersten Fall von 1969. Später gab es Probleme in seiner Ehe, die ihn zu den nächsten Verbrechen trieben.

Der Richter beschreibt den zweifachen Vater und Großvater als einen Mann, der schon als Jugendlicher Frauen gegenüber unsicher war. Mit siebzehn Jahren entwickelte er dann sexuelle Gewaltfantasien. „Er träumte nachts im Halbschlaf, Mädchen mit Gewalt zu nehmen, und fühlte das wie einen Zwang“, sagt der Richter in seiner Urteilsbegründung. „Dabei stellte er sich Situationen vor, in denen die Mädchen sich nicht wehren oder nicht schreien konnten.“ Die ersten vier Opfer hat Hans-Jürgen S. stranguliert. Zwei seiner Opfer aus dem Jahr 1969 wurden in der Hamburger Rechtsmedizin obduziert. Die schon damals durchgeführten sehr umfangreichen, aber letztlich unspezifischen spurenkundlichen Untersuchungen ergaben lediglich einen Spermiennachweis sowie Blutgruppenmerkmale. Der DNA-Abgleich war noch lange nicht „erfunden“.

Die Angehörigen der Opfer schildern im Zusammenhang mit dem Mordprozess von 2011 in Kiel die Traumata der Familien. Auch noch drei und vier Jahrzehnte nach den Taten waren die Verbrechen ein Thema in den Familien. Der Verlust des geliebten Menschen, die Frage nach dem Warum und der quälende Gedanke, dass der Täter noch frei herumläuft: Sie haben die Angehörigen nicht zur Ruhe kommen lassen. Jetzt endlich können die Familien einen Abschluss finden. Ein besonderes Problem: Zeitweise vermutete die Polizei den Täter im Umfeld der Familie. So wurde der Albtraum noch schlimmer und belastender.

Der Serienmörder, der fünf Frauen getötet hat und erst siebenundzwanzig Jahre nach der letzten Tat überführt worden ist, erhält vom Kieler Landgericht eine lebenslange Freiheitsstrafe (ohne dass die sogenannte „Schwere der Schuld“ festgestellt wurde). Insofern könnte Hans-Jürgen S. theoretisch nach fünfzehn Jahren, wenn er achtzig Jahre alt ist, wieder in Freiheit kommen.

Ein anderer Mann hat für einen Sexualmord, den er nicht begangen hat, einunddreißig Jahre unschuldig im Gefängnis verbracht. Dirk K. wurde um sein halbes Leben betrogen. Für einen Mord im April 1985 an einem sieben Jahre alten Jungen war er 11 000 Tage lang der Freiheit beraubte. In einem spektakulären zweiten Verfahren erfolgte schließlich der Freispruch.

Eine Woche nach dem Gewaltverbrechen, bei dem ein kleiner Junge halb entkleidet und tot in einem Gebüsch gefunden worden war, hatte die Polizei den Aushilfsgärtner Dirk K. festgenommen. Er geriet in Verdacht, weil er schon früher sexuelle Kontakte zu Jungen gesucht hatte. Der junge Verdächtige ist geistig behindert, sein Intelligenzquotient wird auf 74 eingestuft. Bei intensiven Vernehmungen gesteht er die Tat sehr pauschal und wird dann nach einer sehr kurzen Verhandlung verurteilt. Wegen seiner intellektuellen Einschränkungen gilt der junge Mann als schuldunfähig; er wird in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen, zeitlich unbegrenzt. Bei der Gerichtsverhandlung und später immer wieder widerruft der Mann sein Geständnis und beteuert seine Unschuld.

Er wird deswegen als uneinsichtig sowie nicht therapierbar eingestuft. Für ihn und seine psychiatrischen Gutachter ist dies eine Art Teufelskreis. Der Eingesperrte fühlt sich unschuldig und ist ja auch unschuldig. Aber die Gutachter stufen dies als Lebenslüge ein, weil sie davon ausgehen, dass die Feststellungen im Gerichtsurteil zutreffen. Dadurch wird eine ansonsten mögliche positive Prognose verhindert. Und so verbleibt dieser Mann drei Jahrzehnte lang hinter den Mauern, den verschlossenen Türen und Gitterstäben des Gefängnisses, bis sein neuer Anwalt und die Hamburger Rechtsmedizin diesen Fall nach so langer Zeit völlig neu aufrollen.

Anlass dazu ist ein Geständnis, das ein anderer junger Mann aus freien Stücken zunächst bei seiner Psychiaterin, dann auch bei einem Anwalt und bei der Staatsanwaltschaft ablegt, welches im Detail zu den objektiven Beweismitteln passt. Insbesondere geht es dabei um die Verletzungen und die Todesursache des Jungen. Das Gericht hatte Messerstiche in den Hals noch als postmortale Tiereinwirkung abgetan. Von diesen sehr speziellen Halsverletzungen hatte der ursprünglich Verurteilte in seinem Geständnis nie etwas erwähnt. Eine Reihe weiterer Details unter anderem im Hinblick auf das Verletzungsmuster des getöteten Jungen führen letztlich dazu, dass der Mord an dem kleinen Jungen neu aufgerollt wird.

Jetzt wird Dirk K. vom Landgericht Dortmund freigesprochen und erhält eine hohe Entschädigungssumme für die erlittene Zeit hinter Gittern. Das Fehlurteil hat einen Mann getroffen, der sich wegen seiner geistigen Einschränkungen kaum wehren konnte. Umso mehr muss beeindrucken, was der Beschuldigte in seinem letzten Wort, das von seinem Verteidiger verlesen wird, sagt. Er beteuert erneut, er habe den Jungen nicht getötet: „Der Mörder läuft frei herum.“

Und der Mord an dem Siebenjährigen bleibt auch weiterhin ungesühnt. Der Mann, der bei der Staatsanwaltschaft aus freien Stücken ein Geständnis abgelegt hat, widerruft dieses später. Da es keinerlei Zeugen und keine objektiven Beweismittel gibt, wird gegen ihn jetzt keine Anklage erhoben — obwohl Mord nicht verjährt. In seinem Fall gilt: „In dubio pro reo.“

Oder erinnert sei an den Fall Birgit Meier. Diese wurde im Jahre 1989 von Kurt-Werner W. entführt und gefangen gehalten. Sie wurde sexuell malträtiert und dann durch einen Kopfschuss getötet. Den Leichnam hat der Mörder unter seiner Garage vergraben und einbetoniert. Dieser Fall wurde von der Polizei lange als Vermisstensache behandelt. Das Verbrechen wurde erst 2017 aufgeklärt, als der Leichnam der Frau von einem privaten Ermittlerteam gefunden und ausgegraben wurde, einem Team von ehemaligen erfahrenen Kriminalbeamten, Juristen und Rechtsmedizinern.

Weitergehende Ermittlungen und Analysen haben inzwischen ergeben, dass Kurt-Werner W. sehr wahrscheinlich auch der ominöse Göhrde-Mörder war, der 1989 innerhalb weniger Wochen zwei Liebespaare tötete. W. ist vermutlich auch für zahlreiche weitere Morde an Frauen im norddeutschen Raum, möglicherweise auch in Süddeutschland, verantwortlich. Die Ermittlungen zu Kurt-Werner W. sowie zu möglichen Mittätern dauern an.

Eine besondere Pointe: Die Mordkommission Kiel hatte seinerzeit umfangreiche Ermittlungen darüber angestellt, ob der Serienmörder Hans-Jürgen S., der fünf Kapitalverbrechen gestanden hat, möglicherweise auch für Vergewaltigungen und Frauenmorde im weiteren Umkreis verantwortlich war. Beispielsweise wurden ihm auch Tötungsdelikte zugeschrieben, bei denen die Polizei jetzt Kurt-Werner W. als Täter im Visier hat. Dies ist ein Beispiel dafür, dass zur selben Zeit auch mehrere Serienmörder in einem Großraum ihre dunklen Taten verrichten können. Hierzu zählen etwa auch die Sexualmorde des sogenannten Säurefassmörders aus Hamburg-Rahlstedt, die wir in diesem Buch beschreiben.

Rechtsmediziner wissen: Sex kann nicht nur Motiv für Verbrechen sein, sondern es gibt auch Todesfälle aus innerer Ursache im Zusammenhang mit dem Liebesakt. Wenn es heißt, dass ein Mensch tot im Bett aufgefunden wurde, sei es zu Hause oder auch im Hotelbett, dann kann dem ein sehr unterschiedliches Geschehen vorausgegangen sein, ein Herzinfarkt oder eine andere innere Erkrankung — beispielsweise aber auch eine starke Erregung in Zusammenhang mit sexueller Aktivität. Der Partner kann sich entfernt haben. Es kann aber natürlich auch die Ehefrau sein, die nicht so gerne einräumen möchte, wie der Gatte nun genau verstorben ist.

Es geschehen auch Unfälle im Zusammenhang mit speziellen sexuellen Praktiken oder bei Sex an gefährlichen Plätzen. Menschen begehen Suizide aus verschmähter Liebe, Eifersucht, Impotenz oder wegen Schwangerschaft oder sexuell übertragbarer Krankheiten. Aus denselben Gründen gibt es Tötungsdelikte, die aber auch durch Wut oder sexuelles Alleinsein motiviert sein können. Und es gibt bizarre Sexualmorde mit sehr unterschiedlichem Hintergrund: heterosexuell, homosexuell, pädophil.

Ein Rechtsmediziner sollte sich jedenfalls sehr gut und professionell mit speziellen sexuellen Praktiken auskennen, mit Situationen am Fundort und Verletzungsmustern. Es geht um eine objektive Dokumentation der Geschehenslage und eine sachgerechte Interpretation und Rekonstruktion des Ablaufs. Da kann eine komplexe Fesselung, ein Strangulationsmechanismus, Sauerstoffmangel ganz allgemein oder eine andere äußere Einwirkung, um Schmerz zu provozieren, ganz anders zu deuten sein, als man es im Normalfall eigentlich erwartet.

Für den Rechtsmediziner gilt es auch zu berücksichtigen, dass scheinbar bizarre Einwirkungen und Verletzungen selbst beigebracht oder eventuell auch einverständlich hervorgerufen worden sein können. Man denke beispielsweise an ungewöhnliche autoerotische Unfälle.

Spezielle Sexpraktiken können sehr gefährlich werden. Wir denken an einen sehr netten und fähigen Rechtsmediziner, ein hoffnungsvoller Wissenschaftler, Ehemann und Familienvater. Dieser fand bei einer Domina im selbst gewählten Strangulationsapparat den Tod. Derartige Praktiken bergen unter Umständen tödliche Gefahren. Hinzu kommen weitere teilweise sehr belastende Aspekte wie Infektionsausbreitung, Schwangerschaft und die in Einzelfällen sehr weitreichende psychische Traumatisierung oder auch psychische Abhängigkeit. Sehr gefährlich und als langfristig sehr belastend können sich auch Substanzeinwirkungen und Abhängigkeiten von Drogen erweisen. Sogenannte Sexdrogen — beziehungsweise bei unfreiwilliger Verabreichung Vergewaltigungsdrogen — führen zu körperlichen Schädigungen, Bewusstseinseinschränkungen, Bewusstlosigkeit bis hin zu tödlichen Abläufen. Bei wiederholtem Gebrauch resultiert daraus eventuell auch eine von der ursprünglichen sexuellen Motivation abgelöste psychische und/oder körperliche Abhängigkeit.

Sexuelle Gewalt ist für die Hamburger Rechtsmedizin schon sehr lange ein zentrales Thema. Bereits 1985 wurde im Deutschen Ärzteblatt eine groß angelegte Zehn-Jahres-Studie zu insgesamt 1875 polizeilichen Anzeigen wegen sexueller Gewalt publiziert. Darin wurde eine Reihe von Fakten zu Opfer, Täter, Tatausführung, Vortat- und Nachtatverhalten und zur Ermittlungsarbeit der Polizei analysiert. Spezielles Ziel war es, die Rolle der Rechtsmedizin bei derartigen Verfahren zu beleuchten. Im Fokus stand die Frage, wie die sogenannte sekundäre Viktimisierung des Opfers vermieden werden kann. Damit ist der negative Einfluss der polizeilichen Ermittlungen und eines nachfolgenden Strafverfahrens mit wiederholter Vernehmung des Opfers und Konfrontation mit dem Täter gemeint.

Damals wurde auch systematisch die Häufigkeit von Falschanzeigen geprüft. Dabei muss beachtet werden, dass eine derartige Einordnung nicht immer frei von einer gewissen Subjektivität sein kann. Die Frequenz von Falschaussagen lag bei zehn Prozent. Der Literatur konnte man seinerzeit einen Anteil zwischen zwei und maximal 15 Prozent Falschanzeigen entnehmen.

Später konnte man den Erfahrungshorizont auf die Formel bringen: drei Mal ein Drittel. In jeweils einem Drittel der Fälle handelte es sich um reale Abläufe, ein Drittel der Fälle blieb in einer Grauzone und wurde nicht eindeutig geklärt. In einem weiteren Drittel der Fälle handelte es sich eindeutig um Falschanzeigen.

Ein relativ hohes Dunkelfeld resultiert speziell im Hinblick auf Frauen als Täterinnen sowie im Bereich gleichgeschlechtlicher Gewaltverbrechen.

Wir leben in einem geordneten Rechtsstaat mit funktionierenden staatlichen Strukturen. Einen aktuellen direkten Bezug zu kriegerischen Auseinandersetzungen oder größeren Unruhen im Inneren unseres Landes gibt es auch nicht ansatzweise. Die äußeren Grenzziehungen sind sicher.

Betrachtet man internationale Einsätze der Hamburger Rechtsmediziner im Ausland, zum Beispiel nach dem Balkankrieg im ehemaligen Jugoslawien, sowie durch ein schon seit 2005 fortwährendes Engagement in Afrika (Ruanda), war es möglich, Art und Ausmaß sexueller Gewalt im Zusammenhang mit kriegerischen Auseinandersetzungen weitergehend zu erfahren. Fünf Typen der Kriegsvergewaltigung sind zu unterscheiden:

•Vergewaltigung im Vorfeld militärischer Auseinandersetzungen

•Vergewaltigung im Verlauf von militärischen Auseinandersetzungen

•Planmäßige sexualisierte Gewalt in Lagern

•Internierung zur Ausübung von sexueller Gewalt

•Zwangsprostitution von weiblichen Kriegsgefangenen

Eine aktuelle UN-Resolution, die von Deutschland unterstützt wird, prangert jede Form sexueller Übergriffe bei Kriegshandlungen unmissverständlich an.

Die Dimension im vielfältigen Spektrum des Sex reicht von sexuellen Übergriffen im stillen Kämmerlein über eine Vielzahl mehr oder weniger übergriffiger Situationen und über sexuell motivierte Serienmorde bis hin zur systematischen Massenvergewaltigung im Rahmen brutaler Kriegsführung. Ähnliche Situationen mit sehr speziellen Rahmenbedingungen findet man beispielsweise auch in gut organisierten Sekten und kriminellen Organisationen, die Sex systematisch vermarkten und sich wirtschaftlich daran bereichern.

Insgesamt zeigt die Erfahrung:

•Es gibt nichts, was es nicht gibt.

•Man hält manches einfach nicht für möglich.

•Das sprengt das eigene Vorstellungsvermögen.

•Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

•Wie kann das eigentlich sein, dass man oder frau jemandem so etwas antut?

Welche extremen Formen sexuell motivierte Straftaten annehmen können, sollen einige Beispiele zeigen.

Brutale Gewalt im Zusammenhang mit Sex ist so alt wie die Menschheit. Bei einem pädophilen Lustmord im Friesischen handelt es sich um einen vorgeschichtlichen Fall. In der ehemals sehr ausgedehnten Moorlandschaft wurde ein Junge als Moorleiche ausgegraben, der kompliziert gefesselt und durch Halsstiche getötet worden war. Dies konnte als pädophiler Lustmord interpretiert werden, bei dem der Mörder sein Opfer danach im Moor versenkt hat.

Tausende Jahre später, in den frühen 1980er-Jahren, gab es in Hamburg ein Verfahren, das aufrütteln musste. In einer Hamburger Hochhaussiedlung wohnte ein junger Mann in der Nachbarschaft eines Elfjährigen. Der Erwachsene begegnete dem kleinen Stefan sehr freundlich. Die Vorgeschichte des jungen Mannes war in der Anonymität der Großstadtsiedlung niemandem bekannt. Doch der Mann war bereits vielfach auffällig geworden, als er sich an kleinen Jungen vergriff. Er war deswegen auch wiederholt in Strafhaft, die Sicherungsverwahrung drohte.

Er wendete dies ab, indem er sich kastrieren ließ. Danach galt er als geheilt und nicht mehr rückfallgefährdet. Im Rahmen seiner fortgesetzten psychiatrischen Behandlung wurden ihm zur Stabilisierung der Psyche und Vorbeugung beispielsweise von Osteoporose nunmehr jedoch männliche Geschlechtshormone verschrieben. Mit dramatischen Folgen: Der Mann verging sich an dem elfjährigen Jungen, er fesselte ihn kompliziert, quälte und missbrauchte ihn sexuell und strangulierte ihn schließlich zu Tode.

Dramatisch war auch der Fall des zerstückelten Toten von der Hamburger Außenalster, dessen zersägte Körperteile in Plastiktüten verpackt im Bereich der Parkanlage im Wasser und am Ufer aufgefunden wurden. Die Hamburger Rechtsmedizin hat den zerstückelten Leichnam in mehreren Sektionen untersucht und die Tat auch rekonstruieren können. Als letzter Körperteil wurde der abgetrennte Penis des Opfers mit anhängendem Hodensack obduziert. Der Mörder aus dem Homosexuellenmilieu konnte ermittelt und vom Landgericht Hamburg verurteilt werden.

Es gibt auch einzelne Tötungen aus lesbischen Beziehungen heraus, bei denen zum Beispiel Eifersucht das tragende Motiv ist.

Mehrfach war die Hamburger Rechtsmedizin mit Fällen von Kannibalismus befasst, zum Beispiel mit Abtrennen von weiblichen sowie auch männlichen Geschlechtsteilen nach vorangegangenen Tötungshandlungen. Die Körperteile wurden anschließend verzehrt. Ähnlich gelagert war ein Zombie-Mord, bei dem der Mann seine Partnerin und die beiden Kinder tötete und an den Körpern grausamste Verstümmelungen vollzog.

Der pädophile Maskenmann hat in Norddeutschland sowie im angrenzenden Dänemark innerhalb von zwei Jahrzehnten zahlreiche Schüler nachts im Schullandheim aufgesucht, überfallen und durch Befummeln sexuell missbraucht. Einige hat er auch entführt und mindestens drei missbraucht und getötet.

Der vierfache Prostituiertenmörder Fritz Honka, genannt der „Schlächter von St. Pauli“, nahm vier Altprostituierte mit in seine Wohnung in Hamburg-Ottensen, tötete diese und verbarg die zerstückelten und verstümmelten Körper in einer Abseite unter dem Dach des Mietshauses.

Der sogenannte St. Pauli-Killer, Auftragsmörder Werner P., bediente sich zur Manipulation seiner weiblichen Handlangerinnen auch sexueller Praktiken. Durch diese machte er letztlich die eigene Ehefrau und eine Anwältin hörig und konnte sie so für seinen geplanten erweiterten Suizid instrumentalisieren. Die Frauen schmuggelten eine Schusswaffe in den Hochsicherheitstrakt des Hamburger Polizeipräsidiums, mit welcher der Killer den ihn vernehmenden Staatsanwalt, seine Frau und schließlich sich selbst erschoss.

Dieser St. Pauli-Killer war speziell auch im Umfeld der Bandenkriege tätig, die um Claims im Bereich der Prostitution geführt wurden. Von daher haben spezielle sexuelle Geschäfte und ein damit zusammenhängender Bandenkrieg sich direkt auch in einer Mordserie ausgewirkt, die von dem Profi-Killer ausgeführt wurde.

Aber auch natürliche Todesfälle können nach außen hin durch eine dramatische Auffindungssituation für Irritation sorgen. Eine junge Frau, die ihren Körper an Heiligabend mit einem Dildo im abgeschlossenen Badezimmer manipulierte, erlitt dabei aufgrund eines Bluthochdruckleidens eine Hirnblutung und kollabierte über dem Badewannenrand. Ihr Kopf hing im Wasser, und die Frau ertrank. Ihr Partner stand kurzzeitig unter Mordverdacht, bis das Sektionsergebnis feststand.

Eine andere Frau, die ihren Dildo benutzte, während der Ehemann am Sonntagmorgen zum Bäcker ging, erlitt dabei einen akuten Herzinfarkt. Als der Leichnam in das Institut für Rechtsmedizin eingeliefert wurde, befand sich der Kunstpenis noch in ihrer Scheide.

Es ist davon auszugehen, dass gar nicht so wenige Männer und Frauen plötzlich aus innerer Ursache beim Sex versterben. Der plötzliche Tod aus innerer Ursache, zum Beispiel infolge von Herzinfarkt, schlägt zu, wenn die Hormone den Kreislauf in Wallung versetzen — und es im Hinblick auf die sexuelle Erregung gerade am schönsten ist.


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