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Einführung

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Augustus ist die wirkungsmächtigste und widersprüchlichste Gestalt der römischen Geschichte. Er stieß das Tor auf zu der letzten, der verheerendsten Phase des Bürgerkriegszeitalters und wurde doch zum Begründer eines Weltfriedens, der zu seinen Ehren den Namen „Pax Augusta“ trägt. Der Friedensbringer war zugleich ein Eroberer, der im Laufe von 40 Jahren viele Kriege führte und die Grenzen des Römischen Reiches erweiterte wie kein Römer vor ihm oder nach ihm. Er war der Totengräber der auf den Tod daniederliegenden Republik, und doch zog er die größte Genugtuung aus den Ehrungen, die er erhielt, weil er die res publica, den römischen Staat, aus seiner Verfügungsgewalt in das freie Ermessen von Senat und Volk, den Institutionen also, die für die Republik standen, zurückgegeben hatte. Er begann als Hochverräter und war am Ende der „Vater des Vaterlandes“. In seinen Anfängen trat er Recht und Gesetz mit Füßen, aber er ging als Wiederhersteller von Recht und Gesetz und als Schöpfer einer Ordnung, die er selbst und wahrscheinlich die Mehrheit seiner Zeitgenossen als den besten und glücklichsten Zustand des römischen Staates bezeichneten, in die Geschichte ein.

Um seine Stellung in dieser Ordnung zu charakterisieren, nannte er sich „Prinzeps“, das heißt den ersten und führenden Mann des Staates. Damit knüpfte er an den Sprachgebrauch der Republik an, dem zufolge die Gruppe der einflussreichsten Senatoren principes civitatis, die führenden Männer der Bürgerschaft, genannt wurden. Indem er diesen Begriff für seine Person monopolisierte, brachte er das Neue, das in dem Alten steckte, wohl unabsichtlich zum Ausdruck: Der überragende Einfluss war von einem Kollektiv auf den Einen übergegangen. Im Anschluss an diese Selbstbezeichnung haben wir uns nach dem Vorgang Theodor Mommsens daran gewöhnt, die von Augustus begründete Ordnung des römischen Staates als Prinzipat zu bezeichnen, und verstehen darunter die in das Gefüge der republikanischen Verfassung eingelassene Führerstellung des Augustus und der ihm nachfolgenden römischen Kaiser. Einen unverhüllteren Blick auf die realen Machtgrundlagen seines Prinzipats gibt der Name Imperator, das heißt Feldherr, den er seit dem Jahre 40 v. Chr. anstelle eines Vornamens offiziell verwendete. Das Wort verweist auf den alten Brauch, nach dem ein siegreiches Heer seinen Oberkommandierenden zum Imperator ausrief und ihn so zum Empfang der höchsten Ehrung, eines in Rom gefeierten Triumphes, qualifizierte. Obwohl Augustus alles andere als ein großer Feldherr war, ist er in seinem Leben insgesamt 21-mal zum Imperator ausgerufen worden – öfter als jeder der großen Feldherren der Republik. Indem er also in den Anfängen seiner Laufbahn den Titel als Namensbestandteil annahm, verwies er auf die besondere Beziehung, die ihn mit den Soldaten und der Armee verband. Dieser Beziehung, dem so genannten Heerespatronat, verdankte er die Alleinherrschaft. Er hatte dieses Patronat von seinem Adoptivvater, dem Diktator Caesar, geerbt, und er hat dieses Erbe als Instrument des Machterwerbs und des Machterhalts zu nutzen verstanden. In den modernen europäischen Sprachen sind der Titel Imperator und der Familienname Caesar zu Bezeichnungen der Monarchie geworden, die im Kreis der europäischen Monarchien den höchsten Rang beanspruchte: Kaiser und Zar – emperor und empereur. Aber obwohl der Eigenname und der Titel somit die Konnotation einer Militärmonarchie hatten und Augustus’ Anfänge die eines Militärdespoten waren: Er wurde die Geister, die er rief, wieder los und verstand es, die Gefahren zu bannen, die seit der späten Republik die Militarisierung der inneren Konflikte heraufbeschworen hatte.

Wie dies alles zusammenhängt und das eine aus dem anderen folgte, ist Gegenstand dieser Biographie, der aufgegeben ist, Augustus’ Persönlichkeit und sein öffentliches Wirken mit den Zeitverhältnissen in Beziehung zu setzen. Der Weg, den er von seinen hochverräterischen Anfängen bis zum gefeierten „Vater des Vaterlandes“ zurücklegte, war nicht die Umsetzung eines ihm von Anfang an vorschwebenden Meisterplans. Er wusste im Jahre 44 v. Chr. nicht, wohin ihn der Entschluss führen würde, das nicht ungefährliche Erbe des Diktators Caesar für den eigenen Aufstieg zu nutzen. Wenn irgend jemand für die Richtigkeit des Satzes einstehen kann, dass derjenige am weitesten kommt, der das Ziel des Weges nicht kennt, dann ist es Augustus. Die Biographie folgt dem weiten Weg, den er zurücklegte, und versucht, der Person und ihrem Wirken, den problematischen Zügen ebenso wie der positiven Leistung, gerecht zu werden.

Jede Biographie ist auf die Gunst der Quellenlage angewiesen. Diese ist für Augustus, gemessen an dem, was für die antike Geschichte üblich und erwartbar ist, nicht schlecht, stellt freilich – verglichen mit dem Reichtum des ursprünglich Vorhandenen – ein Trümmerfeld dar. Davon vermittelt die Augustusbiographie des Sueton aus hadrianischer Zeit mit ihren Zitatennestern aus verlorenen Quellen einen anschaulichen Eindruck. Was Augustus’ eigenes Oeuvre anbelangt, so besitzen wir mit Ausnahme seines für die Nachwelt bestimmten Tatenberichts nur Fragmente. Sie entstammen seinen literarischen Versuchen, seiner Autobiographie, der umfangreichen privaten und amtlichen Korrespondenz und den Reden. Hinzu kommen, meist durch glückliche Inschriftenfunde erhalten, Edikte und jurisdiktionelle Entscheidungen sowie aus literarischer Überlieferung Anekdoten und Äußerungen, echte beziehungsweise gut erfundene, für die es in der Antike spezielle Sammlungen gab. Dieses primäre Quellenmaterial wird ergänzt durch die biographische und historiographische Überlieferung. Die erste wird durch die bereits genannte, vollständig erhaltene Augustusbiographie des Sueton sowie durch das Fragment einer zweiten, von dem griechischen Diplomaten und Gelehrten Nikolaos von Damaskus verfassten repräsentiert. Dieses Fragment reicht von der Geburt bis zum Jahre 44 v. Chr. und stellt eine wichtige Quelle für die Jugendgeschichte des Augustus dar. Die historiographische Überlieferung ist vornehmlich drei Autoren zu verdanken, Velleius Paterculus, Appian von Alexandria und Cassius Dio. Der erstgenannte, ein Zeitzeuge der Feldzüge in Germanien und Dalmatien, verfasste seine „Römische Geschichte“ in tiberischer Zeit, die beiden griechischen Historiker im zweiten beziehungsweise frühen dritten Jahrhundert. Im Unterschied zu Velleius Paterculus haben sie für die Geschichte des Augustus ältere, für uns verlorene Werke benutzt. Bedauerlicherweise endet die „Römische Geschichte“ des Appian jedoch schon mit dem Jahr 36/35 v. Chr. und stellt somit nur für Augustus’ Anfänge und die so genannte Triumviratszeit eine ausführliche und wertvolle Quelle dar. Alle diese Werke bilden zusammen mit der übrigen schriftlichen Überlieferung, zu der Inschriften und Papyri in gleicher Weise wie die augusteische Dichtung und Literatur gehören, den Grundstock unserer Kenntnis vom Leben des Augustus und der Geschichte seiner Zeit. Aus dem Widerspruch zwischen faktischer Alleinherrschaft und dem Anspruch, die Tradition der Republik zur Vollendung geführt zu haben, entstand ein Legitimationsbedarf, der seinen Niederschlag nicht nur im Medium des Wortes, sondern auch in Monumenten und Bildern, nicht zuletzt auch in den Bildmotiven der Münzprägung, fand. Für dieses Phänomen hat Paul Zanker vor Jahren eine suggestive Formulierung in Gestalt des Buchtitels „Augustus und die Macht der Bilder“ geprägt.

Die gesamte, vielschichtige und höchst heterogene Überlieferungsmasse enthält Elemente, die den Zugriff auf ein breites Panorama der augusteischen Zeit erlauben. Um den Entwurf eines solchen Panoramas kann es in diesem Buch nicht gehen. Das ist nicht nur wegen der vorgegebenen Beschränkung des Umfangs, sondern vor allem auch wegen der ebenfalls vorgegebenen biographischen Ausrichtung der Reihe, in der es erscheint, schlechterdings unmöglich. Aber der Verfasser darf versichern, dass das von ihm entworfene Lebensbild des Augustus auf ein breites Spektrum der vorhandenen Quellen fundiert ist. Für Einzelnachweise verweise ich auf den Abschnitt „Hinweise zu Quellen und wissenschaftlicher Literatur“ im Anhang.

Augustus

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