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Prolog

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Gefesselt hat mich das Schreiben von Tagebüchern, seit ich denken kann. Heute, wenn ich nach Gründen suche, warum ich es tat und was mich daran so faszinierte, finde ich keine Antworten. Möglicherweise war es ein Bedürfnis tief in mir, das mich veranlasste Dinge niederzuschreiben, die andere weder träumen, schon gar nicht erleben durften. Meine intimsten Begegnungen und Gedanken habe ich meinen Tagebüchern anvertraut, in dem Wissen, dass ich das Geschriebene nie selbst lesen werde. Viele mögen die Art, wie ich meine Zeit hier verbrachte als anstößig, unmoralisch, vielleicht sogar pervers bezeichnen. Ein Albtraum auf Erden. Nur einmal, ich muss Mitte zwanzig gewesen sein, gab es eine Zeit, in der sich mir – das will ich nicht abstreiten – ebenfalls dieser Eindruck aufdrängte.

Damals, das liegt nun schon gut vier Jahrzehnte zurück, war ich, und das hing keineswegs vom Standpunkt eines auch noch so wohlwollenden Betrachters ab, anders als das Gros der Frauen in meinem Alter. Anfangs dachte ich, es handle sich um eine verschleppte Pubertät, eine Geschmacksverirrung, die weit in mein drittes Lebensjahrzehnt hineinreichte und mich dort fest umklammert hielt. Darauf hoffend, dass sich dieser Zustand wieder legen würde, er nur eine vorübergehende Erscheinung war, ähnlich einer Verkühlung oder einer hartnäckigen Grippe, die sich verzweifelt an den zu malträtierenden Körper klammert, lehrte mich die Zeit jedoch etwas anderes. Dieses Gefühl des Andersseins verstärkte sich von Tag zu Tag und bald gab ich es auf, mich ihm entgegenzustellen. Ich fand mich damit ab; damit, auf allen vieren, auf den Holzdielen herumzukriechen, dabei nichts weiter als Strümpfe und hohe Absätze zu tragen, mich erniedrigen, quälen und verschnüren zu lassen und dabei die Lust zwischen meinen Beinen ungehemmt fließen zu lassen.

Ich war eine sadomasochistische, nymphomanische Schlampe, zumindest in den Augen der Menge anders Denkender, die zu allem Überfluss noch die interimistische Leitung der hiesigen Volksschule inne hatte. Es war das Jahr 1956 und ich war gerade mal zweiunddreißig.

Meinen Erinnerungen zufolge muss es irgendwann im Jänner jenes Jahres gewesen sein, als mir der erste jener ominösen Briefe in Haus flatterte, die ich anfangs für einen schlechten Scherz hielt und einfach ignorierte. Hätte ich gewusst, was ich mir damit selbst antat, hätte ich – Masochistin oder nicht – mit Sicherheit anders darauf reagiert. Aber im Nachhinein glaubt man ja stets, es besser zu wissen.

Joe & Johanna

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