Читать книгу Welle 1 - 8 - Kurt Baldauf - Страница 6
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ОглавлениеAm nächsten Morgen gelang es ihm, gleich das erste Gemeinschafts-Taxi anzuhalten, das mit vorwiegend farbigen Fahrgästen in Richtung Innenstadt unterwegs war. Als er nach dem Bahnhof fragte, bedeutete man ihm einzusteigen. Froh darüber, dass endlich mal wieder etwas auf Anhieb funktionierte, setzte Jacko sich auf einen freien Sitzplatz und quetschte sein Gepäck zwischen die Beine.
Der Start in den neuen Tag war damit geglückt und der Entscheid, diese Stadt zu verlassen, musste somit richtig sein.
Bereits am ersten Bahnhofsschalter, an dem er sich nach dem Ort erkundigte, in dessen Nähe die gesuchte Farm sich befand, ging es jedoch mit Problemen weiter. Niemand schien das Städtchen zu kennen, nachdem er suchte.
„Hast du Geld?“ fragte die Frau am Schalter.
Sah er aus wie jemand der kein Geld hatte, oder war das eine allgemeine Frage?
„Wenn du Geld hast, gehst du am besten dort hinten die Treppe hoch aufs Bahnhofsdach. Da gibt es Taxis. Frag einfach, welches in deine Richtung fährt.“
Weiter konnte oder wollte ihm hier niemand helfen.
Von diesem Dach hatte er schon Zuhause gehört: ‚Wer das einzige, noch ursprünglich erhaltene Afrika in Kapstadt erleben wolle, müsse das Dach des Zentralbahnhofs mit seinen malerischen Marktständen unbedingt besuchen,‘ hatte es in seinen Reisebüchern geheissen. Von Erkundigungen nach Sonnenuntergang wurde jedoch wegen der hohen Kriminalität abgeraten. Jacko hatte sich damals vorgenommen, diesen Ort zu besuchen. Deshalb war es eigentlich ganz in Ordnung, dass er jetzt hier war, obwohl er keine Ahnung hatte, wie es vom Bahnhofsdach aus weitergehen würde.
Glücklicherweise war es noch früher Morgen und vielleicht gar nicht so schlecht, wenn man ihm nicht ansah, dass er Geld hatte. Ausserdem war er nicht als fotoknipsender Tourist hier. Er wollte so schnell wie möglich weiter und erkundigte sich beim ersten Schwarzen, der ihm schon auf der Treppe zum Dach begegnete, nach einer Fahrgelegenheit.
Auf der Karte, die Jacko Zuhause noch schnell kopiert hatte, konnte der junge Mann wenigstens die Region erkennen, in der das Städtchen ‚Ladismith‘ und die gesuchte Farm liegen mussten.
„Okay. Ich habe einen Freund auf dem Dach, der dir weiterhelfen kann,“ grinste der Schwarze und erst jetzt erkannte Jacko, dass der junge Mann keine Vorderzähne mehr hatte. Das war Jacko egal, denn der Junge hatte einen Freund, der helfen konnte und Jacko wollte auf jeden Fall Heute weiterreisen. Von diesem Freund, der mit seinem Megafonlautsprecher nicht zu überhören war, erhielten sie die Telefonnummer eines weiteren Freundes. Nur half das nicht weiter, denn das nächste Problem war eines, das Jacko bereits kannte und den Schwarzen zum Strahlen brachte:
„Was? Dein Telefon funktioniert nicht? Zeig mal. ...Oh, ein Galaxy. Ich habe einen Freund, der es kurzschliessen kann. Dann kannst du in die ganze Welt telefonieren. Gib mir dein Phone. Das geht ganz schnell.“
Auf keinen Fall würde Jacko sein Telefon aus der Hand geben, obwohl es im Moment nicht funktionierte. Also mussten sie wieder zurück, in die Bahnhofshalle. Die Telefonzellen waren allerdings auch hier ausser Betrieb.
Der Junge klaubte eine verklemmte Münze aus einem der Automaten.
„Wir müssen ‚Air-Time‘ kaufen,“ meinte er dazu.
‚Air-Time‘ nennt man hier das Prepaid-Guthaben. Wenigstens habe ich bereits etwas gelernt,‘ dachte Jacko und sie kauften Air-Time. Danach lieh ihnen ein Sicherheitsbeamter, der offensichtlich auch ein Freund des Jungen war, sein Telefon. Leider erhielten sie aber nur die Auskunft, dass der Minibus nach ‚Ladismith‘ bereits ausgebucht sei. Zurück auf dem Dach meinte der junge Mann, er müsse jetzt weiter:
„Familienangelegenheiten, aber der Megafonmann, wird sich um dich kümmern.“ Jacko gab ihm zum Dank für seine Hilfe etwas Geld und merkte sofort, dass er soeben einen idiotischen Fehler gemacht hatte. Der Schwarze schaute ihn mit grossen Augen an und bat sofort um mehr Geld. Von seinem ersten Fehler total verwirrt, ging Jacko auch darauf noch ein.
Wenigstens war der Megafonmann jetzt sehr freundlich und versprach, ihm weiterzuhelfen: „Ich habe viele Freunde hier, setz dich in den Schatten. Ich komme gleich zurück.“
Mit diesen Worten spazierte der Typ weiter und quakte irgendwelche Ortschafsnahmen durch das Megafon oder lies, wenn er eine schöne Frau sah, auch mal einen freudigen Ausruf weit herum schallen.
Jacko setzte sich zu einigen Farbigen in den Schatten einer der vielen Bushaltestellen. Unter ihnen war auch eine uniformierte Beamtin, die ihm vorübergehend die Sicherheit gab, hier oben nicht ganz falsch zu sein.
Wie die Reiseführer versprochen hatten, war es tatsächlich sehr spannend auf dem Bahnhofsdach. Unzählige Minibusse kamen an oder verliessen die Plattform wieder, nachdem ihre Kundschaft ein- oder ausgestiegen war. Viele Schwarze, Inder, Farbige und auch einige Weisse strömten aus allen und in alle Richtungen oder verschwanden irgendwo zwischen den Marktständen. Zusätzlich war die Aussicht auf den nahen ‚Table Mountain‘, eines der Wahrzeichen Kapstadts, von hier oben und bei dem vorherrschenden Sonnenschein, besonders eindrücklich. Der Megafonmann tauchte immer mal wieder auf und teilte ihm mit, das bald ein Bus kommen würde: „Keine Sorge - Don’t worry. Ich kümmere mich um dich.“
Das tönte beruhigend und Jacko beobachtete weiter die hektische, aber nie unkontrolliert wirkende Geschäftigkeit. Die ersten zwei Stunden waren bereits vergangen, als er zum ersten Mal auf die Uhr schaute.
Obwohl er im kühlen Schatten sass, wäre ein Bier trotzdem nicht schlecht gewesen und zur Toilette musste er inzwischen auch. Also erkundigte er sich bei seinem neuen Freund, der vor der Treppe mit Bekannten diskutierte, ob es möglich sei, das Dach schnell zu verlassen.
„Kein Problem. Deinen Rucksack kannst du hierlassen,“ meinte der Megafonmann. „Keine Sorge. Ich passe auf ihn auf... .“
Das dann doch nicht, fand Jacko und eine Toilette war schnell gefunden. Bier gab es allerdings im ganzen Bahnhof nicht und er stieg wieder aufs Dach, um zu schauen, was mit dem Bus los war. Nichts war los, aber ein Bier könne er ihm natürlich besorgen, meinte der Megafonmann: „ No Problem. Gib mir Geld.“
Was blieb Jacko anderes übrig und der Farbige verschwand wieder in der Menschenmenge. Zwischendurch war sein Megafon aus verschiedenen Richtungen zu hören und verriet, dass er noch in der Nähe war. Als Jacko nach weiteren zwei Stunden langsam unruhig wurde und immer noch nichts zu Trinken hatte, riss ihm die Geduld. Während er den Megafonmann zur Rede stellen wollte, tauchte genau im richtigen Moment ein weiterer Farbiger mit dem bestellten Bier auf.
„Afrika,“ sagte sich Jacko und genoss sein Bier möglichst versteckt, weil es in Südafrika verboten ist, ausserhalb von Bars und Restaurants Alkohol zu trinken.
‚Ob der Megafonmann seine Bierflasche aus diesem Grund in einem Zug geleert hatte?‘