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4….und ab

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Wie immer, wenn ich Liebesbotschaften zu vernehmen meine, verfalle ich in zwei eingeübte Rituale. Erstens: mein Großhirn arbeitet auf Überlast. Es erstellt angestrengt diverse Misstrauensszenarien. Man weiß ja, zumindest ahnt man es, welch furchtbare Dinge einem, vor allem im Netz, geschehen können. Natürlich auch anderswo, aber vor allem dort.

Zweitens: der Rest meiner Existenz begibt sich in eine Art Totenstarre inklusive der völligen Unfähigkeit, auf meine Wahrnehmung einigermaßen angemessen zu reagieren. Dieses Nicht - Verhalten hat mich in meinem Leben schon einige Beziehungsoptionen und sicherlich auch die eine oder andere flotte Nacht gekostet. Ich kann es nicht abstellen. Immer, wenn diese bestimmte Saite in mir zum Schwingen gebracht wird, antworte ich mit komplettem Stillstand, Systemabschaltung, „Shut down“, „toter Mann“. Ein Mensch will Kontakt? Oh Gott! Selbst jetzt noch, im zarten Alter von fast 60 Lenzen. Mittlerweile habe ich, im täglichen Miteinander, Strategien entwickelt, diese Unfähigkeit zu überspielen. Wer mich nicht näher kennt, merkt es nicht auf den ersten Blick. In diesem Fall war es wieder soweit.

Ich brauchte exakt 187 Minuten, um auf die Frage, wie es mir denn heute ginge, stolze vier Worte zu erwidern: „Danke gut. Und dir?“ In der Zwischenzeit hatte ich ungefähr ein halbes Dutzend Szenarien entworfen, die sich mit möglichen Folgen meiner Antwort beschäftigten. Was wollte dieses Geschöpf von mir? All das fand nur in meinem Kopf statt. Der Rest meines Körpers war mit der Angelegenheit zu diesem Zeitpunkt noch nicht befasst. Zu meiner Beruhigung ging die Badenixe dann wohl schlafen, sodass ich mich keiner weiteren Befragung ausgesetzt sah.

Damit, so dachte ich, sei die Sache erledigt. Schwein gehabt! Doch die Dame tat mir keineswegs den Gefallen, mich in Ruhe zu lassen. Sie gönnte mir lediglich eine Pause. Am nächsten Mittag, kurz bevor ich meine Wohnung verlassen wollte, kam die Retoure: „Mir geht es auch gut und wie hast du deinen heutigen Tag verbracht?“

Was ich ihr nicht erzählen wollte: ich war auf dem Weg zum Spätdienst und hatte noch gar nichts „verbracht“. „Leider“ hatte ich an diesem Tag dann auch „so viel zu tun“, dass ich auf keinen Fall, nicht einmal während meiner halbstündigen Arbeitspause, Zeit fand, ihr zu antworten. Das geschah, nach einer weiteren, langen Nacht des Schweigens.

Längst war klar, dass ich einer Fortsetzung des Dialogs keinen nennenswerten Widerstand entgegensetzen würde. Wozu also die lange Pause?

Ehrlich? Über diese Frage habe ich mir nie wirklich Rechenschaft abgelegt, obwohl eine sinnvolle Antwort darauf mein Kommunikationsverhalten erheblich zum Positiven verändern könnte. Meine gelegentliche Überkontrolliertheit in Gefühlsdingen war nicht zuletzt einer der Gründe für das Scheitern meiner Ehe. Zumindest sehe ich das heute so. Meiner zukünftigen Exfrau fallen da unter Umständen noch andere Dinge ein. Das ist in diesem Zusammenhang nicht wichtig.

Jedenfalls gönnte ich meiner Schönen am nächsten Morgen, gleich nach dem Aufwachen einen Mehrzeiler, in dem ich ihr mitteilte, dass ich bis 21.00 Uhr tapfer im „Reich der Notwendigkeiten“ ausgeharrt und danach das Buch einer Autorin gelesen hatte, deren Name ihr unter keinen Umständen etwas sagen konnte. Damit hatte ich zwei wichtige Botschaften abgesetzt. Erstens: ich gehe einer regelmäßigen Tätigkeit nach, bin also kein Faulpelz und zweitens: in meiner Freizeit befasse ich mich mit kulturellen Dingen. Ich bin also nicht nur ein „Held der Arbeit“, sondern auch noch einer, der was in der Birne hat. Die Botschaft war mir wichtig, um von Anfang an klarzustellen, in welche Richtung der Zug bei mir fährt.

***

Der nahm dann Tempo auf. In ihrer nächsten Nachricht wurden Namen und Orte genannt. Justine aus Toulouse. Frankreich. Ich schaute kurz bei Google - Maps nach, wo genau ich Toulouse zu verorten hatte. Mittlerer Süden. Großstadt. Spätestens beim zweiten Satz jedoch hätte der gewiefte Instagram – Chatter hellhörig werden dürfen:

„….und reise zu meiner Großmutter und dir nach Elfenbeinküste wenn ich fragen darf.“

Elfenbeinküste und Internet? Da war doch was? Nicht für mich.

Die Google – Übersetzung war, wie Google – Übersetzungen manchmal sind – googleisch eben! Der Inhalt der Botschaft war aber in etwa zu erraten. Natürlich durfte sie fragen, noch dazu so höflich. Ich liebe diese Feinheiten. Nur, eine Antwort bekam sie an diesem Tag nicht mehr. Es blieb, für diesen 18. August, die einzige Nachricht.

***

Am nächsten Abend ging alles Schlag auf Schlag. Vier Tage lang hatten wir uns, wie zwei Schachspieler in der Eröffnung, vorsichtig abgetastet. Montagabend wurden Nägel mit Köpfen gemacht, die ersten Figuren abgetauscht. Nach den einleitenden Floskeln „Wie geht es….?“ „….und dir…?“….kam Folgendes:

Oh ok, ich verstehe das und weiß, dass es mir auch gut geht, danke, dass du fragst und weißt, dass ich dich immer noch kennenlernen und mehr von dir Wissen möchte, wenn es möglich ist.“

Gerne. Ich spreche nur leider fast kein Französisch. Aber vielleicht kann ich es lernen. ��“

Ja es ist möglich aber weis das ich auch kein deutsch spreche ich benutze einen übersetzer um mit dir zu sprechen und ich hoffe es macht dir nichts aus“

Locker bleiben! Es wurden klare Fragen gestellt:

Welchen Übersetzer benutzt du? Kannst du Englisch?“

Ich nutze das von Google und sagte mir, was du im Netz schöner genauer auf der Seite siehst, wenn ich fragen darf.“

Und ich spreche kein Englisch, ich spreche nur Französisch“

Mon dieu! (Mein Gott!) Das wird spannend!!! �� Ich glaube, wir werden viel Spass haben.“

Ich hoffe es auch. Also sag mir was suchst du schön im Netz genauer auf der Seite wenn ich fragen darf.“

Sie wollte zur Sache kommen. Natürlich durfte sie auch das. Ich hatte nichts zu verbergen.

Ah! Habe verstanden. Ich schreibe Bücher und suche eigentlich Kontakt zu anderen Autoren, um mich mit ihnen über die Arbeit und das Schreiben auszutauschen.“

Man beachte das „eigentlich“ in meiner Antwort. Ein unwesentliches Detail, könnte man meinen. Doch dieses eine Wörtchen sagt viel aus über den Stand meiner Bemühungen, die sich anbahnende Beziehung auszubremsen. Nach diesem „eigentlich“ kommt nämlich, unweigerlich, das „aber“. Und dieses „aber“ öffnete allem, was folgte, Tür und Tor. So, exakt, stand es zu diesem Zeitpunkt um mein Seelenleben. Eigentlich nicht,….aber….!

Ich war am rumeiern, sie war klar. Vorteil Mademoiselle Bosson.

Ah ok! Ich kann vollkommen verstehen und als ich für eine dauerhafte Beziehung suche, denn ich habe zu viel gelitten mit meinem Ex, weil ich an ihn geglaubt, aber meiner hat mich verraten. will ich es nicht noch einmal erleben, weil es zu schlecht. Die verliebte Enttäuschung weiß, dass ich auch meinem Feind nicht wünschen werde, dass er für einen Mann leidet.“

Die Dinge kamen auf den virtuellen Tisch. Sie hatte Schlimmes erlebt, war enttäuscht und am Boden zerstört. Unter einem bösen Mann leiden, das sollte sie bei mir natürlich nicht. Aber erstmal waren andere Dinge dringender. Ich musste nachziehen, um beim Thema Schmerz auf Augenhöhe zu bleiben.

Oh, das tut mir leid. Ich lebe seit fünf Jahren von meiner Frau getrennt.“

Peng! Der musste gesessen haben. Das hieß, aus meiner Sicht: erzähl´ mir nichts von Leiden unter bösen Männern. Ich kenne Frauen, gegen die sind deine Männer flauschige Zwergkaninchen. Mit einer davon bin ich sogar verheiratet. Außerdem bin ich voll eingespannt und habe alles, was ich brauche, nämlich

„….zwei Kinder, wohne alleone und suche alkerdings auch keine neue Beziehung.

(die Tippfehler sagen etwas aus über die Geschwindigkeit, mit der ich schrieb. Es war dringend.)

Ehrlich gesagt, finde ich es oft sehr gut, alleine zu sein und schreiben zu können. Warum möchtest du eine Beziehung, wenn es so weh getan hat?“

Eine berechtigte Frage, die ich drei Monate später für mich selbst nicht mehr beantworten konnte. Das war mir aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar. Sie jedenfalls konnte.

Ok, ich kann verstehen, dass wenn ich ledig bin und keine Kinder habe und wenn ich nach einer neuen Beziehung suche, es nur deshalb ist, weil ich lange allein war und jetzt eine Ordnung haben möchte. Ehrliche und ernsthafte aufrichtige Person, um in der Lage zu sein, mein Leben wieder aufzubauen. Ich hoffe, sie verstehen das.“

Und wie ich verstand. Hübsche Blondine in Notlage. Der ganze Kerl war gefordert. Als Mann, als Retter, edler Ritter und Prinz, als Samariter. Innerlich suchte ich bereits nach dem Notfallkoffer, als ich, ganz offiziell, zunächst mit einer Absage antwortete. Dass diese Bestand haben würde, das habe ich mir selbst schon damals nicht geglaubt, obwohl ich die Nachricht bei vollem Bewusstsein und in der ehrlichen Annahme ihrer Wahrhaftigkeit absetzte.

Ja, ich verstehe das. Mein Weg ist ein wenig anders. Vielleicht möchte ich einfach diesen Schmerz nicht noch einmal erleben. Ich glaube, sie sind aber auch noch viel jünger als ich. Sie haben noch viele Möglichkeiten.“

Noch einmal kurz das Hohelied von Leid und Elend angestimmt. Mit dem eigenen Alter kokettiert. Am Ende eine kleine Schmeichelei. Alles drin, was die 1a-Anmache ausmacht. Da sage einer, ich hätte das nicht gewollt. Natürlich habe ich das nicht gewollt!

Zumindest der bewegungsarme Autist in mir, der mich in den letzten fünf Jahren regiert hatte, der wollte das alles mit Sicherheit nicht. Der sah plötzlich seine Diktatur bedroht. Aber etwas Anderes in meinem Inneren wollte diesen Kontakt. Etwas, dass ich nicht mehr kannte. Etwas, dass ich völlig verlernt hatte, wahrzunehmen. Etwas, dass, in jahrelanger emotionaler und sexueller Abstinenz komplett verkümmert war. Der vergessene Wilde in mir, der wollte diesen Kontakt. Unbedingt!!! Ja, ich war einverstanden! Natürlich gegen meinen Willen!

Ja, ich denke auch“, antwortete mir die Schöne nach kurzer Bedenkzeit, „aber ich weiß, dass es nicht einfach ist, eine Person zu finden, die aufrichtig und ehrlich ist, wie sie es wünschen, aber kurz gesagt und wenn ich sie als Schriftsteller verstehe, ist dies….“

An dieser Stelle hätte ich mir, schon aus Gründen der Eitelkeit, eine Fortsetzung gewünscht, doch die Nachricht brach unvermittelt ab und der vielversprechende Gedanke mit ihr. Zum ersten Mal huschte etwas durch mein Unterbewusstsein, verschwommen, wie eine Traumsequenz:

Meine Gesprächspartnerin sitzt in einem schlecht klimatisierten Großraumbüro in „Irgendwo“. Der Supervisor unterbricht ihren Chat mit der Anweisung, sie solle sich nicht zu sehr auf den Klienten einlassen. „Nicht rumlabern, festnageln!“

In der Folge versuchte ich, diese bösen Bilder zu verdrängen, so gut es ging. Doch die Vision quälte mich in den nächsten Tagen und Wochen immer wieder, bei passender und unpassender Gelegenheit. Die nächste Nachricht, die sie mir einige Minuten später schickte, wollte dann wieder zur Sache kommen.

Können sie mit mir über ihre Einstellung zu anderen und ihrer Umgebung sprechen?“

Welchem Skript folgte die Frau? Hatte ich ihr nicht mitgeteilt, dass mein Weg ein anderer sei, dass ich gar keine Beziehung wolle? Was an diesem „Nein!“ hatte sie nicht verstanden oder hatte sie es schlicht ignoriert? Oder hatte sie, weiblich intuitiv, zwischen den Buchstaben meiner Nachricht, etwas gespürt, was mir selbst noch gar nicht bewusst war? Hat sie den wilden Mann tanzen sehen? Oder ist sie einfach davon ausgegangen, dass Männer nun mal so sind?

Ihre Frage jedenfalls steuerte ohne Umwege zu auf den Eingang des Beziehungslabyrinths. Das begriff ich in diesem Moment, war aber, ob der unerwarteten Nachfrage, schon so hormongesteuert, dass ich ihr, in einem plötzlichen Schaffensrausch, mein halbes Leben vor die virtuellen Füße legte. Ohne jede Zurückhaltung! Ohne jede Vorsicht!

Ich erzählte, wo ich wohne, wie ich wohne, von meinen Töchtern und meinem Vater. Einmal in Schwung gekommen, hängte ich noch einen Absatz über den Wert und die Bedeutung von Freundschaften an. Es endete mit der Feststellung, dass ich nicht viel habe, weil ich nicht viel brauche.

Das, was mein Bänker als Armut bezeichnet hatte, verkaufte ich als heldenhaftes Rebellentum. Komplett gelogen war das nicht. Virtuelles Schönsaufen trifft es aber wohl besser. Am Ende die Pflichtfrage, pfiffigerweise auf Französisch.

Et toi?

Und dann legte sie los:

„ich kann das perfekt verstehen und wann für mich

Ich bin ein sehr fürsorgliches Mädchen ich mag das Leben….

Es folgte ein wenig Bettgeflüster, ein Absatz über Kindererziehung, einiges über ihre besonderen Vorzüge, ein Abschnitt über Eifersucht und

„…Ich bin ruhig und gelassen, höflich, diskret, sehr zurückhaltend, aber wenn ich etwas zu sagen habe, sage ich es direkt.“

Das hatte ich bereits bemerkt. Ich sog diese Nachrichten mit einer Gier in mich hinein, die an Suchtverhalten erinnerte. Ich las sie einmal, zweimal, dreimal. Ich lernte sie auswendig. Erst einige Zeit später wurde mir klar, dass ich das so auf keinen Fall stehen lassen konnte. Was würde die Schöne von mir denken, wenn ich nicht eine einzige Rückfrage stellen würde? Zum Glück wurde ich fündig.

Entschuldigung!, eröffnete ich meinen Rettungsversuch so unschuldig wie möglich, „Was bedeutet der erste Satz? ….bestellt, aber nicht verrückt…“

Unter normalen Umständen sicher keine unberechtigte Frage. Doch hier? Heute denke ich: „Oh Mann!“ und seufze dabei. Ja, natürlich - sie hatte das geschrieben, aber…. Sie durchschaute das Manöver und schlug zurück.

nach dem, was ich sehe, verstehst du wirklich nicht, was ich dir gerade über meine Person erzählt habe.“

Das klang, wenn man es laut las, beleidigt. Aber eigentlich war es einfach nur eins in die Fresse. Sie hatte keine Lust, Zeit auf Nebenkriegsschauplätzen zu verschwenden und schickte umgehend die nächste Investigation hinterher:

„Was magst du an einer Frau?“

Klar, schnell, direkt – alles, was ich nicht bin. Und auf den Punkt. Zur Sache, Schätzchen! Das Leben ist kurz! Ich machte noch einen letzten, hilflosen Versuch, das Tempo zu verzögern und meiner eigenen Denk- und Handlungsgeschwindigkeit anzupassen,

Ich verstehe nur diesen einen Satz nicht. Das wird an der Übersetzung liegen….“

musste dann aber einsehen, dass diese Taktik hier keinen Sinn machte. Dazu war meine Partnerin entweder zu klug oder zu erfahren oder beides. Wenn ich weiter mitspielen wollte, musste ich Fahrt auf- und die Dinge selbst in die Hand nehmen. Ungewohntes Terrain. Ich war komplett aus der Übung. Ich versuchte also, mir eine Frau vorzustellen, von der ich annahm, dass sie sich in dem Bild, dass ich zu entwerfen gedachte, zumindest teilweise wiederfinden könne. Eins, das ihr gefallen würde.

Ich mag an einer Frau, wenn sie eigenwillig und unabhängig ist, eigene Ideen hat, kreativ und intelligent ist. Ich mag Frauen mit Humor, die lachen und laut sein können, aber auch Dame, wenn es darauf ankommt.

Auch das war nicht gelogen. Ich mag das alles an Frauen. Was ich verschweigen musste, war, dass exakt diese Eigenschaften, Unabhängigkeit, Kreativität, Intelligenz, die ich einerseits bei Frauen so schätze, mir andererseits in meinen Beziehungen häufig die allergrößten Probleme bereitet hatten. Wie oft hatte ich mir, gerade in den letzten Jahren, eine Frau gewünscht, die nicht, in endlosen, nervigen Diskussionen, alles anzweifelte und spitzfindig hinterfragte, was ich zum Besten gab. Eine, die an mich glaubte, weil ich ihr Mann und ihr Prinz war, leider verarmt, ohne Schloss und Schimmel, aber: EGAL!!! Der Traum ihrer schlaflosen Nächte. Einfach so. Eine, die sich fügte und mich still in den Arm nahm, wenn ich erschöpft von der Arbeit nachhause kam und die mich das auch für sie tun ließ, ohne darin eine unterdrückerische oder frauenfeindliche Geste auszumachen. (Alice Schwarzer klappt an dieser Stelle das Buch zu, wenn sie es denn jemals aufgeklappt hat!)

Hier waren diese Wünsche nicht unterzubringen und auch gar nicht gefragt. Um nicht in allzu flache Gewässer zu rudern, ließ ich es bei der halben Wahrheit bewenden.

***

Zwischendurch: die Wege und Mechanismen unserer Erkenntnisprozesse sind ja mitunter seltsam. Oft weiß der Körper etwas, lange bevor der Verstand sein OK dazu geben kann. Man nennt dies Intuition. Dieses Erspüren und Erfühlen kann man schwerlich als Wissen im rationalen Sinne bezeichnen. Aber es ist trotzdem da und es treibt die Dinge voran.

Wenn wir Menschen in unserer Geschichte immer auf das Erscheinen der reinen Vernunft gewartet hätten, würden wir vermutlich heute noch grunzend und Keulen schwingend durch Urwälder tapern. Nichts gegen eine gesunde Menge Hirn. Durchschnittlich besitzt ein homo sapiens 1500 Gramm dieser wertvollen Substanz. Wenigstens einen Teil davon sollten wir regelmäßig nutzen.

Doch der Verstand ist, gerade was Beziehungs- und Liebesdinge angeht, nicht der Dominator. Er krabbelt in der Regel hinterher.

Rückblickend „wusste“ ich natürlich, dass ich auf geradem Weg war, meinen Beziehungsstatus von „leckt mich doch alle!“ auf „on fire!“ zu ändern. Laut aussprechen konnte und wollte ich das zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Es kam, was kommen musste.

Exakt in meine offene Wunde traf der nächste Pfeil. Mit einem Satz wurden meine ganzen Kopfgeburten aus dem Spiel genommen.

„….aber wenn ich es mag, wenn es schön mit mir ist, süß, lächelnd, ruhig, treu, romantisch, egal seine Schönheit, seine Entfernung, seine Farbe, sein Gewicht, das Wesentliche ist bildet ein schönes liebevolles gemeinsames Zuhause.“

Davon träumt der, in unzähligen Beziehungsschlachten zermürbte Endfünfziger tief in seinen Eingeweiden. Im Grunde hatte sie mir zu verstehen gegeben, dass ihr der Mann scheissegal sei. Nettes Häuschen, Bezahlen, Schnauze halten – alles gut! Zugegebenermaßen eine böswillige Lesart, aber eine mögliche. Selbstverständlich darf man diese Wünsche exakt so äußern. Das ist klar und deutlich. Das „Nein!“ ist in meinem Wortschatz ja durchaus vorhanden, auch wenn ich es äußerst ungern benutze. Das kann ich ihr nicht vorwerfen. Mann weiß, woran Mann ist. Ich muss ja nicht drauf anspringen. Tat ich aber. Und wie!

In Gedanken sah ich mich bereits, zärtlich liebkost in ihren Armen liegen. Für zwei, durchs Wohnzimmer tollende Kinder war noch kein Platz. Dafür reichte meine Fantasie nicht. Weit war es aber nicht mehr bis dahin.

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