Читать книгу Seemannsschicksal im 2. Weltkrieg – und danach - Kurt Krüger - Herausgeber Jürgen Ruszkowski - Страница 5
ОглавлениеDie Wurzeln – Kindheit
Eine kleine Stadt in Polen, Isabelav, war die Geburtsstadt meines Vaters. Die Hälfte der Einwohner waren Deutsche, ein Viertel Juden und der Rest Polen. Das Gebiet gehörte damals zu Russland. Fast alle Bewohner waren Weber, Heimweber, in jedem Haushalt gab es zwei bis drei Webstühle, jedes Kind musste von klein an mitarbeiten, Schulpflicht gab es nicht.
Mein Großvater, Gustav Krüger, geboren am 15. Januar 1863 war der Patriarch. Er besaß eine höhere Schulbildung. So wurden die Kinder nach der Arbeit unterrichtet. Mein Vater, geboren am 8. März 1895, hatte dadurch ein gutes Allgemeinwissen erlangt. Als Hauptlesestoff galt die Bibel, so waren alle sehr religiös eingestellt.
Großmutter
Muter und Schwester
1915 wurde das Gebiet von Deutschland besetzt, mein Vater siedelte nach Schlesien um, um dort bessere Arbeit zu finden. Er landete auf einem Gut, war dort auch zufrieden und konnte sogar für den Unterhalt der Familie beitragen. Dann kam das Allerheiligen-Fest, die Gegend war rein katholisch und meine Leute waren Baptisten. Mein Vater sollte jetzt an dem Feiertag arbeiten und fragte warum? „Na Ihr habt doch keine Heiligen“, war die Antwort. Das war für meinen Vater schon Grund genug, weiter zu ziehen. So landete er in Königsberg in Ostpreußen, da war eine Verteilungsstelle für Einwanderer, er wurde eingebürgert und kam nach Langheim auf ein großes Gut.
Meine Mutter, Antonie Sameit, war am 2. Mai 1896 in Königsberg geboren. Dort hatte mein Vater sie kennen gelernt, am 8. November 1924 hatten sie in Königsberg geheiratet.
In Langheim erhielten sie eine Wohnung und mein Vater eine Arbeit als Gespannführer, was auf dem Lande schon eine gehobene Stellung bedeutete. So waren sie gut versorgt: Die ganze Familie hatte sich in Langheim eingefunden, alle wurden auf dem Hof beschäftigt. Im Laufe der Zeit, entwickelte sich eine neue Technik: Der Dampfpflug wurde entwickelt. Auf jeder Seite vom Acker stand eine Dampfmaschine. Mit großen Seiltrommeln wurde ein gesteuerter Pflug mit sechs bis acht Scharren an Seilen gezogen. Einmal zog die eine Maschine, dann die andere, so wurde der Pflug über den Acker bewegt. Mein Vater war der Pfluglenker. Durch die gewaltige Kraft kam es vor, dass die Seile rissen.
Vater mit Schwester
Dann musste mein Vater diese spleißen, eine harte Arbeit bei Regen und schlechtem Wetter. Egal, das Pflügen musste weiter gehen. So blieb es nicht aus, dass im Laufe der Zeit die Knochen nicht mehr mitspielten. Am 26. Oktober 1925 wurde ich geboren. Die Knie meines Vaters wurden immer steifer, Gliedwasser in beiden Knien, er konnte sie nicht mehr biegen. So war er 1927 arbeitsunfähig und galt als Invalide. Wir mussten dann das Gut verlassen, Langheim hatte viele Außenstellen, die so genannten Vorwerke, denn die Felder waren riesig.
Wir wurden nach Kätzels versetzt, fünf Kilometer von Langheim entfernt. Da gab es hauptsächlich Viehwirtschaft. Mein Vater wurde als Schäfer eingesetzt.
So hatte auch ich später das Vergnügen, nach der Schule als Schäfer tätig zu sein. Es waren auch schöne Stunden, mit dem Hund über die Felder zu toben oder in der Sonne zu liegen, aber woanders zu spielen war nicht drin. Am 27. August 1930 wurde meine Schwester Erika geboren. Dann ging es am 27. Juni 1934 mit meinem Bruder Herbert weiter. Am 24. September 1938 kam meine Schwester Elfriede zur Welt; damit war unsere Familie komplett!
Auf dem Hof waren wir zwölf Mädchen und drei Jungen, das war eine lustige Gesellschaft, da war immer was los! Ich wurde oft verhauen, wenn ich mal ein Bisschen neugierig war.
Im Sommer 1938 machten wir einen Schulausflug nach Pillau; das war eine Aufregung! Da lag sie, die „GORCH FOCK“ (die spätere russische „TOWARISCHTSCH“, die jetzt wieder als GORCH FOCK in Stralsund liegt). Wir durften zur Besichtigung an Bord. Das war ein schönes Erlebnis, und alles hat mich angesprochen.
1939 erkrankte unsere Mutter an Unterleibskrebs. Im Krankenhaus in Königsberg hatte man sie wieder ganz gut hergestellt. Bei einer Nachtherapie hatte man ihr die Blase verbrannt. Sie hatte jetzt eine künstliche Blase erhalten, es ging ihr damit auch ganz gut, nur schwere Arbeit durfte sie nicht machen, aber den Haushalt hat sie voll erledigen können.
Nach der Schulentlassung durfte ich zu Hause bleiben, um mein Pflichtjahr zu machen. Zu damaliger Zeit hatte jeder Junge oder jedes Mädchen ein Pflichtjahr abzuleisten. Wir hatten etliches Viehzeug: Kuh, Gänse, Hühner und Schweine, so konnte unsere Mutter eine Hilfe beanspruchen. Es war im Jahr 1940 meine Aufgabe, das Vieh zu versorgen und noch auf dem Gut helfen.
Nach diesem Pflichtjahr wollte ich eine Lehre beginnen, wollte Schmied werden. Nach der Schule habe ich oft bei unserem Dorfschmied zugesehen und geholfen. Dann hat der aber doch einen anderen als Lehrling eingestellt.
Bei uns im Dorf war eine Windmühle. Der junge Müller hatte in den ersten Kriegstagen einen Arm verloren. Er fragte mich, ob ich nicht Lust hätte Müller zu lernen. Ich wollte es mir mal ansehen. So bin ich am Abend in die Mühle gegangen und habe da halbe Nächte gemahlen, denn wenn Wind war, arbeitete man bei Tag und Nacht. Es machte mir Spaß, aber es war auch etwas unheimlich: Alles ratterte und bewegte sich. Ich wollte es probieren.
Vor dem Ausbildungsvertrag musste ich zur Berufsberatung nach Bischofstein. Ich bin jedoch nicht hineingegangen. Habe gewartet, bis man zu mir kam. Ja, Müller könne ich lernen, aber warum ich denn nicht zur Seefahrt wolle? Na, das war doch das, was ich schon immer wollte! Ich habe mir gleich die Anschrift geben lassen: Zentralstelle für Vorausbildung und Berufslehre in der Seeschifffahrt, Hamburg-Altona, Palmaille 45. Das war für mich einen Luftsprung wert!
Ich habe die Unterlagen angefordert und prompt erhalten. Die Einwilligung der Eltern war bei Minderjährigen erforderlich. Das war jedoch für meinen Vater mehr als ein rotes Tuch. Da half kein Bitten und Betteln, auch die Fürsprache meiner Mutter ging an taube Ohren.
Ich habe aber nicht locker gelassen. Jetzt hatte ich ihn soweit, dass er sagte: „Solange wir niemanden haben, der die Kuh melken kann, ist es kein Thema.“ Ich jetzt mit aller List meine Schwester, zehn Jahre alt, scharf gemacht: „Ätsch, kannst keine Kuh melken, traust dich ja nicht mal ran.“ – „Was?“, sagt sie, „ich kann das!“ So ging es heimlich tagelang. Sie hat zu melken angefangen, ich sie mit Argusaugen beobachtet und nachgemolken. Tatsächlich, nach etlicher Zeit bekam sie die Kuh trocken. Ich hatte in der Zwischenzeit alle ärztlichen Untersuchungen machen lassen. Dann bin ich vor meinen Vater getreten: „So, hier ist die Melkerin!“ Da war er platt, hat sich überzeugt, ob es auch wahr ist. Sie schaffte es aber nicht, den vollen Eimer Milch zu tragen. Da sagte meine Mutter zum Vater: „Du kannst doch den Eimer heim tragen, auch wenn es langsam geht. Ihm platzte der Kragen. Zu meiner Mutter: „Du bist Schuld, wenn was passiert!“ Spät in der Nacht hat er dann unterschrieben.