Читать книгу Seemannsschicksal im 2. Weltkrieg – und danach - Kurt Krüger - Herausgeber Jürgen Ruszkowski - Страница 7
ОглавлениеKurt Krügers Seefahrt beginnt auf der „TRAUTENFELS“
Bei der Seefahrt war ich vom 20. Februar 1941 bis zum 28. Juni 1944.
Dann war es soweit. Am 12.05.1941 lag sie vor mir im Hansa-Hafen an den Pfählen, die stolze „TRAUTENFELS“ der DDG Hansa, 10.000 Tonnen. Wir wohnten unter der Back an Steuerbord in einer Vier-Mann-Kammer, ich bekam die Mittelkammer. Wir waren also vier Mann in unserem Logis, der Ranghöchste war ein Leichtmatrose, alle waren verschworen. Rauchen war streng verboten, wir haben mit 16 geraucht. Jetzt begann der Ernst des Lebens.
Das Schiff wurde gerade ausgerüstet. Ins Zwischendeck kamen Pritschen, große Treppen in die Räume, in Luke vier und fünf wurden Pferdeboxen eingerichtet. An Deck befanden sich lange Verschläge mit Latrinen und Rinnen sowie Unterstände für Feldküchen; die KMD (Kriegsmarinedienststelle) hatte das Schiff übernommen.
Dampfer „TRAUTENFELS“
Einige Tage später hieß es: „Leinen los!“ Meine erste Seereise begann mit dem Ziel Stettin, Hakenterrasse.
Stettin
Am Kai lagen riesige Haufen Heu und Stroh. Das Laden ging gleich los. Geschütze, Fahrzeuge, Pferde, dann die Soldaten, in Sommeruniformen gekleidet. Man sagte uns: „Die haben Erlaubnis, durch Russland zu marschieren, um die Engländer aus dem Iran zu vertreiben. Die Toilettenreihen waren nur an Backbord (von Land abgewandte Seite). So sind wir dann am 25.05.1941 ausgelaufen - Bestimmungshafen Vaasa in Finnland. Die Fahrt verlief ruhig bis zu den Aaland-Inseln. Die waren ja seit 1939 den Finnen abgenommen und von den Russen besetzt. In Sichtweite der Geschütze haben wir die Inseln passiert. Kein Soldat durfte an Deck. Für die Russen sollte unser Schiff als ein ganz gewöhnlicher Tramper erscheinen. Von den russischen Posten ausgiebig beäugt, zogen wir unsere Bahn. Es war am späten Nachmittag nicht mehr ganz so hell, als wir die Inseln passierten. In Vaasa wurden wir dann von den Menschen freudig begrüßt, und sie sagten: „Oh, jetzt geht es den Russen endlich an den Kragen“, was wir aber nicht glaubten.
Wir hatten eine sehr schöne Zeit, vor allem gefielen uns die finnischen Frauen, die Schauermannsarbeiten gemacht haben - eine herrliche Sommerzeit! Nur die Mücken haben uns bald aufgefressen.
Anschließend ging die Reise rüber nach Lulea in Schweden, um Erz zu laden. Dort war Frieden, und es gab alles zu kaufen. Wir erhielten täglich für 10 Reichsmark Devisen; für meine 25 RM Heuer reichte es für 2½ Tage, aber länger waren wir auch nicht da. Ich kaufte mir eine Agfa-Box für 15 Kronen, Filme und Schokolade satt.
In den schwedischen Hoheitsgewässern ging es zurück nach Stettin. Das Erz wurde gelöscht – und anschließend gleich wieder Truppen geladen – wie bei der ersten Reise.
Wieder war unser Bestimmungshafen Vaasa. Wir haben uns sehr auf die nächste schöne Hafenzeit gefreut. In der Nacht zum 22.06.1941 sollten wir die Aalands passieren. Um 20:00 Uhr Alarm: Alle Lichter löschen. Wir fuhren ja sonst immer unter voller Beleuchtung. Was war los? Kurs Gegenkurs - volle Kraft voraus und ab! Es begann der Krieg mit Russland. Das war ein Schlag für uns. Als es hell wurde, hatten wir genügend Abstand von den russischen Geschützen. In schneller Fahrt ging es weiter.
Wir haben dann Oslo angelaufen. Hier gingen die Truppen an Land. Nach Tagen Laden der Truppenteile nach Bergen, danach in Ballast nach Narvik, um Erz zu laden. Etliche Zeit brauchten wir im Geleit für die Reise nach Emden. Hier wurde unser Schiff umgebaut: Flakstände – Vierling - auf der Back, achtern eine Zwei-Zentimeter- und je in den Nocken eine Kanone, zwei Fesselballone an den Masten, vier Raketenwerfer. Es kamen 32 Flaksoldaten an Bord. Die Bewaffnung änderte sich von Zeit zu Zeit, und es gab Zeiten, in denen wir ohne Waffen fuhren. Die MES-Anlage wurde verstärkt: „Spargel“ mit Geräuschboje gegen Geräuschminen. So waren wir voll ausgerüstet. Nach längerer Liegezeit ging es nach Stettin.
Eine ganze Gebirgsjägereinheit mit Mulis, zerlegbaren Geschützen und voller Ausrüstung kam an Bord. Mit 1.500 Mann ging es nach Kirkenes. Es wurde eine ganz ruhige Fahrt nach Kristiansand bei schönem, sonnigem Wetter. Da staunten wir, was für Ehren uns zugedacht wurden. Wir waren nur mit zwei Dampfern, hatten aber eine aufwendige Begleitung: Artillerieschulschiff „BREMSE“ (hatte ganz neue 10,5 an Bord), vier große Vorpostenboote und am Tage zwei Flugzeuge. So fühlten wir uns sozusagen „in Abrahams Schoß“ geborgen. Es ging auch alles glatt. Etliche Male gab es U-Boot-Alarm mit Wasserbombenabwürfen, etliche Fliegeralarme, aber ohne Angriff. Es war ein richtig stolzes Gefühl, dass uns keiner etwas anhaben konnte, wenn unsere Jäger im Tiefflug an uns vorbei jagten, in einer großen Kurve am Horizont wendeten und wieder zurücksausten. So ging es immer bis in die Abenddämmerung, die ja in dieser Zeit spät begann. Danach flogen sie wieder nach Hause.
Dann aber passierte es in der Nähe von Trondheim an einem sonnigen Mittag. Ein Jäger flog im Tiefflug an uns vorbei, zog vor uns steil in den Himmel – und stürzte nach einem Looping mit heulendem Motor in die See. Ich dachte, mir bleibt das Herz stehen. Ich war als Ausguck auf der Back, ca. 300 Meter vor uns eine Explosion, Granaten schossen aus dem Wasser – das war ein Schock! Die Flagge ging auf Halbmast, es war sehr traurig. So setzten wir die Fahrt fort, und wir hofften nur, es werde trotz dieses schlechten Omens weiterhin gut gehen.
In der Nacht vom 6. auf den 7. September 1941: Es war stockfinster und muss gegen 23:00 Uhr gewesen sein. Ganz kurz voraus ein gewaltiges Aufblitzen, es wurde taghell, die Luft war voller gurgelnder Geräusche, weit hinter uns heftige Explosionen. Auf einmal war die Hölle los! Es war vor dem Eingang zum Porsanger-Fjord. Die BREMSE hatte sofort losgefeuert. Es hörte sich an wie das Bellen eines kleinen Kläffers gegen eine Bulldogge. Die Vorpostenboote haben gleich genebelt, wir fuhren hart Steuerbord. Unser Glück war, dass wir zu dicht dran waren. So ist der ganze Segen weit hinter uns in den Bach gegangen. Dann hörten wir, dass es die englischen Kreuzer „NIGERIA“ und „AURORA“ waren. Unsere Begleiter haben sich tapfer geschlagen und auch etliche feindliche Schiffe beschädigt. Aber im Morgengrauen des 7. September hat der Kreuzer NIGERIA die BREMSE gerammt und unter Wasser gedrückt. Über die Verluste haben wir nichts erfahren, aber ich glaube, die gesamte Besatzung von 160 Mann ist umgekommen.
Wir liefen so tief in den Fjord hinein, wie es möglich war. Unsere größte Befürchtung war, dass die Engländer uns verfolgen könnten. Zwei Tage später haben wir in Hambukt an einer kleinen Holzpier angelegt, die für die Postdampfer bestimmt war. Jetzt begann das Löschen der Truppen und des Materials, was sich sehr schwierig gestaltete. Die Pier reichte nicht mal für eine „Halbe Länge“. So mussten wir dauernd hin und her verholen. Nach etlichen Tagen war alles an Land - was heißt Land? An den Felsen klebten nur so genannte Eselspfade. So hatten wir die Schlange der ausgeladenen Soldaten noch lange im Gesichtsfeld. Bei uns herrschte immer höchste Alarmstufe, alles klar zur Selbstversenkung.
Kurt Krüger (mit Hut) in Norwegen auf der „TAUTENFELS“
Es war ein herrliches schönes Herbstwetter, aber uns war gar nicht gut zu Mute. So lagen wir hier fast drei Wochen. Ab und zu erreichte uns die Nachricht: „Wieder ein Postdampfer an der Küste versenkt!“ So hieß es nur hoffen und warten. Ende September, abends 18:00 Uhr, es war noch hell, schoben sich plötzlich drei Zerstörer um den Felsen. Alarm! Alarm! Die Spannung war bald unerträglich. Der 1. Ingenieur hatte den Finger am Zündknopf. Als die Brücken zum Vorschein kamen, gab es Erleichterung. Erkennungssignale hoch! Es waren ganz neue deutsche Zerstörer der Narvik-Klasse, die von der Kanalküste kamen. Jetzt nahmen diese uns unter ihre Fittiche, und es ging gleich ab nach Narvik, um Erz zu laden.
Es wurde eine Fahrt ohne Hindernisse bis Emden, hat aber etwas lange gedauert. Nach dem Löschen sind wir in Ballast nach Stettin gefahren.
Stettin
Dort haben wir einige Zeit in Frauendorf vor Order gelegen. Dann folgte eine volle Ladung mit Gebirgsjägern mit Bestimmungshafen Kirkenes. Mitte November ging es los. Wir sind mit großem Geleit von ca. zehn Schiffen durch den Kleinen Belt gelaufen.
Dann am 21. November 1941 in stockfinsterer Nacht: Es gab einen ungeheuren Schlag an Backbord. Ich sauste aus der Koje, das Licht blieb zum Glück an. Der Dampfer hatte erst Schlagseite nach Steuerbord, dann Backbord. Ein Gewimmel von Soldaten. Ich schlug mich zum Bootsdeck durch. Da sah ich einen riesigen Schatten. Ein gewaltiger Steven steckte in unserer Luke IV. Ironie des Schicksals: Es war unser Kompaniedampfer „BÄRENFELS“, auch voller Truppen. Das Geleit war von Hamburg durch den Großen Belt und oberhalb von Kopenhagen gekommen. Da schoss ein Geleit durch das andere. BÄRENFELS voll zurück und ab, jeder Aufenthalt war ja gefährlich.
Bei uns floss und brodelte das Wasser in den Raum, ein Leck von 1,5 x 7 Metern. Die Soldaten waren kopflos, es sollen sogar etliche von Bord gesprungen sein. Aber bei uns herrschte eiserne Disziplin. Erste Anordnung: „Klar bei Lecksegel!“ Es dauerte nur kurze Zeit, da ging ein Lumpensammler - ein leer fahrendes Schiff mit sämtlichen Retternetzen an Bord - längsseits. Außenbords Kletternetze. Das klappte dann so gut, dass in ganz kurzer Zeit kein Landser mehr an Bord war. Nur die Betreuer der Pferde blieben auf ihren Posten. Die armen Viecher gebärdeten sich wie wild. Wir gingen dann daran, den Dampfer zu retten. Bis zum Zwischendeck war das Schiff abgesackt. Die Schotten zum Maschinenraum und zur Luke V vibrierten wie Espenlaub und drohten bei jeder Welle zu brechen. Alle Mann in die Räume, außer uns unter Achtzehnjährigen, wir mussten den ganzen Splitterschutz vom Peildeck und Vorkante Brücke und über Skylight abreißen, alle Balken und Bretter runter geben. Damit wurden die Schotten abgestützt. Unsere Pumpen liefen auf vollen Touren, schafften aber nichts. Das Schiff schwebte. Die Lecksegeldrähte unter dem Schiff durchgezogen. Eine gefettete Persenning hatten wir als Lecksegel immer bereit, um das Schiff damit abzufangen. Dann setzte Kapitän Fröhlich den Dampfer bei Hundestedt auf flaches Wasser. So lagen wir bis zum Zwischendeck im Wasser. Die Schotten haben gehalten. Anderntags kamen Bergungsschlepper aus Kopenhagen, haben gepumpt und uns nach Kopenhagen geschleppt. Ein großes Aufatmen! Die Werft setzte uns einen mit Eisen verstärkten Holzkasten über das Leck. So sind wir Anfang Dezember nach Hamburg gelaufen.
Über Weihnachten hatte die ganze Crew Urlaub, außer einem Offizier, einem Matrosen und uns zwei Jungmännern. Der Matrose hatte etliche Flaschen „Aquavit“ an Bord, dafür wollten wir in Norwegen Fische (Heringe) tauschen. Jetzt saß er mit der Ware da. Am Heiligabend hat er uns zur großen Feier eingeladen. Am zweiten Feiertag nachmittags bin ich splitternackt aufgewacht, vor Kälte bibbernd, denn auch die Bullaugen waren offen. Das hat mir das Leben gerettet. Der Matrose war ein Gastwirtssohn, der wusste, wie man mit Schnapsleichen umgeht. Er hat aber die ganze Zeit Blut und Wasser geschwitzt. Die „Moral von der Geschicht“: Ich habe bis heute keinen Tropfen Aquavit mehr getrunken, ich kann ihn nicht mal mehr riechen.
In Hamburg haben wir keinen Werftplatz bekommen. So ging es am 10. Januar 1942 nach Stettin. Mit Eisbrecher-Hilfe haben wir uns durchgeboxt. Am 5. März 1942 waren wir wieder einsatzfähig. Es ging nach Hamburg, um schweres Gerät zu laden: Transportwagen, 16 Achsen, Fieseler Storch, usw. nach Bergen. Wir sind das erste Mal außen herum gefahren. Auf Höhe der dänischen Grenze, es war ein sonniger Sonntag, an Backbord lief der Dampfer „EIDER“ mit uns. Ich stand an der Reling und beobachtete die ruhige See und die friedliche Formation. Da machte die EIDER einen Satz aus dem Wasser, eine Wassersäule an Backbord, dann war erst der Knall zu hören. Was weiter geschah, weiß ich nicht. Das Geleit im Zickzack voraus.
Wir sind gut in Bergen angekommen, haben dann laufend Versetzfahrten gemacht, Bergen-Tromsø, Bergen-Alta. Bergen war sozusagen unser Einsatzhafen, lagen auch auf Order in den Fjorden, eine ganze Zeit im Hardanger-Fjord bei Alvik. Da gibt es unheimlich viele Kirschen. Das ging so bis Juni - eine richtig erholsame Seefahrt.
Eines Tages kam die Order: „Oslo in Ballast“, dann Geheim-Order Ostsee. Wo landen wir? In Danzig. Es war bis jetzt ein richtiges Vergnügen zur See zu fahren. Das verging mir aber mit einem Schlag. Es wurden Züge an den Kai geschoben, mit verschlossenen Türen und mit Stacheldraht vergitterten Luken. Es sprangen Soldaten aus den Begleitwaggons, MG wurden aufgestellt, Bewacher an den Wagen patrouillierten. Aus den Luken wurde auf die Köpfe der Soldaten uriniert. Was war da bloß los? Etliche Offiziere kamen an Bord, wir mussten alle antreten und erhielten eine Aufklärung: „Das ist das Bewährungs-Bataillon 500, alles Feiglinge und Verräter, die sind so gefährlich. Wir dürfen nicht mit ihnen sprechen, ihnen nichts geben“ usw. „Der Führer hat befohlen, dass diese Leute sich bewähren sollen und nicht auf dem Rücken tapferer Soldaten im Lager schmarotzen.“ So etwa war der Sinn der Ansprache! Die Sträflinge sollten unter harten Bedingungen die Eismeerstraße nach Finnland bauen.
Dann gingen die Schiebetüren auf, eine graue Masse quoll heraus – Uniformen ohne Hoheitsabzeichen. Ihnen wurde gesagt, wenn eine Sabotage passiere, würden die Luken fest verschlossen und es komme niemand mehr heraus. Die Matratzen hatte man vorher schon alle raus genommen, nur auf den rohen Holzpritschen mussten die Leute liegen. Dann ging es unter strenger Bewachung an Bord gleich in die Luken. Bis auf einen kleinen Schlitz wurden sie verschlossen. Die Horror-Reise begann. Zweimal am Tag für eine halbe Stunde durften die Männer gruppenweise an Deck Essen empfangen und zur Toilette. Ein paar Leute durften arbeiten, wir haben mit ihnen zusammen Rost geklopft. Sie waren sehr hungrig, und so haben wir ihnen heimlich unter der Hand etliches zugesteckt. Ganz schlimm war es in der Nacht. Wenn wir auf Wache gingen, musste man an allen Ecken Parole sagen.
So ging es tagelang. Es war zum Glück eine ruhige Reise, was die Feindbelästigungen betrifft. Wir erreichten unbehelligt Vadsø, wo wir unsere Horrorreise beendeten. Das Löschen ging auch glatt, und danach durch unsere Crew ein Aufatmen.
Dann pendelten wir zwischen Tromsø, Bodø, Trontheim und Bergen. Ende August 1942 wurde in Narvik Erz geladen, anschließend schlichen wir uns nach Emden, alles verlief bestens.
Eines Tages kam unser Kapitän blass wie der Tod von Land, er hatte das Los dazu gezogen: Ein Kapitän für Ausrüstung und Proviant, der andere für den Transport von Munition. Wir waren für die Munition vorgesehen! Den Namen des zweiten Schiffes weiß ich nicht mehr, es könnte „ALDEBARAN“ geheißen haben. Alle verheirateten Leute mussten Testamente machen, alle Wertgegenstände wurden deponiert. Na, es war ein Gefühl wie Weihnachten ohne Christkind.
Dann rollten die Waggons an: Granaten von 2 bis 42 cm, Raketen, Bomben, was es nur an Teufelszeug gab - alles in allem 10.000 Tonnen. Die Granaten wurden lose wie Ziegelsteine Schicht auf Schicht gestapelt, dazwischen etwas Stroh, die nächste Lage bis unter Deck. Zuletzt kamen Leute mit festen Säcken auf dem Rücken, in denen die Zünder waren, alle in kleinen Kästchen, die mittschiffs im Brückendeck gelagert wurden. Bei diesen tagelangen Ladearbeiten hatten wir auch fast täglich Fliegerangriffe. Die wurden aber immer mit wahnsinnigem Flakfeuer abgewehrt.
Dann ging es los. Das einzig Gute war die Fahrt durch den Nord-Ostsee-Kanal. Es war das erste Mal, dass wir in einem Rutsch in 10 Stunden hindurch rauschten, sonst hatte man zwei- bis dreimal Weichen. Unter sehr starkem Geleit schlichen wir dann von einem Fjord in den anderen, und alle Meldungen von Feindbewegungen wurden ernst genommen. Lieber krochen wir durch die Inselwelt, als die Nase zu weit raus zu stecken. Aber dann bei Bodø war das Versteckspiel zu Ende – dort ist freie See. Und schon waren sie da: sechs englische Flugzeuge im massierten Angriff. Aber die richtige Traute hatten die zum Glück nicht; sie überflogen uns immer von dwars her. So ging ständig eine Bombe an Backbord, die nächste an Steuerbord in die See, die an unseren Seiten kochte. Auf uns wurden 15 Bomben geworfen. Die müssen genau gewusst haben, dass wir die schwimmende Bombe waren, denn auf unseren Nachbarn warfen sie nur eine, und die traf. Es war dort wenig Schaden entstanden, aber ein Toter, der Koch, war zu beklagen. So waren wir mit dem Schrecken davongekommen. Unser Deck war übersät mit 2-cm-Hülsen von unserer Flak. Dann tauchten wir wieder in die Schärenwelt, und die weitere Fahrt verlief ziemlich ruhig. Es gab etliche Alarme, aber sie blieben ohne Folgen. Dann eine stockdunkle Nacht bei Vardø. Man meldete russische Torpedo-Schnellboote. Sie griffen an, und es krachte auch einige Male an den Felsen, aber bei uns gab es keine Verluste. Wir erreichten Kirkenes.
Unser Bestimmungshafen war Petsamo. Das hat man aber abgebogen. Wir waren zu groß, um die Passage zwischen der Fischerhalbinsel zu wagen. Die Enge war mit russischen Geschützen in Felshöhlen bespickt. So entschloss man sich, unsere Ladung in Kirkenes auf Leichter zu verfrachten. Es ging los: Hinter einer Insel vor Anker und an Backbord und Steuerbord Leichter längsseits. Kaum war es Nacht, war der erste russische Aufklärer da, warf Leuchtbomben, und alles war taghell. Wir die Anker sofort auf und mit dem ganzen Pulk hinter die nächste Insel. Etwa 20 Minuten später waren die Bomber da und legten einen Eiersegen auf unseren alten Platz. So standen wir immer die ganze Zeit klar bei Anker. Drei- bis viermal die Nacht ging es so, aber am Tage war es ziemlich ruhig, da es sehr viel Flak rund herum auf den Bergen gab. So ging es Nacht für Nacht. Wir waren so fertig, dass wir nur noch zu unserer Wachzeit aufgestanden sind. Es ging immer um die Frage: „Wie oft waren die Bomber schon da? Anker rauf, und die Bombardierungen haben wir gar nicht mehr mitbekommen. So ging es fast 30 Tage lang. Etwa 120 Angriffe hatten wir in der Zeit, aber es ist uns nichts passiert. Dieser „Hafen“ war ja zum Glück ein unübersichtliches Inselmeer.
Es war für uns ein großer Feiertag, als die letzte Granate über Bord gehievt worden war. Wir sind dann unbehelligt nach Narvik zum Erzladen gekommen. Im Schleichgang dampften wir anschließend der Heimat zu, Bestimmungshafen war Rotterdam. Am 1.12.1942 war ein schlimmes Wetter mit Orkanstärke. Wir erreichten die Reede von Cuxhaven. Eine unübersehbare Menge Schiffe lag da vor Anker. Wir gingen auch vor Anker und dümpelten vor uns hin. Da rauschte ein finnischer Dampfer mit hoher Holzladung auf uns zu. Die Backbord-Reling wurde abrasiert, unsere Ankerkette brach. Wir rutschten frei und warfen den anderen Anker. Mit aller Schnelligkeit, die das Wetter zuließ, haben wir den Reserve-Anker eingeschäkelt. Kaum fertig, brach der zweite Anker. Jetzt gab es Order, Hamburg anzulaufen. Dort bekamen wir auf der Werft zwei neue Anker und neue Ketten, die Reling wurde etwas gerichtet, und nach fünf Tagen ging es wieder raus.
An Bord konnte man mit der leiblichen Versorgung zufrieden sein. Gekochtes Essen gab es reichlich und gut. Nur die Feinheiten, wie Weißbrot und Obst, waren für uns Mangelware. Obst und Weißbrot gab es meistens nur für Mittschiffs. Das hatten wir aber schnell spitz. Wir nahmen immer für Monate Proviant an Bord, alles per Hand über die Gangway, dabei die tollsten Sachen: Pfirsich, Ananas, Mirabellen in Dosen. Einer stolperte, die Dosen fielen an Deck, ein Fußtritt und die Dosen landeten unter den Steemplanken. Abends das große Sammeln, im Nu war ein Eimer voll. Die Hansa-Dampfer hatten über dem Logis riesige Windhutzen (Ventilator), damit niemand einsteigen konnte, waren versetzte Steege angebracht. Ein Sack, ein Tampen und der Fahrstuhl war fertig. So haben wir unsere Kostbarkeiten auf und ab gefiert. Hat über eineinhalb Jahre niemand etwas gemerkt. Auf dem nächsten Schiff in Frankreich und Spanien hatten wir in punkto Versorgung ein Schlaraffenland, keine Klagen und Beanstandungen.
Kurt Krüger auf der „Absauftonne“, die bei Versenkung die Lage des Wracks kennzeichnen sollte.
Verlust der „TRAUTENFELS“
Am 10.12. 1942 merkte man bei uns: Das MES war ausgefallen. Meldung an den Geleitzugführer. Er hat uns nicht entlassen: „Fahren Sie Kiellinie Sperrbrecher!“, war die Order. Bei Dämmerung ging es los; es war ein sehr großes Geleit. Ich hatte die 12.00~18.00 Uhr Wache gehabt. Die Längsschiffs-Oberkoje war meine, mein Freund schlief unter mir. Es gab die Anordnung, immer mit Schwimmweste zu schlafen. Unsere Eisenschränke waren an der Wand festgeschraubt, um so bequem etwas drauf zu legen zu können. So hatten unsere Schwimmwesten immer schön griffbereit ihren Platz auf den Spinden. Ferner gab es die Anordnung, die Kammertür zum Mittelgang auf See offen zu lassen. Es war sehr kalt. Was soll's: Wir machten die Tür zu.
Ich wollte gerade das Leselicht löschen, da gab es einen Schlag! Ich sauste an die Decke und wieder auf die Koje runter. Die brach zusammen und fiel auf meinen Freund, der in diesem Moment bewusstlos war. Die Eisenschränke flogen durch die Kammer, das Licht war sofort weg. Eine Staubwolke – ich konnte kaum atmen. Der Dampfer hüpfte immer, als wenn man auf einem Trampolin war, es hörte nicht auf. Ich kam auf die Beine, in ein Paar Schuhe geschlüpft, meinen Freund ertastet und aus den Trümmern gezogen. Er kam dadurch zu sich. Jetzt mussten wir Schwimmwesten suchen, haben sie tatsächlich ertastet. Nun wollten wir raus. Der Boden war hochgewölbt. Die Heizungsrohre liefen unter der Türschwelle, sie waren jetzt hoch gebogen. Die Tür war dadurch versperrt.
Was für gewaltige Kräfte man in der Todesangst entwickelt, es ist erstaunlich! Mit den bloßen Händen haben wir die Dampfrohre weggerissen. Zum Glück waren die Wölbung und die dicke Schicht Holzbeton, die den Fußbodenbelag bildete, vor der Tür. Das haben wir alles in totaler Dunkelheit und mit den Händen weggerissen und bekamen so die Tür einen kleinen Spalt auf. Der Dampfer war sofort bis zum Hauptdeck abgesackt und hatte Backbord-Schlagseite, nach kurzer Zeit aber wieder auf geradem Kiel.
Wir sind sofort zu den Backbord-Rettungsbooten gelaufen, gleich rein. Das Manöver glückte wie am Schnürchen, obwohl es ca. Windstärke 7 war. Jetzt galt es, nur weg vom Sog zu kommen und mit aller Kraft zu pullen. Unser Boot wurde schon nach kurzer Zeit von einem U-Jäger geortet. Es glückte dann auch, uns an Bord zu nehmen. Ich wurde gleich in eine Maatenkammer unter der Back in die Koje gesteckt und habe mich schnell erholt.
Kurt Krüger nach der Rettung an Bord des U-Jägers. Im Hintergrund die sinkende „TAUTENFELS“
In der Morgendämmerung erneut ein Knall und eine Erschütterung. Ich sofort aus der Koje an Deck geschossen und dachte, es hätte uns noch einmal erwischt. Das war aber die Flak auf der Back. Es waren englische Aufklärer da, und die wurden abgewiesen.
Unser Dampfer, die TRAUTENFELS, schwebte noch immer, eben echte deutsche Wertarbeit von 1924. Dann am 11.12.1942 um 9:00 Uhr eine Wasserfontäne. Die Lukendeckel flogen zig Meter hoch, da war der Dampfer in drei Teile zerbrochen. Ein ungeheurer Sog entstand, so dass unser U-Jäger voll abdrehen musste.
Am 11.12.1942 um 10 Uhr ist die TRAUTENFELS gesunken. Das war das Ende unseres stolzen Dampfers TRAUTENFELS. Sofort hat unser U-Jäger abgedreht und Kurs auf Bremerhaven genommen. Was hatte ich gerettet?: Zwei Schuhe, jeder von einem anderen Paar, Knickerbocker, Pullover, Freizeitjacke, weil in der Koje angehabt. Weißer Mützenbezug, meine Agfa-Box mit Film, Kleiderbürste schwarz mit weißem Monogramm ,,AS", die ich von meiner Mutter bekommen hatte, ihr bestes Stück ,,Antonie Sameit“.
Ein damals verbotenes Foto: die sinkende TAUTENFELS“
Mit der Box hat mein Freund ein paar Bilder gemacht und in Süddeutschland entwickeln lassen. An der Küste war das Fotografieren gefährlich gewesen. Es gab damals keine Bilder von deutschen Schiffen, die untergingen, das durfte nicht sein
Über Verluste habe ich nichts erfahren, da wir nie mit der ganzen Besatzung zusammenkamen. Wir waren 74 Mann an Bord gewesen. Das waren der Einsatz und das Ende des DDG-Hansa-Dampfers TRAUTENFELS.
Dann wurden wir in Bremerhaven gelandet. Am späten Nachmittag haben wir uns im Büro der DDG Hansa gemeldet. Eine freundliche Begrüßung und Gratulation zu unserer Rettung. Aber gleich ging es zur Sache: Morgen hier antreten, dann gibt es Bezugscheine und Geld für eure Sachen. Anschließend gleich Musterung für Dampfer „ALTENFELS“ der in Stavanger lag. – „Auf Wiedersehen!“ – Wir waren platt – wo hin?
Da sind wir drei Jugendliche zur Arbeitsfront gegangen, haben unsere Situation geschildert. – „Was? So verfährt man mit euch tapferen Jungen?! Ja, die liebe Leitung der DDG Hansa fällt uns schon eine Weile auf. Na, das kommt uns gerade recht.“ Er an das Telefon und zur Hansa: „Hier sind drei Jugendliche von der TRAUTENFELS, was wollen Sie den Jungen antun? Die gehen jetzt in das Hotel „Stadt Hamburg“, bekommen volle Verpflegung und dann 14 Tage Urlaub! Alles auf Ihre Kosten! Verstanden?!“
Der offizielle Bericht über den Verlust des Schiffes:
Abschrift
Geheim
Bericht über den Totalverlust des D. „TRAUTENFELS“ auf der Reise von Hamburg nach Rotterdam. 10.12.1942
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Erhielten am 9. 10. auf Altenbruch Reede abends durch den B.0. Lt. z. S. Iburg Order, am 10. 12. um 7 h bei Cuxhaven zu sein, um in den nach Rotterdam bestimmten Geleitzug eingereiht zu werden. Kurz vor Ankerhieven 6 h 15 erhielten Meldung vom 1. Ingenieur, dass die MES-Anlage unbrauchbar sei, da im Hauptdynamo Ankerwicklung schmorten. Daraufhin wurde um 7 h nach nochmaliger Überprüfung der Anlage folgender Morsespruch ab die B.O.Station Cuxhaven abgegeben: „Auf D. TRAUTENFELS MES-Anlage ausgefallen. Erbitten weitere Order". Als Antwort hierauf erhielten wir 7 h 35 von M.S.S. Cuxhaven an D TRAUTENFELS: „Laut Befehl 5. S.D. mitlaufen“ Unterschrift: B.0. Station. Es wurde sofort Anker gelichtet und die Reise fortgesetzt. Gegen 11 h 15 reihten wir uns in den Geleitzug ein.
Die MES-Anlage war dann von 9 h 15 bis 13 h -50, und von 15 h 50 bis zum Wassereinbruch in Betrieb. Um 18 h 50 auf etwa 530 55° 3 E und 6°4850 erhielt D. TRAUTENFELS einen Minentreffer im Vorschiff. Die Maschine wurde sofort gestoppt. Es wurde festgestellt, dass die Ruderanlage versagte und dass das Schiff mittschiffs Achterkante Luke 3 bei den Pfahlmasten stark eingerissen war. Ferner war die Bordwand an beiden Seiten gerissen. Ein sofortiges Peilen aller Bilgen und Tanks ergab, dass, sämtliche Räume des Vorschiffs und des Maschinenraumes Wasser machten. Es wurde sofort mit dem Lenzen des Maschinenraumes begonnen. Ein Lenzen der vorderen Räume war unmöglich, da die Lenzleitungen gebrochen waren. Gleichzeitig wurden Boote klargemacht zum Fieren. Um l9 h 10 riefen wir das in unserer Nähe stehende Vorpostenboot Nr. 802 um Hilfe an. Da sich die Bruchstellen zusehends erweiterten, wurde gegen 19 h 50 auf meine Anordnung das Schiff verlassen, um als Erstes das Gros der Mannschaft in Sicherheit zu bringen. Gegen 20 h war die gesamte Besatzung vom Vorpostenboot aufgenommen. Nach Rücksprache mit dem Kommandanten und dem B.O. wurde vereinbart, mit dem Vorpostenboot längsseits von D. TRAUTENFELS zu gehen, um nochmals alle Räume zu peilen. Es wurde hierbei festgestellt, dass das Wasser in allen vorderen Räumen und im Maschinenraum stark zugenommen hatte. Nach Meinungsaustausch mit dem I. Ing., dem B.0. und dem Kommandanten vom Vorpostenboot Nr. 802 wurde die Maschine nicht mehr in Betrieb genommen, um alle unnötigen Erschütterungen zu vermeiden, da dieses leicht zu einem völligen Auseinanderbrechen des Schiffes hätte führen können. Es wurde beschlossen, dass das Vorpostenboot Nr. 802 den D. TRAUTENFELS in Schlepp nehmen sollte. Gegen 21 h 50 war die Schleppverbindung hergestellt und mit dem Schleppen begonnen, nachdem alle Besatzungsmitglieder wieder auf das Vorpostenboot übergestiegen waren. Ein Anbringen des Lecksegels war unterbrochen, da ein längerer Aufenthalt auf D. TRAUTENFELS zu gefährlich erschien, da das Schiff inzwischen vorne schon erheblich tiefer gesackt war. Auch konnten die Leckagen der Dunkelheit wegen ausgemacht werden. Um 0 h 30 wurde das Schleppen wieder eingestellt, da das Vorpostenboot das schwere Schiff nicht bugsieren konnte.
Am 11.12. um 2 h 10 traf der vom Vorpostenboot angeforderte Schlepper „MEMMERT" bei uns ein. Er begann sofort, sein Schleppgeschirr klarzumachen. Inzwischen ging das Vorpostenboot Nr. 802 nochmals bei D TRAUTENFELS längsseits, um die Sachlage zu überprüfen. Es stellte sich heraus, dass das Wasser im Maschinenraum und in den Vorschiffräumen wiederum stark zugenommen hatte. Alsdann legte das Vorpostenboot wieder ab. Ich blieb mit dem B.O. an Bord, um den nun längsseits kommenden Schlepper MEMMERT wahrzunehmen. Gegen 2 h 45 war die Schleppverbindung hergestellt und MEMMERT begann zu schleppen. Der gegen 5 h 45 eintreffende Schlepper „HEROS“ konnte wegen inzwischen stärker gewordenen Seeganges erst gegen 11 h eine Schleppverbindung herstellen und begann mitzuschleppen. Inzwischen war das Vorschiff schon soweit weggesackt, dass das Vordeck sowie die Luken I und II von Wasser überspült wurden. Daraus war zu ersehen, dass das Schiff doch wohl sinken würde. Gegen 13 h sackte das Vorschiff zusehends tiefer, und kurz darauf um 13 h 25 sank D. TRAUTENFELS, Vorschiff zuerst.
Das Schiff brach etwa bei Luke III auseinander. Der Untergangsort ist 53° 55,5 N und 6° 38° O. Das Wrack liegt auf 27 m Wassertiefe und beide Masten ragen aus dem Wasser. Eine rote spitze Tonne liegt aus. Wetter zur Zeit der Detonation: SW Wind und Stärke 4, stark bewegte See, mäßige Sicht. Im Laufe der Nacht frischte der Wind auf und der Seegang nahm zu.
Bei der Detonation wurden folgende Besatzungsmitglieder, die sich im Logis unter Deck befanden verletzt:
Hilfskesselwärter Rudolf Bohnhorst: linkes Handgelenk gebrochen,
Trimmer Willi Detlefsen: linkes Knie verletzt,
Heizer Heinz Paulat: Ferse verletzt.
Erste Hilfeleistungen wurden ihnen auf dem Vorpostenboot Nr. 802 zuteil von dem Son.Gefr. Sauer.
Tiefgang V 27’7“ H 27’4“, Bunkerstand: 232 To.
Gez. P.Voss, Kapitän
* * *
Wir zogen gleich in unserem abenteuerlichen Aufzug in das Hotel, das Beste am Platze. Es war schon sehr spät, aber die Kellner haben uns sehr freundlich empfangen, und die Bratkartoffeln mit Setzei waren vorbereitet und haben uns sehr gemundet. Dann bekamen wir ein tolles Zimmer. Am anderen Tag haben wir Hose, Jacke, Hemden, Schuhe und Mantel bekommen und einen Fahrschein nach Hause.
Am 16.12.1942 ist die ALTENFELS, für die wir bereits gemustert waren, versenkt worden!
Wir wurden also durch Fürsprache der Arbeitsfront über Weihnachten nach Hause geschickt. Wir Freunde haben uns getrennt. Ich bin dann über Berlin, Posen, Korschen bis Langheim gefahren. Am späten Abend des 14.12.1942 bin ich in Langheim angekommen. Dann standen mir noch fünf Kilometer Fußmarsch in bis zu 80 cm Schnee bevor. Da bin ich zu meinen Großeltern in Langheim gegangen und habe dort übernachtet. Die waren sehr überrascht, mich so plötzlich vor sich zu haben. Die Freude über meine Rettung war sehr groß. Am anderen Morgen habe ich mein kleines Bündel gepackt und bin durch den tiefen Schnee nach Hause gestapft. Zuhause waren alle sehr glücklich, dass ich da war. Als sie erfahren haben, warum ich so plötzlich Urlaub hatte, war das Entsetzen groß.
Nach ein paar Tagen in mütterlicher Obhut waren alle Strapazen vergessen, und es ging auf Tour, da hin und mal dort hin, alle Freunde und Freundinnen besuchen. Man muss sich das aber mal vorstellen, die Entfernung bis zum nächsten Dorf betrug fünf Kilometer durch tiefen Schnee bis über das Knie bei minus 8 - 10 Grad. Das, um jemand nach Hause zu bringen. Die längste Tour war 12 km hin, na ja und dann 12 km zurück. Wofür? Für einen kleinen Spaziergang mit etwas „Brusttee“. Es waren aber immer sehr romantische Nächte bei klarem Himmel und funkelnden Sternen. Das einzige Geräusch, der knirschende Schnee.
So kam das Weihnachtsfest im Kreise der trauten Familie. Am zweiten Feiertag endlich ein festes Rendezvous 15 km entfernt, aber für uns ja keine Entfernung mehr. Ein Freund ging mit mir, ich wollte beim Schlachter turteln und er nebenan beim Bäcker. Als ich in den Garten kam, bekam ich einen Schlag vor die Brust: eine große Schnauze vor meiner Kehle, ein böses Knurren, oh Schreck! Meine Holde hatte vergessen, den Schlachterhund einzusperren! ... So konnte ich nur hauchen: „Helmut, Hilfe!“ Zum Glück war er auch noch im Garten, er kannte den Hund und so hat er ihn beruhigt und in den Zwinger gebracht. Bei mir war alle Lust vergangen, trotz gutem Zuspruch meines Freundes machte ich kehrt und stapste die Strecke zurück. Ja, das waren so preußische Vergnügungen. Am Neujahrstag trafen wir uns wieder. Sie war sehr böse, weil ich sie versetzt hatte. Als ich ihr mein Erlebnis berichtete: „Ach du liebe Zeit, den Hund hatte ich ganz vergessen.“ Sie wollte alles wieder gut machen, bei Schnee und 12° Grad Kälte! War wohl nichts!
So hatte das Jahr 1943 begonnen. Als erstes sagte mein Vater: „Jetzt meldest du dich zur Kriegsmarine, denn beim Wehrmachtsgefolge bist du ja auch im Krieg, und wenn etwas passiert musst du ja alle Sachen selber besorgen, und wie schwierig das ist, hast du ja jetzt gesehen. Auch wenn man die Bezugscheine hatte, musste man in etlichen Städten herumlaufen, um Bettwäsche, Kleidung und Schuhe zu bekommen. So sind wir, mein Freund Helmut und ich, zum Wehr-Bezirks-Kommando gefahren und haben uns freiwillig gemeldet, ich, zur Kriegsmarine und er zur Unteroffiziers–Vorschule. So liefen die Tage dahin. Jeden Tag konnte der Befehl, an Bord zu erscheinen, eintreffen. Täglich wurde jetzt mit Spannung auf die Post gewartet.
Am 15.01.1943 war es soweit, wir sollten am 20.1.1943 in Bremen antreten. Unser dritter Kollege war Leichtmatrose und wohnte in Allenstein. Ich habe gleich eine Karte an ihn geschrieben und gefragt, ob er auch am 20. in Bremen antreten müsse, wir sollten uns am 18. in Allenstein am Bahnhof treffen, ich müsse ja über Allenstein fahren. Pünktlich um 19 Uhr war ich in Allenstein, und mein Freund war da. Aber er hatte noch keine Order. Steige aus, sagte er, kannst morgen weiter fahren, wir machen eine große Feier mit Mädchen und so. Ein tolles Versprechen, aber nicht für mich: Komisch ich war so pflichtbewusst, dass ich das ausschlug, obwohl damals ja jeder Tag für uns der letzte sein konnte. So bin ich weiter gefahren und hab ihn nie wieder gesehen. Ich war dann am nächsten Nachmittag in Bremen. Wurde gleich vom Inspektor „Falkenauge“ (Spitzname, weil er alles sah) ins Gebet genommen: Die Begrüßung: „Na Krüger da bist du ja! Sehr pünktlich, wie ich es erwartet habe, ich habe dich ausgesucht, weil ich glaube, du liebst doch deine Mutter. Du wirst solche Sachen nicht machen!“ Ich stand da mit offenem Mund und verstand nur „Bahnhof“. Ich wusste nicht, was er meinte und stotterte: „Natürlich liebe ich meine Mutter und werde nichts machen, was ihr weh täte!“ – „Ja, so ist es recht!“, sagte er und fuhr fort: „Wir haben ein Schiff in Bordeaux liegen, da passieren immer furchtbare Dinge, die halbe Besatzung ist immer geschlechtskrank.“ Zu damaliger Zeit war das auch noch strafbar, wer geschlechtskrank war, wurde wegen Selbstverstümmelung verurteilt. Ei, ei, das war eine schlimme Sache!