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Lauf, Bubi, lauf!

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Plötzlich hatten sie ihn umzingelt und gepackt, bogen seinen rechten Arm bis zu den Schulterblättern empor, trieben ihn mit Püffen, Fusstritten vorwärts, einander um die Wette ausmalend, wie sie das Bubi im nahen Wald jetzt dann bis aufs Blut quälen, foltern und, warum eigentlich nicht, auch hinrichten wollten, etwas besseres habe so ein Herrenbüblein und Höseler ja auch nicht verdient.

Im Namen des Gesetzes! schrie einer, den sie Sheriff nannten, vielleicht, weil ihm bereits Barthaare sprossten.

Gestossen, geboxt fiel der Eingefangene hin, wurde am Hemdkragen wieder hochgerissen, eine Knieschramme blutete.

Er stört, sein blosser Anblick beleidigt uns, wiegelte der Sheriff auf. Weg mit ihm, er muss weg! brüllten die andern.

Nirgends Hilfe, die Felder menschenleer.

Schnell, schneller! hetzten die Richter, die Henker. Und schlugen auf ihn ein: Mach dein Testament, Bubi! Sollen wir Mami nachher einen Gruss bringen von dir? Gewiss wird sie ob deines Todes untröstlich sein.

I wo, krähte einer, gern wird der Papi ihr ein anderes Bubi machen, ein besseres sogar.

Im Wald wurde der jetzt käsbleiche Bub mit dem Strick, den ein Blondschopf lange schon wie ein Lasso hatte durch die Luft wirbeln lassen, an einen Buchenstamm gebunden. Unter Schmähungen, wilden Drohungen hob rund um das Opfer eine Art Kriegstanz an. So ist das Leben, so wills die Gerechtigkeit, schrie der Sheriff, von einem Bein aufs andere hüpfend, schwört ihr, über alles, was hier jetzt abläuft, zu schweigen wie das Grab? Die Hüpfer und Tänzer reckten Schwurfinger empor: Wie das Grab, wie Bubis Grab, ja, wir schwören, wir schwören bei unserem eigenen Blut, bei Super-Man, bei Rambo, dem heiligen Rächer, bei allem, was stark ist und gerecht!

Der Bub, am Buchenstamm fixiert, der Strick schmerzte, wollte tapfer bleiben, doch Schluchzen überwältigte, schüttelte ihn.

Wer hat dir denn erlaubt, so erbärmlich zu heulen, du Nussgipfel, du Schwächling? fuhr ihn der Sheriff an, noch immer tanzend, wer überhaupt erlaubt dir, so feige zu sein?

Seine Feigheit schreit nach Strafe, brüllte die Meute, sie stinkt zum Himmel, sie beleidigt den grossen Manitou.

Der Tanz ebbte ab, hörte auf.

Schuldig oder nicht schuldig? fragte der Sheriff.

Schuldig, schuldig, was denn sonst! krähte die Bande. Und plötzlich blitzte eine Messerklinge, wurde dem Bub an die Gurgel gesetzt. Der, schreckensstarr, brachte keinen Laut mehr hervor, pisste hilflos in die Hosen, an die blossen Beine.

Pfui Teufel! schimpfte der Sheriff, als ers bemerkte. Pfui, pfui! auch die andern und traten mit ihren Schuhen nach den Schienbeinen des Opfers: Schweinigel, Hosenbrünzler! Hände, Finger zerrten, rissen ihm die feuchten Kurzhosen, den nassen Slip auf Füsse und Sandalen herab.

Ha! Wenn Änneli dich jetzt sehen würde, höhnte einer, ist doch dein Schatz, oder nicht? Würde wohl Augen machen, wenns dich sähe, so ein Bubi, ein feiges, so ein Schnäbi, ein kleines!

Schneiden wirs doch ab, wurde vorgeschlagen, dann ist fertig gebrünzelt! Und flugs war die Messerstahlklinge an der Wurzel des kleinen Pimmels.

Nein nein! heulte der Bub entsetzt auf.

Wiehernd weideten sich die Richter, die Henker an seiner Angst: Geschieht dir recht, du Bettnässer, du Schmutzfink!

Dann aber entschied der Sheriff: Genug jetzt!

Der Bub wurde losgebunden. Hoch im Bogen flogen seine Hosen, sein Slip, von Pfuirufen begleitet, ins übernächste Gebüsch.

Dass du uns nie wieder unter die Augen kommst! drohte der Sheriff. Hast du verstanden: Nie wieder! Bleib beim Mami und lass dir Märlein erzählen. Hier draussen hast du nichts zu suchen, kapiert? Wenn du dich wieder zeigst, machen wir kurzen Prozess mit dir.

Nur in Hemd und Sandalen rannte der Bub davon, stolperte über eine Wurzel, fiel hin, rappelte sich wieder auf, rannte in Panik dem Waldausgang zu.

Höhnisch schrieen sie hinter ihm her: Lauf, Bubi, lauf!

Der Alphornpalast

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