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Gelöschte Spuren

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Bei der Durchsuchung der Wohnung Dieter Rossilis fanden die Kommissare sehr bald die Anschrift seiner Hausgehilfin Zehra Ylmaz. Sie galt als derzeit wichtigste Zeugin, da man sich von ihr weitere Hinweise auf die Lebensgewohnheiten des Opfers versprach.

Im Auftrag Petzolds suchte Kommissar Detering gemeinsam mit seiner Kollegin Ina Völker die Familie Ylmaz im Stadtteil Marxloh auf. Doch die Befragung verlief ein wenig anders als geplant. Ein älterer weißhaariger Herr öffnete die Tür, die er sogleich wieder zuschlagen wollte, als Detering ihm abrupt seinen Dienstausweis entgegenstreckte. Wenn sie es noch nicht kannten, so lernten die beiden Beamten in diesem Augenblick, wie sich heftiges Fluchen auf Türkisch anhört.

Ein jüngerer Mann tauchte aus dem Hindergrund auf und rief: „Zehra nicht da. Schwester verreist zu Großeltern in Türkei. Sie unschuldig, Ende - aus! Und ihr verschwinden jetzt!“

Detering trat einen Schritt vor und streckte abwehrend die Hand aus. „Wir müssen Ihre Schwester dringend sprechen. Es gibt da einige Fragen.“

„Zehra unschuldig, verstanden?!“

„Wir brauchen sie als Zeugin.“

„Erst hunderttausend Fragen - dann Zeuge - dann einsperren. Wir kennen das“, tönte es von drinnen. Inzwischen wurden durch die lauten Worte Nachbarn angelockt, augenscheinlich alles Türken, die einen Halbkreis um die beiden Beamten bildeten und drohende Haltungen einnahmen.

„Haut hier ab - los!“, rief Detering erregt den Leuten entgegen. „Hier gibt’s nichts zu gaffen!“

Ina Völker wurde es mulmig. Als Zehras Bruder auf Detering zukam und ihn aus dem Hauseingang schubsen wollte, tastete sie nach ihrem Handy, um Verstärkung anzufordern. Doch irgendjemand schlug ihr das Handy aus der Hand, und sogleich war eine Rangelei im Gange, begleitet von wüsten Beschimpfungen.

Zum Glück für die beiden Beamten fuhr in der Nähe gerade eine Polizeistreife vorbei, die den kleinen Tumult bemerkte und sofort mit Martinshorn und Blaulicht zum Ort des Geschehens raste. Eilig verzogen sich die Nachbarn wieder in ihre Häuser.

Aus der Wohnung Ylmaz drang eine drohende Männerstimme, gepaart mit den verzweifelnd flehenden Worten einer Frau. Nach einem Wink Deterings drangen zwei Polizisten in die Wohnung ein. Wieselflink versuchte ein junge Frau, an ihnen vorbei zu entwischen, doch Detering packte ihren Arm und hielt sie fest.

„Du bist die Zehra, nicht wahr?“, fuhr er sie an. Sie blickte nur zu Boden und schwieg beharrlich. „Gut - keine Antwort ist auch eine Antwort. Dann führen wir die Vernehmung auf der Wache weiter. Also los dann!“

Begleitet von Schimpfrufen und einigen Steinwürfen verfrachtete man Zehra recht unsanft in den Streifenwagen und fuhr eilig davon.

„Dürfen wir das so ohne weiteres?“, fragte Ina Völker besorgt.

Detering grinste. „War doch ’n glatter Fluchtversuch. Wir berufen uns ganz einfach darauf. Für uns ist sie halt immer auch noch eine Tatverdächtige.“

Im Präsidium führte man Zehra in ein Vernehmungszimmer, wo sie unter Bewachung stand, während Detering seinen Kommissariatsleiter Petzold unterrichtete. Doch der teilte ihm missmutig mit, dass der Fall Rossili auf höhere Anordnung neuerdings vom K21 bearbeitet werde. „Sagen Sie also bitte der Kollegin Zelenka Bescheid, dass Frau Ylmaz zu ihrer Verfügung steht.“

„Muss ich ...?“, druckste Detering herum. Der Groll über sein abgeschmettertes Liebeswerben saß immer so tief, dass er jede Begegnung mit seiner ehemaligen Chefin zu vermeiden suchte. Hinzu kam der Frust über seine gesunkenen Aufstiegschancen, seitdem Hasenbach nicht mehr das K20 leitete.

„Das sagte ich doch gerade“, beharrte Petzold auf seiner Anordnung. „Sie dürfen auch telefonieren, wenn Sie Angst haben, gebissen zu werden.“ Nein, seine Laune war heute wahrlich nicht die Beste.

Marion erläuterte gerade ihrer Crew, dass man ab sofort zusätzlich zwei neue Fälle am Hals habe, als ihr Telefon läutete und Detering ihr in knappen Worten berichtete, dass Zehra Ylmaz sich im Vernehmungsraum drei befände. „Habt ihr die herbestellt?“, fragte sie verwundert und stellte ihr Telefon auf „laut“. Alle im Raum hörten mit, wie Detering widerwillig und stockend über die zwangsweise Vorführung der jungen Türkin berichtete.

Ramona Petzold schüttelte den Kopf. „Wieso schickt mein Onkel ausgerechnet den Detering dahin? Dessen Feinfühligkeit hat doch schon mal für einen halben Mongolenaufstand im Türkenviertel gesorgt?!“

Mahnend hob Marion den Zeigefinger. „Rambo! Bitte keine Kollegenschelte. Holen Sie lieber die Zeugin hierher.“

Tänzelnd und singend bewegte sich Ramona zur Tür: „Was dieser Mann so alles kann - mal Don Juan - mal Dschingis Khan ...“

Dem allgemeinen Gelächter konnte auch Marion nicht widerstehen. Ramonas fröhliches Wesen hatte hier im K21 oft schon für heitere Momente gesorgt, auch wenn ihre flapsigen Bemerkungen manchmal recht bissig ausfielen. Die junge Kampfsportlerin, deren Erfolge ihr den Beinamen „Rambo“ eintrugen, hatte sich in diesem Team nahtlos eingefügt und fühlte sich dort selber auch erkennbar wohl. Mit Ramonas lockerem Mundwerk hatte Marion kein Problem, schließlich war sie auch nicht gerade auf den Mund gefallen und wusste sich - wenn es erforderlich schien - energisch zur Wehr zu setzen und die Zügel straff zu ziehen. Da dies in ihrem Kommissariat aber alle sehr genau wussten, kam es nur höchst selten zu solchen Situationen.

Als Ramona das Vernehmungszimmer betrat, wollte Zehra gerade ihr Kopftuch abnehmen und sah sich dabei ängstlich um.

„Das können Sie ruhig anbehalten“, sagte Ramona und begrüßte die jungen Türkin mit Handschlag. „Wir haben hier keine Vorurteile. Kommen Sie, - hier drinnen ist es dunkel und muffig. Wir gehen zur Chefin. Die hat ein paar Fragen an Sie.“

Zur Chefin? Diese Ankündigung hatte für Zehra etwas Bedrohliches. „Ich habe Herr Rossili nicht getötet. Habe da nur gearbeitet für ihn. Bitte glauben Sie ...“

„Das behauptet auch keiner.“

„Aber man sagt, wer bei Toten erwischt wird, ist auch Mörder.“

Ramona lachte und legte beruhigend ihren Arm auf Zehras Schulter. „Keine Sorge. Ein bisschen genauer schauen wir schon hin.“ Sie geleitete die Zeugin in eine kleine Sitzecke, die neben Marions Schreibtisch durch ein paar Stellwände abgeteilt war. „Nun bring’ ich Ihnen erst mal ’n Kaffee. Ist zwar aus dem Automaten und nicht so gut wie ein Türkischer, aber ... Mit Milch und Zucker?“

Zehra schaute sie verständnislos an und nickte mechanisch.

„Die ist eingeschüchtert bis aufs Knochenmark“, flüsterte Ramona ihrer Chefin zu, die Hinweise dieser Art sehr dankbar entgegen nahm; denn jetzt würde sie nicht mit der formellen Aufnahme der Personalien beginnen, sondern versuchen, der Zeugin im Gespräch die Angst zu nehmen und erst mal ein wenig Vertrauen aufzubauen.

„Ja, das ist wirklich schlimm, was da mit Herrn Rossili passiert ist“, begann Marion die Befragung, nachdem sie sich als die bedauernswerte Beamtin vorgestellt hatte, deren Aufgabe es sei, den bösen Täter zu finden. „Und dazu muss ich möglichst viel wissen über das Leben, das Herr Rossili führte. Da ist jede Kleinigkeit wichtig. Ich denke, Sie können mir dabei ein wenig helfen. Wollen wir ’s mal versuchen?“

Zehra nickte irritiert. Sie verstand die Freundlichkeit nicht, die sie hier umgab. Zwar hatte sie bislang noch nie etwas mit der Polizei zu tun gehabt, aber man hatte ihr bisher wenig Gutes darüber berichtet.

„Darf ich unser Gespräch aufzeichnen?“, fragte Marion und legte ein kleines Diktiergerät auf den Tisch. „Ich hab’ ein wahnsinnig schlechtes Gedächtnis und müsste sonst alles mitschreiben. So sind wir schneller fertig. Sie haben sicher heute auch noch etwas Besseres vor, als hier herumzusitzen.“

Wieder nickte Zehra, und ihre Gesichtszüge entspannten sich. Die Aussicht auf ein Ende hier im Präsidium und dann als freier Mensch gehen zu dürfen, erleichterte sie ungemein. „Als ich das Blut gesehen habe ... Es war so schrecklich. Ich bin davongelaufen. Wie in Panik. Ich hatte Angst, furchtbare Angst“, begann sie nun von sich aus, hastig zu berichten.

„Das verstehe ich sehr gut“, sagte Marion beruhigend. „Aber jetzt fangen wir mal ganz von vorne an. Dann muss ich mir das später nicht alles erst sortieren. Wie lange haben Sie denn schon für Herrn Rossili gearbeitet?“

Wieder schaute Zehra misstrauisch drein. Wollte man ihr vielleicht hinterrücks etwas wegen Schwarzarbeit anhängen? Marion ahnte sofort diese Besorgnis, schaltete für einen Moment das Diktiergerät aus und sagte: „Wie Sie das finanziell abgewickelt haben, interessiert hier niemanden. Es geht uns ausschließlich um das Tötungsdelikt.“

Im Plauderton setzte sie ihre Befragung fort und spürte, dass die Zeugin nach und nach immer unbefangener antwortete. Und so erfuhr sie, dass Dieter Zehra über ein Zeitungsinserat engagiert hatte, dass sie zwei bis dreimal in der Woche seine Wohnung in Ordnung brachte, Einkäufe für ihn erledigte und den Wäschedienst organisierte. Manchmal habe sie einige Stunden damit zu tun gehabt, manchmal aber auch fast einen ganzen Tag lang. Hin und wieder sei sie mit ihm auch gemeinsam einkaufen gefahren oder habe ihn bei schönem Wetter durch den Park begleitet.

„Geschoben“, wollte Marion verbessern.

Nein, Herr Rossili habe einen Rollstuhl mit Elektromotor gehabt. Damit habe er ab und zu auch seine Stammkneipe aufgesucht, um ein paar Bier zu trinken. Wie das Lokal hieß, wollte Marion wissen. Ob sie ihn auch zu anderen Veranstaltungen, Freunden oder Bekannten begleitet habe. Zehra verneinte. Er habe zu Hause viel gelesen und Musik - altmodische deutsche Schlager - gehört, und dabei habe er oft schon am Vormittag Rotwein getrunken und immer viele Zigaretten geraucht. Viel geschrieben habe er auch.

„Mit der Hand? Mit der Schreibmaschine? Am Computer?“

„Nein, auf seinem Laptop. Hatte aber wohl oft Probleme damit.“

„Wo stand der gewöhnlich?“

Der Laptop habe immer aufgeklappt auf seinem Schreibtisch gestanden. Führte er einen Kalender, ein Adressbuch oder sonst ein Notizbuch? Zehra wusste es nicht, meinte aber, er habe alle Daten in seinem Laptop gespeichert; denn bei Terminen oder der Suche nach einer Telefonnummer habe er immer dort nachgesehen.

Marion fragte bis ins Detail nach Dieters Lebensgewohnheiten, wann er aufstand, wann er zu Bett ging, ob er einen Mittagsschlaf hielt und wie viel Zeit er vor dem Fernseher verbrachte. Vieles davon konnte Zehra nicht konkret beantworten. „Mit wem hatte Herr Rossili Kontakt? - Wen haben Sie in seinem Haus gesehen oder kennen gelernt?“

Es sei höchst selten gewesen, dass sie dort irgendjemand anderen getroffen habe. Nur in letzter Zeit seien hin und wieder wohl mal Besucher gekommen, an die sie aber keine nähere Erinnerung habe. Sie habe nur festgestellt, dass des Öfteren mehrere benutzte Wein- oder Biergläser in der Küche neben überquellenden Aschenbechern standen.

„Mochten Sie Herrn Rossili persönlich?“

Zehra senkte verlegen den Kopf. „Er war immer sehr großzügig zu mir.“

„Standen Sie mit ihm in engerer Verbindung? - Sie müssen darauf übrigens nicht antworten.“

„Nein. Niemals.“

„Aber er hat es versucht“, bohrte Marion nach. Zehras Kopf sank noch weiter nach vorn, und das schien Antwort genug. „Haben Sie irgendjemandem von diesem Annäherungsversuch erzählt?“

„Nein, niemandem.“

„Auch nicht Ihrer Familie? - Ihrem Bruder vielleicht?“

Heftig schüttelte Zehra den Kopf. Davon dürfe ihre Familie auf keinen Fall erfahren. Marion sicherte ihr dies zu, ehe sie zuletzt noch die Personalien aufnahm. „Reine Formsache.“ Und wie nebenbei erkundigte sie sich, ob Zehra einen Freund oder Verlobten habe oder ob sie irgendjemandem versprochen sei.

„Meine Familie ist nicht so traditionell, zum Glück!“, erwiderte die junge Türkin und lächelte zum ersten Mal. „Ich habe einen deutschen Freund, Markus. Ist gerade bei der Bundeswehr.“

„Was meinen Sie: Hatte Herr Rossili sexuelle Kontakte?“ Marion goss Kaffee nach. „Von Frau zu Frau gesprochen, - wenn man am Morgen danach die Zimmer aufräumt, dann ...“

„Da war wohl öfter mal was“, bekannte Zehra verlegen. „Aber sonst weiß ich nichts darüber. Ich habe auch nie eine Frau dort gesehen.“

„Dann danke ich Ihnen, Frau Ylmaz. Sie haben mir sehr geholfen. Wie kommen Sie nach Hause?“

„Mit dem Bus.“

Marion erhob sich. „Nein, man hat sie hierher gefahren, dann sollen die Kollegen Sie auch wieder nach Hause bringen. Ich kümmere mich darum.“ Sie winkte Ramona zu sich. „Ach, noch eine Frage - nur Routine: Wo waren Sie vorgestern zwischen zwanzig Uhr und Mitternacht?“

„Zu Hause. Habe lange mit Markus telefoniert und dann im Fernsehen den Chanson-Wettbewerb gesehen.“

„Und wer hat den ersten Platz gemacht?“

„Ein Tscheche. Karel Mondrian. Ich fand ihn aber nicht so toll.“

Marion sah Ramona fragend an, die kurz zustimmend nickte. „Ich gebe Ihnen meine Karte. Wenn Ihnen zu Herrn Rossili noch irgendetwas einfällt, rufen Sie mich bitte an. Und entschuldigen Sie den Überfall bei Ihnen zu Hause, da hat ’s wohl ein kleines Missverständnis gegeben. Ich hoffe aber, Sie haben von der deutschen Polizei nun keinen allzu schlechten Eindruck.“

„Nein, das ist schon okay“, erwiderte Zehra, während Ramona sie hinaus begleitete.

Dr. Sowetzko kam herein und steuerte gleich auf Marions Schreibtisch zu. Zu dem brutalen Mord an einem Rollstuhlfahrer müsse sie bei einer Presseerklärung mitwirken. Außerdem habe der Hauseigentümer ungeduldig die Aufhebung der Wohnungsversiegelung angemahnt. „Die Spurensicherung vor Ort ist abgeschlossen. Also können wir die Wohnung doch freigeben.“

„Nicht, bevor ich mich da selber noch mal umgesehen habe“, widersprach Marion. „Und noch eines: Ich habe es schon allen hier im K21 eingeimpft, - wir stellen in der Öffentlichkeit keinerlei Zusammenhang her zwischen dem Fall Rossili und dem Fall Bruno. Mit anderen Worten: keine Silbe über Bruno! Darum kümmere ich mich persönlich.“

„Halten Sie das wirklich für klug?“ fragte der Kriminalrat mit einem seltsamen Unterton. Als ihn seine Hauptkommissarin statt einer Antwort nur mit verdrehten Augen ansah, knurrte er etwas Unverständliches vor sich hin und zog davon. Die Rechnung, die er für sich im Stillen aufgemacht hatte, schien nicht aufzugehen, - zumindest nicht ganz reibungslos.

Zusammen mit Kommissar Hoffeld, ihrem ältesten Mitarbeiter, fuhr Marion am Nachmittag zu Dieters Wohnung, um den Tatort noch einmal genau zu inspizieren. Ob sie denn an einen Zusammenhang mit dem alten Fall Bruno glaube, wollte er unterwegs wissen. Der lange Zeitraum zwischen beiden Taten spräche doch eigentlich dagegen.

„Geglaubt wird in der Kirche“, antworte Marion. „Ich schließe nichts aus, zumal der Fall Bruno nach wie vor ungeklärt ist und Dieter Rossili darin eine - leider nicht genauer recherchierte - Rolle spielte.“

„Die neuerliche Recherche in Sachen Bruno dürfte nicht leicht sein.“

Marion nickte. „Deshalb möchte ich, dass sich die Beteiligten in Sicherheit wähnen. Ich hoffe, dass von der Klicke irgendwer einen Fehler macht. Übrigens alles ehemalige Klassenkameraden von mir.“

„Ja,“ erinnerte sich Hoffeld. „Und davon stammen einige aus recht einflussreichen Kreisen. Hoffentlich schmeißt man Ihnen nicht permanent dicke Knüppel zwischen die Beine, - wie gehabt. Mich wundert übrigens der Sinneswandel auf unserer Führungsebene.“

„Da sind Sie nicht der einzige.“ Marion musste lachen. „Ich bezweifele allerdings, dass Sowetzko und Kämmereit hier einer Meinung sind, falls sie darüber überhaupt schon miteinander gesprochen haben.“

Hoffeld hielt sich die Hand vors Gesicht und stöhnte: „Ach, du lieber Augustin. Wenn das so ist, sehe ich rabenschwarze Gewitterwolken aufziehen.“

Marion zupfte ihr Halstuch ein wenig hoch. Sie trug es immer noch, um die Narbe der Schussverletzung am Hals zu kaschieren. „Bangemachen gilt nicht. Diesmal ziehe ich die Sache durch, - egal, wer sich mir in den Weg stellt.“

„Auf mich, - nein - auf uns alle im K21 können Sie dabei zählen.“

„Das weiß ich.“ Inzwischen waren sie am Ziel angelangt. Als sie vom Auto zum Haus gingen, sahen sie einen jungen Mann mit einem Karton unterm Arm, der ungeduldig den Klingeltaster betätigte, neben dem der Name „Rossili“ stand.

„Können wir Ihnen helfen?“, fragte Hoffeld. „Sie wollten doch zu Rossili, oder?“ Als der junge Mann dies bejahte, hielt er ihm seinen Dienstausweis entgegen. „Na, dann kommen Sie mal mit herein.“

„Polizei?! Ich bringe nur den Laptop von Herrn Rossili aus der Reparatur. Computerhandel Meckenberg. Hier ist der Lieferschein.“

„Ist schon in Ordnung“, beruhigte Marion ihn. „Darf ich den Lieferschein mal sehen? - Danke. - Oh, Festplatte ausgetauscht. Na, hoffentlich hatte Herr Rossili zuvor alle seine Daten gesichert.“

„War Ihre Firma auch mit der Datenrettung betraut?“, wollte Hoffeld wissen. Der Bote zuckte nur mit den Schultern. Das könne er nicht sagen. „Wer in Ihrer Firma kann mir das denn sagen?“

„Der Chef vielleicht. Oder Herr Broschowski. Der hat den defekten Laptop abgeholt.“

Wie elektrisiert fuhr Marion herum. „Broschowski - sagten Sie? - Sebastian Broschowski?“

Der junge Mann erwiderte verdattert: „Ja, ich glaube ... Wir sagen nur Bastian.“

„Danke. Sie können gehen.“ Die beiden Kriminalisten packten den Laptop aus. Die Festplatte war leer; keinerlei Daten wurden zurückgespielt. Nicht einmal ein Betriebssystem war aufgespielt worden. Vergeblich suchten sie in dem Karton nach einem separaten Datenträger und nach der alten Festplatte. Daraufhin durchwühlten sie noch einmal Dieters Schreibtisch, aber nirgendwo fanden sie ein Speichermedium, das als Datensicherung hätte dienen können.

„Die Schreibtischlade wurde doch aufgebrochen, aber das darin befindliche Geld nicht angerührt, - hab’ ich jedenfalls in Petzolds Akte gelesen“, sinnierte Hoffeld. „Nun könnte man glatt auf die Idee kommen, dass hier mal eine CD oder DVD gelegen hat ...“

„Die Bande hat den ersten Fehler gemacht“, unterbrach Marion seine Gedankengänge. „An meinen Mitschüler Sebastian Broschowski - genannt Bastian - erinnere ich mich noch recht gut, - ohne dass dies eine sehr angenehme Erinnerung wäre. Er war mit den anderen in der Gießerei an jenem Tag, an dem Bruno verschwand.“

Hoffeld pfiff vor Überraschung laut vor sich hin. „Dann werde ich versuchen, bei der Firma Meckenberg die alte, angeblich defekte Festplatte aufzutreiben. Wenn ich das mache, bleiben Sie nämlich vorerst noch im Verborgenen.“

„Gute Idee. Viel Glück dabei.“

Leider aber hatte Hoffeld bei der Suche nach der alten Festplatte nicht den gewünschten Erfolg. Bei der Firma Meckenberg erklärte man, den Elektronikschrott erst gestern zu einer städtischen Sammelstelle zur Entsorgung gebracht zu haben. Das sei neuerdings Vorschrift.

Bei der Sammelstelle fand daraufhin eine umfangreiche Suche nach alten Festplatten statt. Es fand sich jedoch keine darunter , die von der Größe her in den Laptop gepasst hätte. Leicht frustriert kehrte Hoffeld ins Präsidium zurück, um seiner Chefin Bericht zu erstatten.

Marion zeigte sich keineswegs überrascht. „Nichts anderes habe ich erwartet. Bastian hat die Festplatte sicherheitshalber ganz privat entsorgt. Und genau deshalb gehe ich jetzt primär davon aus, dass Dieter Rossilis Tod mit dem Fall Bruno zusammenhängt.“

Womit sie freilich nicht gerechnet hatte, war das, was ihr der Kollege Berger zu vermelden hatte. Ihn nämlich hatte sie beauftragt, die Akte Bruno mit allen alten Vernehmungsprotokollen zu besorgen. Hilflos stand er da, als er ihr gestehen musste: „Ich hab’ alles auf den Kopf gestellt, - die Akte ist nicht auffindbar. Futsch. Einfach verschwunden. Und keiner weiß etwas. Zum Kotzen ist das!“

„Das kann doch nicht wahr sein!“, schaltete Hoffeld sich ein. „Zum Glück haben wir ja noch die Mikroverfilmung in unserem Archiv.“

„Daran kommen wir nur mit schriftlicher Genehmigung von Dr. Kämmereit“, erklärte Berger. „Ich habe ihn deshalb schon angesprochen.“

„Und?“, fragte Marion.

„Wir müssten dazu einen Antrag stellen und den schriftlich begründen. Sankt Bürokratius lässt grüßen.“

„Oder man will uns die Unterlagen vorenthalten, - vielleicht, damit die Schlamparbeit von damals nicht ans Tageslicht kommt. So etwas ist glatte Sabotage unserer Arbeit“, echauffierte Hoffeld sich.

„Ja, so kann man das vielleicht nennen“, bestätige Marion bitter. „Stellen Sie den Antrag und unterrichten Sie mich, - auch wenn ich nächste Woche nicht hier sein werde.“

„Aber in Ihrem Erholungsurlaub belästigen wir Sie damit nicht.“

„Für den Fall, dass unsere Forderung trotz des lächerlichen Antrags abgewiesen wird, will ich unverzüglich informiert werden. Auch auf La Palma“, wies Marion ihre Kollegen an. “Ich kriege die Akte. Wenn nicht im Guten, dann eben auf anderem Wege. Und ich weiß auch schon wie ...“

Zelenka - Trilogie Band 3

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