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Team-Arbeit

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Die „Akte Bruno“ bestand lediglich aus drei nicht einmal prall gefüllten Ordnern. Andere komplizierte Mordfälle füllten nicht selten bis zu vierzig Ordner. Kein Wunder also, dass die Kommissare des K21 der mageren Ausbeute wegen argwöhnisch wurden. Waren diese Unterlagen tatsächlich vollständig?

Berger verkündete seiner Chefin nicht ohne Stolz, dass er gemeinsam mit Frau Petzold die Akten schon auf Plausibilität und Vollständigkeit überprüft habe. Man habe keine Defizite erkennen können. „Es mangelt höchstens etwas an der Logik der Vorgehensweise in diesem Fall“, übte er leise Kritik an den früheren Ermittlungen.

„Mir kommt das so vor, als habe sich da im Verborgenen ’ne ganze Masse abgespielt, was nie protokolliert wurde. Das ist Kuhdorf-Kriminalistik“, schaltete sich Ramona mit einer ihrer deutlich klareren Aussagen ein.

Marion lächelte zufrieden über den Scharfsinn ihrer jungen Mitarbeiterin. „Genau, Rambo, Sie sprechen aus, was in diesem dubiosen Fall mein größtes Problem zu werden scheint.“

Sie winkte alle ihre Mitarbeiter zu einer Besprechung zu sich heran. „Wir bilden nun folgende Kommissionen: Frau Petzold und Herr Berger, - Sie greifen mit mir den Fall Bruno wieder auf. Die Herren Hoffeld, Laubitz und Kolbe bilden mit mir die Mordkommission Rossili. Sie drei kümmern sich um alle Fakten, die uns noch zu dem Fall geliefert werden, und sie kümmern sich darum, dass sie rasch geliefert werden. Beide Kommissionen sind jedoch nur das organisatorische Aushängeschild nach draußen; konkret arbeiten wir an diesen Fällen gemeinsam, weil ich immer mehr davon ausgehe, dass zwischen denen ohnehin ein Zusammenhang besteht. Sollte sich herausstellen, dass ich mich irre, organisieren wir uns neu. Fragen dazu oder irgendwelche Einwände?“

Es gab keinen Widerspruch. Nur die arbeitseifrige Ramona fragte ungeduldig: „Mit was fangen wir an?“

„Mit dem Naheliegendsten.“ Marion legte die drei Ordner zum Fall Bruno beiseite. „Alle zusammen versuchen wir jetzt, den Tathergang im Fall Rossili zu rekonstruieren, auch wenn noch nicht alle Auswertungen aus dem Labor und von der Rechtsmedizin vorliegen. Also Leute, steigen wir gleich ein. Erstes Merkmal: Einzeltäter oder mehrere Täter?“

Hoffeld, der Marion während ihres Urlaubs vertreten hatte, erklärte, dass man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von einem Einzeltäter auszugehen habe. „Keinerlei Spuren deuten auf mehrere Personen hin. Dummerweise hat diese Türkin Zehra fast den gesamten Teppich im Tatzimmer gründlich abgesaugt, bevor sie den Toten entdeckte. Dadurch sind wertvolle Spuren wie Schuhabdrücke und Faserspuren vernichtet worden. Trotzdem untersuchen die im Labor noch den Staubbeutel auf Mikrofasern und so weiter.“

„Davon erwarte ich nicht allzu viel. Nächster Punkt: Täter oder Täterin?“

„Laut Rechtsmedizin mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Mann. Die ungeheure Wucht des tödlichen Schlages spricht dafür. Obwohl es natürlich auch kräftige Frauen gibt ...“

Marion glaubte dennoch nicht an eine Täterin. „Es ist eine makabre Erfahrung: Mit einem wuchtigen Schlag töten eher kaltblütige Männer. Frauen sind sich im Allgemeinen nie so sicher und hauen lieber mehrmals drauf. Stimmt’s, Rambo?“

„Also, ich hätte bestimmt ein paar Mal draufgeschlagen.“

„Sehr beruhigend. Verlassen wir uns also auf unsere Expertin. Also, ein Mann als Einzeltäter. Wie kam er in die Wohnung? Die Spurensicherung hat keinerlei Gewaltanwendung an Türen und Fenstern feststellen können. Der erste Bericht von K20 geht demnach davon aus, dass Rossili seinen Mörder kannte und freiwillig hereingelassen hat.“

„Einspruch, Euer Ehren! Es kann, aber es muss nicht so gewesen sein“, gab Hoffeld zu bedenken. „Zwar wurden am Schließzylinder keinerlei Beschädigungen gefunden, aber dieser Zylinder ist älterer Bauart, wie ich feststellen konnte. Und das bedeutet, dass man ihn mit einem Schlagschlüssel öffnen kann, ohne Spuren zu hinterlassen. Solche Schlagschlüssel werden heutzutage leider nebst Bedienungsanweisung im Internet angeboten. Da kommt also jeder böse Bube dran. Das Ding sieht wie ein normaler Schlüssel aus, wird ins Schloss eingeführt, und dann muss nur mit wenigen Schlägen - beispielsweise mit einem Stück Holz - auf den Schlüssel geschlagen werden. Dann kann man den Schlüssel ganz normal im Schloss herumdrehen und die Tür öffnen. Fast ein Kinderspiel.“

„Unwahrscheinlich trotzdem“, warf Ramona ein. „Rossili hätte das Geräusch an der Tür hören müssen, falls er nicht gerade den Fernseher oder die Stereo-Anlage auf großer Lautstärke hatte oder einen Kopfhörer trug. Wir haben übrigens keinen gefunden. Der Lautstärkeregler des Verstärkers stand auf einem niedrigen Wert, anders ausgedrückt, - auf Background-bla-bla.“

„Auch das Fehlen jeglicher Kampfspuren scheint mir eher ein Indiz dafür zu sein, dass Rossili dem Mann Einlass gewährte“, meinte Marion. „Okay, die andere Variante behalten wir mit im Auge. Wagen wir jetzt einen ersten Schritt zur Motivsuche. Und dazu gehen wir wie immer die vier Hauptkategorien durch, als da sind: Erstens Bereicherung.“

Berger warf einen kurzen Blick ins Protokoll und berichtete: „Bisher konnte nicht ermittelt werden, dass irgendwelche Wertgegenstände fehlen. Im Gegenteil, einen Briefumschlag mit über achthundert Euro, der leicht zu finden gewesen wäre, ließ der Täter zurück, obwohl er genügend Zeit hatte und obwohl er - nach bisherigen Erkenntnissen - am Tatort nicht gestört wurde.“

„Haken wir also einen Raubmord vorerst ab“, konstatierte die Chefin. „Zweitens wäre Sexualität als nächstes Hauptmotiv zu betrachten. Wenn hier niemand Einwände hat, würde ich das ebenfalls abhaken. Ich hab’ zwar von Spermaspuren an diversen Kleidungsstücken und auch in der Bettwäsche gelesen, allerdings sind die laut Rechtsmedizin älterer Bauart als der Tatabend. Die Spuren sind übrigens vom Opfer, wie das LKA Düsseldorf beim DNA-Abgleich festgestellt hat. Von daher kein Hinweis auf eine homosexuelle Beziehung. Eventuelle heterosexuelle Kontakte werden uns später noch beschäftigen. - Kommen wir zum dritten Hauptmotiv, der Gruppendynamik. Das ist mir am wenigsten wahrscheinlich, denn wir haben es mit einem Einzeltäter zu tun, es gab vor der Tat keine Orgie, kein Saufgelage oder Ähnliches.“

Wieder meldete sich Ramona zu Wort, die gern zum Besten gab, was sie vor nicht allzu langer Zeit auf der Polizeischule gelernt hatte. „Dann bleibt als letztes Hauptmotiv der persönliche Konflikt übrig, ohnehin das häufigste Tatmotiv.“

„Richtig“, pflichtete Marion ihr bei. „Und dazu sagt die Kriminalstatistik, dass sich in weit über achtzig Prozent aller Fälle Täter und Opfer gut kannten. Das wiederum passt zu unser primären Annahme, dass Rossili ahnungslos seinem Mörder öffnete.“

Laubitz war etwas aufgefallen: „Interessant, dass Sie das Wort freiwillig dabei vermeiden. Ich denke mal, mit gutem Grund; denn nehmen wir an, Rossili kennt den Mann, öffnet ihm arglos die Tür und wird sogleich mit einer Waffe oder mit diesem merkwürdigen Brecheisen bedroht. Dann könnte von freiwilligem Einlassgewähren wohl keine Rede mehr sein.“

„Bravo. Es ändert aber zunächst nichts.“ Marion schaute in den vorläufigen Bericht der Spurensicherung. „Den Blutspuren auf dem Teppich nach wurde Rossili unmittelbar vor seinem Schreibtisch im Rollstuhl sitzend von hinten erschlagen. Tatwerkzeug war die schon erwähnte alte Brechstange, die der Mörder nach der Tat auf den Boden warf, ehe er den Rollstuhl ans Fenster schob. Mich interessiert nun: Warum schob er den Rollstuhl mit dem Toten gut vier Meter weg?“

„Höchstwahrscheinlich, damit er bequemer an die Schreibtischlade kam, die offenbar abgeschlossen war und von ihm gewaltsam geöffnet wurde. Entsprechende Holzsplitter wurden auf dem Teppich gesichert.“

„Den Umschlag mit Geld hat er nicht beachtet. Bleibt also die spannende Frage: Was wurde aus der Schublade entwendet?“, meldete sich Kolbe zu Wort.

„Wieso?“, wollte Marion wissen. „Wieso entwendet? Wir dürfen vermuten, dass der Täter irgendetwas anderes außer Geld gesucht hat. Ob er es hier oder woanders in der Wohnung gefunden hat, wissen wir nicht.“

Ramona sprang ihrem Freund Michael Kolbe zur Seite. „Aber das besagte Etwas dürfte tatsächlich in der Schublade gewesen sein; denn es gibt keine Hinweise, dass der Täter sonstwo wild herumgewühlt hat, - außer, dass eine Schranktür offen stand und eine geöffnete Aktentasche im Flur lag.“

„Gut, lassen wir das mal so stehen“, willigte die Chefin ein. „Die zentrale Frage ist ja: Was hat der Täter gesucht? Was hatte für ihn eine so hohe Wichtigkeit, dass er dafür einen Mord beging?“

„Ich dreh’ die Sache mal um“, meldete sich Hoffeld wieder zu Wort. „Ging es dem Täter wirklich nur um das gesuchte Etwas, oder ging es ihm primär darum, Rossili zu töten, aus welchem Grund auch immer. Vielleicht suchte er nach dem Etwas nur deshalb, um damit mögliches Beweismaterial gegen ihn oder Hinweise auf ein Tatmotiv zu beseitigen.“

Marion nickte. „Das kommt meinen Intensionen schon sehr nahe, zumal Sie alle wissen, welch größerer Zusammenhang mir da im Kopf herumschwebt.“

„Da drängt sich der Gedanke einer Erpressung auf“, meinte Berger. „Wen sollte aber der zurückgezogen lebende, an den Rollstuhl gefesselte Rossili erpresst haben? Und womit wohl?“

„Darüber wage ich noch nicht nachzudenken. Aber an Fantasie mangelt es mir in dieser Hinsicht nicht. Und deshalb dränge ich hier auf eine Klärung, um in unserem zweiten Fall nicht von vornherein in die falsche Richtung zu laufen. - Weiter im Text. Was haben die Ermittlungen im Umfeld Rossilis ergeben?“

„Alle üblichen Recherchen und Befragungen haben wir durchgeführt“, berichtete Hoffeld. „Dabei ist nichts Auffälliges zu Tage getreten. Zur Person: gehemmt durch seine Behinderung, kontaktarm, wird als wortkarg und verbittert geschildert. Nachbarn bezeichnen ihn als notorischen Schwarzseher, man vermied wohl deshalb längere Gespräche mit ihm. Begrüßung und ein paar Belanglosigkeiten übers Wetter waren meist die einzige Kommunikation. In letzter Zeit wurden ab und zu Besuche beobachtet. Männliche, zu denen sich niemand an eine verwertbare Einzelheit erinnern kann. Weibliche hingegen wurden mit mehr Interesse - besser gesagt - Neugier registriert. Er habe wohl eine Ausländerin als Freundin gehabt, die ihn regelmäßig besucht habe und die den Nachbarn jetzt höchst verdächtig erscheint, denn bei diesen Ausländern wisse man ja nie ...“

„Typisch“, warf Marion ein. „So flott lösen Nachbarn Kriminalfälle.“

„... und da man ab und zu auch andere Damen beobachtete, die teils dem horizontalen Gewerbe zugeordnet wurden, vermuten die lieben Nachbarn, dass die kleine Türkin Zehra den Mann aus Eifersucht umgebracht hat. Man wisse ja, wie hitzköpfig diese Südländer sind. Na bitte, wer Ausländer ist, braucht keine Feinde. Nur schade, dass solche Vorurteile braver Bürger deren Aussagen insgesamt oft wenig glaubwürdig machen. - Doch nun im Ernst: Da bleibt noch die Geschichte mit dem Laptop.“

„Die kommt später dran“, entschied die Chefin. „Bleiben wir vorerst bei dem Bericht der Spurensicherung. Gibt es irgendetwas Neues zum Tatwerkzeug?“

„Diese alte Brechstange lag gewiss nicht in Rossilis Wohnung herum“, sagte Berger. „Wir dürfen vermuten, dass der Täter sie mitgebracht hat in der Absicht, sie gegen Rossili zu gebrauchen. Der Schlag war laut Gerichtsmedizin so heftig, dass man eine Betäubungsabsicht ausschließt und vielmehr auf gezielte Tötung setzt.“

„Das untermauert Ihre These, Herr Hoffeld, dass der Täter in Tötungsabsicht kam und eventuell belastendes Material verschwinden lassen wollte“, zog Marion eine erste Zwischenbilanz. „Ich glaube, wir sind ein Stück weiter, aber das wollen wir nachher noch verifizieren.“

„Fingerspuren am Tatwerkzeug gab es natürlich keine“, fuhr Berger fort. „Die KT hat festgestellt, dass die Brechstange zuvor sorgsam abgewischt wurde, worauf verriebene Rostspuren hindeuten. Der Täter hat offensichtlich Handschuhe getragen, was die Tötungsabsicht ebenfalls untermauert. Und wenn er bei der Tatwaffe schon so vorsichtig vorgegangen ist, dürfen wir kaum darauf hoffen, dass er anderswo am Tatort Fingerspuren hinterlassen hat. Trotzdem wurden natürlich alle Fingerspuren gesichert.“

„Da hätten wir zum besseren Vergleich bei der Vernehmung von der Zeugin Zehra Fingerabdrücke nehmen sollen“, meldete Kolbe sich mal wieder zu Wort und glaubte anscheinend, damit seine Chefin auf ein kleines Versäumnis aufmerksam gemacht zu haben. Sie verlangte ja stets konstruktive Kritik, und dies war heute sein Beitrag dazu.

Laubitz warf seinem Kollegen einen mitleidsvollen Blick zu, aus dem zu sprechen schien: Junge, du bist recht neu hier. Du kennst deine Chefin deshalb nicht so lange wie wir.

Marion antwortete milde, aber mit leicht ironischem Gesichtsausdruck: „Was meinen Sie, weshalb ich ein so ungemein gastfreundlicher Mensch bin und unserer Zeugin Kaffee spendiere. Und weshalb serviere ich den wohl in einem Becher ohne Henkel? - Rundum herrliche Fingerabdrücke.“

Ramona griff das Stichwort Kaffee auf und wusste damit die Situation zu retten: „Wie wär’s mit einer Pause und einem frischen Kaffee für uns alle?“

„Gute Idee“, stimmte die Chefin zu. „Ich spendiere dazu eine Tüte Kekse. Anschließend schauen wir uns zur Kontrolle nebenan den Rundumfilm vom Tatort an, den das K20 auf meinen Rat hin erstellen ließ. Wir bilden nachher wie gewöhnlich zwei Gruppen.“

„Ich glaube, wir dürfen die Tassen mit Henkel benutzen“, raunte Ramona ihrem Freund zu, dessen Tag das heute nicht so recht zu sein schien. -

Mit einer Spezialkamera war vom Tatort ein Film erstellt worden, der rundum alle Winkel ausleuchtete und Detailvergrößerungen ermöglichte. Den so entstandenen „virtuellen Tatort“ konnten sich die Kommissare bei Bedarf immer wieder ansehen, um auch später zunächst nicht beachtete Details aufzuspüren. Heute diente der Film der Kontrolle dessen, was soeben im K21 erarbeitet worden war.

Dazu pflegte Marion ihre Mitarbeiter in zwei Gruppen aufzuteilen. Die Pro-Gruppe hatte die Aufgabe, am „virtuellen Tatort“ nach allen Fakten zu suchen, die für die gewonnene Theorie sprachen. Entsprechend sollte die Kontra-Gruppe all das sammeln, was dagegen sprach. Anschließend tauschten sich beide Gruppen miteinander aus.

Dabei war es des öfteren zu erregten Diskussionen gekommen, wenn sehr unterschiedliche Beobachtungen bisher unbeteiligter Kollegen aufeinander prallten. Gerade darin sah Marion fruchtbare Anregungen für das unmittelbare weitere Vorgehen bei der Aufklärungsarbeit. Heute allerdings wurde sie insofern enttäuscht; denn den zahlreichen Details der Pro-Gruppe hatte die Kontra-Gruppe nahezu nichts entgegen zu setzen. „Trotzdem“, mahnte die Chefin, „wir bewegen uns immer noch auf dem Feld der Vermutungen, - so fundiert diese auch erscheinen mögen.“

„Die Wahrscheinlichkeit ist eindeutig“, prägte Ramona wieder einen ihrer skurrilen Sprüche. „Ich vermisse übrigens in sämtlichen Protokollen irgendwelche Aussagen über ein Notizbuch, einen Kalender oder so was Ähnliches.“

Laubitz korrigierte seine Kollegin: „Hast du schlecht gelesen, Rambo. Hier auf Seite zwölf steht, dass man nichts dergleichen gefunden hat.“

„Deshalb vermisse ich es ja auch“, konterte sie trocken. „Ist doch fast unmöglich, dass sich der Mann nicht irgendwo Notizen gemacht hat, - es sei denn, seine ganzen Geheimnisse steckten in seinem Laptop.“

„So war ja auch die Beobachtung der Zeugin Zehra“, bestätigte Marion diese Vermutung. „Und sollen wir jetzt noch an einen Zufall glauben, dass die Festplatte mit all den Daten verschwunden ist?“

„Jeder halbwegs normale PC-Nutzer betreibt doch irgendeine Datensicherung“, ergänzte Hoffeld. „Aber nichts dergleichen haben wir gefunden, keine CD, keine DVD, keine Diskette, keinen Datenstick, keine externe Festplatte - nichts. Er könnte seine Daten noch im Internet virtuell abgelegt haben. Ist zwar unwahrscheinlich, doch selbst wenn, - ohne Zugangsdaten kämen wir nicht daran. Keine Chance.“

„Auf seinem Schreibtisch stand doch eine Spindel mit CD- oder DVD-Rohlingen, wie ich eben im Film gesehen habe. Waren die Datenträger alle jungfräulich leer?“, wollte Laubitz wissen.

Hoffeld nickte. „Das wurde natürlich gecheckt. Es waren übrigens DVDs. Sein Laptop verfügt über ein DVD-Laufwerk mit Aufnahmefunktion. Insoweit passt das.“

„Deshalb halte ich es mit meinem christlichen Glauben für vereinbar, anzunehmen, dass Rossili seine Daten auf DVDs sicherte und diese DVDs für den Täter zum Objekt der Begierde wurden. Amen.“ Ramona verschränkte die Arme und verbeugte sich theatralisch.

Marion musste schmunzeln. „Und weshalb wollte er die DVDs haben? Weil er wusste, was darauf war. Und woher wusste er das? Weil er zuvor den Laptop mit der angeblich defekten Festplatte zur Reparatur abgeholt hatte und sich den Inhalt sehr wohl ansehen konnte.“

„Außerdem sind defekte Festplatten von Fachleuten meist noch auslesbar“, ergänzte Hoffeld. „Eine Datenrettung wäre also zumindest teilweise möglich gewesen. Aber nichts dergleichen passierte. Die alte Festplatte wurde nicht mal als Beleg zurückgegeben. Sie wurde offensichtlich unauffindbar vernichtet.“

„Was konnte Rossili also wohl auf seinem Laptop Ungeheures abgespeichert haben, weswegen man ihn umbrachte?“, fragte Kolbe in der Hoffnung, nicht wieder etwas weniger Schlaues geäußert zu haben.

Diesmal sah Marion ihn freundlich lächelnd an. „Ich wage mal die Vermutung, es wird genau das sein, was uns nahtlos zum Fall Bruno überleiten wird. Das heißt nicht, dass damit der Fall Rossili klar ist. Ich habe nämlich noch eine neue Meldung für euch von unserer Kriminaltechnik: Rossilis Handy wurde untersucht. Der interne Speicher wurde gelöscht und die Speicherkarte entfernt. Ich denke, das stützt ein weiteres Mal unsere Theorie.“

Ramona meldete sich sogleich aufgeregt mit einem neuen Gedanken: „Wir könnten doch bei allen Handy-Providern nachforschen, wo Rossili angemeldet war und dann die letzten Anrufe ermitteln. Hier könnte der Täter einen bösen Fehler begangen haben, indem er nicht das ganze Handy mitnahm.“

„Machen Sie das umgehend, Rambo“, sagte Marion. „Die letzten Telefonkontakte Rossilis sind für uns immens wichtig.“

„Knöpfen wir uns nun Ihren alten Freund Bastian Broschowski vor?“ fragte Hoffeld.

Seine Chefin verneinte. „Der läuft uns nicht weg. Und mit dem, was wir bis jetzt in der Hand haben, kriege ich keinen Durchsuchungsbeschluss für seine Wohnung. Außerdem, - so blöd, heißes Beweismaterial bei sich zu Hause aufzubewahren, ist der auch nicht. Es würde also nichts bringen. Wir würden im Fall Bruno nur die Pferde scheu machen.“

„Verstehe“, nickte Ramona, die Kampfsportlerin. „Wir stellen uns ganz dumm, - als gäbe es keinen Zusammenhang zwischen Rossili und Bruno. Geschickte Täuschung und Angriff von der Flanke!“

Begabtes Mädchen, dachte Marion zufrieden.

Zelenka - Trilogie Band 3

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