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Kapitel 8

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21. April 2010. Die Wettergötter hatten am Abend zuvor offensichtlich kein CBS geschaut. Die Sonne strahlte, und es wehte ein sanftes Lüftchen aus Südost.

Bodo, Marco und Ole saßen bereits seit sieben Uhr im Frühstücksraum. Viele Gäste waren zu Angeltouren aufgebrochen. Sie wussten, dass dies momentan eine saublöde Idee war. »Weiß der Teufel, ob wir das die nächsten Jahre hier noch können«, sagten sie im Hinausgehen.

Jetzt waren die drei Männer allein. Marco berichtete, dass die »Deepwater Horizon« noch brannte. Die Löschschiffe hatten mit dem Einsatz begonnen. Riesige Wasserfontänen machten sich gut für einige Flugzeuge mit Foto-Reportern, welche es geschafft hatten, den enggeschnürten Gürtel der Küstenwache zu durchbrechen. Das heiße Flammenmeer zerstäubte das Wasser, noch bevor es seine Wirkung entfalten konnte.

Bodo und Ole waren sich sicher, dass die ersten Ölteppiche in zwei bis drei Tagen an Land schwappen würden. Dann war jede fachkundige Hand gefragt. Es musste dann situativ entschieden werden, wo ihre Hilfe für die Erhaltung und Rettung der Schöpfung am notwendigsten war. Höchstwahrscheinlich würden die ersten Ölschwaden oder Ölteppiche in das hochsensible Mississippi-Delta eindringen.

Marco hatte im Internet recherchiert. Allein die Küstenwache von Louisiana mit dem Headquarter in Grand Isle war für 250 Quadratkilometer Wasserfläche zuständig. Bodo kannte die Amerikaner. In einigen Tagen würde es an der Südküste des Golfs von Mexiko aussehen wie in einem Kriegsgebiet. Amerikaner liebten Materialschlachten. Ob und welche dieser Maßnahmen sinnvoll, hilfreich oder gar kontraproduktiv sein würden, war zunächst einmal zweitrangig. Es war auf alle Fälle gut für die Presse.

Bodo wollte möglichst viele Helfer vor Ort haben, auf die er sich verlassen konnte. Im Laufe der letzten fünfzehn Jahre hatten er, Ole und Marco an vielen Einsätzen auf der ganzen Erde teilgenommen, und hierbei enge Freundschaften geknüpft. In den letzten Jahren wuchs Bodo zu einer akzeptierten, charis­matischen Persönlichkeit heran. Jeder, der von ihm gebeten wurde zu kommen, würde sich dieser Bitte nur dann entziehen, wenn wirklich triftige Gründe dage­gen standen. Für Bodo war es selbstverständlich, dass er für alle Kosten aufkommen würde. Als Achtzehnjähriger hatte er ein riesiges Vermögen geerbt und beschlossen, dieses für den Schutz der Schöpfung einzusetzen. Marco war sein Koordinator und alle kannten Bodos IT-Genie.

Mit seinen beiden engsten Freunden beratschlagte Bodo nun, welche Personen kontaktiert werden sollten. Benötigt wurden Biologen, Ärzte, Sicher­heitskräfte und IT-Spezialisten.

Bodos Instinkt riet ihm, für diesen besonderen Fall vor allem auch furchtlose Männer vor Ort zu haben, denen man sofort ansah, dass diskutieren für sie keine Option war. Für körperliche und seelische Wunden mussten weitere Experten anwesend sein. Alle eingeladenen Aktivisten konnten und sollten neue Helfer mitbringen. Das hatte sich in den letzten Jah­ren bewährt. Nur so erweiterte sich der Kreis zuverlässiger, belastbarer und hochmotivierter Mitstreiter zum Schutze der Schöpfung. Bodo rechnete mit min­destens einhundert Personen, die er zu seiner Gruppe zählen konnte. Viele Umweltorganisationen würden ebenfalls ihre Trommeln rühren. Marco zog sich auf sein Zimmer zurück, um die festgelegten Personen zu kontaktieren. Bodo und Ole besprachen unterdessen strategische und taktische Themen.

Gegen elf Uhr kam Marco in den großen Speiseraum zurück.

»Die meisten Aktivisten und Helfer können erst zum Wochenende hier sein. Fast alle werden kommen.«

Wenige Minuten später tauchte Bradly auf. Dieser 195cm große Mann war nur noch ein Bild des Jammers. Ganz offensichtlich war er in der Nacht auf­gewacht, und hatte eine noch größere Menge Whiskey nachgeschüttet. Seine Augen waren noch glasig, und jeder Schritt schien ihm schwerzufallen. Vor dem Tisch blieb er stehen, und blickte wie ein kleines Kind hilfesuchend die drei Männer an.

Bodo ging auf den armen Burschen zu. Die Augen von Ole verrieten, dass er zum ersten Mal nicht wusste, was jetzt passieren würde. Nachsicht hatte Bradly nicht zu erwarten.

Es ging blitzschnell. Bodo war ein Athlet. Und er hatte eine gefürchtete Rechte. Es war nur ein Schlag. Dieser hob Bradly fast aus den Schuhen. Er tor­kelte rückwärts, wurde von der Wand gebremst, sackte dort in die Knie, und tastete mit der rechten Hand sein Kinn ab.

Mit weit aufgerissenen Augen blickte er Bodo fragend und entsetzt an.

Ole und Marco warteten gespannt, was noch folgen würde.

Bodo beugte sich breitbeinig nach vorn.

»Werde endlich erwachsen«, schrie er.

»Was ist aus dir geworden? Früher warst du ein Mann, ein richtiger Mann. Du warst in der Army. Mensch, du hast viele Auszeichnungen erhalten. Wie oft hast du dem Tod in die Augen geschaut? Und jetzt … sieh dich an! Jetzt bist du ein Waschlappen, ein Weichei. Jetzt bist du dekadent - wie die meisten Typen in diesem schönen, aber versauten Land. Du denkst nur mit deinem Schwanz. Wahrscheinlich hast du bereits die Hälfte deines Gehirns weggesoffen. Vor einigen Tagen habe ich dir gesagt, dass du mit der Sauferei aufhören sollst. Ich kann deine Ent­schuldigungen nicht mehr hören. Und dein weibisches Gewimmere auch nicht mehr. Ab jetzt wird gearbeitet und gekämpft. Gebrauche auch langsam wieder dein Hirn. Wenn es dir schon nicht um die Zukunft unserer Schöpfung geht, so solltest du zumindest um deine eigene Zukunft kämpfen. Wenn du mir Grund gibst, das noch einmal sagen zu müssen, sind wir geschiedene Leute. Dann musst du zurück in die Gosse, wo du vielleicht sogar hingehörst. Dort wirst du dann jämmerlich verrecken. Keiner wird dir helfen.«

Für Sekunden entstand eine beklemmende Stille. Bradly nahm schließlich die Hand von seinem Kinn. Er nickte und machte eine schuldbewusste Miene.

»Du hast ja recht Bodo. Ihr habt euch sicher euren Kopf zerbrochen, während ich noch meinen Rausch ausgeschlafen habe. Ab heute wirst du mit mir zufrieden sein. Ab heute werde ich nichts mehr trinken. Ich schwöre.«

Bodo ging auf Bradly zu. Dieser zuckte zusammen. Er erwartete erneut Prügel. Doch Bodo half ihm lediglich aufzustehen. Für ihn war dies eine wichtige Geste.

»Okay. Ich nehme dich beim Wort«, polterte er barsch.

Bradly wusste, dass Bodo keine weitere Antwort erwartete. Er ging mit gesenktem Kopf zum Frühstückstisch. Während des reichhaltigen Frühstücks kam Bodo gleich zum Thema.

»Wir brauchen zehn Boote, Schöpfer, Plastikfässer, ausreichende Mengen großer Plastiksäcke. Na ja, du weißt ja, worauf es ankommt. Schaffst du das?«, fragte er barsch.

Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern fügte leiser hinzu:

»Wir brauchen noch eine M82, zwei Maschinenpistolen und einige großkalibrige Pistolen. Alle mit Schall­dämpfer. Nur zur absoluten Sicherheit. Sollten wir zu einigen Aktionen ge­zwun­gen sein, dürfen wir keinen Lärm machen.«

Bradly verzog keine Miene. Er hatte Bodo vor einigen Tagen in Aktion ge­sehen. Seitdem wusste er, dass man Bodo um nichts auf der Welt unter­schätzen durfte, was bewaffnete Aktionen anbelangt. Deshalb nickte er nur kurz.

Danach entstand eine fast bedrückende Stille.

Bodo durchbrach diese Stille zuerst.

»Bradly. Welche Gebiete sind aus deiner Sicht besonders schützenswert? Du kennst dich ja hier aus wie in deiner Westentasche.«

Mit einer erleichterten Miene schob Bradly seinen Teller zur Seite.

»Fest steht, dass das Mississippi-Delta das wertvollste Ökosystem im Süden der Vereinigten Staaten ist. Diese Gewässer sind extrem wichtig als Aufzuchtgebiete für Fische und Meerestiere aller Art. Rund 95 Prozent der US-Fischerei im Golf von Mexiko hängen von den Flussarmen und den Sümp­fen des Deltas ab. Es gibt dort unzählige flache Gewässer und ebenso viele kleine Inseln. Das sind ideale Kinderstuben von fast tausend Fisch- und Krus­ten­tierarten und von sehr vielen, zum Teil seltenen Vogelarten. Die Laich- und die Brutzeit hat gerade begonnen. Hohe Verluste würden sich über Jahrzehnte auswirken. Es wird fast unmöglich werden, die Uferbereiche der fein ver­zweigten Wasserläufe im Delta sowie die riesigen Marschen zu säubern. Absolute Priorität hat also, dass das Öl erst gar nicht in diese sensiblen Re­gionen eindringt. Eigentlich wäre es sinnvoll, den Verantwortlichen der Küsten­wache eine Aufgabenteilung vorzuschlagen. Vielleicht sollten wir die zuständigen Stabsstellen davon überzeugen, dass die offi­ziellen Organisationen für das offene Wasser zuständig sind. Alle Umweltor­ganisationen sollten dagegen im Delta, bei den Inselchen und den Marschgebieten zum Einsatz gelangen. Leute, die sich da nicht auskennen, richten mehr Schaden als Nutzen an.«

Alle drei Männer waren erstaunt, wie schnell sich Bradly gefangen hatte und wie flüssig er plötzlich sprach.

»Ich werde mich mit den wichtigsten Umweltorganisationen kurzschließen«, sagte Bodo. »Gleich morgen sollten wir mit der Küstenwache sprechen.«

Bradly hob beide Hände.

»Ich muss dich darauf vorbereiten, dass du mit den hiesigen Leuten von der Coast Guard nicht vernünftig reden kannst. Die sind beratungsresistent, dumm, arrogant und zumindest in dieser Gegend besonders korrupt. Sie haben die Macht und einen unendlichen Rückhalt. Hinter ihnen steht vor allem das von den Ölgesellschaften gekaufte MMS. Und dieser Verein hat wieder Rückhalt durch das Innenministerium. Die amerikanische Politik und die Ölmafia sind, besonders im Süden der Staaten, seit Generationen untrennbar miteinander verbunden.« Er runzelte die Stirn. „Wirst du bei diesem Gespräch eigentlich als Ewald oder als Bodo auftreten?«

»Verdammt gute Frage«, antwortete Bodo. »In diesem Fall muss ich Bodo sein. Als Ewald wäre ich nicht glaubwürdig.«

»Dann wissen die aber, dass Bodo im Lande ist«, warf Marco ein.

Bodo zuckte mit den Schultern. »Ich werde situativ entscheiden, wie ich zu reagieren habe.«

Ole musterte Bodo. Unmerklich. Es ging nicht darum, was Bodo gerade gesagt hatte. Wie er es gesagt hatte, ließ ihn aufhorchen.

Sollte er mit Bodo sprechen? Ihn warnen? Nein, es war nicht seine Aufgabe, Bodo zu korrigieren. Aber ab dieser Sekunde war er auf der Hut.

Jetzt galt es, besonders wachsam zu sein.

»Wir werden in Zukunft kämpfen, wie wir noch nie gekämpft haben. Ungefährlich wird das Ganze mit Sicherheit nicht. Für Menschen, die sich unserer Sache in den Weg stellen, darf es künftig nicht mehr so lustig werden.«

Die drei Männer sahen Bodo wortlos an. Keiner sagte ein Wort.

»Bradly, was hältst du davon, wenn wir sofort aufbrechen?«, fragte Bodo. »Wie wäre es mit folgender Route: Gulf Island National Seashores, Chandeleur Island, Delta National Wildlife Refuge, kurz in die Passe des Mississippi-Deltas, Venice, Bastian Bay, Barataria Bay, Jeffersen Plaquemines, Grand Isle und Port Fourchon. Schaffen wir das bis Samstagvormittag?«

Bradly schnellte aus dem Stuhl.

Seine Augen begannen zu glänzen.

»Eine ganze Menge halte ich davon. Aber zeitlich wird das knapp.« Er ruderte mit den Händen. »Aber jetzt muss ich rasch einige Sachen organisieren.

Bodo lachte.

»Von mir aus kannst du aber noch zu Ende frühstücken.«

»Ach was«, grinste Bradly. »Ich muss sowieso etwas abspecken, hat mir gestern eine hübsche Lady gesagt.«

Marco klopfte Bradly auf die Schulter: »So fängt es an. Zum Schluss bleibt dir nur noch die Rothaarige. Wie hieß sie gleich wieder?«

Vier Stunden später brachte Bradly die Yacht am Strand von Petit Bois vor Anker, eine der sieben Inseln des Gulf Island National Seashore. Die Inseln dieses Nationalparks sind wie natürliche Barrieren der Südküste von Mississippi, Alabama und am westlichsten Zipfel von Florida vorgelagert.

Bradly sprudelte vor Lebensfreude. Als Jugendlicher hatte er oft viele Tage oder Wochen auf diesen Inseln verbracht, welche nur per Boot erreichbar waren. Nirgendwo hatte er später einen weißeren Sand gesehen. Auch heute war der Strand menschenleer. Es gab mittlerweile zwar einige sehr gut ausge­baute Campingplätze und einige ausgewiesene Gebiete, wo wildes Campen erlaubt war. Aber heute konnte man sich dem Reiz der Abgeschiedenheit und Stille nicht entziehen. Dieses Paradies zeichnete sich vor allem durch seine großen Dünen und windzerzausten Kiefern aus.

Langsam tuckerten sie anschließend an Sand Island, East Ship Island, West Ship Island und der kleinen Cat Island vorbei. Bradly erzählte ununterbrochen von seinen Jugenderlebnissen. Auf allen diesen Inseln war er in seiner Jugend mit seinen Freunden gewesen; hatte gebadet, große Fische gefangen, gegrillt und darüber die Zeit vergessen. Alle seine Freunde waren vom gleichen Schlag gewesen. Sie machten sich keine Gedanken, welche Strafen zuhause auf sie warteten. Deshalb blieben sie oft zusätzliche Tage länger. Dann rentierte sich der ganze Spaß.

Doch plötzlich, auf Cat Island, wurde Bradly still.

»Verdammt. So eine Scheiße«, murmelte er leise. »Und das soll jetzt alles klebrig und braun werden. Tote Fische, tote Vögel …«

Er sollte zum Teil recht behalten. Für alle Inseln sollte bereits am 23. Juni ein Bade- und Fangverbot verhängt werden; auch für die Berufsfischer. Der weiße Sand würde zwar nicht durchgehend hässlich braun werden; jedoch voller großer Ölklumpen.

Eine halbe Stunde steuerte Bradly die Yacht südwärts. Erst als sie kurz vor North Chandeleur Islands waren, fand er seine Sprache wieder.

»So, wir sind jetzt hier nicht mehr im Bereich Mississippi. Die Chandeleur Islands sind der östlichste Punkt von Louisiana. Das hier ist der nördlichste Teil der insgesamt sieben Inselgruppen mit einer Länge von neunzig Kilometern. Unmittelbar hinter diesen Inseln in westlicher Richtung befinden sich die Inseln des Breton National Wildlife Refuge. Dieses Gebiet ist unheimlich wichtig als Zugvogel-Station. Manchmal sieht man hier viele Millionen Vögel. Alle Inseln sind seit einem Hurrikan im Jahre 1915 unbewohnt. Im Nationalpark gibt es viele herrliche Wald- und Sumpfgebiete. Ein Märchen für Naturliebhaber und vor allem für Ornithologen.«

»Wie sieht es eigentlich viel weiter westlich aus? Ich denke da an das Gebiet mit den vielen Inselchen vor New Orleans«, unterbrach ihn Bodo.

»Ich habe mir das einmal auf der Landkarte angeschaut.«

»Ja, das wäre natürlich auch äußerst interessant zu sehen«, antwortete Bradly. »Aber das schaffen wir diese Woche nicht mehr. Du meinst bestimmt das Gebiet »St. Bernard« mit den Bay Boudreau, Morgan Harbour und der Eloy Bay. Das ist vor allem ein fast völlig unüberschaubares Reich mit vielen kleinen flachen Inseln; ein Marschgebiet, wie es nur wenige auf dieser Erde gibt. Dort wäre eine Ölkatastrophe besonders fatal. Dieses Gebiet zu säubern, ist schlichtweg unmöglich. Das Öl würde dort über zwei Generationen nicht abge­baut werden. Die Auswirkung auf viele seltene Vogelarten wäre unvorstellbar.«

Als sie die Hauptinsel Chandeleur passiert hatten, bog Bradly rechts in das Breton National Wildlife Refuge ein. Weiter südlich erstreckte sich das Mississippi-Delta mit dem Delta National Wildlife Refuge. Dieses Gebiet wurde in den letzten Jahrzehnten von großen Hurrikanen heimgesucht. Ursprünglich gab es nur eine Breton-Insel. Nach dem Hurrikan Opal 1995 teilte sich diese Insel in zwei Teile auf, und nach dem Hurrikan Georges 1998 entstanden sogar drei Inseln.

Auf der südlichsten Insel ging Bradly vor Anker. Hier wollte er auf der Yacht übernachten. Der Wind wehte von Süden. Es war noch angenehm warm. Die vier Männer machten es sich auf dem Achterdeck bequem. Von dort aus hatten sie einen herrlichen Blick auf die Insel. Die Hochzeitsstimmung von vielen hunderten braunen Pelikanen erfüllte die Luft. Über der Insel waren tausende von unterschiedlichen Vogelarten unterwegs. Die Brutzeit hatte vor einigen Wochen begonnen.

Bradly, der noch am frühen Nachmittag vor Lebensfreude gesprüht hatte, war in sich versunken. Der erste Schock war abgeklungen. Nun begann der bisherige Lebemann, die neue Situation zu verarbeiten. Jetzt erst, ohne seinen gewohnten Alkoholspiegel, wurde ihm das ganze Ausmaß der Katastrophe voll bewusst.

Allen war, als ob sie eine große Uhr ticken hörten. Wenn Bodo die Augen schloss, sah er eine große braune Welle herannahen; begleitet von einem süßlich-modrigen Geruch. Sie hatten nur noch wenige Tage, diese Schönheiten zu genießen. Eine große Unruhe und Traurigkeit schlich sich in alle Glieder und in die Seelen der Männer. Lange Zeit saßen sie und ließen den Abend mit all diesen vielen Vogelstimmen auf sich einwirken. Sie gingen kurz nach Sonnen­untergang in ihre vornehmen Kojen, da sie am darauffolgenden Tag frühzeitig weiterfahren wollten.

Noch vor sieben Uhr saßen sie am nächsten Morgen beim Frühstück. Das Kreischen der Vögel hatte sie aufgeweckt. Bodo war mit dem Beiboot bereits auf die Insel gefahren, um Aufnahmen zu machen. Die braunen Pelikane ließen ihn bis auf wenige Meter heran. Er hatte in der kurzen Zeit hunderte von Aufnahmen gemacht, und dabei entdeckt, dass er sich fast so euphorisch verhielt wie Ewald. Zunehmend konnte er seinen Freund verstehen.

Bradly wollte gegen 7:30 Uhr die Anker lichten. Er hatte angeraten, ein möglichst rasches Frühstück einzunehmen. Bis auf Bodo, der noch von den Impressionen auf der Insel schwelgte, waren Ole, Marco und Bradly einsilbig.

Plötzlich hörten sie von links ein Geräusch, das rasch näherkam.

Bodo und Bradly wussten sofort, dass es sich um einen Reiher oder um einen Pelikan handeln musste. Jetzt sahen sie ihn. Es war ein Brauner Pelikan. Die vier Männer trauten ihren Augen nicht, als der Vogel mit dumpfem Flügelschlag auf dem Geländer der Reling zur Landung ansetzte. Er saß nun da, und blickte die Männer keck und neugierig an.

»Ein Jungvogel?«, fragte Marco leise.

»Nein«, flüsterte Bradly.

»Das ist ein Altvogel. Der hat schon einige Jahre auf dem Buckel. Wenn Pelikane als Jungvogel von den Touristen mit kleinen Fischchen gefüttert wurden, können sie enorm zutraulich sein. In den Fischerhäfen hier haben sich viele Pelikane darauf eingestellt, gefüttert zu werden. Vor allem, wenn sie alt sind.«

Bodo wandte sich an Marco.

»Reich mir meine Kamera von dort drüben. Vorsichtig. Langsam. Keine schnellen Bewegungen.«

Der Pelikan schien keine Eile zu haben. Bodo hatte ausreichend Zeit, die optimalen Kameraeinstellungen vorzunehmen. Er blickte durch den Sucher. In diesem Augenblick hatte er das Gefühl, Ewalds Stimme zu hören.

»Mache zuerst eine Nahaufnahme vom Kopf. Blende 2,8. Konzentriere dich auf die Augen. Die sind am wichtigsten.«

Im Verhältnis zur Kopfgröße hatte der Pelikan kleine Augen; runde Augen. Doch die Iris leuchtete wasserblau. Die Pupille stach dagegen dunkelblau, fast schwarz hervor. Bodo war fasziniert.

»Jetzt den ganzen Vogel«, hörte er Ewald. »Nimm Blende 3,5. Du musst ihn freistellen. Aber die Augen müssen trotzdem scharf herauskommen. Und danach stelle auf Automatik. Geh auf Nummer sicher. Dann bekommst du auch den blauen Himmel mit drauf. Die Sonne hast du im Rücken. Das ist optimal.«

Bodo konnte seinen Jugendfreund von Aufnahme zu Aufnahme besser verstehen.

»Ich war ja einige Zeit im Fernen Osten«, hörte Bodo Bradlys Stimme. »Ein Buddhist hätte jetzt vielleicht gesagt, dass das dort die Seele von deinem Ewald in einer anderen, neuen Gestalt ist. Wer weiß.«

In diesem Moment hob der Pelikan ab, und ruderte mit großen Flügelschlägen auf die Insel zu.

Marco sah Bodos Blick.

»Du hast ihn mit deinem blöden Gequatschte verjagt«, fauchte er Bradly an.

Bodo hatte sich rasch gefangen.

»Das hier war vielleicht ein Zeichen für uns«, flüsterte er nachdenklich. »Es bringt nichts, wenn wir in Depressionen verfallen. Wir brauchen Mut, Zuversicht und Kraft. Schaut euch das hier alles an. Dafür lohnt es sich doch zu kämpfen. Ich für meinen Teil werde allen, die sich uns in den Weg stellen, die Zähne zeigen, und meine Krallen ausfahren.«

Ole musterte Bodo nachdenklich und nickte zustimmend. Diese Art zu denken barg zwar Risiken in sich; aber sie gefiel ihm.

Marco hatte inzwischen im Internet gesurft. »Es gibt keine gravierenden Neuigkeiten. Die Sprecherin der Küstenwache teilt mit, dass es keine Anzeichen eines Austretens von Öl aus dem Bohrloch gibt. Ist das nicht toll?«

»Immer die gleiche Scheiße«, knurrte Ole kauend. »Einlullen, Lügen und nochmals Lügen. Bis die Wirklichkeit uns alle einholt. Da sieht man einmal wieder, für wie bescheuert diese arroganten und überheblichen Schweine den Rest der Welt halten.«

»Deren Rechnung geht doch auf. Die meisten Menschen sind tatsächlich blöde«, sagte Marco kopfschüttelnd. »Die Wenigsten wollen wissen, was auf uns alle zukommt. Sie hoffen lediglich, dass es für sie selbst nicht so schlimm werden wird. Aber es wird schlimmer kommen, als die meisten von ihnen ahnen. Viel schlimmer.«

»Ich habe mich mit meinem Anwalt und väterlichen Freund ausgetauscht«, unterbrach Bodo. »Er hat bereits mit einigen Experten gesprochen. Und diese sind fest davon überzeugt, dass mit Sicherheit zehn Mal mehr Öl austritt, als die uns vormachen. Ganz wichtig ist für diese Gangster das Bundesgesetz; das Clean Water Act. Pro Barrel Öl, welches im Wasser nachweislich auftaucht, muss der Verursacher 1.100 Dollar Strafe bezahlen. Und die Achillesferse ist: Wenn eine grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann, kostet das 4.300 Dollar pro Barrel. Dr. Henninger meint, dass der Konzern alles unternehmen wird, damit nicht so viel Öl sichtbar wird. Und - die wollen vor allem keine negativen und grausamen Bilder; wie bei der »Exxon Valdez« oder anderen Havarien. Bilder sind wie Waffen; wie Dynamit. Bilder können nicht lügen. Wenn die Aktionäre nervös werden, kann das für den Ölkonzern katastrophale Auswirkungen haben. Denen sind doch die Umwelt und die Schönheit der Schöpfung völlig gleichgültig. Nur der Aktienkurs ist wichtig. Was wir brauchen, sind Bilder; schonungslose Aufnahmen.«

Eine Stunde später fuhren sie an der südlichsten Insel Breton Island vorbei in Richtung Süden. In einer halben Stunde, so hatte Bradly versprochen, würden sie das Delta National Wildlife Refuge erreicht haben.

Während der Fahrt stimmte Bradly seine Freunde auf dieses Paradies ein. Seine Augen begannen zu glänzen.

»Dieser größte, wichtigste und älteste Nationalpark im Süden der Vereinig­ten Staaten hat eine Größe von 48 000 Hektar und nimmt damit knapp vierzig Prozent des gesamten Mississippi-Deltas ein. Er ist das wichtigste Überwin­terungs-Refugium, und nur per Boot erreichbar. Wir werden den North Pass nehmen. Das ist einer der sechs großen Flussarme, die durch das Missis­sippi-Delta und in diesen Nationalpark führen, um hier in den Golf zu münden. In diesem Gewirr aus Flussläufen, Inselchen, Sumpfgebieten mit Röhricht­wäldern und Mooren tummeln sich unzählige Fischarten: die seltenen gespren­kelten Forellen, Rotbarsche, Schollen, Welse, Forellenbarsche und sogar Sonnen­barsche. Es ist die Heimat der blauen Krabben, von denen viele Fischer hier leben, und die berühmt sind.« Er lachte. »Und verdammt gut schmecken. In den Mün­dungsgebieten gibt es riesige Austernbänke und große Garnelenvor­kommen. Vor allem nisten und überwintern hier unzählige Vogelarten: Der braune Peli­kan, das Wappentier Louisianas, sehr viele Fischadler, Turmfalken, Kornwei­hen, Rotschwanzbussarde, Truthahngeier, Mönchsgeier, Merlane und weitere Falkenarten sowie unzählige Sumpf- und Watvögel, viele Entenarten und Gänse – und natürlich auch Alligatoren. Dieser Nationalpark ist ein Paradies für Angler, für Tierbeobachtungen und Fotografen«, sagte er, und wandte sich dabei an Bodo.

»Du kommst ganz bestimmt auf deine Kosten.«

Kaum hatten sie den Nationalpark erreicht, tauchte wie aus dem Nichts ein Schnellboot auf.

Es kam rasch näher.

»Das sind die Freunde von der Küstenwache«, knurrte Bradly.

»Bin mal gespannt, was die wollen. Ich kenne einen davon. Er ist ein Riesenarschloch.«

Als das Boot nur noch wenige Meter von der Yacht entfernt war, setzte einer der Uniformierten das Megafon an den Mund.

»Dieses Gebiet ist vorübergehend gesperrt. Verlassen sie umgehend das Schutzgebiet.« Sein Ton war kommandoartig und sollte offensichtlich keine Chance für eine Diskussion zulassen.

Bradly brauchte kein Megafon.

»Was soll der Mist, Emmerson. Du hast doch schon lange meine Yacht erkannt. Ich mache hier meinen Job. Was heißt hier gesperrt?«

Emmerson, der Mann mit dem Megafon, wurde energischer.

»Ich habe meine Anweisungen Bradly. Zieh Leine. Sofort. Ich habe keine Lust, mich zu wiederholen.«

Kurz darauf gab er seinem Kollegen einen Befehl. Der Beamte, der das Boot steuerte, fuhr auf die Yacht zu, und schrammte an der Luvseite entlang. Es knirschte leicht.

Für Bradly war die Yacht sein Heiligtum. Mit puderrotem Kopf griff er nach einer Stange, die auf der Yacht immer griffbereit lag. Emmerson griff nach seinem Revolver. »Ich würde an ihrer Stelle den Revolver stecken lassen.«

Bodos Stimme war nicht laut. Sein Ton war scharf, warnend und unmissverständlich. Sie erinnerte an eine Klapperschlange - kurz vor dem tödlichen Biss.

Ole nahm unvermittelt eine drohende Haltung ein.

Emmerson ließ seine Hand zwar am Revolvergriff, doch seine Augen wurden wachsam. Sie tasteten Bodo und Ole ab. Nein, dachte der Beamte der Küstenwache, die sehen nicht wie die üblichen Touristen aus. Und nein, diese beiden verstehen mit Sicherheit keinen Spaß.

Fast hilfesuchend blickte er zum jungen Kollegen. Doch dieser grinste nur blöde. Er hatte den Ernst der Lage nicht erfasst. Für ihn war Emmerson der Boss, der in der Vergangenheit mit ganz anderen Typen fertig geworden war.

Auch Bodo versuchte, die Lage einzuschätzen.

Er hatte die beiden Beamten von Anfang an, als sie noch relativ weit entfernt waren, genau beobachtet. Wichtig war für ihn, dass keiner dieser Männern Funkverkehr gehabt hatte. Nur diese beiden Beamten kannten die Anwesenheit der Yacht. Bodo taxierte Emmerson: Circa fünfzig Jahre, Größe 175cm, Bauchansatz, alles andere als durchtrainiert. Ein typischer Schreibtischhengst, der in die Jahre gekommen war.

Dessen Kollege war groß, schlaksig, etwa dreißig Jahre alt - und absolut kein Intelligenzbolzen.

Ole hatte sich langsam zwischen Bodo und Bradly postiert. Er versuchte nun, in Bodos Blick zu lesen. Dieser schloss seine Lieder für drei Sekunden und machte kleine, für Außenstehende nicht erkennbare, Kopfbewegungen. Für Ole bedeuten diese, dass diese beiden Uniformierten nicht überleben durften. Sie sagten auch, dass Ole für den schlaksigen Burschen zuständig war.

In diesem Moment machte Emmerson den größten Fehler seines Lebens. Er zog den Revolver. Mit den Worten: »Ich möchte Ihre Papiere sehen«, setzte er an, vom Schnellboot auf die Yacht zu wechseln.

In Bradlys Richtung machte Bodo eine Handbewegung, dass seine Unter­stützung nicht erwünscht war.

Dann ging alles sehr schnell. Bodos gezielter und blitzartiger Handkanten­schlag traf Emmersons Kehlkopf hart. Der Revolver fiel krachend auf die Planken der Yacht und der Getroffene sackte in sich zusammen. Sein Kehlkopf war zerschmettert, und die lebenswichtigen Informationswege zum Gehirn waren zerstört. Emmerson war auf der Stelle tot.

Ole hatte sich blitzartig die lange Stange geschnappt, die Bradly vorhin zu Boden hatte fallen lassen. Diese Stange war mit einem Widerhaken versehen. Und dieser Widerhaken drang nun in den Nacken des Schlaksigen ein. Fast gleichzeitig zog Ole die Stange ruckartig zu sich heran.

Der Beamte landete zwischen Schnellboot und Yacht im Wasser. Der Norweger drückte den Mann lange unter Wasser.

Bradly und Marco standen wie angewurzelt.

Bodo schüttelte insgeheim den Kopf. Es war unerklärlich, wie rasch Bradlys Reflexe in den letzten Jahren degenerierten. Erst jetzt hatte dieser sich aus der Erstarrung befreit.

»Bist du blöd?«, fuhr er Bodo an.

»Ich habe dir doch gestern gesagt, dass du künftig etwas rascher und gründlicher nachdenken solltest, bevor du dein Maul aufmachst«, knurrte der Hüne aus Deutschland wütend. »Was hätten wir deiner Meinung nach unternehmen sollen? Marco, Ole und ich existieren in den Staaten offiziell doch gar nicht. Die hätten uns sofort kassiert, und in den Knast gesteckt. Spätestens morgen würde das FBI auch bei dir auf der Matte stehen. Hast du Lust, wieder in Little Guantanamo zu landen? Das hier ist ein Ausnahmezustand. Das hier ist eine Art Krieg. Kapier das doch endlich, du dummes Schwein.«

»Bodo hat recht«, sagte Marco ruhig.

»Was glaubst du, warum die Staatsmacht anfängt, alle sensiblen Gebiete hier zu sperren.«

»Wohin verfrachten wir diese Burschen?«, blaffte Bodo Bradly an.

Der dekadente Südstaatler schien den Ernst der Lage immer noch nicht erfasst zu haben. Jetzt stierte er zu Ole hinüber, der demonstrativ an den kleinen Verzierungen links und rechts der Gürtelschnalle nestelte. Bradlys Adrenalin­spiegel schoss blitzartig durch die vom Alkohol verengten Gehirnwindungen.

»Einige hundert Meter weiter ist ein Sumpfgebiet«, stammelte er. »Wenn wir die Kerle etwas beschweren, sind sie rasch verschwunden. Dorthin traut sich mit Sicherheit niemand.«

»Auch das Schnellboot muss verschwinden«, sagte Bodo knapp.

»Für das Boot weiß ich eine gute Stelle«, sagte Bradly mit zittriger Stimme.

Zwanzig Minuten später waren alle Spuren verwischt. Die toten Beamten hatte das Moor geschluckt.

Ole hatte zuvor die Leichen untersucht. Sie hatten keine Chips bei sich, durch die man sie hätte orten können. Uhren und Handys steckte er ein. Er würde diese sicherheitshalber später auf See entsorgen.

Anschließend nahm Bradly das Schnellboot in Schlepptau und zog es weiter den Flusslauf hinauf. Er wusste, wo sich eine Untiefe befand. Dort musste es mindestens zehn Meter tief sein. Experten gingen davon aus, dass in diesem überdimensionalen Gumpen der Schlamm drei Meter mächtig war.

Ole brachte knapp unterhalb des Wasserspiegels zwei kleinere Sprengkörper mit Zeitzün­der an. Diese würden in fünfzehn Minuten detonieren, und das Boot rasch sinken lassen. Das Boot durfte dabei unter keinen Umständen explodieren. Alle beweglichen Gegenstände wurden in die Kajüte verfrachtet, damit nichts an die Oberfläche gelangen konnte.

Als sie den North Pass gerade verlassen hatten, und sich wieder im Golf von Mexiko befanden, hörten sie zwei kleinere Detonationen. Sie klangen aus der Ferne fast wie Schüsse aus einer Schrotflinte; nur dumpfer. Das kam trotz Schonzeit schon einmal vor in diesem abgelegenen Gebiet.

Bodo hielt es für sinnvoll, nach Biloxi zurückzufahren. Bradlys Yacht würde in Venice sicher auffallen. Das musste unter den gegebenen Umständen vermie­den werden. Spätestens heute Spätnachmittag und am Abend musste Bradly dadurch auffallen, wieder einmal zu tief in die Flasche geschaut zu haben. Bodo, Ole und Marco waren am Vormittag mit ihm auf einer Angeltour gewesen.

Während Marco das Steuer übernahm, kramte Bradly einige Angelruten hervor.

Kurze Zeit später war für jedermann erkennbar, dass die kleine Mannschaft von einer Angel-Safari zurückkehrte.

Das schnittige und mondäne Boot nahm Fahrt auf. Um 16:00 Uhr fuhren sie in den Yachthafen von Biloxi ein.

Die Schramme an der Yacht war zwei Meter lang und nicht tief. Der Inhaber von »let’s go« hatte noch Ersatzfarbe auf Lager.

Noch vor Sonnenaufgang würde er eventuelle Rückstände abschleifen und frische Farbe aufbringen. Bis dahin sollte sich der Weiberheld seiner Passion widmen, und möglichst oft gesehen werden.

Bodo und seine Begleiter würden sich ins Hotel zurückziehen; aber auch dort gesehen werden; den einen oder anderen kurzen Plausch mit Hotelgästen führen.

Im Hotel angekommen, mussten sie keinen Grund konstruieren. Einige Gäste diskutierten aufgeregt. Die Deepwater Horizon war heute Vormittag um 10:22 Uhr gesunken. Bodo gab sich bewusst unbedarft.

»Die werden das schon in den Griff bekommen. Bis an die Küste wird das Öl ganz bestimmt nicht kommen«, beschwichtigte er die Hitzköpfe. Bei der Gruppe handelte es sich um Sporttaucher, die von den herrlichen Unterwasser-Regionen schwärmten.

»Wie kann man nur so bescheuert sein«, fauchte einer der Taucher. »Was meinen sie, was passiert, wenn der Wind dreht oder gar Stürme aufkommen. Dann ist in der Küstennähe alles tot.« Er musterte den Hünen von oben bis unten, winkte mit seiner rechten Hand zornig.

»Solche dummen Säcke sollte man im Ölschlamm ersäufen«, grunzte er wütend.

»Was sollte das gerade«, sagte Marco lachend, als sie gemeinsam in das Obergeschoss gingen. »Und warum grinst du eigentlich so bescheuert? Die haben dich jetzt wirklich für völlig unterbelichtet gehalten.«

»Jetzt können sich diese Burschen mit Sicherheit an uns Dummköpfe erinnern.« Bodo zuckte mit den Schultern. »Hat doch prima funktioniert.«

Er hakte sich bei Marco unter. »Du bist heute ganz schlecht drauf.« Er wandte sich an Ole, der leichtfüßig voranging.

»Du wirst doch nachher sicher­lich noch etwas trainieren wollen?«

Ole nickte kurz. Bodo hakte sich mit dem zweiten Arm bei Ole ein.

»Gut, dann wird dich Marco begleiten. Der rostet sonst hinter seinem Laptop ein.«

Er schnaufte tief durch.

»Und wenn es darauf ankommt, könnte sich der Bursche noch nicht einmal selbst verteidigen.«

Marco löste sich ruckartig.

»Einen Teufel werde ich«, polterte er. »Es müssen doch nicht alle solche Muskelprotze sein wie ihr. Meine Muskeln sitzen hier oben.« Dabei zeigte er mit dem Zeigefinger auf seine rechte Schläfe.

Bodo zog Marco wieder an sich.

»Nichts da. Ende der Diskussion. Ab heute wirst auch du etwas für deine Kondition tun. Und wenn wir wieder zuhause sind, ist Ole dein Lehrmeister im Umgang mit Waffen. Zumindest die Grundregeln wird er dir beibringen. Haben wir uns verstanden?«

Es waren nicht die Worte Bodos allein, die Marco erstarren ließen. Es war vor allem sein Blick.

Die beiden Männer wussten, dass dies nicht als Bitte einzustufen war.

Bodos zornige Seele

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