Читать книгу Bodos zornige Seele - Kurt Pachl - Страница 7
Kapitel 5
ОглавлениеBereits fünf Minuten später legte die Yacht mit den vier Männern ab. Im Golf von Maine war es deutlich wärmer, als an der Nordspitze von Neufundland. Vor allem Marco und Ole begutachteten das noble Gefährt. Ursprünglich war es eine deutsche Yacht; Baujahr 1993, weiß, und trotz einer Länge von knapp über 20 Meter sehr schnittig. Sie hatte eine Breite von 5,60 Metern, zwei Dieselmotoren mit 1150 PS und vier Kabinen. Genau genommen war die Yacht ein Geschenk Bodos an seinen Freund Bradly gewesen; gedacht als Startkapital für sein neues Leben. Der Mann aus Biloxi hing damals, wie so oft in seinem Leben, wieder einmal in den Seilen.
Bradly war als Sohn eines Ingenieurs in Biloxi am Golf von Mexiko aufgewachsen. In seiner frühen Jugend entpuppte er sich als abenteuerlustiger und zäher Draufgänger, der den Großteil seiner Freizeit nicht hinter den Büchern, sondern in den Wäldern des De Soto National Forest und am Black Creek verbrachte. Mit zweiundzwanzig sah er keinen Sinn mehr darin, das Studium zum Ingenieur zu beenden. Bei den Eco Warriors lernte er Bodo und Marco kennen. Während die meisten Eco Warriors-Krieger vom FBI gefangen genommen wurden, war Bradly zunächst fest davon überzeugt gewesen, durch das Netz des FBI geschlüpft zu sein. Das stellte sich rasch als ein tragischer Irrtum heraus. Ein Mitarbeiter des FBI, er hieß Matt Craig, eröffnete ihm zwei Alternativen: »Entweder du folgst deinen »Kriegern« und schmorst einige Jahre im Knast. Und das wird alles andere als ein Spaß. Oder du verpflichtest dich für fünf Jahre, deinem Land in der Army zu dienen«, sagte er damals. Bradly war 195 cm groß, muskulös, breitschultrig, mit einem Stiernacken und langen Haaren. Die Ausbildung bei einer Spezialeinheit war die Hölle. Er wurde in vielen Waffenbereichen sowie zum Sprengstoff-Experten ausgebildet, nahm an vielen Einsätzen teil, erhielt viele Auszeichnungen und verlor eine Niere. Am Schluss dieser Karriere wurde er wegen Rauschgiftkonsum und Rauschgifthandel unehrenhaft entlassen. In einem großen Yachtclub fand er Unterschlupf. Diese schöne Zeit ging rasch zu Ende, als er zu viele Frauen von einflussreichen Clubmitgliedern beglückt hatte. Alisha Caldwell, ebenfalls ein Eco-Warriors-Mitglied, war damals mehr Glück beschieden. Ihr gelang es tatsächlich, sich heimlich abzusetzen. Sie, die IT-Expertin, stand mit Marco in Verbindung, nachdem dieser wieder in Deutschland angekommen war. Auf diesem Umweg gelangte das Schicksal Bradlys an Bodos Ohr. Er schenkte Bradly die Yacht und das Startkapital. Das Unternehmen von Bradly konzentrierte sich in Biloxi auf Angeltouren, Tauch- und Naturexkursionen im Golf von Mexiko sowie im Hinterland vom Mississippi.
Jetzt, im Frühlingswind und im Golf von Maine, freute sich Bradly auf die vielen Frauen, die auf ihn warteten. Dank der starken Motoren kamen sie gut voran. Auf hoher
See zu ankern war zu dieser Jahreszeit nicht ratsam.
Deshalb ging Bradly in einer geschützten Bucht nahe Cape Elisabeth gegen Abend vor Anker. Sie waren noch zu weit nördlich und Bodo hielt es nicht für angebracht, an Land zu gehen. Der Yachteigner hatte sich gut eingedeckt, so dass sie im Extremfall für gut eine Woche autark gewesen wären. Jetzt, nach so vielen Aufregungen, brauchte Bradly seinen Whiskey, möglichst viel Whiskey. Er hatte zwar dem Rauschgift abgeschworen, dafür fand er umso mehr Gefallen an Frauen und dem Alkohol.
Die Männer waren hungrig. Heute Morgen hatte es nur eine Tasse Kaffee gegeben. Ole war der Koch, der Smutje. Seine Mutter war eine begnadete Köchin, und Ole hatte ihr oft über die Schulter geschaut.
Gestern Abend hatten sie noch in der Kajüte des Kutters gesessen; sieben Mann auf engstem Raum, und draußen pfiff der Wind. Und heute Abend machten sie es sich auf dem großen Achterdeck einer Zwanzigmeter-Yacht zu viert gemütlich. In der geschützten Bucht wehte ein Lüftchen, welches den Frühling ahnen ließ.
Hinter der Crescent Beach dehnte sich ein großer, dicht bewaldeter Naturpark aus; mit einem Felsenmeer davor. Im Osten erstreckte sich der Atlantische Ozean. Ein großer, rotgelber Sonnenball berührte gerade den Horizont und tauchte die Wasserfläche in viele Rot-, Gelb- und Brauntöne; dazwischen das Dunkelblau des Wassers und das helle Glitzern der leichten Schaumkronen.
Bradly und Ole verschwendeten keinen Gedanken mehr über die Vorgänge von heute Vormittag. Sie hatten oft Szenen dieser Art erlebt, und waren ebenso oft dem Tode knapp entronnen. Für beide war es lediglich ein wahnsinnig guter und reibungsloser Einsatz gewesen. Mehr nicht.
Entgegen Bodos Gepflogenheiten gönnte er sich am Abend einen Whiskey. Sogar Marco, der dem Alkohol noch nie hatte etwas abgewinnen können, ließ sich ausnahmsweise ein großes Glas einschenken. Lediglich Ole blieb bei seiner Cola. Alkohol war für ihn tabu. Sein Vater hatte sich totgesoffen. Das reichte. Unabhängig davon hatte er geschworen, über Bodo zu wachen. Wie ein Wolf witterte er, dass sein Freund litt und zweifelte. Deshalb litt auch er. Ole grübelte, wie er Bodo in dieser Situation helfen konnte. Warum um alles in der Welt litt er. Schließlich war es seine Entscheidung gewesen, diese Brut in die Hölle zu schicken.
Bradly war im Unterdeck verschwunden, und tauchte mit einer neuen Flasche Whiskey wieder auf. Im Schein der spärlichen Beleuchtung glänzten seine Augen bereits glasig. Trotzdem hatte er immer noch einen erstaunlich aufrechten Gang.
»Deine Schüsse waren toll«, lallte der Mann aus Biloxi und klopfte Bodo unsanft auf die Schulter.
»He, das glaubt dir kein Schwein, dass du nicht in der Army warst.«
Bodo verzog keine Miene.
Obwohl der Whiskey Marco bereits leicht zugesetzt hatte, musterte er Bradly abschätzig und angeekelt.
Ole begann schlagartig die Haltung einer Katze einzunehmen; kurz bevor sie sich auf eine Maus stürzt.
Bradly, der mehr als eine halbe Flasche Whiskey in sich hineingeschüttet hatte, goss sich nun ein neues Glas nach; randvoll. Schwungvoll hob er das Glas, wobei sich ein Teil des Inhalts auf den Boden der Yacht ergoss.
»Auf dich Bodo«. Er machte eine kurze Pause.
»Aber mussten gleich alle sechs Kerle dran glauben? Von irgendetwas müssen die ja schließlich leben, wenn der Kabeljau dort oben alle ist.«
Er nahm einen weiteren kräftigen Schluck, und fügte leise, als spräche er jetzt nur noch mit sich, hinzu: »Aber was solls. Futsch ist futsch.«
Bodo blickte den Betrunkenen mit dem Ausdruck großen Erstaunens an. Leise erhob er sich, um wortlos unter Deck zu gehen.
»Du dekadentes, dummes Schwein«, fauchte Marco und goss Bradly sein halbvolles Glas
ins Gesicht. Er wartete nicht auf eine Reaktion und folgte Bodo in das Unterdeck. Bradly wischte sich die Flüssigkeit aus dem Gesicht und lispelte:
»Was für eine Verschwendung.«
Ole erhob sich langsam aus seinem luxuriösen Stuhl und ging an die Reling. Er blickte lange in die Dunkelheit und dachte an Nuncio.
Vor einem Jahr hatte Bodo Ole vorgeschlagen, zu Nuncio in die Toskana zu fahren. Ihn hatten sie bereits bei einigen Einsätzen kennen gelernt. Dieser würde dann mit ihm zu Umberto in die Abruzzen fahren, um dort einige Wochen zu verbringen. Widerwillig war Ole damals Bodos Ratschlag gefolgt. Doch bereits am ersten Tag wurde er von dessen Weitsicht überrascht.
Hoch oben in den Abruzzen, unweit eines riesigen Nationalparks, hatte Umberto gehaust. Zumindest dachte Ole dies anfangs. Doch bereits am zweiten Tag fühlte er sich wie zuhause; ein bisschen wie in den Fjorden und Wäldern Norwegens.
Umberto war mindestens genau so wild wie die Natur, in der er wohnte. Man sah ihn erst, wenn er neben einem stand. Nuncio, der bei Umberto in die Lehre gegangen war, um sich zu einem Meister der Garrotte ausbilden zu lassen, erzählte Ole später die Geschichte von Umberto:
Weltweit kannte man das Musikstück Il Silencio; das ursprüngliche »Signal zur Nachtruhe« durch den Stabstrompeter Oliver Willxoc Norton, welches von Nino Rosso, zu einer erfolgreichen Lied-Parodie leicht abgewandelt, zum Welterfolg wurde. Doch in den Bergen Italiens war mit diesem Namen eine völlig andere Bedeutung verbunden.
Sie alle kannten Umberto de Cosmo nicht persönlich. Er kam aus Longobucco, nordöstlich von Consenza in Süditalien. Als Strafe, dass er vor der Mafia nach Deutschland geflohen war, hatte die Mafia seine gesamte Familie ausgelöscht.
Umberto verdingte sich viele Jahre im Nationalpark del Polino als Holzfäller. Immer in der Nacht schlich er sich nach Consenza. Im Laufe von fünfzehn Jahren brachte er die gesamt Mafia-Clique um; dreißig Männer - einen nach dem anderen; immer in der Nacht - und immer mit einem Messer oder der Garotte. Weil ihn, bis auf eine einzige Ausnahme, niemand gesehen hatte, und er immer geräuschlos zu Werke gegangen war, erhielt er den Namen »Il Silencio«; der Mann, der seine Gegner leise zur Nachtruhe brachte. Nur ein einziges Mal wurde er schwer angeschossen. Es war Nuncio, der ihn gefunden und gesund gepflegt hatte. Seitdem waren sie enge Freunde.
Nach einer Woche hatte Ole das Gefühl, mit Zwillingsbrüdern durch die Schönheiten dieser Landschaft zu streifen. Die drei Wochen vergingen wie im Flug. Während dieser Zeit hatte er viel von Umberto und vor allem von Nuncio gelernt. Begeistert war er, wie diese beiden Männer mit der »Garrotte« umzugehen wussten; ein beliebtes Mordinstrument der Mafia.
Nur Bradlys Yacht ankerte in dieser Bucht. Die Nacht war inzwischen hereingebrochen. Die Luft war klar, und hier draußen waren weitaus mehr Sterne zu sehen als in den Städten. Aus dem nahen Naturpark drangen viele Geräusche herüber. Lediglich auf dem Achterdeck hatte Bradly eine kleine Notbeleuchtung angelassen.
Unter normalen Umständen hätte Ole eine Zeitlang dem Konzert aus den nahen Wäldern gelauscht, welches ihn an die Fjorde in Norwegen erinnerte. Er konzentrierte sich auf eine Aufgabe, die er sich selbst gestellt hatte, und tastete nach seinem Gürtel. Rechts und links der Gürtelschnalle waren seltsame, halbrunde Verzierungen angebracht. Diese löste er nun vorsichtig. Im Halbdunkel blitzte eine Drahtschlinge auf.
Die Verzierungen links und rechts der Schlinge klemmte er nun zwischen Mittelfinger und Zeigefinger seiner beiden Hände.
Und dann ging alles rasch. Blitzschnell warf Ole die Garrotte von hinten über Bradlys Kopf.
Mit den Verzierungen zwischen den beiden Händen zog er rasch zu; das dünne Drahtseil schnitt in Bradlys Hals. Das halbvolle Whiskyglas entglitt dessen Hand und krachte auf den teuren Holzboden der Yacht. Trotz seines Alkoholspiegels war der Südstaatler plötzlich hellwach. Er versuchte unwillkürlich, nach unten wegzurutschen.
»Lass‘ das«, zischte Ole.
Bradly hatte seine Situation blitzartig erkannt, und rutschte wieder leicht nach oben. Er versuchte nun, seine beiden Daumen unter die Drahtschlinge zu schieben.
Ole zog die Schlinge ruckartig fester. Nun führte er seinen Mund an Bradlys rechtes Ohr.
»Ich lasse dich leben. Aber nur, weil du mit Bodo befreundet bist. Du bist dumm. Du bist dekadent. Und du hast vor allem keinen Respekt. Morgen wirst du dich bei Bodo entschuldigen. Haben wir uns verstanden?«
Bradly nickte einige Male hastig.
Die Schlinge lockerte sich leicht.
»Du wirst Bodo künftig respektieren.« Oles Ton war hart, kalt und befehlend.
»Hhjaa«, röchelte Bradly fast unhörbar und nickte wieder hastig.
Die Schlinge öffnete sich, und Ole zog die Garrotte über Bradlys Kopf zurück.
Der Trinkfreudige aus Biloxi griff blitzartig an seinen Hals und tastete diesen ab. Er wagte fast nicht zu atmen oder gar sich umzudrehen. Er lauschte angestrengt in die Nacht – einige Minuten; viele weitere Minuten. Er wusste nicht wie lange. Schließlich versuchte er, sich aufzurichten.
Als er endlich mit wackeligen Beinen stand, und die kühle Nachtluft tief einsaugte, bemerkte er, dass er allein an Deck war. Er war hellwach und stellte erschüttert fest, dass die Innenseiten seiner Hose nass waren. Die Nachtluft vermischte sich zudem mit einem penetranten Gestank.
Es war bereits gegen acht Uhr früh.
Bodo, Ole und Marco saßen auf dem Achterdeck, welches knapp zwanzig Quadratmeter einnahm.
Die Sonne hatte über dem Atlantik bereits den Horizont verlassen, und begann den leichten Nebelschleier, der über einem Sumpfgebiet im Westen der Insel waberte, aufzulösen. Die Möwen lärmten, und etwa zweihundert Meter vom Ufer entfernt jagte eine Schule Delphine.
Die drei Männer unterhielten sich über die heutige Route sowie über die weiteren Etappen bis in den Golf von Mexiko.
Marco hatte die Nachrichten gehört, und im Internet gesurft. Es gab noch keine Verlautbarungen aus Neufundland. Das war irritierend. Er wollte gerade weitere Ausführungen machen, als Bradlys Kopf aus dem Unterdeck auftauchte.
Instinktiv hielt Marco inne. Irgendetwas stimmte hier nicht. Irgendetwas war anders als sonst. Normalerweise stolperte dieser Bursche mitten in ein Gespräch und begann wie ein Wasserfall drauflos zu plappern. Stattdessen steckte er nun den Kopf vorsichtig an Deck; wie ein geprügeltes Kind, welches vorsichtig schaute, ob die Luft rein ist.
»Na, hast du deinen Rausch ausgeschlafen«, sagte Marco forsch und leicht vorwurfsvoll. Für Bradly war es wohl ein Zeichen, dass er sich trauen konnte, das Deck zu betreten. Langsam schlurfte er auf den Frühstückstisch zu. Er senkte dabei fast demutsvoll seinen Kopf.
Vor Bodo ließ er sich plötzlich auf die Knie fallen. Er nahm Bodos rechte Hand, um diese auf seinen Kopf zu legen.
»Verzeih‘ mir Bodo. Ich bin ein seltendummer Idiot«, sagte er leise und fast flehend.
Bodo erhob sich, und half Bradly aufzustehen. Dabei streifte sein Blick dessen Hals. Nur für den Bruchteil einer Sekunde zuckte er zusammen. Und im Bruchteil dieser Sekunde erkannte er Oles Handschrift. Er legte seine beiden Hände auf Bradlys Schulter, sah ihm in die Augen und sagte laut:
»Hör auf zu saufen. Du hast doch nur noch eine Niere. Da, schau hinaus. Ist sie nicht schön, diese Schöpfung? Ewald kann sie nicht mehr sehen. Er kann diese Schönheiten nicht mehr fotografieren. Für dich hätte ich vielleicht das Gleiche getan, wie für Ewald. Das verstehe ich unter Freundschaft.«
Bradly blickte schuldbewusst auf die Planken der Yacht.
»Ich weiß. Entschuldige noch einmal Bodo. Bitte«, sagte er leise.
Bodo schob Bradly nun unsanft von sich. »Du musst jetzt frühstücken. Schließlich brauchst du Kraft für deine vielen Weiber.«
Bradly wischte sich eine Träne mit dem Handrücken fort.
»Hier unten gibt es aber auch rassige Weiber«, sagte er lachend.
»Da muss sich Gott doch etwas dabei gedacht haben.« Er zuckte mit den Schultern. »Was soll ich künftig machen? Wenn ich jetzt nicht mehr so viel trinken darf, brauche ich doppelt so viele Frauen.«
Alle Männer lachten. Auch Ole. Er ging auf Bradly zu, um ihm die Hand zu reichen.
»Bodo wünscht sicher, dass wir Freunde bleiben.« Erst jetzt sah Marco die dünne Wunde an Bradlys Hals. Der Saufbold hätte mit Sicherheit kein so breites Grinsen aufgesetzt, hätte er gewusst, dass ihm fünf Tage später mit Sicherheit nicht der Sinn nach Frauen stehen würde.
Am 15. April 2010 ging um 14:38 Uhr ein Telefonat bei der Royal Canadian Mounted Police in Ottawa ein Telefonat ein. In der Außenstelle in St. Anthony hatte die besorgte Familie eines Robbenjägers gemeldet, dass man seit einigen Stunden keinen Kontakt zum Kutter in der Hare Bay herstellen konnte. Das war äußerst ungewöhnlich.
Vorsorglich hatte der Staff Sergeant die Meldung an ein Suchflugzeug weitergeleitet. Das Flugzeug hatte den Kutter rasch gefunden, und bei einem Tiefflug die Leichen der sechs Robbenjäger ausfindig gemacht. Die Antwort des Commissioners war knapp und unmissverständlich:
»Niemand betritt den Tatort. Die Angehörigen noch nicht benachrichtigen. Wir kommen unverzüglich. Umgebung weiträumig im Auge behalten.«
Um 14:58 kreiste der erste Hubschrauber über dem Tatort. Zwei weitere Helikopter suchten das Gebiet weiträumig ab. Um 15:02 meldete ein Pilot eine Rauchsäule. Am Ufer der Seal Bay brannte ein Kutter, und war gerade dabei, auf den Grund des Hafenbeckens zu sinken. Die Crew des Hubschraubers erhielt die Anweisung, in unmittelbarer Nähe zu landen, weitere Mitteilungen zu machen und alles abzusperren. Die beiden anderen Hubschrauber landeten in größerem Abstand links und rechts der toten Robbenjäger. Nach einigen hektischen Telefonaten erging die Information an den Staff Sergeanten in St. Anthony: Die Familien der Robbenjäger sollten benachrichtigt werden, dass die Jäger einen tragischen Unfall erlitten hatten, und ertrunken seien. Sobald man die Leichen bergen konnte, würden diese nach Ottawa gebracht. Im Übrigen herrscht absolute Nachrichtensperre. Er, der Staff Sergeant, haftete dafür, dass keine anderweitigen Informationen nach außen dringen konnten.
Am darauffolgenden Tag, um 8:30 Uhr, herrschte Alarmstimmung im Hauptquartier der RCMP, der Bundespolizei, in Ottawa. Anwesend waren Experten der CSIS, der Canadian Security Intelligence Service. Abkommandiert wurden zwei Experten der CSEC, dem Communication Security Establishment Canada, welches dem Verteidigungsministerium unterstand, und eng mit der kanadischen und amerikanischen NSA zusammenarbeitete. Gekommen war der Leiter des kanadischen Fischereiministeriums. Von dem Hausherrn der RCMP saßen der Commissioner und eine IT-Expertin am Tisch. Alle vier Organisationen hatten ihre Zentrale in Ottawa. Zusätzlich war ein Mitarbeiter der Sûreté du Quebéc eingeflogen, da Quebec und Ontario eigenständig waren, bzw. nicht zur RCMP zählte. Das Innenministerium hatte einen Fachmann gesandt und angeregt, dass zwei Mitarbeiter des FBI aus den Staaten hinzustoßen sollten. Ein älterer Mann und eine jüngere Frau des FBI hatten sich verspätet, und wollten gegen 8:45 Uhr eintreffen. Diese Beamten hatten gestern darauf bestanden, den Tatort und die Leichen ebenfalls in Augenschein zu nehmen.